Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Dezember 2006
Aktenzeichen: 4 Ni 56/00

(BPatG: Beschluss v. 07.12.2006, Az.: 4 Ni 56/00)

Tenor

1. Die Erinnerung der Beklagten gegen den Beschluss der Rechtspflegerin vom 18. Mai 2006 wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Erinnerungsverfahrens trägt die Beklagte.

3. Der Wert des Gegenstands des Erinnerungsverfahrens beträgt 2.180,66 €.

Gründe

I.

Nachdem mit Senatsurteil vom 28. November 2001 die Klage abgewiesen worden war, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 5. Juli 2005 auf die Berufung der Klägerin das Streitpatent für nichtig erklärt und der Beklagten die Kosten des Verfahrens auferlegt. Der Wert des Streitgegenstandes war in erster Instanz auf 500.000,00 DM (=255.645,94 €) und in zweiter Instanz auf 250.000,00 € festgesetzt worden.

Ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren war während des Nichtigkeitsverfahrens anhängig.

Die Klägerin hat beim Bundespatentgericht Kostenfestsetzung beantragt. Dabei hat sie unter anderem für den in erster Instanz mitwirkenden Rechtsanwalt eine 10/10 Prozessgebühr gemäß § 31 Abs. 1 BRAGO nebst Auslagenpauschale gemäß § 26 BRAGO in Höhe von insgesamt 2.180,66 € beansprucht.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 18. Mai 2006 hat die Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts diese Gebühren in der beantragten Gesamthöhe festgesetzt. Zur Begründung wurde angeführt, nach ständiger Rechtsprechung des Bundespatentgerichts sei § 143 Abs. 3 PatG im Bereich des Nichtigkeitsverfahrens analog anzuwenden.

Gegen den am 31. Mai 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 14. Juni 2006 eingelegte Erinnerung der Beklagten, mit der sie nur die Festsetzung der Kosten des in erster Instanz mitwirkenden Rechtsanwalts angreift. Sie rügt, dass in der Begründung des Beschlusses insoweit nur darauf abgestellt worden sei, § 143 Abs. 3 PatG werde im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes analog angewandt, was schon wegen § 140 Abs. 3 MarkenG und § 52 Abs. 4 GeschmMG so nicht richtig sei. Zudem betreffe § 143 Abs. 3 PatG seinem Wortlaut nach nur Patentstreitsachen, zu denen ein Nichtigkeitsverfahren nicht gehöre. Schließlich sei kein Raum für eine analoge Anwendung der Vorschrift, da keine ungewollte Gesetzeslücke vorliege und der Fall der Kosten einer Doppelvertretung in erster Instanz im Rahmen des § 91 ZPO sachgerecht gelöst werden könne.

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige Erinnerung ist nicht begründet.

Hinsichtlich Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht verweist § 84 Abs. 2 PatG auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 91 ff. ZPO).

Nach § 91 Abs. 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Dazu gehören nach Absatz 2 dieser Vorschrift die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei.

§ 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO schränkt die Erstattungspflicht dahin ein, dass die Kosten mehrerer (Rechts-)Anwälte nur insoweit zu erstatten sind, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen. Dem Wortlaut nach bezieht sich diese Beschränkung nur auf die Inanspruchnahme mehrerer Rechtsanwälte, nicht jedoch auf die zweier Anwälte unterschiedlicher Fakultäten. Aber selbst wenn letzteres der Fall wäre, schlössen die Besonderheiten des Nichtigkeitsverfahrens vor dem Patentgericht die entsprechende Anwendung des § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO aus, denn eine Vertretung durch sowohl einen Patentanwalt als auch einen Rechtsanwalt kann im Rahmen eines Nichtigkeitsverfahrens mit Rücksicht auf dessen technischen und rechtlichen Gehalt im Einzelfall durchaus notwendig sein. Der strikte Ausschluss der Kostenerstattung für einen mitwirkenden Anwalt der anderen Fakultät kann daher im Nichtigkeitsverfahren nicht gelten.

Im vorliegenden Fall war die Hinzuziehung des Rechtsanwalts außerhalb der mündlichen Verhandlung im Sinne von § 91 Abs. 1 ZPO notwendig, da ein das Streitpatent betreffendes Verletzungsverfahren anhängig war. In diesen Fällen ist nämlich regelmäßig das Vorgehen in beiden Verfahren aufeinander abzustimmen, etwa im Hinblick auf die Beurteilung der Tragweite einer beschränkten Verteidigung im Nichtigkeitsverfahren.

Da vor dem Bundespatentgericht kein Anwaltszwang herrscht und sich jeder Beteiligte gemäß § 97 Abs. 1 PatG durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen kann, steht es im Nichtigkeitsverfahren in Fällen eines parallelen Verletzungsverfahrens jedem Verfahrensbeteiligten frei, einen Patentanwalt zu beauftragen. Er ist deshalb nicht verpflichtet, in Fällen eines parallelen Verletzungsverfahrens seine Vertretung auf den dort bevollmächtigten Rechtsanwalt zu beschränken, denn diesem fehlt für das Nichtigkeitsverfahren regelmäßig die technische Sachkunde. In diesem Fall wäre daher ein mitwirkender Patentanwalt zu bestellen.

