Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. April 2006
Aktenzeichen: 24 W (pat) 113/04

(BPatG: Beschluss v. 04.04.2006, Az.: 24 W (pat) 113/04)

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 23. März 2004 aufgehoben, soweit wegen des Widerspruchs aus der Marke 395 08 324 die Löschung der Marke 398 71 463 angeordnet worden ist.

Der Widerspruch aus der Marke 395 08 324 wird insoweit zurückgewiesen.

II. Hinsichtlich des weiteren Widerspruchs aus der Marke 396 29 404 ist der genannte Beschluss der Markenstelle wirkungslos.

Gründe

I.

Die nachfolgend dargestellte Wort-Bildmarke Wort-Bildmarkeist für die Waren

"Klasse 3: Kosmetika Klasse 5: nichtmedizinische Nahrungsergänzungsprodukte in Form von Tabletten, Brausetabletten, Pulver, flüssiger Lösung, Trinkampullen, Dragees, Kapseln, Kaubonbons, Granulat und Pulver, hauptsächlich enthaltend Mineralstoffe, Vitamine und Spurenelemente Klasse 9: auf Datenträger gespeicherte Software"

unter der Nummer 398 71 463 im Markenregister eingetragen.

Gegen die Eintragung hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für u. a. die Waren

"Klasse 5: Orale pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie orale Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Nahrungsergänzungsmittel (soweit in Klasse 5 enthalten);

Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Zuckerwaren, Bonbons, Dragees, Kautabletten, Kaugummi; Nahrungsergänzungsmittel (soweit in Kl. 30 enthalten), Mehle und Getreidepräparate, Ballaststoffpräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe und Hefepräparate; Salz, Senf; Essig, Soßen (Würzmittel); Gewürze"

im Markenregister unter der Nummer 395 08 324 eingetragenen Wortmarke VIT-H-MIN gestützt auf die genannten Warensowie der Inhaber der unter der Nummer 396 29 404 für Waren der Klassen 3 und 5 eingetragenen Wortmarke VIT-K-MIN Widerspruch erhoben.

Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts, besetzt mit einem Beamten des gehobenen Dienstes, hat mit Beschluss vom 23. März 2004 die teilweise Löschung der angegriffenen Marke für die Waren der Klassen 3 und 5 wegen der Widersprüche aus beiden Widerspruchsmarken angeordnet. Da sich Waren gegenüberständen, die identisch bzw. sehr ähnlich sein könnten, und die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken als normal anzusehen sei, sei ein großer Abstand der jüngeren von der älteren Marke erforderlich, der hier nicht eingehalten werde. Die Markenwörter wiesen gleichen Sprechrhythmus und gleiche Betonung auf. Das "V" am Anfang der Widerspruchsmarken könne in entscheidungserheblichem Umfang wie "F" und die Mittelbuchstaben "H/K" könnten wie "-HA-/-KA-" ausgesprochen werden, so dass sich klanglich bei den zu vergleichenden Wörtern dieselbe Vokalfolge ergebe. Selbst bei einer Aussprache des "V" als "W" sei der Klangkontrast nicht ausreichend.

Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Inhaberin der jüngeren Marke, die vorträgt, eine Verwechslungsgefahr sei nicht gegeben. Der Sprechrhythmus, die Betonung und die Wortmelodie seien bei den Widerspruchsmarken abgehackt und damit deutlich anders als bei der mit flüssigem Rhythmus gesprochenen, auf der Mittelsilbe betonten angegriffenen Marke. Außerdem seien Unterschiede in der Schreibweise, grafischen Ausgestaltung und im Sinngehalt zu berücksichtigen. Aus der Nähe der Widerspruchsmarken zu "Vitamin" könnten die Widersprechenden keine Rechte herleiten, da es sich hierbei um eine glatt beschreibende und freihaltebedürftige Angabe handele. Auch verkörperten die Marken unterschiedliche Begriffsinhalte. Die jüngere Marke weise auf "fit sein" hin, die Widerspruchsmarken ließen an "Vitalität, Beweglichkeit, Lebendigkeit" denken.

Der aus der Marke 396 29 404 Widersprechende hat den Widerspruch im Beschwerdeverfahren zurückgenommen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist und den Widerspruch aus der Marke 395 08 324 insoweit zurückzuweisen.

Die aus der Marke 395 08 324 Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren weder zur Sache geäußert noch Anträge gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist gem. § 165 Abs. 4 MarkenG zulässig und hat in der Sache auch Erfolg.

1. Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 395 08 324 besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in Umsetzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beurteilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzustellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f. "Sabl/Puma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd"; BGH GRUR 2004, 783, 784 "NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRALEX"; GRUR 2004, 235, 234 "Davidoff II"). Die Bewertung der Verwechslungsgefahr impliziert auch eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden und umgekehrt (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. "Canon"; GRUR Int. 2000, 899, 901 "Marca/Adidas"; MarkenR 2006, 67, 69- Nr. 18 f. "PICASSO"; BGH GRUR 2003, 332, 334 "Abschlussstück"). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend die Gefahr von Verwechslungen nicht gegeben.

