Landgericht Köln:
Beschluss vom 6. Dezember 2012
Aktenzeichen: 213 O 247/12

(LG Köln: Beschluss v. 06.12.2012, Az.: 213 O 247/12)

Tenor

Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird der Kostenansatz des Landgerichts Köln vom 09.10.2012 in Verbindung mit der hierzu ergangenen Kostenrechnung vom 10.10.2012 (Kassenzeichen ...) dahingehend abgeändert, dass lediglich Gesamtkosten in Höhe von 200,00 € angesetzt werden.

Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Die Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

1.

Die Erinnerung der Antragstellerin und Kostenschuldnerin ist gemäß § 14 Abs. 2 KostO zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Unter Aufgabe der bisherigen Rechtsauffassung der Kammer sind Sicherungs- und Gestattungsverfahren gebührenrechtlich nur einfach zu berücksichtigen. Hiernach ist der aus § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO folgende Gebührenansatz von 200,00 € - für ein Werk - nicht zu verdoppeln.

Nach dem Wortlaut des § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO wird für die Entscheidung über "den Antrag auf Erlass einer Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG" eine Gebühr von 200,00 € erhoben.

Soweit die Kammer zwischenzeitlich die Auffassung vertreten hatte, die Gerichtskosten seien für das Verfahren der Sicherungs- und der Gestattungsanordnung gesondert in Ansatz zu bringen (vgl. auch OLG Karlsruhe, GRUR-RR 2012, 230; OLG Köln, Beschl. v. 02.08.2012, Az. 2 Wx 161/12), hält sie hieran nach nochmaliger Prüfung nicht länger fest.

Zwar stellt das Verfahren über die der Sicherung der relevanten Daten dienende einstweilige Anordnung gemäß der in § 51 Abs. 3 S. 1 FamFG getroffenen Bestimmung ein selbstständiges Verfahren dar; nach § 51 Abs. 4 FamFG gelten hierfür ferner die allgemeinen kostenrechtlichen Vorschriften.

Diese pauschale Verweisung auf die allgemeinen Bestimmungen führt bei einer an Sinn und Zweck orientierten Auslegung des § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO unter Berücksichtigung des erkennbar gewordenen gesetzgeberischen Willens aber nicht dazu, das in einem gesonderten Kostenansatz doppelte Gebühren zu erheben sind. Die Norm des § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO ist vielmehr nach ihrem insoweit eigenständig zu bestimmenden Zweck abweichend und einschränkend auszulegen.

Die Gesetzesbegründung zu § 128 c KostO - als der Vorläuferbestimmung des § 128 e KostO - führt aus (vgl. BT-Drs. 16/5048, S. 36):

"(...) Für die Entscheidung über den Antrag des Verletzten soll eine Gebühr in Höhe von 200 € vorgesehen werden. Mit der Entscheidung ist eine Kammer des Landgerichts befasst. In ihr hat das Gericht abzuwägen, ob der Antragsteller Inhaber eines geistigen Schutzrechts ist, eine Verletzung dieses Rechts angenommen werden kann und die Schwere der Rechtsverletzung den Grundrechtseingriff rechtfertigt. Die Höhe der Gebühr trägt dem tatsächlichen Aufwand des Gerichts sowie der Bedeutung der abzuwägenden Gesichtspunkte Rechnung. Wird der Antrag des Verletzten zurückgewiesen, soll die Gebühr in gleicher Höhe anfallen. Der Prüfungsaufwand des Gerichts dürfte in der überwiegenden Zahl der Fälle für eine negative Entscheidung so hoch sein wie für eine positive. (...)"

