Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. November 2004
Aktenzeichen: 7 W (pat) 364/02
(BPatG: Beschluss v. 10.11.2004, Az.: 7 W (pat) 364/02)
Tenor
Auf den Einspruch der Einsprechenden wird das Patent widerrufen.
Gründe
I.
Gegen das Patent 100 42 465 mit der Bezeichnung Verfahren zum Verformen von rohrförmigen Hohlkörpern aus Metall, dessen Erteilung am 1. August 2002 veröffentlicht worden ist, hat die M... mbH in B...
Einspruch erhoben.
Sie beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, hilfsweise die Verhandlung zu vertagen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten (= Hauptantrag), hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 bis 5 nach Hilfsantrag 1 bzw. Hilfsantrag 2, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift. Hilfsweise erklärt die Patentinhaberin die Teilung des Patents.
Sie macht geltend, daß das Verfahren nach Patentanspruch 1 nach Hauptantrag, zumindest nach den Hilfsanträgen 1 oder 2 neu und erfinderisch sei.
Der Patentanspruch 1 hat folgende Fassung:
Verfahren zum Verformen von rohrförmigen Hohlkörpern aus Metall, insbesondere aus Aluminium, wobei nach Umformen eines plattenförmigen Halbzeugs zu einem geschlossenen Querschnittsprofil und Längsnahtschweißung der gegenüberliegenden Kanten des Halbzeugs der gebildete rohrförmige Hohlkörper weichgeglüht und schließlich in einem Gesenk durch ein in den Hohlkörper eingeleitetes Medium hydroumgeformt wird, dadurch gekennzeichnet, dass der rohrförmige Hohlkörper in einer vorgeschalteten Bearbeitungsphase erst mechanisch partiell aufgeweitet und/oder mechanisch partiell reduziert wird und anschließend weichgeglüht wird.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 hat bei gleichem Oberbegriff den folgenden kennzeichnenden Teil:
"dass der rohrförmige Hohlkörper in einer vorgeschalteten Bearbeitungsphase erst mechanisch partiell aufgeweitet und anschließend weichgeglüht wird, wobei die Aufweitung durch axiales Eintreiben eines konischen oder spreizbaren Dorns erfolgt."
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von dem nach Hilfsantrag 1 dadurch, dass der letzte Nebensatz durch folgende Nebensätze ersetzt ist:
"wobei ein spreizbarer Dorn verwendet wird, der zuerst axial eingeführt, anschließend gespreizt und axial über eine begrenzte Strecke weiter getrieben wird."
Nach der Streitpatentschrift Spalte 1, Zeilen 22 und 23 liegt die Aufgabe vor, größere Änderungen des Querschnitts zu ermöglichen.
Die Patentansprüche 2 bis 5 sind auf Merkmale gerichtet, die das Verfahren nach Patentanspruch 1 weiter ausgestalten sollen.
In der mündlichen Verhandlung sind zum Stand der Technik die deutsche Patentschrift 41 42 325, die europäische Offenlegungsschrift 0 439 764 und das Aluminium Taschenbuch, Aluminium-Verlag Düsseldorf, 3. Druck, 1988, S 119 bis 138 abgehandelt worden.
II.
1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 Art 7 durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.
2. Der frist- und formgerechte Einspruch ist ausreichend substantiiert und daher zulässig. Er hat zum Widerruf des Patents geführt.
3. Die Formulierung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 ist zulässig, da das gegenüber der erteilten Fassung zusätzliche Merkmal der Aufweitung des Hohlkörpers durch axiales Eintreiben eines konischen oder spreizbaren Dorns aus der Streitpatentschrift Spalte 1 Zeile 66 bis Spalte 2, Zeile 3 als zur Erfindung gehörig entnehmbar ist.
Auch die Formulierung des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 2 ist zulässig. Das zusätzliche Merkmal gegenüber der erteilten Fassung, das die Verfahrensschritte bei Verwendung eines gespreizten Dornes zur Aufweitung des Hohlkörpers betrifft, ist aus Spalte 2, Zeilen 1 bis 5 der Streitpatentschrift als zur Erfindung gehörig entnehmbar.
4. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist unbestritten neu, da aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften hervorgeht, dass die vorgeschaltete Bearbeitungsphase in der mechanisch partiellen Aufweitung bzw. Reduzierung des Hohlkörpers besteht. Es ist jedoch nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.
Der zuständige Fachmann ist hier ein Entwicklungsingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrung auf dem Gebiet der Umformtechnik von Metall.