Nach der hier maßgeblichen Registerlage können sich die Marken teilweise auf gleichen oder sehr ähnlichen Waren begegnen, die sich an relativ breite Verkehrskreise wenden. Dies begünstigt Verwechslungen.

Es darf jedoch nicht verkannt werden, dass die Widerspruchsmarke ersichtlich an den Begriff "Vitamin" angelehnt sind. Dieses Wort stellt für die hier entscheidungserheblichen Waren lediglich einen Hinweis auf deren Beschaffenheit dar. So ist es allgemein bekannt, dass Präparate zur Gesundheitspflege und Nahrungsergänzungsprodukte, Babykost, diätetische Erzeugnisse etc Vitaminpräparate seien oder mit Vitaminen angereichert sein können. Auch in der Kosmetik werden Vitamine häufig eingesetzt. Ebenso wird für Lebensmittel und Süßwaren (Vitaminbonbons) häufig mit deren Vitamingehalt geworben. Das Wort "Vitamin" ist daher als eine für die Waren der Widerspruchsmarke, auf die sich der Widerspruch stützt, nicht unterscheidungskräftige und beschreibende Angabe (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG) anzusehen.

Da der Schutzbereich von Marken, die sich an eine beschreibende und freihaltungsbedürftige Angabe anlehnen, eng zu bemessen ist und sich auf die jeweilige eintragungsbegründende Eigenprägung beschränkt, kann allein die besondere Schreibweise der Widerspruchsmarke deren Schutzumfang bestimmen. Schutz für die zugrundeliegende schutzunfähige Bezeichnung "Vitamin" kann nicht beansprucht werden (vgl. dazu BGH GRUR 2000, 608, 610 "ARD 1"; GRUR 2003, 963, 965 "AntiVir /Antivirus"; BGH GRUR 2004, 775, 777 "EURO 2000").

Bei dieser Ausgangslage besteht keine Verwechslungsgefahr. Zwar ist davon auszugehen, dass der Gesamteindruck der angegriffenen Wort-Bildmarke durch das als solches erkennbare Wort "FITAMIN" geprägt wird und dass dieses Wort in der Silbenzahl, Betonung, Vokal- und Konsonantenfolge mit der Widerspruchsmarke Ähnlichkeiten aufweist, insbesondere wenn diese wie "(F)WIT-HA-MIN" ausgesprochen wird, was in entscheidungserheblichem Umfang zu erwarten ist. Die Ähnlichkeit bzw. die Übereinstimmung der Zeichen beschränkt sich jedoch auf den für sich genommen nicht schutzfähigen Begriff "Vitamin" bzw. dessen Klangbild. Die schutzbegründende Eigenprägung der Widerspruchsmarke liegt allein in dem Austausch der mittleren Silbe "ta" gegen "-H-". Dieses Merkmal findet jedoch in der angegriffenen Marke keine Entsprechung, sondern deren Wortbestandteil deckt sich in diesem Bereich vollständig mit der beschreibenden Angabe "Vitamin". Hingegen ist in "FITAMIN" das "V" durch ein "F" ersetzt, wodurch eine Assoziation an "fit" entsteht. Diese Abwandlung aber ist in der Widerspruchsmarke nicht vorhanden.

Eine begriffliche Verwechslungsgefahr kommt nicht in Betracht, weil begriffliche Klammer für beide Zeichen lediglich der schutzunfähige Begriff "Vitamin" darstellt (vgl. dazu BGH GRUR 1976, 143 "Biovital").

Ebenso scheidet eine Gefahr aus, dass die Zeichen gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden (vgl. dazu BGH GRUR 2000, 608, 611 "ARD 1"; GRUR 2004, 598, 599 "Kleiner Feigling").

Der angefochtene Beschluss war darum im Umfang der Löschungsanordnung aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen.

2. Der aus der Marke 396 29 404 Widersprechende hat seinen Widerspruch im Beschwerdeverfahren zurückgenommen. Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 269 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 ZPO ist auszusprechen, dass der angefochtene Beschluss wirkungslos ist, soweit in ihm die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 396 29 404 angeordnet worden ist (vgl. BGH Mitt. 1998, 264 "Puma"). Dieser Ausspruch erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit und in Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes von Amts wegen (vgl. dazu BPatGE 43, 96).

3. Es besteht kein Anlass, einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen (§ 71 Abs. 1 MarkenG).






BPatG:
Beschluss v. 04.04.2006
Az: 24 W (pat) 113/04


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2aac9654573b/BPatG_Beschluss_vom_4-April-2006_Az_24-W-pat-113-04




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share