Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2006
Aktenzeichen: 25 W (pat) 117/04
(BPatG: Beschluss v. 26.04.2006, Az.: 25 W (pat) 117/04)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen
Gründe
I.
Die Wortmarke Celanceist am 9. März 2001 für die Waren
"Pharmazeutische Erzeugnisse, insbesondere Humanarzneimittel"
unter der Nummer 300 85 120 in das Markenregister eingetragen worden.
Dagegen hat die Inhaberin der älteren, seit dem 29. Oktober 1996 für die Waren
"Diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke; alle vorgenannten Waren Vitamin C enthaltende Präparate"
unter der Nummer 396 23 980 eingetragenen Wortmarke Celan Widerspruch erhoben.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 7. Mai 2003 die Löschung der angegriffenen Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 396 23 980 angeordnet.
Ausgehend von identischen bzw. sehr ähnlichen Waren seien strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen, denen die jüngere Marke unter Zugrundelegung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht gerecht werde. Die Widerspruchsmarke sei nämlich in der angegriffenen Marke mit sämtlichen Buchstaben und damit auch klanglich vollständig enthalten. Der zusätzliche Laut "c" und der Schlussvokal "e" als klangliche Unterschiede könnten die bestehenden klanglichen Übereinstimmungen nicht so deutlich überwiegen, dass klangliche Verwechslungen ausgeschlossen seien. Das Endungs-"e" würde bei unbefangener Aussprache regelmäßig nur schwach anklingen oder weitestgehend verschluckt. Auch die unterschiedliche Silbenzahl werde dadurch vielfach unbemerkt bleiben, so dass der Gesamtklang der Zeichenwörter nahezu klanggleich erscheine, zumal der in der jüngeren Marke vorhandene Mehrkonsonant "c" im Gesamtklang zumeist zurücktrete. Angesichts der hohen Übereinstimmung im klanglichen Gesamteindruck sei eine hinreichend sichere Unterscheidung der Marken unter Berücksichtigung der hohen Ähnlichkeit der Waren und der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht gewährleistet.
Auf die Erinnerung der Inhaberin der angegriffenen Marke und nach Einschränkung des Warenverzeichnisses der angegriffenen Marke auf "verschreibungspflichtige pharmazeutische Erzeugnisse, insbesondere Humanarzneimittel" hat die Markenstelle für Klasse 5 mit Beschluss vom 11. Mai 2004 den angefochtenen Beschluss der Markenstelle vom 7. Mai 2003 aufgehoben, soweit durch diesen die angegriffene Marke aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 396 23 980 gelöscht worden ist, und den Widerspruch zurückgewiesen.
Trotz der hohen Ähnlichkeit zwischen Arzneimitteln und diätetischen Erzeugnissen und den danach zu stellenden strengen Anforderungen sei der Abstand zwischen den Marken "Celance" und "Celan" ausreichend. Die Marken unterschieden sich hinsichtlich Buchstaben- und Silbenzahl. Die angegriffene Marke bestehe aus sieben Buchstaben und sei dreisilbig, während die Widerspruchsmarke aus fünf Buchstaben bestehe und zweisilbig sei. Die zusätzlich enthaltene Silbe "ce" am Wortende der angegriffenen Marke werde weder undeutlich ausgesprochen noch verschluckt. Bei deutscher Aussprache werde diese Silbe deutlich mit Zischlaut im Sinne von "-tse" artikuliert und falle ins Gewicht. Bei französischer Aussprache werde die Endung nasal wie "tselonss" artikuliert. Hingegen laufe die Widerspruchsmarke auf einem betonten langen a-Vokal aus. Daher seien keine klanglichen Verwechslungen zu befürchten. Aufgrund der verschiedenen Wortlängen und der zusätzlichen Buchstaben "ce" nur in der jüngeren Marke sei auch in schriftbildlicher Hinsicht eine ausreichende Unterscheidung möglich. Ferner spräche die im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke verankerte Rezeptpflicht ebenfalls gegen eine Verwechslungsgefahr, weil als beteiligte Verkehrskreise dadurch vor allem Fachleute in Frage kämen. Diese seien über Warenkennzeichnungen auf ihrem Gebiet gut unterrichtet und begegneten neuen Kennzeichnungen mit größerer Aufmerksamkeit.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluss der Markenstelle vom 11. Mai 2004 aufzuheben und die Marke zu löschen.
