Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. Mai 2008
Aktenzeichen: 19 W (pat) 347/05
(BPatG: Beschluss v. 05.05.2008, Az.: 19 W (pat) 347/05)
Tenor
Das Patent DE 102 19 184 wird widerrufen.
Gründe
I Das Deutsche Patent- und Markenamt hat für die Anmeldung vom 29. April 2002 ein Patent mit der Bezeichnung "Feuerhemmende, rauchdichte Schiebetür" erteilt und die Patenterteilung am 17. März 2005 veröffentlicht.
Gegen das Patent hat die Fa. G... mit Telefax vom 17. Juni 2005 Einspruch erhoben und Neuheit bzw. erfinderische Tätigkeit insbesondere des Gegenstandes von Patentanspruch 1 bestritten.
Die Einsprechende stellt den Antrag, das Streitpatent zu widerrufen.
Die Patentinhaber stellen den Antrag, das Streitpatent entsprechend Hauptantrag vom 12. November 2007 aufrecht zu erhalten.
Hilfsweise verteidigen sie ihr Patent mit Patentansprüchen 1 bis 13 gemäß überreichtem Hilfsantrag vom 5. Mai 2008.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die nach dem §147 Abs. 3 PatG in der letztgültigen Fassung vom 9. Dezember 2004 begründete Zuständigkeit des Senats wird durch die in der Zwischenzeit erfolgte Aufhebung dieser Vorschrift nicht berührt (vgl. auch BGH Beschluss vom 27. Juni 2007 X ZB 6/05 - Informationsübermittlungsverfahren II).
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist zweifelsfrei gegeben.
1. Gegenstand des Patents, Aufgabenstellung Das Patent bezieht sich auf eine feuerhemmende, rauchdichte Schiebetür.
In der Patentschrift wird dazu erläutert, dass derartige Schiebetüren über Transportrollen aus Kunststoff verfügen, die eine größere Laufruhe als Stahlrollen gewährleisten, jedoch bei Hitzeeinwirkung schmelzen. Außerdem wird zur Verbesserung der Rauchdichtigkeit in die Türspalten Material eingebracht, das bei seiner Erhitzung aufschäumt und abdichtet. Ein wesentlicher Nachteil bei derartigen Türen ist, dass sie dann blockiert sind und die Evakuierung von Personen gefährdet wäre.
Der Erfindung liegt deshalb die Aufgabe zu Grunde, eine feuerhemmende, rauchdichte Schiebetür bereit zu stellen, die neben einem laufruhigen Betrieb eine hohe Lebensdauer erwarten lässt und darüber hinaus rauchdicht und zumindest im Brandfall begrenzt funktionsfähig ist, beziehungsweise eine Notfallevakuierung ermöglicht (Abs. 0009 der Patentschrift).
2. Fachmann, Fachwissen Als Fachmann ist ein Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Maschinenbau, der über Berufserfahrung in der Entwicklung von Feuerschutztüren verfügt, anzusehen.
3. Anspruchsfassung, Verständnis der Ansprüche Der (mit einer eingefügten Gliederung in Merkmalsgruppen versehene) Anspruch 1 nach Hauptantrag lautet:
"1a) Feuerhemmende, 1b) rauchdichte Schiebetür, 2) die mindestens ein entlang einer Ebene bewegbares Türblatt (1)
2a) aus feuerresistentem Glas, das in einer Einfassung (2) aufgenommen ist, 3) sowie eine Transportvorrichtung (3) aufweist, wobei die Transportvorrichtung (3) aus wenigstens einem wandfest montierten Laufprofil (4) und mindestens einem mit der Einfassung (2) verbundenen Tragelement (5) besteht 4) und das Tragelement (5) wenigstens eine Achse (6) mit einer drehbar darauf gelagerten Transportrolle (7) aufweist, 5) deren Kern (9) aus feuerresistentem Material 6) und deren Lauffläche (8) aus Kunststoff besteht, dadurch gekennzeichnet, 7) dass die Lauffläche (8) der Transportrolle (7) beidseitig durch je eine Scheibe (10, 11) begrenzt ist, 7a) wobei die Scheiben (10, 11) auch nach einem durch einen Brand verursachten Abschmelzen des Kunststoffes der Lauffläche (8) ein Fangsystem bilden."
