Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juli 2005
Aktenzeichen: 7 W (pat) 326/03

(BPatG: Beschluss v. 06.07.2005, Az.: 7 W (pat) 326/03)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Gegen das Patent 101 41 503 mit der Bezeichnung Verfahren zur Herstellung eines länglichen Hohlkörpers, dessen Erteilung am 10. Oktober 2002 veröffentlicht worden ist, hat die D... AG in St... Einspruch erhoben. Sie beantragt, das Patent zu widerrufen. Die Patentinhaberin beantragt, das Patent aufrechtzuerhalten mit den jeweils am 9. März 2005 eingegangenen Patentansprüchen 1 und 2 mit Beschreibung Spalten 1 bis 3 (= Hauptantrag), hilfsweise mit Patentanspruch 1 und Beschreibung Spalte 3 (Spalten 1 und 2 nach Hauptantrag) jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung am 6. Juli 2005, wobei die Worte "wiebeispielsweise" in Patentanspruch 1 nach Hauptund Hilfsantrag jeweils ersetzt werden durch das Wort "nämlich", im übrigen jeweils mit den Zeichnungen Figuren 1 bis 4 nach Patentschrift.

Sie macht geltend, daß der Gegenstand des eingeschränkten Patentanspruchs 1 nach Hauptbzw. Hilfsantrag neu und erfinderisch sei.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat folgende Fassung:

Verfahren zur Herstellung eines länglichen Hohlkörpers, wobei in einem ersten Schritt aus Metallblech mittels Rollprofilieren ein einen Hohlraum aufweisender Grundkörper hergestellt wird, und wobei in einem zweiten Schritt der Grundkörper unter Anwendung des Innenhochdruckumformverfahrens zum Hohlkörper aufgeweitet wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Aufweitung unter Zulassung eines kontrollierten Werkstoffflusses eines bei der Herstellung des Grundkörpers entlang seiner Längserstreckung herausgebildeten, eingespannten Flansches erfolgt und dass der Flansch in der Weise weiterverarbeitet wird, daß dabei Funktionsteile, nämlich Bügel und/oder Laschen entstehen.

Der einzige Patentanspruch nach Hilfsantrag unterscheidet sich vom Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch folgende Formulierung des kennzeichnenden Teils:

dass die Aufweitung unter Zulassung eines kontrollierten Werkstoffflusses eines bei der Herstellung des Grundkörpers entlang seiner Längserstreckung herausgebildete, eingespannten Flansches bei unterschiedlichem Werkstofffluss einzelner Flanschabschnitte erfolgt, woraufhin insbesondere in Bereichen mit geringerem Werkstofffluss der Flansch in der Weise weiterbearbeitet wird, dass dabei Funktionsteile, nämlich Bügel und/oder Laschen entstehen.

Nach den geltenden Unterlagen Spalte 2 Absatz [0006] liegt nach Hauptund Hilfsantrag die Aufgabe vor, ein kostengünstiges Verfahren zur Herstellung eines länglichen, vielseitig verwendbaren Hohlkörpers aufzuzeigen, bei dem selbst bei partiell hohen Umformgraden Überdehnungen und evtl. auch ein Bersten der Hohlkörperwandung sicher vermieden wird.

Der Patentanspruch 2 nach Hauptantrag ist auf ein Merkmal gerichtet, das das Verfahren zur Herstellung eines länglichen Hohlkörpers nach Patentanspruch 1 weiter ausgestalten soll.

In der mündlichen Verhandlung sind zum Stand der Technik die deutschen Offenlegungsschriften 195 35 870 und 198 55 753 sowie die WO 98/24569 abgehandelt worden.

II.

1.

Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2.

Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und daher zulässig. Er hat zum Widerruf des Patents geführt, da der Gegenstand des Patents nach Hauptbzw. Hilfsantrag keine patentfähige Erfindung darstellt.

Das Verfahren des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag ist gegenüber dem Stand der Technik neu und gewerblich anwendbar. Es ist jedoch nicht das Ergebnis einer erfinderischen Tätigkeit.

