Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Januar 2002
Aktenzeichen: 24 W (pat) 55/01

(BPatG: Beschluss v. 15.01.2002, Az.: 24 W (pat) 55/01)

Tenor

Der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. November 1999 wird insoweit aufgehoben, als der Widerspruch aus der Marke 2 006 003 für die Dienstleistungen "soins d'hygiène, à l'exception des preparations pharmaceutiques" der angegriffenen IR-Marke 639 385 zurückgewiesen wurde.

Wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 006 003 wird der angegriffenen IR-Marke 639 385 für die Dienstleistungen "soins d'hygiène, à l'exception des preparations pharmaceutiques" der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland verweigert.

Die weitergehende Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die IR-Marke 639 385 siehe Abb. 1 ist mit folgendem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis international registriert:

"Agendas; soins d'hygiène, à l'exception des preparations pharmaceutiques; service d'un sourcier."

Für die genannte IR-Marke wird die Schutzbewilligung für die Bundesrepublik Deutschland beantragt.

Dagegen ist ua Widerspruch erhoben aus der Wort-Bild-Marke 2 006 003 siehe Abb. 2 die eingetragen ist ua für die folgenden Waren:

"Seifen, Parfümerien, ätherische Öle; Mittel zur Körper- und Schönheitspflege".

Der Widerspruch ist nur auf diese Waren gestützt sowie auf "Zahnputzmittel", für die die Widerspruchsmarke jedoch nicht eingetragen ist. Der Widerspruch richtet sich nur gegen die Dienstleistungen der Warenklasse 42 aus dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke.

Mit Beschluß vom 22. November 1999 hat die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts diesen Widerspruch zurückgewiesen mit der Begründung, daß zwischen den konkurrierenden Marken keine Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bestehe. Zwar seien sich beide Marken klanglich in hohem Maße ähnlich. Es fehle jedoch an der für die markenrechtliche Verwechslungsgefahr erforderliche Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen beider Marken. Dabei hat die Markenstelle den Widerspruch auch wegen fehlender Ähnlichkeit zwischen den Waren der angegriffenen Marke aus der Klasse 16 einerseits und den Waren der Widerspruchsmarke andererseits zurückgewiesen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie weist darauf hin, daß sich der Widerspruch von Anfang an nur gegen die Dienstleistungen der Klasse 42 gerichtet habe, für die die angegriffene Marke registriert sei, und nicht gegen die Registrierung dieser Marke für die Klasse 16. Insoweit fehle es dem angefochtenen Beschluß an der erforderlichen Rechtsgrundlage. Im übrigen vertritt die Widersprechende die Auffassung, daß zwischen den konkurrierenden Marken jedenfalls klangliche Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG bestehe, was auch die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluß ohne weiteres eingeräumt habe. Anders als von der Markenstelle angenommen, bestehe zwischen den Waren der Klasse 3, für die die Widerspruchsmarke eingetragen sei, und den Dienstleistungen der Klasse 42 der angegriffenen Marke Ähnlichkeit iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Das gelte auch für die "Dienstleistung eines Rutengängers" ("service d'un sourcier"). Auch diese Art der Dienstleistung diene der menschlichen Gesundheit. Es könne durchaus vorkommen, daß auf einer Schulungsveranstaltung eines Arzneimittelherstellers die Tätigkeit von Rutengängern behandelt bzw. dargeboten werde.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. November 1999 aufzuheben, insoweit darin der Widerspruch aus der Marke 2 006 003 zurückgewiesen worden ist, und der angegriffenen IR-Marke 639 385 wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 006 003 den Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu verweigern.

Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Im patentamtlichen Verfahren hatte er ua die Auffassung vertreten, daß es auf eine mögliche klangliche Verwechslungsgefahr deswegen nicht ankommen könne, weil die angegriffenen Dienstleistungen seiner Marke so teuer seien, daß bloße mündliche Bestellungen nicht in Betracht kämen.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens haben die Inlandsvertreter des auswärtigen Markeninhabers ihr Mandat niedergelegt. Daraufhin wurde der Markeninhaber mit Bescheid des Senats vom 31. August 2001 aufgefordert, gem § 96 MarkenG einen neuen Inlandsvertreter zu bestellen, was jedoch nicht erfolgt ist.

Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Über die Beschwerde der Widersprechenden ist in der Sache zu entscheiden. Die Tatsache, daß der im Ausland ansässige Markeninhaber und Beschwerdegegner inzwischen keinen Inlandsvertreter mehr bestellt hat, führt für sich gesehen noch nicht zur Verweigerung des Schutzes für die angegriffene Marke (vgl BGH GRUR 2000, 895, 896 "EWING").