Für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht sei auf den von den Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die sie unterscheidenden und dominierenden Elemente zu berücksichtigen seien. Dafür sei entscheidend, wie die Marke vom Durchschnittsverbraucher aufgefasst werde. Auch durch die Zunahme englischer und/oder französischer Sprachelemente innerhalb des deutschen Sprachraums sei davon auszugehen, dass die jüngere Marke vom beteiligten Publikum auch im deutschen Sprachraum entsprechend den französischen Ausspracheregeln artikuliert werde, so dass die Marke "Celance" in Analogie zur Aussprache von "Balance" nasal wie "tsela:ns" klänge. Die jüngere Marke erhalte damit einen zweisilbigen Wortklang und entspräche somit der zweisilbigen Widerspruchsmarke nahezu identisch. Die ältere Marke "Celan" sei klanglich und schriftbildlich vollständig in der jüngeren Marke "Celance" enthalten, wobei durch die Endsilbe "-ce" keine nachhaltige Veränderung der angegriffenen Marke bewirkt werde. Daher überwögen im maßgebenden Gesamteindruck die Gemeinsamkeiten bei den Vergleichsmarken, so dass die jüngere Marke bei französischer Aussprache keinen ausreichenden Abstand zur älteren Marke einhalte. Eine Aussprache der angegriffenen Marke nach der deutschen Sprachregelung sei hingegen nicht zu erwarten. Aber auch in diesem Fall verändere die vom Publikum nicht mehr so stark beachtete Endsilbe den Gesamtcharakter der jüngeren Marke nicht in dem Maße, dass der geforderte Abstand zur älteren Marke eingehalten werde. Da die Marken nicht unmittelbar durch den Verbraucher verglichen würden, bestünde aus der ungenauen Erinnerung heraus für den beteiligten Verkehrskreis durchaus die Gefahr, die hier vorliegenden Marken wegen der bestehenden Übereinstimmungen miteinander zu verwechseln.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zwischen den Vergleichsmarken bestehe keine Verwechslungsgefahr, da sich die Marken in der Buchstaben- und Silbenzahl sowie durch die zusätzlich enthaltene Silbe "ce" in der jüngere Marke am Wortanfang und am Wortende deutlich unterschieden. Ferner wirke die im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke ausgewiesene Rezeptpflicht einer Verwechslungsgefahr entgegen, da dadurch vor allem Fachleute zu berücksichtigen seien, die Kennzeichnungen mit größerer Aufmerksamkeit begegnen würden. Bei ihrem Hinweis, die jüngere Marke werde französisch als "tselans" artikuliert, übersehe die Beschwerdeführerin, dass neben "Balance" auch Wörter wie beispielsweise "Chance", deren "e" am Ende häufig gesprochen werde, Einzug in die deutsche Sprache gefunden habe. Zudem handele es sich bei den vorgenannten Wörtern um klare Begriffe, während die angegriffene Marke eine reine Fantasiebezeichnung darstelle, bei der es äußerst unwahrscheinlich sei, dass sie französisch artikuliert werde. Überdies dürften französisch ausgesprochene Marken auf dem in Rede stehenden Warengebiet der Arzneimittel nur äußerst selten vorkommen, wonach davon auszugehen sei, dass die angegriffene Marke deutsch und damit als "tselantse" artikuliert werde. Die Gefahr von Verwechslungen der sich gegenüber stehenden Marken sei damit nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss und Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg, da keine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt.
Grundsätzlich ist nach überwiegender Rechtsprechung von einer engen Ähnlichkeit zwischen den von der angegriffenen Marke beanspruchten "pharmazeutischen Erzeugnissen" und den von der Widerspruchsmarke umfassten "diätetischen Erzeugnissen für Kinder und Kranke" auszugehen (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 68, 232). Ob sich der Warenabstand durch die im Verzeichnis der angegriffenen Marke enthaltene Rezeptpflicht vergrößert (vgl. dazu PAVIS PROMA 25 W (pat) 66/03 v. 3.03.2005 - famovir von ct/FAMVIR), kann letztlich offen bleiben. Denn auch wenn man diesen Gesichtspunkt unberücksichtigt lässt und zudem trotz der im Verzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen Rezeptpflicht nicht in erster Linie auf den Fachverkehr abstellt, sondern auch maßgebend Laien berücksichtigt, so dass unter Berücksichtigung einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke insgesamt strenge Anforderungen an den Markenabstand zu stellen sind, wird die angegriffene Marke diesen sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht gerecht. Dabei ist entsprechend dem Verbraucherleitbild des EuGH auf den normal informierten und angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen (EuGH GRUR 2004, 943 - SAT.2), dessen Aufmerksamkeit je nach Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen unterschiedlich hoch sein kann (EuGH MarkenR 2006, 567 - Picasso), der jedoch allem, was mit der Gesundheit zu tun hat, aufmerksamer begegnet als bei vielen anderen Produkten des täglichen Lebens (vgl. BGH GRUR 1995, 50 - INDOREKTAL / INDOHEXAL).
Bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es maßgeblich auf den Gesamteindruck der Zeichen an (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdn. 152). Da die angegriffene Marke ein einheitliches zusammengehöriges Wort ist, hat der Verkehr keinen Anlass, bei ihr die Buchstabenfolge "CELAN" als einen diese Marke prägenden Bestandteil anzusehen. Die angegriffene Marke ist vielmehr in ihrer Gesamtheit zu würdigen.
Davon ausgehend unterscheiden sich die beiden Marken, obwohl die Widerspruchsmarke als Buchstabenfolge vollständig in der angegriffenen Marke enthalten ist, ihrem Gesamteindruck nach aber aufgrund der zusätzlichen Silbe "ce" auf Seiten der angegriffenen Marke - wobei der Konsonant "c" ebenso wie das Angangs-"C" beider Markenwörter nach der deutschen Aussprachelehre wegen des nachfolgenden "E" als "ts" ausgesprochen wird (vgl. DUDEN; Aussprachewörterbuch, 4. Aufl. S. 75) - sowohl in klanglicher als auch in bildlicher Hinsicht noch so deutlich, dass auch unter Berücksichtigung einer nicht zeitgleichen oder in unmittelbarer zeitlicher Abfolge erfolgenden Wahrnehmung und eines erfahrungsgemäß häufigen undeutlichen Erinnerungsbildes (vgl. dazu EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints) ein sicheres Auseinanderhalten selbst unter strengen Anforderungen an den Markenabstand jederzeit gewährleistet ist.
Soweit die Widersprechende geltend macht, dass bei der angegriffenen Marke die Lautfolge "-ance" auch im deutschen Sprachraum von einem nicht unerheblichen Teil des Verkehrs als französisches Sprachelement erkannt werde und die angegriffene Marke bei "französischer" Aussprache ebenso wie die Widerspruchsmarke einen zweisilbigen Wortklang aufweise, ist bereits zu beachten, dass im Bereich von pharmazeutischen und diätetischen Erzeugnissen nach der Praxis der Markenbildungen weniger Anlass und deshalb im Verkehr auch weniger Neigung zu fremdsprachlichen Wiedergaben als in manchen anderen Branchen - wie z. B. Kosmetik - besteht. Aber auch wenn man mit der Widersprechenden von einer zweisilbigen "französischen" Aussprache der angegriffenen Marke in Form von "tsela:ns" (vgl. DUDEN, Aussprachewörterbuch, 4. Aufl. S. 238) ausgeht, besteht eine deutlich wahrnehmbare klangliche Abweichung zu der wie "tselan" artikulierten Widerspruchsmarke. Denn bei dieser ist eine "französische Aussprache" nicht nahe gelegt; vor allem jedoch kommt die Übereinstimmung in dem Bestandteil "celan" klanglich nicht zum Ausdruck, da auf Seiten der angegriffenen Marke bei einer französischen Sprachregeln entsprechenden Aussprache die Endsilben "lance" klanglich zu einer Silbe verschmelzen und insoweit keine Übereinstimmung mehr mit der Endsilbe "-lan" der Widerspruchsmarke aufweisen.
Wird die angegriffene Marke hingegen dreisilbig wie "tse - lan - tse" ausgesprochen, ergibt sich bereits durch die dann auch klanglich unterschiedliche Silbenzahl und den daraus folgenden abweichenden Sprech- und Betonungsrhythmus ein deutlich unterschiedliches Gesamtklangbild. Auch dabei tritt die Übereinstimmung in der Buchstabenfolge "celan" klanglich nicht besonders deutlich hervor.
Beim schriftbildlichen Vergleich führt angesichts der relativen Kürze beider Markenwörter die abweichende Silbenzahl und die sich daraus ergebende unterschiedliche Wortlänge zu einem ausreichendem Abstand. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.
Eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des gedanklichen in Verbindung Bringens besteht ebenfalls nicht. Das Erkennen einer Zeichenserie setzt beim Verkehr Kenntnisse, Überlegungen und eine sorgfältige Prüfung der Kollisionszeichen voraus. Selbst identische Buchstabenfolgen legen noch nicht zwangsläufig den Gedanken an Serienmarken nahe. Vielmehr müssen sie nach Art eines eigenständigen Wortstamms hervortreten. Davon kann in der Regel bei unselbständigen Lautfolgen - wie hier bezüglich "Celan" in der angegriffenen Marke - nicht ausgegangen werden (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 9 Rdn. 482). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Widersprechende bereits eine Zeichenserie verwendet, in welche sich die angegriffene Marke einfügen würde, oder dass der Bestandteil "CELAN" so kennzeichnungsstark ist, dass allein die Übereinstimmung in dieser Lautfolge den Verkehr veranlassen könnte, in dem Wort "Celance" ein Serienzeichen der Widersprechenden zu sehen.
Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher keinen Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs. 1 MarkenG.
BPatG:
Beschluss v. 26.04.2006
Az: 25 W (pat) 117/04
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