Der Senat hält an der bisherigen Rechtsprechung (BPatG 31, 51; 31, 75; 33, 160; 34, 85; 46, 167; zuletzt: BPatGE 47, 50; vgl. auch Busse-Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 84 Rdnr. 56 m. w. N.) nicht mehr fest. Für eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs. 3 PatG auf das Nichtigkeitsverfahren ist zumindest seit der Änderung des § 143 PatG durch Art. 7 Nr. 36 des Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums (PatKostG) vom 13. Dezember 2001 (BlPMZ 2002, 14, 25) kein Raum mehr (so auch Benkard-Rogge, PatG 10. Aufl., § 84 Rdnr. 31).

Voraussetzung für eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs. 3 PatG im Nichtigkeitsverfahren wäre nämlich, dass der Gesetzgeber eine solche in einer Verweisungsvorschrift vorgesehen hätte oder dass der zur Entscheidung stehende Fall im trotz vergleichbarer Sachverhaltsgestaltung im Gesetz unbewusst nicht geregelt wäre. Keine der Voraussetzungen liegt vor.

§ 84 Abs. 2 PatG verweist ausdrücklich auf die Vorschriften der Zivilprozessordnung, nicht hingegen auf § 143 Abs. 3 PatG. Wäre eine solche Verweisung gewollt gewesen, hätte mehrfach, zuletzt anlässlich der Änderung des § 143 PatG durch das KostRMoG vom 5. Mai 2004 (BGBl I S. 718), dazu Gelegenheit bestanden. Der Verzicht auf eine Verweisungsvorschrift ist gerechtfertigt. § 143 Abs. 3 PatG ist eine Sondervorschrift zu § 91 Abs. 1 ZPO für Patentstreitsachen. Dort wird darauf verzichtet, vom Kostengläubiger den Nachweis für die Notwendigkeit der Inanspruchnahme zweier Anwälte unterschiedlicher Fakultäten zu verlangen. Deren Notwendigkeit wird generell unterstellt. Das hat seinen Grund in dem im Verletzungsverfahren herrschenden Anwaltszwang (§ 143 Abs. 1 PatG i. V. m. § 78 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsanwalt muss daher in Patentstreitsachen einen Patentanwalt hinzuziehen, wenn und soweit ihm die die technische Kompetenz fehlt.

Eine entsprechende Anwendung des § 143 Abs. 3 PatG im Patentnichtigkeitsverfahren hätte dagegen in nicht wenigen Fällen zur Folge, dass - unter Verstoß gegen den Grundsatz, dass nur notwendige Kosten erstattungspflichtig sind - die unterlegene Partei auch nicht notwendige Kosten für die Inanspruchnahme eines zweiten Anwalts schuldete. Anders als In Patentstreitsachen sind im Nichtigkeitsverfahren Fälle denkbar, in denen die Mitwirkung eines weiteren Anwalts unnötig ist. Im Nichtigkeitsverfahren lassen sich die Parteien regelmäßig durch einen Patentanwalt bzw. Patentassessor oder durch einen im gewerblichen Rechtsschutz erfahrenen Rechtsanwalt vertreten. Wird ein Patentanwalt bevollmächtigt, besteht aber in der Regel kein Bedarf, einen mitwirkenden Rechtsanwalt hinzuzuziehen, da das Betreiben des Nichtigkeitsverfahrens zum Kernbereich der beruflichen Tätigkeit eines Patentanwalts gehört. Einer rechtskundigen Mitwirkung bedarf der Patentanwalt nur in besonderen Fällen, etwa bei gleichzeitiger Anhängigkeit eines Verletzungsverfahrens.

Auch fehlt es an der weiteren Voraussetzung für eine analoge Anwendung von § 143 Abs. 3 PatG. Es liegt keine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vor. Wie dargelegt, verweist § 84 Abs. 2 PatG auf § 91 Abs. 1 ZPO, also auf eine Vorschrift, die geeignet ist, die Frage der Kostenpflicht und deren Umfang sachgerecht zu behandeln.

Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist als unzulässig zurückzuweisen. Dieses Rechtsmittel ist gemäß § 99 Abs. 2 PatG nur in den besonderen Fällen des § 100 PatG statthaft. Danach ist die Rechtsbeschwerde nur zulässig gegen Beschlüsse der Beschwerdesenate, durch die über eine Beschwerde nach § 73 PatG entschieden wird. An dieser Voraussetzung fehlt es. Gegenstand der Entscheidung ist eine Erinnerung. gegen einen Beschluss des Rechtspflegers nach § 23 Abs. 1 Nr. 12 RPflG. Auch wird dieser Beschluss nicht von einem Beschwerdesenat, sondern von einem Nichtigkeitssenat getroffen (vgl. Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 80 Rdnr. 38; Schulte, PatG, 7. Aufl., § 80 Rdnr. 62).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Wert des Erinnerungsverfahrens ergibt sich aus dem mit der Erinnerung zur Überprüfung gestellten Betrag.






BPatG:
Beschluss v. 07.12.2006
Az: 4 Ni 56/00


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