Die Beschwerde der Widersprechenden ist teilweise begründet. Entgegen der Ansicht der Markenstelle besteht insoweit Verwechslungsgefahr iSv §§ 9 Abs 1 Nr 2, 42 Abs 2 Nr 2, 114 MarkenG, als auf der Seite der angegriffenen Marke die Dienstleistungen der Klasse 42 "soins d'hygiène, à l'exception des preparations pharmaceutiques" den Waren der Klasse 3 "ätherische Öle" und "Mittel zur Körper- und Schönheitspflege" auf der Seite der Widerspruchsmarke gegenüberstehen. Diese Waren und Dienstleistungen sind als ähnlich iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG anzusehen. Hierbei ist der Begriff der "Gesundheitspflege" ("soins d'hygiène") von der "ärztlichen Versorgung" zu unterscheiden. Die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen hat diese Unterscheidung seit jeher vollzogen und in ihrer aktuellen achten Ausgabe, die mit Wirkung vom 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, noch stärker hervorgehoben. So werden nunmehr die Dienstleistungen "Gesundheits- und Schönheitspflege für Menschen und Tiere" jetzt der neuen Dienstleistungsklasse 44 zugeordnet und in dieser Klasse durch Semikolon deutlich von den "medizinischen und veterinärmedizinischen Dienstleistungen" derselben Klasse abgesetzt. Ob die "Gesundheitspflege" ein weitgehender Oberbegriff ist, der auch die "ärztliche Versorgung" umfaßt, kann offenbleiben. In jedem Fall erfaßt die "Gesundheitspflege" auch solche Mittel und Maßnahmen zur Pflege und Erhaltung des gesunden menschlichen Körpers, deren Wirkungen ihren Schwerpunkt gerade nicht in der Heilung oder Linderung krankhafter Zustände haben. Davon ist jedenfalls bei den entsprechenden Dienstleistungen der angegriffenen Marke auszugehen, bei denen pharmazeutische Präparate ausdrücklich ausgeschlossen sind. Demzufolge sind Berührungspunkte zwischen den vorliegenden Waren und Dienstleistungen insoweit festzustellen, als Mittel zur Körperpflege sowie ätherische Öle typischerweise im Zusammenhang mit den Dienstleistungen der Gesundheitspflege eingesetzt werden. Die Markenstelle ist zwar zu Recht von dem Grundsatz ausgegangen, daß Dienstleistungen nicht bereits deshalb mit Waren ähnlich sind, weil die betreffenden Waren bei der Erbringung der Dienstleistungen verwendet werden (vgl BGH GRUR 1999, 731, 733 "Canon II"; BPatGE 41, 258, 262 "INDIGO"). Gleichwohl können auch in diesem Verhältnis besondere Umstände die Annahme einer Ähnlichkeit begründen. Maßgeblich ist hierbei, ob bei den angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck aufkommen kann, Ware und Dienstleistung unterlägen der Kontrolle desselben Unternehmens, sei es daß der Dienstleistungsbetrieb sich selbständig auch mit der Herstellung oder dem Vertrieb der Ware befaßt, sei es daß der Warenhersteller oder -händler sich auch auf dem entsprechenden Dienstleistungsbereich selbständig betätigt (vgl BGH GRUR 1999, 586, 587 "White Lion"; GRUR 2000, 883, 884 f "PAPPAGALLO"; Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl, § 9 Rdn 67). Diese Voraussetzungen erachtet der Senat für die vorliegenden Waren und Dienstleistungen als erfüllt. So ist nicht zu verkennen, daß Unternehmen, welche Dienstleistungen der Gesundheitspflege erbringen, in diesem Zusammenhang nicht selten auch Mittel zur Körperpflege oder ätherische Öle an ihre Kunden abgegeben. Mit diesen Produkten sollen die Kunden in die Lage versetzt werden, in Verbindung mit der empfangenen Leistung der Gesundheitspflege auch selbst zur Förderung ihres Wohlbefindens beitragen zu können. Derartige Erzeugnisse werden von den entsprechenden Dienstleistungsunternehmen auch häufig selbst entwickelt, um als spezielle Ergänzung der erbrachten Leistungen zur Gesundheitspflege eingesetzt zu werden. Insoweit liegt der Gedanke nicht fern, daß solche Waren und Dienstleistungen einem gemeinsamen Verantwortungsbereich zuzuordnen sind, der die Ursprungsidentität der Produkte und Leistungen gewährleistet (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 41). Diesem Ergebnis entspricht auch eine gefestigte Spruchpraxis zur vergleichbaren Problematik der Ähnlichkeit der Dienstleistungen von Friseur- und Schönheitssalons einerseits und kosmetischen Artikeln andererseits (vgl Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 11. Aufl, S 373 rSp mwNachw).

