Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 7. Dezember 2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 115/08

(BGH: Beschluss v. 07.12.2009, Az.: AnwZ (B) 115/08)

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senates des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen vom 22. August 2008 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der am 28. Juli 1948 geborene Antragsteller wurde am 12. Oktober 1976 zur Anwaltschaft zugelassen. Im Jahre 1987 wurde er zum Notar für den Oberlandesgerichtsbezirk H. bestellt. Mit Bescheid vom 19. März 2008 widerrief die Antragsgegnerin die Anwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Beschwerde will der Antragsteller weiterhin die Aufhebung der Widerrufsverfügung erreichen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist statthaft und zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2 Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Anwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom 14. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, Rdn. 5 m.w.N.).

2. Im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung waren diese Voraussetzungen erfüllt. Seit dem Jahre 2004 hat der Antragsteller Verbindlichkeiten oft erst nach Einleitung gerichtlicher Verfahren beglichen. In den Jahren 2007 und 2008 kam es zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn, die teilweise sogar nur verhältnismäßig niedrige Forderungen zum Gegenstand hatten. Eine Forderung der W. Notarkammer H. in Höhe von 1.311,16 € wurde erst getilgt, nachdem die Gläubigerin am 16. Januar 2007 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwirkt hatte (lfd. Nr. 6 der Forderungsliste); die Forderung des V. S. in Höhe von 431,79 € (lfd. Nr. 10 der Forderungsliste) bezahlte der Antragsteller ebenfalls erst, nachdem ein Zwangsvollstreckungsauftrag erteilt worden war. Im Zeitpunkt der Widerrufsverfügung waren nach den eigenen Angaben des Antragstellers jedenfalls die Forderungen der E. B. in Höhe von 17.658,61 € (lfd. Nr. 15 der Forderungsliste) und der U. Sch. in Höhe von 3.648 € (lfd. Nr. 17 der Forderungsliste) nicht bezahlt. Der Antragsteller war nicht in der Lage, die genannten Forderungen auszugleichen, obwohl er im Jahre 2007 seine Beteiligung bei der Pensionskasse der Rechtsanwälte und Notare aufgelöst hatte, um mit dem Auszahlungsbetrag seine Verbindlichkeiten auszugleichen.

Es lagen auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ungeachtet des Vermögensverfalls die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet waren. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger. Im vorliegenden Fall gab es sogar konkrete Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Der Antragsteller ist mehrfach wegen zögerlicher Auskehr von Fremdgeldern aufgefallen, wie sich im Einzelnen aus dem Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts H. vom 18. Juni 2008 ergibt. Auch die oben genannten Forderungen betrafen vereinnahmte und nicht weitergeleitete Gerichtskostenvorschüsse.

3. Der Widerrufsgrund ist nicht nachträglich entfallen.

a) Sind im Laufe des gerichtlichen Verfahrens die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung nachträglich zweifelsfrei entfallen, so ist dies nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei der Entscheidung noch zu berücksichtigen (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150). Der Anwalt muss dazu im Einzelnen belegen, dass er die gegen ihn gerichteten Forderungen getilgt hat oder in einer Weise zu erfüllen vermag, die seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse wieder als geordnet erscheinen lässt (vgl. BGH, Beschl. v. 6. November 1998 - AnwZ (B) 25/98, BRAK-Mitt. 1999, 36). Er hat dazu seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darzulegen. Dazu gehört insbesondere eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobenen Forderungen, aus der sich ergibt, ob und in welcher Höhe Forderungen erfüllt worden sind oder in welcher Weise sie erfüllt werden sollen (vgl. BGH, Beschl. v. 21. November 1994 - AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; v. 31. März 2008 - AnwZ (B) 8/07, Rdn. 9). Es darf keine Forderung auf unabsehbare Zeit offen bleiben (BGH, Beschl. v. 7. Dezember 2004 - AnwZ (B) 40/04, NJW 2005, 1271, 1272).

b) Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind nach wie vor erfüllt. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 31. März 2009 dargelegt, er sei bemüht, mit Hilfe seiner Familie seine finanziellen Angelegenheiten zu ordnen. Seine steuerlichen Angelegenheiten seien weitgehend geordnet, und die Depressionserkrankung, die Ursache seiner Passivität gewesen sei, werde nunmehr behandelt. Bemühungen allein reichen jedoch nicht aus. Zudem ist am 7. April 2009 das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers eröffnet worden. Der Vermögensverfall wird nunmehr gesetzlich vermutet (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO). Tatsachen, welche die gesetzliche Vermutung widerlegen könnten, hat der Antragsteller nicht dargelegt.

4. Vom Widerruf der Zulassung kann auch nicht ausnahmsweise deshalb abgesehen werden, weil die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet wären. Mit Verfügung vom 27. April 2009 hat der Präsident des Oberlandesgerichts H. den Antragsteller seines Amtes als Notar enthoben, weil die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährde. Am 19. Mai 2008 ist gegen den Antragsteller Strafbefehl wegen Untreue in zwei Fällen erlassen und eine Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 € verhängt worden. Der Strafbefehl ist seit dem 17. Juni 2008 rechtskräftig. Wegen dieser Taten hat der Generalstaatsanwalt bei dem Oberlandesgericht H. ein anwaltsgerichtliches Verfahren gegen den Antragsteller eingeleitet (Anschuldigungsschrift vom 25. November 2008). Die Antragsgegnerin hat die genannten Taten zum Anlass genommen, mit Bescheid vom 3. Februar 2009 die sofortige Vollziehung der Widerrufsverfügung anzuordnen. Den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Anwaltsgerichtshof mit Beschluss vom 29. Mai 2009 zurückgewiesen.

5. Der Senat konnte mündlich verhandeln und in der Sache entscheiden, weil der ordnungsgemäß geladene Antragsteller sein Ausbleiben nicht hinreichend entschuldigt hat.

Ganter Ernemann Lohmann Frey Hauger Vorinstanz:

AGH Hamm, Entscheidung vom 22.08.2008 - 1 AGH 48/08 -






BGH:
Beschluss v. 07.12.2009
Az: AnwZ (B) 115/08


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