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich davon durch das abgeänderte Merkmal 7a'), das wie folgt lautet:
"7a') wobei die Scheiben (10, 11) auch nach einem durch einen Brand verursachten Abschmelzen des Kunststoffes der Lauffläche (8) zusammen mit dem mit einer Lauffläche für das Laufprofil (4) ausgestatteten Kern (9) der Transportrolle (7) ein Fangsystem bilden, um weiterhin eine Notlauffunktion der Schiebetür zu gewährleisten."
Zum Verständnis der Ansprüche wird der Fachmann dabei folgendes voraussetzen:
Bei einer rauchdichten Schiebetür sind Dichtungen oder konstruktive Maßnahmen im Bereich der Türspalte vorgesehen, die die Tür jedenfalls im Brandfall abdichten.
Die beiden Scheiben müssen den Kern soweit überragen, dass sie die Rolle auf dem Laufprofil führen können und somit das beansprucht Fangsystem bilden.
Die "Lauffläche für das Laufprofil" nach Merkmal 7a') des Hilfsantrags ist die Notlauffläche auf dem Kern, die bei abgeschmolzener Lauffläche 8 auf dem Laufprofil abrollt. Das Merkmal 7a') kennzeichnet lediglich deren Zweckbestimmung, keinesfalls deren Anpassung an die Form des Laufprofils, wie es die Patentinhaber angedeutet haben. Die einzige diesbezügliche Darstellung in Figur 1 zeigt ein rundes Laufprofil und einen zylindrischen, also nicht angepassten Kern. Dass das nicht erfindungsgemäß sein solle, kann der Fachmann vernünftigerweise nicht annehmen.
4. Stand der Technik, Neuheit Die Schiebetür gemäß Anspruch 1 nach Haupt- und Hilfsantrag ist neu.
Die DE 197 53 132 A1 zeigt eine "Brandschutzschiebetüranlage" (Titel). Sie hat die Aufgabe, eine Schiebetüranlage mit Feuer- und Rauchschutz auszubilden, welche zudem für den Einsatz in Flucht- und Rettungswegen geeignet ist (Sp. 1, Z. 41 bis 44).
Für den Schiebemechanismus sind Metallrollen mit Kunststofflaufflächen vorgesehen (Sp. 6, Z. 68 bis Sp. 7 Z. 2). Das Wort "Kunststofflauffläche" beinhaltet dabei für den Fachmann, dass eine Kunststoffschicht auf einem metallischen Kern aufgebracht ist. Notlaufeigenschaften für den Kern und die Tatsache, dass der Kunststoff bei Hitze schmilzt, sind nicht ausdrücklich erwähnt. In Spalte 7 Zeile 2 bis 21 wird jedoch ausdrücklich ein Schiebemechanismus mit hitzeresistenten Rollen (Metall und "anderen hitzeresistenten Materialien"), hitzegeschütztem Antrieb mit ebenfalls hitzegeschützten Zuleitungen und hitzebeständigem Treibriemen beschrieben. Das lässt nur den Schluss zu, dass dieser Antrieb auch bei Hitzebelastung durch Feuer funktionieren muss, also die Rolle auch Notlaufeigenschaft haben muss, wenn die Kunststofflauffläche vom Metallkern abgeschmolzen ist. Dann kann die bekannte Schiebetür aufgabengemäß als Flucht- und Rettungstür funktionieren.
Dass dafür zusätzlich auch Schwenktüren vorgesehen sind, widerspricht dem nicht, da beim Streitpatent (Ansprüche 12, 13) auch derartige Türen möglich sind.