Nachdem der Widerspruchsmarke jedenfalls eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist, muß die angegriffene Marke einen deutlichen Abstand zu ihr einhalten. Diese Anforderungen sind nicht mehr erfüllt. Hierbei ist davon auszugehen, daß der Gesamteindruck beider Wort-Bild-Marken durch den jeweiligen Wortbestandteil geprägt wird. So besteht im vorliegenden Fall kein Anlaß, von dem in ständiger Rechtsprechung (vgl zB BGH GRUR 2001, 1158, 1160 "Dorf Münsterland") anerkannten dahingehenden Erfahrungssatz abzuweichen. Die insoweit zu vergleichenden Markenwörter "isi" und "ISIS" kommen sich klanglich verwechselbar nahe. Die einzige Abweichung in dem zusätzlichen Schlußlaut "S" des Wortes "ISIS" reicht zur sicheren Unterscheidung nicht aus, zumal Unterschiede in den Zeichenendungen in der Regel ohnehin weniger geeignet sind, Verwechslungen zu verhindern (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rdn 99). Soweit der Markeninhaber geltend gemacht hat, angesichts des hohen Preises der von ihm erbrachten Dienstleistungen kämen klangliche Verwechslungen von vorneherein nicht in Betracht, ist darauf hinzuweisen, daß im registerrechtlichen Markeneintragungsverfahren ausschließlich auf die registrierten Waren und Dienstleistungen abzustellen ist, ohne daß tatsächlich erfolgte oder beabsichtigte Verkaufsstrategien der Markeninhaber berücksichtigt werden können, soweit sie keinen ausdrücklichen Niederschlag im jeweiligen Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen gefunden haben.

Soweit daher die Dienstleistung der Klasse 42 "soins d'hygiène, à l'exception des preparations pharmaceutiques" der angegriffenen Marke den Waren der Klasse 3 "ätherische Öle" und "Mittel zur Körperpflege" der Widerspruchsmarke gegenüberstehen, besteht zwischen den Marken Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Insoweit ist daher der angefochtene Beschluß aufzuheben und der angegriffenen IR-Marke der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu verweigern.

Die weitergehende Beschwerde der Widersprechenden, die darüber hinaus auf die Verweigerung des Schutzes der angegriffenen Marke für die Dienstleistung eines Rutengängers ("service d'un sourcier") gerichtet ist, erweist sich dagegen als unbegründet. Denn zwischen dieser Dienstleistung und den Waren der Klasse 3, auf welche die Widersprechende ihren Widerspruch gestützt hat, besteht keine Ähnlichkeit iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Die Leistung eines Rutengängers besteht in der Erfassung von sogenannten Erdstrahlungen und von Elektrosmog sowie in der Beurteilung, wie sich diese Erscheinungen auf das Wohlbefinden der Menschen auswirken können. Zwischen den genannten physikalischen Phänomenen einerseits und den Waren der Klasse 3 aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke andererseits besteht kein sachlicher Zusammenhang. Ebensowenig ist eine nähere Verbindung zwischen der beratenden Tätigkeit eines Rutengängers und den hier in Rede stehenden Waren der Klasse 3 festzustellen. Es mag sein, daß beide im weitesten Sinne das körperliche Wohlbefinden der Klienten steigern sollen. Das geschieht jedoch jeweils nach ganz anderen Methoden. Die oben dargestellten Voraussetzungen für die Annahme einer gemeinsamen betrieblichen Verantwortung liegen deshalb hier ersichtlich nicht vor. So ist weder gerichtsbekannt noch begründet vorgetragen worden, daß Rutengänger neben ihrer originären Dienstleistung auch kosmetische Artikel und ätherische Öle vertreiben, oder daß die Hersteller bzw Händler derartiger Waren sich üblicherweise mit den Dienstleistungen eines Rutengängers befassen. Insoweit ist davon auszugehen, daß hinsichtlich dieser Dienstleistungen die Grenze der absoluten Unähnlichkeit gegenüber den einschlägigen Waren der Klasse 3 überschritten ist.

Soweit die Widersprechende mit der Beschwerde die vollständige Schutzverweigerung für die IR-Marke 639 385 beantragt, berücksichtigt sie nicht, daß sie lediglich einen beschränkten Widerspruch erhoben hat. der nicht gegen die Waren "agendas" der angegriffenen Marke gerichtet war. Da nach Ablauf der Widerspruchsfrist die Erweiterung bzw Rückgängigmachung einer früheren Einschränkung nicht mehr möglich ist (vgl BGH GRUR 1998, 938 "DRAGON"), muß diese weitergehende Beschwerde der Widersprechenden bereits deshalb erfolglos bleiben. Dementsprechend bestand auch keine Rechtsgrundlage für die Ausführungen der Markenstelle in dem angefochtenen Beschluß zu Fragen der Ähnlichkeit der Waren "agendas" mit den Waren der Widerspruchsmarke. Die insoweit unzutreffende Begründung dieses Beschlusses stellt jedoch keine selbständige Beschwer für die Widersprechende dar, die eine weitergehende Aufhebung des angefochtenen Beschlusses rechtfertigen könnte (vgl Fezer, Markenrecht, 3. Aufl, § 66 Rdn 5).

Aus diesen Gründen ist der angefochtene Beschluß der Markenstelle teilweise aufzuheben und der angegriffenen IR-Marke in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang der Schutz für die Bundesrepublik Deutschland zu verweigern. Die weitergehende Beschwerde der Widersprechenden ist dagegen zurückzuweisen.

Kosten werden nicht auferlegt (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Ströbele Dr. Hacker Wernerprö

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D113289.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/D113290.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 15.01.2002
Az: 24 W (pat) 55/01


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