Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 380/03

(BPatG: Beschluss v. 18.01.2005, Az.: 27 W (pat) 380/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 12. Juli 2001 und vom 13. Oktober 2003 aufgehoben.

Der Widerspruch aus der Marke 398 48 477 wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die farbige Eintragung (blau, schwarz, gold, weiß) der Wortbildmarke Grafik der Marke 39871113.5 für "Schuhwaren, Bekleidungsstücke" hat der Widersprechende Widerspruch eingelegt aus seiner prioritätsälteren, unter der Nr. 398 48 477 u.a. für "Schuhwaren; Kopfbedeckungen; Bekleidungsstücke; insbesondere Umstandsbüstenhalter, Stillbüstenhalter, Sportbüstenhalter, Einlagen für Bekleidungsstücke, insbesondere Inkontinenzeinlagen, Stilleinlagen, Windeleinlagen, Windelhöschen, Überhöschen" eingetragenen Wortmarke CARE-O-LINE.

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit den angefochtenen Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zur Begründung ist ausgeführt: Angesichts der Warenidentität könne eine Verwechslungsgefahr wegen der klanglichen Ähnlichkeit der Vergleichsmarken nicht verneint werden. Der größte Teil der angesprochenen Verkehrskreise werde beide Marken als englischsprachig erkennen und nach den Regeln dieser Sprache aussprechen. Die somit als "Kärolein" und "Koriläin" benannten Vergleichswörter stimmten bei ihrer mündlichen Wiedergabe sowohl in der Silbenzahl als auch in der hörbaren Konsonantenfolge überein. Auch die Vokalfolge sei ähnlich, weil die Laute "oiäi" nur eine leichte Abwandlung der Vokalfolge "äoei" in der Widerspruchsmarke darstellten. Da dem Verkehr beide Marken nicht gleichzeitig begegneten und er sich nur auf ein undeutliches Erinnerungsbild stützen könne, reiche dieser geringfügige Unterschied angesichts der überwiegenden Übereinstimmungen zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr nicht aus. Auch mögliche Sinngehalte der Vergleichsmarken schlössen diese nicht aus, da sie dem Verbraucher nicht zum Bewusstsein kämen, wenn er sich verhöre.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie nimmt im wesentlichen auf ihren Vortrag im Widerspruchsverfahren Bezug, mit dem sie insbesondere darauf hingewiesen hatte, dass sich die angegriffene Marke lediglich aus zwei Elementen zusammensetze, während die ältere Marke drei Elemente aufweise, und dass der erkennbare Sinngehalt, nämlich ein typisch amerikanisch klingender Strassenname in der Widerspruchsmarke und die klangliche Identität der Widerspruchsmarke zum Mädchenvornamen Caroline, für die angesprochenen Verkehrskreisen eine deutliche Unterscheidungshilfe sei.

Die Markeninhaberin hat keinen ausdrücklichen Antrag gestellt.

Der Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Der Widersprechende teilt die Auffassung der Markenstelle, dass die beiden Marken wegen der identischen Silbenzahl und Konsonatenfolge sowie sehr ähnlichen Vokalfolge verwechselbar seien.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Senat vermag entgegen der Ansicht der Markenstelle eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht zu erkennen.

Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur normal kennzeichnungskräftigen älteren Marke auch hinsichtlich der von den Marken identisch erfassten Waren noch ein.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle sind Verwechslungen beider Zeichen, die sich schriftbildlich und begrifflich deutlich unterscheiden, auch in klanglicher Hinsicht nicht zu befürchten. Soweit die angesprochenen Verkehrskreise sie nicht als englische Wörter erkennen und nach deutschen Ausspracheregeln benennen, sind sie - was auch der Widersprechende nicht in Abrede stellt - ohne weiteres auseinander zu halten. Aber auch der wohl größere Teil der Verkehrskreise, welcher beide Zeichen als englischsprachig ansieht, wird sie ohne Schwierigkeiten unterscheiden können. In klanglicher Hinsicht ist zwar die Konsonatenfolge "C-L-N" identisch, der Klangeindruck der Marken wird aber bei englischsprachiger Wiedergabe sehr viel stärker von ihren Vokalen geprägt. Deren Folge weicht in beiden Zeichen ab; denn während die jüngere Marke - in deutscher Lautschrift - die Vokalfolge "O-I-EI" aufweist, findet sich - unter Berücksichtigung, der Tatsache, dass der Endvokal "E" im Markenbestandteil "CARE" klanglich nicht in Erscheinung tritt - in der Widerspruchsmarke die Folge "Ä-O-AI". Beide Wörter weisen daher lediglich "I" als einzigen gemeinsamen Vokal auf, während die übrigen Vokale und Umlaute deutlich hörbar voneinander abweichen. Schließlich ist auch zu beachten, dass eine Aussprache der Widerspruchsmarke, welche die Bindestriche ausdrücken will, zwischen den drei Silben "CARE", "O" und "LINE" zwei deutliche Sprechpausen macht, während zwischen den Bestandteilen "COREY" und "LANE" in der angegriffenen Marke nur bei überdeutlicher Aussprache allenfalls eine vernehmbare Sprechpause entsteht, so dass - worauf die Markeninhaberin zutreffend hingewiesen hat - bei einer solchen klanglichen Wiedergabe beider Zeichen trotz formal gleicher Silbenzahl die jüngere Marke als aus lediglich zwei Wortteilen und die Widerspruchsmarke aus drei Teilen zusammengesetzt dem Hörer entgegentritt. In der Gesamtschau kann daher keine Rede davon sein, dass die Übereinstimmungen die Unterschiede überwögen; vielmehr kommt den Unterschieden bei der klanglichen Wiedergabe beider Kennzeichnungen ein deutlich wahrnehmbares stärkeres Gewicht zu, was der Annahme einer klanglichen Markenähnlichkeit entgegensteht.

Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass beide Zeichen einen für große Teile des inländischen Verkehrs ohne weiteres erkennbaren Sinngehalt haben, der zusätzlich ein Auseinanderhalten beider Marken erleichtert. Denn auch wenn der Bestandteil "COREY" als eher seltener Vorname dem inländischen Verkehr nicht bekannt ist, wird er den zweiten Bestandteil "LANE" als englische Bezeichnung für "Weg, Fahrbahn" erkennen. Er wird die Marke daher als typisch englischen Strassennamen ansehen. Demgegenüber ist die klangliche Wiedergabe der Widerspruchsmarke, welche die Bindestriche unberücksichtigt lässt und die drei Bestandteile nicht voneinander trennt, mit dem englischen Mädchenvornamen "Caroline" identisch, der weitesten Teilen der inländischen Verbraucher bekannt ist. Angesichts der nur geringen Ähnlichkeit beider Zeichen in klanglicher Hinsicht wird dieser begriffliche Unterschied bei der Benennung beider Zeichen von den angesprochenen Verbrauchern ohne weiteres erkannt werden wird, weil nur bei sehr undeutlicher Aussprache oder äußerst schlechten Übermittlungsbedingungen die klanglichen Unterschiede untergehen könnten; von solch ungünstigen Wiedergabebedingungen darf aber bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nicht ausgegangen werden.

Da somit eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken nicht besteht, waren die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle auf die Beschwerde der Markeninhaberin aufzuheben und der Widerspruch des Widersprechenden zurückzuweisen.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Dr. Schermer Dr. van Raden Schwarz Ja






BPatG:
Beschluss v. 18.01.2005
Az: 27 W (pat) 380/03


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