In Spalte 6, Zeilen 13 bis 23 wird für die bekannte Brandschutzschiebetüranlage von treppenförmigen Dichtkanten für einen dichten Abschluss in Schließlage gesprochen; ähnlich im Anspruch 6: "Brandschutzmaterial und/oder feste und automatisch gesteuerte bewegliche Dichtungen". Der Fachmann versteht das als im Normalbetrieb wirksame (nicht in den Figuren dargestellte) Dichtungen, die alternativ oder zusätzlich zu den (in den Figuren dargestellten) im Brandfall aufschäumenden Dichtungen ("Brandschutzmaterial") eingesetzt werden.
Mit den Worten des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist aus der DE 197 53 132 A1 damit bekannt eine:
1a) Feuerhemmende, 1b) rauchdichte Schiebetür (Sp. 1, Z.41,42,50,51), 2) die mindestens ein entlang einer Ebene bewegbares Türblatt 11 2a) aus feuerresistentem Glas, das in einer Einfassung aufgenommen ist (Sp. 5, Z. 50 bis 54, Sp. 6, Z. 7 bis 10), 3) sowie eine Transportvorrichtung aufweist, wobei die Transportvorrichtung aus wenigstens einem wandfest montierten Laufprofil 33 und mindestens einem mit der Einfassung verbundenen Tragelement 34, 35 besteht (Sp. 6, Z. 63 bis 67)
4) und das Tragelement wenigstens eine Achse mit einer drehbar darauf gelagerten Transportrolle 35a aufweist, 5) deren Kern aus feuerresistentem Material 6) und deren Lauffläche aus Kunststoff besteht (Sp. 6, Z. 68 bis Sp. 7, Z. 2), und nach Hilfsantrag:
7a'teilw)wobei auch nach einem durch einen Brand verursachten Abschmelzen des Kunststoffes der Lauffläche der mit einer Lauffläche für das Laufprofil ausgestatteten Kern der Transportrolle weiterhin eine Notlauffunktion der Schiebetür gewährleistet.
Im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag sind dort keine Scheiben zur Führung der Rollen vorgesehen, die ein Fangsystem bilden könnten.
Die Schiebetür nach EP 703 338 A1 zeigt eine Aufzugstür. Nachdem auch dort Feuerresistenz verlangt wird (Sp. 1, Z. 32, 38), ist sie eine feuerhemmende Schiebetür im Sinne des Patents. Dagegen spricht nicht, dass ein Aufzug im Brandfall nicht betreten werden sollte, wie die Patentinhaber meinen; denn für die Evakuierung von im Fahrstuhl eingeschlossenen Personen müssen die Türen auch im Brandfall funktionieren.
Im Bereich von Schrauben oder Nieten 15, die zwei Scheiben 13, 14 an dem Kugellager 9 festklemmen, sind zwei aus Ringen oder Scheiben bestehende Armierungskäfige 16, 17 vorgesehen, die in Kunststoffschichten 18, 19 eingebettet sind (Sp. 2, Z. 31 bis 48). Die Kunststoffschichten 18, 19 dienen dabei der Geräuschdämpfung, die Armierungskäfige 16, 17 der mechanischen Standfestigkeit (Sp. 3, Z. 6 bis 9). Damit entnimmt der Fachmann dieser Schrift auch, dass die Armierungskäfige 16, 17 im Brandfall als mechanisch standfeste Ringe aus feuerresistentem Material die Notlauffunktion übernehmen, wenn die Kunststofflauffläche abgeschmolzen oder abgebrannt ist. Die Armierungskäfige 16, 17 bilden somit zusammen mit dem Kugellager 9 und der Kunststoffschicht 18 einen Kern aus Verbundwerkstoff, der auch bei hohen Temperaturen verursacht durch Feuer funktionsfähig bleibt und insoweit auch feuerresistent ist. Auf ihm liegt die Kunststoffschicht 19 als Lauffläche (Sp. 3, Z. 3 bis 5).