Aus den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist die Maßnahme zu entnehmen, vor dem Hydroumformen eines rohrförmigen Hohlkörpers diesen einer vorgeschalteten Bearbeitungsphase mechanischer Art zu unterziehen, d.h. mit Hilfe eines Dornes partiell aufzuweiten bzw. zu reduzieren und ihn anschließend weichzuglühen.
Zu einer derartigen Maßnahme wird der Fachmann bereits durch das aus der deutschen Patentschrift 41 42 325 bekannte Verfahren angeregt. Mit diesen bekannten Verfahren werden längs geschweißte Rohre zu Fahrwerksteilen verformt. Diese Rohre werden mehreren Umformschritten unterzogen. Einer dieser Umformschritte ist das Innenhochdruckumformverfahren, dort auch als Hydroumformverfahren bezeichnet, mit vorgeschaltetem Zwischenglühen (vgl Patentanspruch 1 u. 2). Dem Fachmann ist aufgrund seiner Fachkenntnis geläufig, dass unter "änderen Umformverfahren" (Sp 1 Z 13 bis 26) vor allem eine Umformung mit einem Dorn, gespreizten Dorn oder dergleichen zu verstehen ist.
Zum anderen ist dem Fachmann aus der europäischen Offenlegungsschrift 0 439 764 bekannt, dass bei einer Verformung mit mehreren partiellen Umformschritten zwischen jedem Umformschritt ein Glühvorgang erfolgt, um die bei der Verformung erfolgten Verfestigungen die zu einem Sprödbruch führen können, zu beseitigen (vgl. Sp 4, Z 19 bis 25).
Die Patentinhaberin hat zwar geltend gemacht, dass in dem Aluminium-Taschenbuch auf Seite 123, Kap 2.6.2 Verfestigung, Zeilen 6 bis 11 ausgeführt ist, dass das Verfestigungsverhalten bei Kaltumformung neben der Zusammensetzung des Materials u.a. auch von der Umformart abhängig ist. Es seien deshalb Umformschritte mit Hydroumformung nicht mit solchen vergleichbar, die mechanische Umformmittel verwenden.
Da es jedoch bei dem vorliegenden Problem nur darauf ankommt, weder mit dem einen noch dem anderen Umformverfahren die Bruchgrenze zu erreichen und der Weg dorthin ohne Bedeutung ist, spielt es keine Rolle, welches Umform-Verfahren verwendet wird.
Die Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag beschreiben somit eine Lehre, die sich für den Fachmann aus dem Verfahren nach der deutschen Patentschrift 41 42 325 iVm seinem Fachwissen in naheliegender Weise ergibt.
Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist daher nicht rechtsbeständig.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag1 unterscheidet sich von dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch die Art der vorgeschalteten Bearbeitungsphase zur Aufweitung des Hohlkörpers, die durch axiales Eintreiben eines konischen oder spreizbaren Dorn bewirkt wird.
Diese Art des Aufweitens von rohrförmigen Hohlkörpern stellt eine dem Fachmann geläufige Methode dar. Die Verwendung eines konischen bzw. spreizbaren Dornes ist davon abhängig, ob die Aufweitung bereit an einem Ende des Hohlkörpers beginnt oder erst in einem Abstand von den Enden. Im letztgenannten Fall ist es erforderlich, den spreizbaren Dorn mit seinem reduzierten Durchmesser einzuführen und dann entsprechend aufzuspreizen und eventuell weiter einzutreiben.
Derartige Methoden der Aufweitung von Hohlkörpers gehören zum Fachwissen des Fachmanns und können daher eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist daher nicht rechtbeständig.
Im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 sind die Schritte angegeben, wie ein spreizbarer Dorn zur Aufweitung eines Hohlkörpers verwendet wird. Wie bereits vorstehend zum Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ausgeführt, ist diese Vorgehensweise dem Fachmann aufgrund seines Fachwissens geläufig und kann daher eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen.
Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist ebenfalls nicht rechtsbeständig.
Die Patentansprüche 2 bis 5 beinhalten Maßnahmen zur Ausgestaltung des Verfahrens nach dem Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag, Hilfsantrag 1 oder Hilfsantrag 2, die im Rahmen fachmännischen Handelns liegen und deshalb ebenfalls nicht rechtsbeständig sind.
Tödte Eberhard Köhn Zugleich für den in Urlaub befindenden Tödte.
Frühauf Hu
BPatG:
Beschluss v. 10.11.2004
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