Landgericht Arnsberg:
Urteil vom 19. Januar 2009
Aktenzeichen: 8 O 178/09
(LG Arnsberg: Urteil v. 19.01.2009, Az.: 8 O 178/09)
Tenor
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Vorsitzenden des Vorstandes der Verfügungsbeklagten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Dritten gegenüber wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen, aufstellen zu lassen bzw. zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, für sie tätige Mitarbeiter, die nicht über die erforderliche Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO verfügen, seien zur umfassenden und/oder qualifizierten Finanzberatung im Versicherungsbereich berechtigt und/oder in der Lage (wie geschehen mit der Anzeige in der M. vom 10.09.2009, Anlage AST 2).
Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfügungsrechtsstreits nach einem Streitwert von 100.000,00 € zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien bieten deutschlandweit unter anderem in D. Finanzdienstleistungen an.
Die Beklagte schaltete am 10.09.2009 in der M., Raum D., eine Anzeige für ihr dort tätiges Büro. Sie bewarb in der Anzeige ihre Leistungen als Allfinanzdienstleister mit einer "kompetenten …, … umfassenden Beratung für alle Lebensabschnitte" eventueller Interessenten durch sechs in der Anzeige namentlich genannter "Ansprechpartner". Von diesen "Finanzberatern für S." sind einige freie Versicherungsvermittler nach § 34 d Abs. 1 und 2 GewO und die übrigen sogenannte gebundene Versicherungsvermittler nach § 34 d Abs. 4 GewO.
Die Klägerin meint die Werbung der Verfügungsbeklagten vom 10.09.2009 sei wettbewerbswidrig. Sie verstoße unter anderem gegen §§ 4 Ziffer 11 UWG in Verbindung mit 34 d GewO und weiter gegen § 5 UWG. Sie, die Verfügungsbeklagte, bedürfte als Mitbewerberin vorläufigen Rechtsschutzes.
Die Verfügungsklägerin macht geltend:
a) Zum Verfügungsanspruch:
Die Verfügungsbeklagte bewerbe mit der Anzeige auch Leistungen in einem Versicherungsbereich, für den nur die in der Anzeige genannten freien Versicherungsvermittler qualifiziert seien. Die mit der Anzeige angesprochenen Verkehrskreise erwarteten aber auch in diesem Bereich jeweils einen vollqualifizierten "Ansprechpartner". Das sei nur der sogenannte freie Versicherungsvermittler, dem eine Industrie- und Handelskammer nach Prüfung gemäß den Anforderungen in § 34 d Abs. 2 Ziffer 1 - 4 GewO, unter anderem nach einer Sachkundeprüfung, die Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO zur gewerblichen Versicherungsvermittlung erteilt habe. Der sogenannte gebundene Versicherungsvermittler nach § 34 d Abs. 4 GewO, der die Erlaubnis der IHK nicht benötige, sei auf den Vertrieb von Versicherungsprodukten eines Versicherers oder mehrerer nicht miteinander in Konkurrenz stehender Versicherer beschränkt und würde von der IHK auch nicht nach § 34 d Abs. 2 Nr. 1 - 4 GewO geprüft.
b) Zum Verfügungsgrund:
Die Entscheidung über ihr wettbewerbliches Unterlassungsbegehren sei eilbedürftig. Sie habe auch entsprechend zügig einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Ihr für die Ahndung von Wettbewerbswidrigkeiten zuständiger Vorstandsvorsitzender habe erst Ende September 2009 von der Werbeanzeige vom 10.09.2009 Kenntnis erlangt.
Die Verfügungsklägerin beantragt mit der am 14.10.2009 bei Gericht eingegangenen Verfügungsklage:
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Meidung von Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen am Vorsitzenden des Vorstandes der Verfügungsbeklagten, für jeden Fall der Zuwiderhandlung verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Dritten gegenüber wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen, aufstellen zu lassen bzw. zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, für sie tätige Mitarbeiter, die nicht über die erforderliche Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 GewO verfügen, seien zur umfassenden und/oder qualifizierten Finanzberatung im Versicherungsbereich berechtigt und/oder in der Lage (wie geschehen mit der Anzeige in der M. vom 10.09.2009, Anlage AST 2).
