Oberlandesgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 18. September 2003
Aktenzeichen: II-1 WF 157/03

(OLG Düsseldorf: Beschluss v. 18.09.2003, Az.: II-1 WF 157/03)

Tenor

Auf die Beschwerde des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers

wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Duisburg vom

17.06.2003 unter Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde ab-

geändert und

der Streitwert für die Ehesache auf

6.459 EUR

festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO) und zum überwiegenden Teil begründet.

Der Streitwert ist für die Ehesache auf 3 x (1.593 + 810 - 250) = 6.459,00 EUR und für das Verfahren insgesamt - einschließlich Folgesache Versorgungsausgleich, die gemäss § 17 a GKG mit 519,96 EUR zu bewerten ist - auf gerundet 6.979,00 EUR festzusetzen.

Der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers wendet sich mit Recht dagegen, dass das Amtsgericht den Wert mit dem Mindestbetrag von 2.000 EUR (§ 12 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz GKG) angesetzt hat.

Die angefochtene Entscheidung entspricht allerdings der bisherigen Rechtsprechung des Senats, der bislang stets einen Wert von 2.000 EUR (bzw. 4.000 DM) für angemessen gehalten hat, wenn beide Ehegatten Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungspflicht erhalten hatten. An dieser Rechtsprechung hält der Senat aber nach erneuter Prüfung nicht mehr fest. Er schließt sich nunmehr der herrschenden Meinung an, der auch die anderen Familiensenate des erkennenden Gerichts folgen, und bemisst den Wert der Scheidungssache (§ 622 Abs. 1 ZPO) und der ihnen gleichgestellten Verfahren (§§ 631 f. ZPO, 15 LPartG) grundsätzlich nach dem bereinigten Einkommen, das die Eheleute in den letzten drei Monaten vor Einreichung des Scheidungsantrags erzielt haben (vgl. dazu die Nachweise bei Madert/Müller-Rabe, Kostenhandbuch Familiensachen Rdnr. B 18). Für diese Änderung sprechen Wortlaut und Systematik des Gesetzes. Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG bestimmt sich der Wert des Streitgegenstandes in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten "unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien". Satz 2 konkretisiert dies dahin, dass in Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute oder Lebenspartner einzusetzen ist. Ein Betrag von 2.000 EUR darf nach Satz 4 nicht unterschritten werden. Damit kommt den Einkommensverhältnissen der Ehegatten nach der Konzeption des Gesetzes entscheidende Bedeutung zu. Denn sie sollen - neben Umfang und Bedeutung der Sache und dem Vermögen der Parteien - "insbesondere" beachtet werden. Die Bedeutung einer Scheidung ist für die Beteiligten zweifellos hoch. Da die Auflösung der Ehe für die Ehegatten und gegebenenfalls ihre Kinder regelmäßig weitreichende Folgen hat, vermag dieses Abwägungskriterium eine Herabsetzung des Streitwertes auf den Mindestbetrag nicht zu rechtfertigen. Der Umfang der Sache wird nur in Ausnahmefällen für eine Reduzierung sprechen; zu denken ist an einverständliche Scheidungen, bei denen die von Amts wegen einzuleitende Folgesache Versorgungsausgleich einfach gelagert ist. Vorhandenes Vermögen kann allenfalls zu einer Anhebung des Streitwerts führen (vgl. dazu Madert a.a.O. Rdnr. 21). Fehlt Vermögen, besteht kein Grund, den Streitwert geringer festzusetzen. Schulden sind vorrangig bei der Bestimmung des anrechenbaren Einkommens zu berücksichtigen (vgl. Madert ebenda, Rdnr. 20). Damit verbleibt von den besonders hervorgehobenen Bemessungsfaktoren im allgemeinen das Einkommen, dessen Bedeutung dadurch unterstrichen wird, dass es der Gesetzgeber im Satz 2 näher umschrieben hat.

Prozesskostenhilfe wird in § 12 Abs. 2 GKG nicht erwähnt. Sie könnte allenfalls über das Tatbestandsmerkmal Vermögensverhältnisse erfasst werden. Allerdings besteht kein direkter Zusammenhang zwischen der Bedürftigkeit im Sinne des § 114 ZPO und schlechten Vermögensverhältnissen, die eine Herabsetzung des Streitwerts nahe legen könnten. Das zeigt sich vor allem an den Bestimmungen zum sogenannten Schonvermögen. Nach § 88 Abs. 2 BSHG darf die Sozialhilfe - und damit über § 115 Abs. 2 ZPO zugleich die Prozesskostenhilfe - nicht abhängig gemacht werden vom Einsatz oder der Verwertung - u.a. - eines angemessenen selbstgenutzten Hausgrundstücks (§ 88 Abs. 2 Nr. 7 BSHG) oder von Gegenständen, die zur Aufnahme oder Fortsetzung der Erwerbstätigkeit (Nr. 4) unentbehrlich sind (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Wrobel/Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rdnrn. 313 f., 339 f.). Folglich kann eine Partei selbst dann Prozesskostenhilfe erwarten, wenn sie Eigentümer eines schuldenfreien Hausgrundstücks ist; gerade in Großstädten können so beachtliche Vermögen vorhanden sein, die einer Prozesskostenhilfe-Bewilligung nicht entgegenstehen. Das selbe gilt für Betriebsmittel Selbständiger oder die Büroausstattung von Freiberuflern (vgl. Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl., § 88 Rdnr. 46 f.). Vor diesem Hintergrund lässt die Tatsache, dass beide Ehegatten ratenfreie Prozesskostenhilfe erhalten haben, nicht den Schluss auf fehlendes Vermögen oder sogar schlechte Vermögensverhältnisse zu.

Ist nach alledem den Ausführungen der Beschwerde im Grundsatz zu folgen, so kann sie doch nicht in vollem Umfang Erfolg haben, weil die Angaben zu den Einkünften nicht in allen Punkten zutreffen. Aus den eingereichten Unterlagen errechnet sich ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen - für den Ehemann (Abrechnung 12/02) von 1.593,00 EUR - für die Ehefrau (Krankengeld) von 27,02 x 30 = 810,00 EUR abzüglich Kindesunterhalt (monatlicher Pauschal- betrag) 250,00 EUR eine Summe von 2.153,00 EUR.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.






OLG Düsseldorf:
Beschluss v. 18.09.2003
Az: II-1 WF 157/03


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