Daraus erschließt sich für die Kammer, dass der Gesetzgeber bei der Bemessung der Kosten das von dem Verletzten insgesamt angestrengte Verfahren als solches im Blick hatte und sich maßgeblich am tatsächlichen Prüfungsaufwand der Gerichte sowie der typischen Bedeutung der Sache orientieren wollte. Ein Verständnis des Kostenrechts, welches zwischen Sicherungs- und Gestattungsverfahren unterscheidet, würde dem nicht gerecht. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Sicherungsanordnung ein vom Gesetz in § 101 Abs. 9 UrhG an sich gar nicht vorgesehenes, erst nach Inkrafttreten des Gesetzes praeter legem durch die Rechtsprechung zur Wahrung des rechtlichen Gehörs des beteiligten Providers entwickeltes Institut darstellt. Der Gesetzgeber hat es ersichtlich nicht bedacht und konnte es auch noch gar nicht bedenken. Der von ihm maßgeblich herangezogene Prüfungsaufwand für die Gerichte wird hierdurch auch keineswegs verdoppelt, so dass die gesetzgeberischen Erwägung auch nicht etwa überholt sind. Die Sicherungsanordnung ist im Hinblick auf die erforderliche doppelte Folgenabwägung, die angesichts der kurzen Speicherfristen nahezu stets zugunsten der Antragstellerseite ausfällt, vielmehr quasi voraussetzungslos und damit ohne größeren Aufwand zu erlassen. Hätte der Gesetzgeber die regelmäßige Notwendigkeit einer solchen vorläufigen Datensicherung und Anhörung des Providers erkannt, hätte er hierfür nach Maßgabe der ihn leitenden Erwägungen mit Sicherheit keine zusätzlichen Kostenregelung getroffen. Hinzu kommt, dass erst durch die in § 51 Abs. 3 S. 1 FamFG getroffene Bestimmung überhaupt von mehreren Verfahren auszugehen ist. Zuvor handelte es sich unter Geltung des FGG lediglich um verschiedene Verfahrensabschnitte (so auch OLG Köln, GRUR 2009, 9). Gesetzgeberische Bestrebungen, für das durch die Gerichte entwickelte zusätzliche Sicherungsverfahren eine zusätzliche Kostenregelung zu schaffen, sind - soweit für die Kammer ersichtlich - dennoch nicht entfaltet worden. Zwar ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, seine ursprüngliche, in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachte Auffassung in der Folge durch spätere gesetzliche Regelungen zu modifizieren und ggf. zu erweitern. Dass der Gesetzgeber als Auswirkung des Übergangs vom FGG zum FamFG auch vorhersah und in seinen Willen aufnahm, dass die Kosten für Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG sich - ohne jegliche Veränderung des gerichtlichen Prüfungsumfangs als des von ihm für maßgeblich erachteten Kriteriums - verdoppeln würden, kann aus Sicht der Kammer aber nicht angenommen werden, sondern liegt ersichtlich fern und erschließt sich auch aus der lediglich allgemeinen Bestimmung in § 51 Abs. 4 FamFG nicht. Vielmehr würde es sich bei einem solchen, ausschließlich an Wortlaut und Gesetzessystematik orientierten Auslegungsergebnis um eine nicht bedachte, nicht gewollte und auch nicht sachgerechte kostenrechtliche Fernwirkung der Normen des FamFG handeln. Soweit das OLG Karlsruhe (Beschl. v. 12.12.2011 - 6 W 69/11) zwar ebenfalls Bedenken äußert, ob der Gesetzgeber diese Folge gesehen und gewollt habe, sich an die aus seiner Sicht eindeutige gesetzliche Regelung aber gebunden sieht, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Es ist allgemein anerkannt, dass maßgebend für die Interpretation eines Gesetzes der in ihm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers ist (vgl. BVerfGE 20, 283, 293; 79, 106, 121). Es gehört damit auch zur Aufgabe der Rechtsprechung, eine nach dem Wortlaut zu weit geratene Norm einschränkend auszulegen. So liegt es hier. Während die in §§ 49 ff. FamFG geregelte einstweilige Anordnung in anderen vom FamFG erfassten Verfahren zudem einen Sonderfall darstellt, der eine gesonderte kostenrechtliche Erfassung rechtfertigt, insbesondere das vorausgesetzte dringende Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden in anderen Verfahren nicht ohne weiteres vorliegt, ist das Sicherungsverfahren dem Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG schon seiner besonderen Struktur nach immanent. Es spricht aus Sicht der Kammer daher nichts dagegen, die Vorschriften des § 51 Abs. 4 FamFG und § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO - die den speziellen, hier gegebenen Fall eines dem Hauptsacheverfahren notwendig stets vorhergehenden vorläufigen Verfahrens nicht sachgerecht erfassen - im Wege der teleologischen Reduktion zu weit geratener Bestimmungen dergestalt einschränkend auszulegen, dass sich die Gebühr lediglich auf das gerichtliche Verfahren insgesamt bezieht. Allein dies entspricht aus Sicht der Kammer dem im Gesetz erkennbar gewordenen Willen des Gesetzgebers.

Nach alledem ergibt sich - weil nur ein Werk betroffen ist - vorliegend ein Gebührenansatz von nur 200,00 €.

2.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 14 Abs. 9 KostO.

Die Beschwerde wird nach § 14 Abs. 3 S. 2 KostO zugelassen, weil der Problematik der zutreffenden Kostenberechnung in Verfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Auslegung des in § 128e Abs. 1 Nr. 4 KostO verwendeten Begriffs "Antrag auf Erlass einer Anordnung" wirft in Bezug auf Sicherungs- und Gestattungsverfahren sowie in Bezug auf mehrere antragsgegenständliche Werke hinreichend abstraktgenerelle Rechtsfragen auf, die vorliegend zumindest teilweise entscheidungserheblich und angesichts unterschiedlicher obergerichtlicher Auslegung klärungsbedürftig sind. Die Kammer weicht nunmehr insbesondere sowohl von ihrer eigenen bisherigen Rechtsprechung als auch von jener des Oberlandesgerichts Köln ab.






LG Köln:
Beschluss v. 06.12.2012
Az: 213 O 247/12


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