Die WO 98/24569 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung eines Formkörpers mit den Merkmalen des Oberbegriffs des Patentanspruchs 1 (vgl. Zusammenfassung iVm Fig 1a bis 1e). Bei diesem bekannten Verfahren werden die beiden Zungen zu einem Flansch vor der Innenhochdruckverformung miteinander verschweißt (vgl S 3, Z 24 bis 26). Bei dem Verfahren zum Herstellen eines Hohlkörpers durch Innenhochdruckumformung nach der deutschen Offenlegungsschrift 195 35 870 werden die Flanschzungen vor dem Hochdruckumformen nicht verschweißt, sondern so durch Spannwerkzeuge eingespannt, daß eine Relativbewegung der Blechabschnitte während des Hochdruckumformers möglich ist. Dadurch werden bei dem Umformungsvorgang störende Spannungen innerhalb des Formteils vermieden (vgl Sp 1,Z 67 bis Sp 2, Z16). Der mit der vorliegenden Aufgabe betraute Fachmann, hier ein Entwicklungsingenieur des Maschinenbaus mit mehrjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Umformtechnik mit guten Kenntnissen der Tiefziehtechnik, wird die aus dem Stand der Technik erlangten Anregungen aufgrund seiner Fachkenntnis dahingehend nutzen, dass er auch bei der Verwendung eines Grundkörpers, der durch Rollprofilierung vorgeformt worden ist, die Flanschzungen nicht verschweist, sondern so einspannt, dass bei der Endumformung durch das Hochdruckumformverfahren ein kontrollierter Werkstofffluss zugelassen wird.

Gegenüber einem derartig gestalteten Verfahren unterscheidet sich das Verfahren nach Patentanspruch 1 noch durch das Merkmal, dass der Flansch in der Weise weiterverarbeitet wird, dass dabei Funktionsteile, nämlich Bügel und/oder Laschen entstehen. Dieses Merkmal hat keinen Einfluß auf das Verfahren zur formenden Herstellung des Hohlkörpers, sondern bezieht sich lediglich auf die Gestaltung des Flansches zur Befestigung des Hohlkörpers an anderen Bauteilen mit Hilfe des Flansches. Auch bei dem Formteil nach der WO 98/24569 wird der Flansch zum Befestigen an einem anderen Bauteil herangezogen, eine Funktion, wie sie bereits aus der dort gewählten Bezeichnung "Befestigungsflansch" hervorgeht (vgl Zusammenfassung Z 6 bis 9).

Auf welche Weise der zuständige Fachmann diese Befestigungselemente gestaltet, ist in sein Belieben gestellt und kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist deshalb nicht rechtsbeständig. Das Verfahren nach dem Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag unterscheidet sich von dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag durch die Merkmale, daß die Aufweitung des Grundkörpers entlang seiner Längserstreckung bei unterschiedlichem Werkstofffluss einzelner Flanschabschnitte erfolgt und daß die Weiterbearbeitung des Flansches insbesondere in Bereichen mit geringem Werkstofffluss erfolgt. Der Werkstofffluss entlang der Längserstreckung des Flansches erfolgt in Abhängigkeit des Verformungsgrades des Hohlkörpers in dem entsprechenden Bereich während der Innenhochdruckumformung. Es ergibt sich daher von selbst, dass entsprechend der erwünschten Formgebung des Hohlkörpers der Werkstofffluss unterschiedlich entlang der Längsersteckung erfolgt. Der Fachmann hat diese Materialbewegung bereits bei der Formulierung, wie sie im Patentanspruch 1 nach Hauptantrag gewählt worden ist, mitgelesen. Auch das Merkmal, daß die Weiterbearbeitung des Flansches in Bereichen mit niedrigem Werkstofffluss erfolgt, liegt für den Fachmann auf der Hand, da er in diesen Bereichen mehr Material zur Weiterverarbeitung zur Verfügung hat. Durch diese zur Formulierung des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag unterschiedlichen Merkmalen kann eine erfinderische Tätigkeit nicht begründet werden.

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist deshalb ebenfalls nicht rechtsbeständig.

Der Patentanspruch 2 nach Hauptantrag beinhaltet Maßnahmen zur Ausgestaltung des Verfahrens nach Patentantrag 1, die im Rahmen fachmännischen Handelns liegen. Er fällt deshalb mit dem Patentanspruch 1.

Tödte Eberhard Köhn Frühauf Hu






BPatG:
Beschluss v. 06.07.2005
Az: 7 W (pat) 326/03


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