Die Verfügungsbeklagte beantragt,
die Verfügungsklage abzuweisen.
Die Verfügungsbeklagte macht jeweils mit näheren Ausführungen im Wesentlichen geltend:
Zu a):
Die Anzeige besagte nicht, dass die durch die Ansprechpartner angebotene Beratung auch "unter Berücksichtigung mehrere Versicherungsgesellschaften" und "nach Ablegung der erforderlichen Sachkundeprüfung" erfolge.
Die Argumentation der Verfügungsklägerin, der sogenannte gebundene Versicherungsvermittler sei wegen der ihm fehlenden (Erlaubnis-) Prüfung durch eine Industrie- und Handelskammer nicht als Berater für das gesamte mit der Anzeige beworbene Leistungsangebot der Verfügungsbeklagten im Versicherungsbereich qualifiziert, verkenne, dass auch ein gebundener Versicherungsvermittler eine Qualifikation haben könne, die auch den Anforderungen genüge, die insoweit an freie Versicherungsvermittler gestellt würden, sei es weil bei ihm wie bei der in der Anzeige als Ansprechpartner genannten Frau K. als gelernter Bankkauffrau mit zweijähriger Berufserfahrung im Kundenbereich nach § 4 Abs. 1 Versicherungsvermittlerverordnung diese Berufsqualifikation als der erforderliche Sachkundenachweis anzusehen sei, sei es weil der gebundene Versicherungsvermittler tatsächlich die erforderliche Sachkunde habe.
Die von der Klägerin begehrte Unterlassung ginge zu weit. Sie ziele praktisch auf eine Unterlassung "jeglicher Werbung" mit einer Aussage zur umfassenden und/oder qualifizierten Finanzberatung im Versicherungsrecht und damit faktisch auf ein Berufsverbot, weil sie, die Verfügungsbeklagte, eine umfassende und qualifizierte Beratung schulde, wenn sie sich nicht der Haftung wegen eines Beratungsverschuldens aussetzen wolle.
Zu b):
Über das Unterlassungsbegehren der Verfügungsklägerin sei im ordentlichen Klageverfahren zu entscheiden. Die Sache sei nicht eilbedürftig. Die Verfügungsklägerin habe sich nach Erscheinen der Anzeige mehr als einen Monat Zeit mit der Einreichung der Verfügungsklage gelassen. Dass sie erst Ende September 2009 von der Anzeige Kenntnis erlangt habe, sei angesichts der "Flüchtigkeit" von Tageszeitungen nicht nachvollziehbar.
Gründe
Die Verfügungsklage ist begründet.
Die Verfügungsklägerin kann das begehrte Verbot gegen die Beklagte mit Strafandrohung im Wege der einstweiligen Verfügung verlangen, §§ 8 Abs. 1, 2 Nr. 1; 3; 5; 4 Nr. 11 UWG i. V. m. 34 d GewO; 890 Abs. 2 ZPO; 935 ff. ZPO i. V. m. § 12 Abs. 2 UWG; 13, 14 UWG. Im Einzelnen gilt folgendes:
Zu a): Verfügungsanspruch:
Die Anzeige der Verfügungsbeklagten vom 10.09.2009 in der M. verstößt gegen Wettbewerbsrecht.
