Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Mai 2011
Aktenzeichen: 27 W (pat) 519/10
(BPatG: Beschluss v. 31.05.2011, Az.: 27 W (pat) 519/10)
Tenor
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patentund Markenamts vom 6. Oktober 2009 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Markenstelle für Klasse 43 des Deutschen Patentund Markenamts hat die für Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 29, 30, 35 und 43 angemeldete Wortmarke Löwenzahnmit Bescheid vom 14. Januar 2009 teilweise bezüglich der Waren der Klassen 5, 29 und 30 u. a. wegen fehlender Unterscheidungskraft beanstandet. Nachdem die Anmelder daraufhin das Warenverzeichnis hinsichtlich der beanstandeten Waren mit dem Zusatz "sämtliche vorgenannten Waren hergestellt ohne Verwendung von Löwenzahn oder Extrakten daraus" beschränkt hatten, hat die Markenstelle die Anmeldung mit Beschluss vom 6. Oktober 2009 vollständig nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.
Dies ist damit begründet, auch in der beschränkten Fassung des Warenverzeichnisses stelle die Bezeichnung "Löwenzahn" eine konkret und unmittelbar warenbeschreibende Aussage dar. "Löwenzahn" sei die allgemein geläufige Bezeichnung für eine ausdauernde krautige Pflanze, die in allen Teilen einen weißen Milchsaft enthalte. Es handle sich um eine Schuttund Wiesenpflanze, die auf der gesamten nördlichen Erdhalbkugel mit vielen Unterarten weit verbreitet sei. Die hohen Blätter des Löwenzahns könnten als Salat oder Suppe verzehrt werden; auch sei es möglich, Tee aus Kraut und Wurzeln des Löwenzahns herzustellen; aus den Wurzeln bereite man Kaffee-Ersatz. Auch für medizinische Zwecke seien das während der Blütezeit gesammelte Kraut und die Wurzeln nützlich. Löwenzahn werde vor allem als harntreibendes Mittel eingesetzt und solle bei Verdauungsbeschwerden wirken. Für kosmetische Zwecke werde seit alters her der beim Abschneiden des Stengels austretende Milchsaft benutzt, und Löwenzahnwasser werde auch bei der Schönheitspflege und in der Küche eingesetzt. Löwenzahn werde nicht nur zu Salat, Suppen oder Tee verarbeitet, sondern komme auch gehackt als Zutat für Kräuterquark vor, wie sich aus dem Beschluss beigefügten Anlagen ergebe. Sämtliche beanstandeten Waren könnten also zumindest als Bestandteil Löwenzahn oder Löwenzahnextrakte enthalten. Der Pflanzenname "Löwenzahn" komme daher als beschreibende Bezeichnung der stofflichen Beschaffenheit dieser Produkte in Betracht. Für alle in Rede stehenden Produkte sei es jederzeit vorstellbar und möglich, dass diese unter Verwendung von Löwenzahn als pflanzlicher Inhaltsstoff in den Handel kämen.
Durch die Einschränkung des Warenverzeichnisses werde das Schutzhindernis nicht ausgeräumt. Die Einschränkung sei mit den europarechtlichen Vorschriften nicht vereinbar. Es würde zu Rechtsunsicherheiten hinsichtlich des Umfangs des Markenschutzes führen, eine Marke für bestimmte Waren unter der Voraussetzung einzutragen, dass sie ein bestimmtes Merkmal nicht aufwiesen.
Dem Beschluss beigefügt sind umfangreiche Internetausdrucke, die belegen, dass die Pflanze Löwenzahn bei unterschiedlichen Lebensmitteln verwendet wird.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelder. Sie halten die Marke für schutzfähig. Bezüglich der Dienstleistungen der Klassen 35 und 43 sei die Zurückweisung offensichtlich fehlerhaft. Dass Löwenzahn oder Löwenzahnextrakte Bestandteil von Lebensmitteln sein könnten, begründe kein Freihaltungsbedürfnis bezüglich der beanspruchten Dienstleistungen. Der im Warenverzeichnis vorgenommene Ausschluss von solchen Waren, die als pflanzlichen Inhaltsstoff Löwenzahn enthielten, stehe dem entgegen. Der Ausschluss führe auch nicht zu einer Rechtsunsicherheit. Bei der im Warenverzeichnis vorgenommenen Formulierung handle es sich nicht um eine Einschränkung, sondern lediglich um eine Klarstellung. Bei Waren wie Müsli oder Joghurt komme eine Verwendung von Löwenzahn insbesondere aufgrund ihrer Beschaffenheit und ihres Geschmacks nicht in Betracht.