Mit den Worten des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist damit aus der EP 703 338 A1 bekannt eine 1a) Feuerhemmende Schiebetür, 2) die mindestens ein entlang einer Ebene bewegbares Türblatt 8 3teilw) sowie eine Transportvorrichtung aufweist, wobei die Transportvorrichtung aus wenigstens einem wandfest montierten Laufprofil 3 und mindestens einem mit dem Türblatt verbundenen Tragelement 7 besteht 4) und das Tragelement 7 wenigstens eine Achse 6 mit einer drehbar darauf gelagerten Transportrolle 5 aufweist, 5teilw) deren Kern zum Teil aus feuerresistentem Material (Kugellager 9 immer aus Stahl, Metallnieten/schrauben 15, standfeste Armierungskäfige 16, 17)
6) und deren Lauffläche 19 aus Kunststoff besteht, 7) wobei die Lauffläche 19 der Transportrolle beidseitig durch je eine Scheibe 13, 14 begrenzt ist 7a) wobei die Scheiben 13, 14 auch nach einem durch einen Brand verursachte Abschmelzen des Kunststoffes der Lauffläche 19 ein Fangsystem bilden (Die Führungsfunktion der Scheiben ist der Fig. 1 und 4 unmittelbar zu entnehmen), und nach Hilfsantrag:
7a') wobei die Scheiben 13, 14 auch nach einem durch einen Brand verursachten Abschmelzen des Kunststoffes der Lauffläche 19 zusammen mit dem mit einer Lauffläche (Außenseite des Armierungskäfigs 17) für das Laufprofil 3 ausgestatteten Kern (9, 15-17) der Transportrolle ein Fangsystem bilden, um weiterhin eine Notlauffunktion der Schiebetür zu gewährleisten.
Die bekannte Schiebetür unterscheidet sich von der Schiebetür nach Anspruch 1 durch die fehlende Rauchdichtigkeit. Eine Abdichtung ist nicht ersichtlich. Der von der Einsprechenden zitierte Hinweis auf die Brandschutzbestimmungen in Sp. 1, Z. 32 ist nicht ausreichend, um Rauchdichtheit zu unterstellen, denn es gibt auch nicht rauchdichte Feuerschutztüren. Außerdem besteht der Rollenkern teilweise aus Kunststoff, und es ist kein Hinweis auf Glastüren entnehmbar.
5. Patentfähigkeit Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag ist nicht erfinderisch.
Die in der Patentschrift genannte Aufgabe ist durch die aus der DE 197 53 132 A1 bekannten Schiebetür bereits vollständig gelöst. Trotzdem gibt es davon ausgehend Anlass zur Änderung, wenn z. B. auf Grund von Kundenwünschen oder zur Erstellung eines Baukastensystems mit unterschiedlichen Laufwerkstypen von den dort verwendeten Doppelrollen auf Einfachrollen mit üblicherweise konvexen Laufschienen umgestiegen werden soll. Dann kann der Fachmann die gleichermaßen mit feuerfestem Kern und Kunststofflauffläche ausgestatteten Rollen nach der EP 703 338 A1, die ebenfalls Notlaufeigenschaft haben, ohne weiteres als Vorbild nehmen um die Rollen in der DE 197 53 132 A1 mit Scheiben als Fangsystem für Normal- und Notbetrieb auszurüsten.
Das gilt auch, wenn man - wie die Patentinhaber - eine Kombinationswirkung von Scheiben und Notlauffläche unterstellt, denn auch diese Kombination ist durch die EP 703 338 A1 bekannt.
Damit gelangt der Fachmann ohne erfinderisch tätig zu werden zum Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag.
6. Nach Fortfall des Anspruchs 1 nach Hauptantrag und Hilfsantrag teilen die jeweils darauf rückbezogenen Ansprüche dessen Schicksal.
Bertl Dr. Mayer Gutermuth Dr. Scholz Pr
BPatG:
Beschluss v. 05.05.2008
Az: 19 W (pat) 347/05
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