Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 13. September 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 95/09
(BGH: Beschluss v. 13.09.2010, Az.: AnwZ (B) 95/09)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 8. Juni 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit dem 10. Mai 1990 im Bezirk der Antragsgegnerin als Rechtsanwalt zugelassen. Im Verlauf des Jahres 2008 wurde er mit insgesamt fünf Haftbefehlen zur Erzwingung der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in das Schuldnerverzeichnis des zuständigen Vollstreckungsgerichts eingetragen. Mit Bescheid vom 26. November 2008 widerrief die Antragsgegnerin seine Zulassung wegen Vermögensverfalls. Seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde.
II.
Das nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F. zulässige Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; vom 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577). Wird der Rechtsanwalt in das von dem Vollstreckungsgericht nach § 915 ZPO zu führende Schuldnerverzeichnis eingetragen, wird der Vermögensverfall gesetzlich vermutet.
2. Diese Voraussetzungen lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids vor.
a) Zu diesem Zeitpunkt wurden gegen den Antragsteller folgende titulierten Forderungen betrieben:
1. M. S. wegen insgesamt 20.674,92 €, 2. J. B. wegen insgesamt 4.070,67 €, 3. S. E. wegen 93.033,32 €, 4. Dr. H. U. E. wegen 1.173,80 €, 5. Gerichtskasse F. wegen 3.744,32 €, 6. Fa.Gebr. V. GmbH wegen 11.617,93 €, 7. Bundesrepublik Deutschland wegeninsgesamt 5.207,44 €, 8. Landkreis So. wegen insgesamt 54.505,03 €, 9. Erbengemeinschaft K. wegen 25.564,60 €, 10. Be. Fe. wegen 718,40 €.
Außerdem war der Antragsteller nach Löschung eines Haftbefehls noch mit folgenden vier Haftbefehlen des Amtsgerichts O. in dem dort geführten Schuldnerverzeichnis eingetragen:
1. Haftbefehl vom 22. Februar 2008 ( M 1 ), 2. Haftbefehl vom 21. August 2008 ( M 8 ), 3. Haftbefehl vom 9. September 2008 ( M 9 ), 4. Haftbefehl vom 10. September 2008 ( M 6 ).
Auf Grund dieser Eintragungen wurde Vermögensverfall bei dem Antragsteller gesetzlich vermutet.
b) Diese Vermutung hatte der Antragsteller nicht widerlegt.
aa) Die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls kann der Rechtsanwalt nur widerlegen, indem er eine umfassende Übersicht über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorlegt (Senat, Beschlüsse vom 25. März 1991 - AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083; vom 29. September 2003 - AnwZ (B) 68/02, juris; vom 12. Januar 2004 - AnwZ (B) 26/03, juris; vom 31. März 2008 - AnwZ (B) 8/07, BRAK-Mitt. 2008, 221 [Ls] = juris; vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380, 1381 Rn. 7). Dazu genügt es nicht, wenn sich der Rechtsanwalt zu den Forderungen, die zu den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis geführt haben, und der Rechtsanwaltskammer etwa sonst bekannt gewordenen Verbindlichkeiten äußert. Er muss vielmehr seine Einkommensverhältnisse darlegen, eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobenen Forderungen vorlegen und im Einzelnen erläutern, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise er sie zu erfüllen gedenkt. Der Antragsteller ist nach § 36a Abs. 2 BRAO a.F. zu einer entsprechenden Mitwirkung im Verfahren verpflichtet.
bb) Das war bei Erlass des Widerrufsbescheids der Antragsgegnerin nicht geschehen. Der Antragsteller hat weder eine vollständige Übersicht über seine Verbindlichkeiten noch einen Tilgungsplan vorgelegt. Auch seine Einkommensverhältnisse hatte er nicht umfassend und nachvollziehbar dargelegt. Vielmehr hat er die Vorlage der Steuerbescheide der letzten Jahre mit der Begründung abgelehnt, seine Ehefrau sei der Ansicht, diese nicht offen legen zu müssen. Er hatte sich stattdessen auf die nicht näher konkretisierte Behauptung beschränkt, er sei Eigentümer eines Hauses und habe Außenstände in einer Größenordnung von 750.000 €. Mit einem solchen Vortrag können weder konkrete Beweisanzeichen noch die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls entkräftet werden (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380, 1381 Rn. 7).
c) Wie der Bestimmung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind, wenn sich der Rechtsanwalt in Vermögensverfall befindet (Senat, Beschluss vom 31. März 2008 - AnwZ (B) 33/07, juris). Das ist in der Regel auch der Fall, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern (Senat, Beschluss vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511). Anhaltspunkte dafür, dass das hier bei Erlass des Widerrufsbescheids ausnahmsweise nicht der Fall war, sind nicht ersichtlich. Der dem gegen den Antragsteller ergangenen Urteil des Landgerichts F. vom 10. Juni 2008 ( O ) zugrunde liegende Sachverhalt spricht im Gegenteil dafür, dass sich diese Gefahr bereits realisiert hatte. Danach hatte der Antragsteller, was er nicht bestreitet, eine für seine Mandanten bestimmte Zahlung einer sächsischen Gemeinde von 25.564,60 € nicht an diese ausgekehrt und später mit Honorarforderungen verrechnet, die er trotz Aufforderung seiner Mandaten nicht abgerechnet hatte.
3. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind nicht nachträglich entfallen.
a) Im gerichtlichen Verfahren gegen Entscheidungen über den Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats zu berücksichtigen, ob der Grund für den Widerruf nachträglich entfallen ist (Senat, Beschlüsse vom 12. November 1979 - AnwZ (B) 16/79, BGHZ 75, 356, 357; vom 17. Mai 1982 - AnwZ (B) 5/82, BGHZ 84, 149, 150). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Rechtsanwalt andernfalls nach Bestätigung des Widerrufs sogleich wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden müsste. Erfolgt der Widerruf wegen Vermögensverfalls, besteht ein Anspruch auf Wiederzulassung aber nur, wenn geordnete Verhältnisse zweifelsfrei wiederhergestellt sind. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es ihm gelungen ist, den Vermögensverfall zu beseitigen, trifft den Rechtsanwalt (Senat, Beschluss vom 10. Dezember 2007 - AnwZ (B) 1/07, BRAK-Mitt. 2008, 73 [Ls] = juris Rn. 8; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 14 Rn. 60). Deshalb kann ein nachträglicher Wegfall des Vermögensverfalls auch bei der gerichtlichen Überprüfung des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nur berücksichtigt werden, wenn er zweifelsfrei nachgewiesen wird (Senat, Beschluss vom 27. Mai 2010 - AnwZ (B) 95/08, juris Rn. 9). Diesen Nachweis hat der Antragsteller nicht geführt.
b) Vermögensverfall wird bei dem Antragsteller nach wie vor gesetzlich vermutet. Der bei Erlass des Widerrufsbescheids noch eingetragene Haftbefehl vom 9. September 2008 ist zwar inzwischen gelöscht. Der Antragsteller ist aber nach wie vor mit den Haftbefehlen vom 22. Februar, 21. August und 10. September 2008 im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Er hat die diesen Haftbefehlen zugrunde liegenden Forderungen nicht erfüllt und die Voraussetzungen für deren Löschung nicht herbeigeführt. Damit streitet gegen ihn weiterhin die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls. Deshalb bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob ein weiterer Erzwingungshaftbefehl vom 24. Februar 2009 berücksichtigt werden kann, obwohl er mit Rücksicht auf die eidesstattliche Versicherung, die der Antragsteller am 20. März 2009 abgegeben hat, aufgehoben wurde. Offen bleiben kann auch, ob die Abgabe dieser eidesstattlichen Versicherung, für sich genommen, die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls auslöst, was der Antragsteller mit der Begründung anzweifelt, er sei bei deren Abgabe und Eintragung in das Schuldnerverzeichnis hereingelegt worden.
c) Diese Vermutung hat der Antragsteller nicht widerlegt. Seine Darlegungen ergeben nicht, dass der Vermögensverfall zweifelsfrei nicht mehr besteht.
aa) Der Antragsteller hat seine Vermögensverhältnisse nach wie vor nicht, wie geboten, umfassend dargestellt. Er hat zwar seine Angaben zu seinem Grundvermögen näher konkretisiert und auch näher ausgeführt, welcher Forderungen gegenüber welchen Schuldnern er sich berühmt. Eine vollständige Übersicht über seine Schulden und eine Darlegung, wie sie getilgt werden sollen, fehlt aber nach wie vor ebenso wie eine nachvollziehbare Übersicht über das Einkommen des Antragstellers. Das mag seinen Grund in der bereits erwähnten Weigerung der Ehefrau des Antragstellers haben, der Antragsgegnerin oder den Gerichten Einsicht in die Steuerbescheide zu gewähren. Diese Weigerung macht aber entsprechenden Vortrag des Antragstellers zu seinem eigenen Einkommen nicht entbehrlich. Das Fehlen solchen Vortrags geht zu seinen Lasten.
bb) Der Vortrag des Antragstellers ergibt in der Sache nicht, dass der Vermögensverfall bei ihm zweifelsfrei nicht mehr besteht.