Nachdem der Senat eine mündliche Verhandlung anberaumt hatte, haben die Anmelder mit Schriftsatz vom 7. April 2011 mitgeteilt, sie nähmen die Anmeldung für die Waren der Klassen 5, 29 und 30 zurück und beschränkten sie auf die Dienstleistungen
"Klasse 35 betriebswirtschaftliche Beratung hinsichtlich der Planung, Errichtung und Betrieb von Kinderdörfern; Klasse 43 Beherbergung, Vermittlung von Beherbergung".
II.
1.
Das Amtsverfahren leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Es stellt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs gemäß § 59 Abs. 2 MarkenG dar, dass die Markenstelle die Anmeldung mit Bescheid vom 14. Januar 2009 zunächst nur teilweise beanstandet, die Anmeldung dann jedoch vollständig zurückgewiesen hat. Keine Beanstandung erfolgte bezüglich der im Amtsverfahren beanspruchten Waren und Dienstleistungen "Milch, inklusive Dickmilch, Sauermilch, Buttermilch und Kondensmilch; Eier; betriebswirtschaftliche Beratung hinsichtlich der Planung, Errichtung und Betrieb von Kinderdörfern; Beherbergung, Vermittlung von Beherbergung".
Die insoweit gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG in Betracht kommende Zurückverweisung an das Patentamt hält der Senat aus prozessökonomischen Gründen jedoch nicht für angezeigt, da der Mangel durch die nachträgliche Anhörung vor dem Senat geheilt worden ist.
2.
Die zulässige Beschwerde der Anmelder hat auf der Grundlage des im Beschwerdeverfahren eingeschränkten Dienstleistungsverzeichnisses Erfolg. Insoweit stehen einer Eintragung weder das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch das einer Merkmalsbezeichnung im Sinn von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinn des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen (EuGH GRUR 2006, 233, 235, Nr. 45 -Standbeutel; BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 18 -FUSSBALL WM 2006). Bei Wortmarken ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von fehlender Unterscheidungskraft auszugehen, wenn der Marke ein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Sinngehalt zugeordnet werden kann oder wenn es sich um ein gebräuchliches Wort bzw. eine Wortfolge der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache handelt, dass (die) vom Publikum, etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung, stets nur als solches (solche) und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (st. Rspr. vgl. BGH GRUR 2006, 850, 854, Nr. 19 -FUSSBALL WM 2006).
Für die jetzt noch beanspruchten Dienstleistungen ist "Löwenzahn" keine im Vordergrund des Verständnisses stehende Sachangabe. In Bezug auf "betriebswirtschaftliche Beratung hinsichtlich der Planung, Errichtung und Betrieb von Kinderdörfern; Beherbergung, Vermittlung von Beherbergung" bleibt der Bedeutungsinhalt der Bezeichnung "Löwenzahn" vage und unscharf. Es ist nicht ersichtlich, dass "Löwenzahn" im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen Verwendung findet. Belege für eine beschreibende Verwendung des Begriffs in Bezug auf die jetzt noch beanspruchten Dienstleistungen hat die Markenstelle nicht ermittelt. Die dem angegriffenen Beschluss beigefügten Internetbelege befassen sich nur mit nicht mehr beanspruchten Waren. Auch der Senat konnte hierzu keine Belege ermitteln.
Für ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sieht der Senat mangels eines inhaltsbeschreibenden Gehalts der Marke für die jetzt noch beanspruchten Dienstleistungen keine Anhaltspunkte.
Dr. Albrecht Kruppa Wernerbr/Pr
BPatG:
Beschluss v. 31.05.2011
Az: 27 W (pat) 519/10
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2b41f89653cc/BPatG_Beschluss_vom_31-Mai-2011_Az_27-W-pat-519-10