Die Beklagte bewirbt mit der Anzeige auch Dienstleistungen im Versicherungsbereich mit der Beratung durch Mitarbeiter, die teilweise nicht die dafür erforderliche Qualifizierung haben. Der Inhalt einer Werbeaussage bestimmt sich maßgeblich danach, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Werbung verstehen. Die Verfügungsklägerin teilt in der Anzeige einschränkungslos mit, dass sie Allfinanzdienstleister sei und dass sie die an ihren Leistungen Interessierten qualifiziert mit den in der Anzeige genannten "Ansprechpartnern" berate. Für einen Interessenten bedeutet das, dass er sich auch im Versicherungsbereich an die Verfügungsbeklagte wenden kann und dass ihm dabei jeder der genannten Ansprechpartner als qualifizierter Berater zur Verfügung steht. Dabei erwartet der Interessent grundsätzlich, insbesondere aber wenn ihm eine qualifizierte Beratung angekündigt wird, dass der jeweilige Berater den dafür erforderlichen Anforderungen genügt. Das schließt auch ohne entsprechende einschlägige Kenntnis des Interessenten auch solche Anforderung ein, die auf Gesetz und Recht zurückgehen und gerade den Schutz von Leistungsnachfragern bezweckten. Mit dem Erlaubnisvorbehalts nach § 34 d Abs. 1, 2 GewO für freie Versicherungsvermittler soll bei derartigen Vermittlern in dem Bereich der Versicherungsleistungen, zu dem die gebundenen Versicherungsvermittler nach § 34 d Abs. 4 GewO nicht zugelassen sind, eine bestimmte geprüfte Qualifikation gewährleistet werden. Das folgt ersichtlich aus den persönlichen und fachlichen Anforderungen, die nach § 34 d Abs. 2 Nr. 1 - 4 GewO von der zuständigen Industrie- und Handelskammer zu prüfen sind, bevor diese die fragliche Erlaubnis erteilt. Dass und ob ein gebundener Versicherungsvermittler tatsächlich auch den Anforderungen des § 34 d Abs. 2 Nr. 1 - 4 GewO genügt, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht allein erheblich. Bei besonders geprüfter und zugelassener Qualifikation kommt es dem Verkehr gerade auch darauf als aussagekräftigem Qualitätskriterium an.
Die Anzeige der Verfügungsbeklagten ist damit irreführend im Sinne des § 5 UWG. Ein Teil, der in der Anzeige namentlich genannten "Ansprechpartner" hat, auch wenn man Frau K. unberücksichtigt lässt, nicht die für das gesamte Leistungsspektrum im Versicherungsbereich erforderliche Beratungskompetenz. Die Anzeige verstößt weiter gegen § 4 Ziffer 11 UWG in Verbindung mit § 34 d GewO. Die letztgenannte Norm regelt anerkanntermaßen nicht nur den Zugang eines Versicherungsvermittlers zum Markt, sondern auch sein Verhalten auf dem Markt.
Das Unterlassungsbegehren der Verfügungsklägerin geht nicht zu weit. Es hindert die Verfügungsbeklagte insbesondere nicht an einer weiteren (wettbewerbsgemäßen) Bewerbung ihrer Leistungen.
Zu b): Verfügungsgrund:
Die Eilbedürftigkeit wird in Wettbewerbssachen nach § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Diese Vermutung gilt dann als widerlegt, wenn der Betroffene nicht binnen eines Monats nach Kenntnis des Wettbewerbsverstoßes einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Dabei kommt es auf die sichere Kenntnis des Betroffenen, bei juristischen Personen, auf die der bei ihnen für die Ahndung von Wettbewerbswidrigkeiten zuständigen natürlichen Personen an. Die Verfügungsklage ist am 14.10.2009 bei Gericht eingegangen. Die angesprochene Monatsfrist wäre danach verstrichen gewesen, wenn der nach dem unbestrittenen Vortrag der Verfügungsklägerin bei ihr für die Ahnung von Wettbewerbswidrigkeiten zuständige Vorstandsvorsitzende bereits am 13.09.2009 von der Anzeige vom 10.09.2009 Kenntnis erlangt hätte. Die Verfügungsbeklagte vermutet das zwar und verweist dazu auf die "Flüchtigkeit" von Tageszeitungen. Sie hat darüber hinaus aber nichts zur Glaubhaftmachung der vermuteten Kenntnis gebracht. Das Gericht sieht sich auch nicht in der Lage, aus dem weiteren Umstand, dass die Verfügungsklägerin in D. ebenfalls ein Beraterbüro unterhält, sich zu schließen, dass die Anzeige oder die Nachricht davon bereits bis zum 13.09.2009 den Sitz der Verfügungsklägerin in P. erreicht hat.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 ZPO.
LG Arnsberg:
Urteil v. 19.01.2009
Az: 8 O 178/09
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