(1) Der Antragsteller hat in seiner Beschwerdebegründung zwar die Grundbuchdaten seines Grundstücks angegeben und vorgetragen, es sei lastenfrei und habe, vorsichtig geschätzt, einen Wert von 150.000 €. Seine Angaben sind aber widersprüchlich und lassen letztlich die entscheidenden Fragen offen. In der Beschwerdebegründung behauptet der Antragsteller, das Grundstück sei "völlig lastenfrei". Dieser Vortrag steht im Widerspruch zu seinen Angaben in der eidesstattlichen Versicherung. Dort hat er die Frage nach einer Belastung des Grundstücks grundsätzlich bejaht, ohne allerdings Einzelheiten zu nennen. Das würde den weiteren Vortrag des Antragstellers erklären, dass die Zwangsversteigerung des Grundstücks angeordnet worden ist. Damit wiederum bleibt aber offen, in welchem Umfang das Grundstück zur Befriedigung von Gläubigern zur Verfügung steht. Unklar ist auch, welchen Stand das Zwangsversteigerungsverfahren hat und ob insbesondere schon die nach § 74a ZVG erforderliche Wertfestsetzung erfolgt ist, verneinendenfalls woraus sich der von dem Antragsteller geschätzte Wert ergeben soll. Nicht eindeutig ist schließlich, ob der Antragsteller das Grundstück überhaupt zur Schuldentilgung einsetzen will.
(2) Der Antragsteller hat weiter geltend gemacht, seine Frau verfüge über ein erhebliches Gehalt, seine Familie habe lastenfreien Grundbesitz in Höhe von 1 Mio. €. Eine nachvollziehbare Konkretisierung dieses Vortrags fehlt. Vor allem bleibt unklar, ob und in welchem Umfang sich seine Frau und seine Familie überhaupt an einer Sanierung seiner Vermögensverhältnisse beteiligen wollen. Dazu hat der Antragsteller in der von ihm so genannten "Nachbesserung" zu seiner eidesstattlichen Versicherung, die er am 29. Mai 2009 abgegeben hat, nur vage ausgeführt, er werde teilweise von der Familie unterstützt; mit dem Gehalt seiner Frau werde der Lebensunterhalt bestritten. Das vermag Zweifel an dem Fortbestand des weiterhin gesetzlich vermuteten Vermögensverfalls nicht auszuräumen.
(3) Zum zweifelsfreien Nachweis einer Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse genügt der Vortrag des Antragstellers zu seinen angeblichen offenen Honorar- und anderen Forderungen gegenüber Mandanten und Dritten nicht. Bei geordneten Vermögensverhältnissen würden solche Forderungen durchgesetzt und zur Tilgung von Schulden eingesetzt (Senat, Beschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 27/09, ZInsO 2010, 1380, 1381 Rn. 7). Eine nachträgliche Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse kann der Rechtsanwalt deshalb zweifelsfrei nur nachweisen, wenn er sich solcher Forderungen nicht nur berühmt, sondern sie durchsetzt und mit dem Erlös eine Erfüllung von Verbindlichkeiten erreicht. Daran fehlt es hier. Der Antragsteller hat zwar näher dargelegt, welcher Forderungen er sich gegenüber welchen Schuldnern berühmt. Keine dieser Forderungen ist aber anerkannt oder tituliert. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsteller auch nur eine dieser angeblichen Forderungen durchgesetzt und mit dem Erlös seine Verbindlichkeiten zurückgeführt hätte.
d) Anhaltspunkte dafür, dass eine Gefährdung der Rechtsuchenden nicht mehr besteht, sind nicht ersichtlich. Der Antragsteller will zwar in einem Einzelfall eine unmittelbare Auskehrung von für seine Mandanten bestimmten Geldern unmittelbar an diese erreicht haben. Das ändert aber an einer Gefährdung der Rechtsuchenden nichts. Wie die Antragsgegnerin mit Recht hervorhebt, betreibt der Antragsteller den Beruf des Rechtsanwalts in einer Einzelkanzlei. Er hat es deshalb allein in der Hand, wie er in anderen Fällen verfährt. Eine Gefährdung der Rechtsuchenden entfällt nicht deshalb, weil alle Konten des Antragstellers nach seinen Angaben in der Nachbesserung zur eidesstattlichen Versicherung geschlossen wurden und der Antragsteller auf seinen Briefbögen kein Konto angibt. Das steht Bar- und Scheckzahlungen nicht entgegen und hindert den Antragsteller nicht, wieder ein Konto zu eröffnen.
Ganter Schmidt-Räntsch Roggenbuck Kappelhoff Quaas Vorinstanz:
AGH Frankfurt, Entscheidung vom 08.06.2009 - 1 AGH 30/08 -
BGH:
Beschluss v. 13.09.2010
Az: AnwZ (B) 95/09
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