Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Oktober 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 140/03
(BPatG: Beschluss v. 15.10.2004, Az.: 27 W (pat) 140/03)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 24. Januar 2003 teilweise aufgehoben, soweit der Antrag auf Löschung der Marke 397 04 220 für die Waren "elektrische Apparate und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten), Geräte zur Aufzeichnung. Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte, Computer; Computerprogramme, insbesondere zur Anwendungsentwicklung, zum Datenbankmanagement, zur Zugangseröffnung zu internen und externen Netzwerken einschließlich zu dem weltweiten Computerinformationsnetzwerk sowie Computerprogramme für die Entwicklung von netzwerkgestützten automatisierten Hilfs- und Entscheidungsfunktionen und zugehörige Handbücher (soweit in Klasse 9 enthalten)" zurückgewiesen worden ist.
Die Löschung der Marke 397 04 220 wird für die vorgenannten Waren angeordnet.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die Markenabteilung 3.4 hat mit Beschluss vom 24. Januar 2003 den Antrag der Beschwerdeführerin auf Löschung nach § 50 Abs 1 Nr 3 MarkenG der am 19. April 1999 für
"Wissenschaftliche, Schiffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische, Wäge-, Meß-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente, elektrische Apparate und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte, Computer; Computerprogramme, insbesondere zur Anwendungsentwicklung, zum Datenbankmanagement, zur Zugangseröffnung zu internen und externen Netzwerken einschließlich zu dem weltweiten Computerinformationsnetzwerk sowie Computerprogramme für die Entwicklung von netzwerkgestützten automatisierten Hilfe- und Entscheidungsfunktionen und zugehörige Handbücher (soweit in Klasse 9 enthalten); Feuerlöschgeräte"
eingetragenen Wortmarke INFORMATICA zurückgewiesen.Zur Begründung ist ausgeführt: Es lasse sich nicht feststellen, dass die angegriffene Marke entgegen § 8 Abs 2 Nr 1 oder 2 MarkenG eingetragen worden sei und ihr im Zeitpunkt der Löschungsentscheidung noch die Unterscheidungskraft fehle oder sie aktuell oder zukünftig freihaltungsbedürftig sei. Zwar handele es sich bei dem Wort "INFORMATICA" um die italienische, spanische, portugiesische und niederländische Bezeichnung für "Informatik"; eine Verwendung des Begriffs mit dieser Bedeutung lasse sich jedoch im Inland nicht nachweisen. Dem überwiegenden Teil des inländischen Verkehrs sei der genaue Sinngehalt nicht bekannt; dem stehe auch die Zugehörigkeit der spanischen und italienischen Sprache zu den Welthandelssprachen nicht entgegen, weil es sich bei ihnen nicht um typische Fachsprachen auf dem Gebiet technischer Waren handele und der Ausdruck "INFORMATICA" auch nicht zum Grundwortschatz des täglichen Lebens gehöre. Zwar stehe er dem deutschen Wort "Informatik" nahe und werde daher möglicherweise vage mit dem Tätigkeitsfeld der Informatik assoziiert. Für den entscheidungserheblichen Teil des deutschen Verkehrs bleibe aber unklar und verschwommen, welche genaue Bedeutung dem Anklang bzw dem Hinweis auf das Sachgebiet der Informatik entnommen werden könne; teils werde das Markenwort auch als phantasievolle Verfremdung des deutschen Wortes angesehen und damit inhaltlich kein Bezug zur Informatik hergestellt. Auch im Hinblick auf den Im- und Export bestehe kein Bedarf der Mitbewerber an der angegriffenen Bezeichnung. Die von der Löschungsabteilung durchgeführte Recherche habe hierfür keine Anhaltspunkte ergeben. Auch die Anlagen zu dem die Anmeldung 397 09 601 "Informatica" der Antragstellerin zurückweisenden Beschluss des Bundespatentgerichts vom 3. März 1999 (29 W (pat) 165/98) ließen keinen Schluss auf die beschreibende Verwendung des Ausdrucks "INFORMATICA" zu. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Begriff als Firmenbestandteil für das Angebot einschlägiger Waren vorkomme, weil er insoweit markenmäßig und nicht beschreibend verwendet werde. Auch ein künftiges Freihaltungsbedürfnis bestehe nicht. Wegen der fehlenden Eignung, vom inländischen Verkehr in Bezug auf die eingetragenen Waren als Sachangabe verstanden zu werden, könne der angegriffenen Marke auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden, so dass der Löschungsantrag zurückzuweisen sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie trägt hierzu vor: Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt habe, werde der Ausdruck "INFORMATICA" im Inland für Dienstleistungen verwendet, die im Rahmen der Informatik angeboten würden. Solche Dienstleistungen lägen im engsten Ähnlichkeitsbereich zu Datenverarbeitungsgeräten und Datenverarbeitungsprogrammen auf Datenträgern, so dass der Ausdruck auch für diese beschreibend sei. Auch der 29. Senat habe in seinem Beschluss vom 3. März 1999 die Markenanmeldung "Informatica" für entsprechende Waren zurückgewiesen. Dann könne vorliegend aber nichts anderes gelten.
Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 24. Januar 2003 aufzuheben und die Marke 397 04 220 "INFORMATICA" für sämtliche Waren zu löschen; hilfsweise regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Markeninhaberin trägt vor: Der angegriffenen Marke fehle nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Sie weise keinen unmittelbaren Warenbezug auf, weil sie lexikalisch nicht nachweisbar sei und es sich bei ihr auch nicht um eine fremdsprachige Sachangabe handele, die die von der angegriffenen Marke erfassten Waren unmittelbar beschreibe. Etwas anderes habe auch der 29. Senat nicht festgestellt. Im übrigen spreche auch die Eintragung vergleichbarer Marken wie "biotechnica", "Technica", "AUTOMATICA", "Telefnica" und "Telefonica" für Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38, 41 und 42 gegen einen unmittelbaren Warenbezug. Auch sei die angegriffene Marke nicht freihaltebedürftig. Entgegen der Behauptung der Antragstellerin habe das Markenwort "INFORMATICA" bislang keinen Eingang in den deutschen Sprachgebrauch gefunden und werde auch nicht für EDV-Dienstleistungen benutzt. Die von der Markenabteilung eingeholten Informationen belegten, dass sich die Prognose des 29. Senats über ein künftiges Freihaltungsbedürfnis als unzutreffend erwiesen habe. Konkrete Nachweise für einen beschreibenden Inhalt des Markenwortes "INFORMATICA" zum Eintragungszeitpunkt fehlten; solche habe auch die Antragstellerin nicht vorgelegt.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte aufrechterhalten und vertieft. Eine vom Senat angeregte vergleichsweise Regelung ist nicht zustandegekommen.
II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Die angegriffene Marke ist für die im Tenor genannten Waren, die mit der elektronischen Datenverarbeitung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, nach § 50 Abs 1 Nr 3 in Verbindung mit § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu löschen, weil der Ausdruck "INFORMATICA" für diese Waren zum Eintragungszeitpunkt jeglicher Unterscheidungskraft entbehrt hat und dieses Schutzhindernis auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung besteht (§ 50 Abs 2 Satz 1 MarkenG).
Wie bereits der 29. Senat in seinem von beiden Beteiligten zitierten Beschluss vom 3. März 1999 (29 W (pat) 165/98) festgestellt hat, handelt es sich bei dem Markenwort "INFORMATICA" um das niederländische, spanische, portugiesische und italienische Wort für Informatik, Elektronische Datenverarbeitung, EDV, Nachrichtentechnik und Meldetechnik. Dies hat auch die Markeninhaberin nicht in Abrede gestellt. Wie der 29. Senat weiter ausgeführt hat, ist dieser Begriff allerdings nicht in den deutschen Sprachschatz übernommen worden, was kaum verwundert, da in diesem bereits der allseits bekannte Ausdruck "Informatik" existiert. Ob dieser fremdsprachige Begriff freihaltungsbedürftig im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist, weil er üblicherweise im Inland als Sachangabe für Waren oder Dienstleistungen, welche im Zusammenhang mit der elektronischen Datenverarbeitung stehen, verwendet wurde oder wird, kann letztlich auf sich beruhen. Denn ungeachtet der Frage des Freihaltungsbedürfnisses fehlt der angegriffenen Marke für die im Tenor genannten Waren die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.
Auch wenn grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr.: BGH GRUR 2001, 1154, 1155 - Farbmarke violettfarben; GRUR 2004, 507, 509 - Transformatorengehäuse), fehlt einer Wortmarke die (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st. Rspr.; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 2001, 1153, 1154 - anti KALK), wenn maßgebliche Teile des Verkehrs ihr einen für die fraglichen Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibender Begriffsinhalt zuordnen (vgl BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice). Dies kann vorliegend sowohl zum Zeitpunkt der Eintragung der Marke als auch noch zum jetzigen Zeitpunkt nicht in einem die Schutzfähigkeit der Marke für die beanspruchten EDV-Waren ausreichenden Maße verneint werden.
Auch wenn es sich bei dem fremdsprachigen Ausdruck "INFORMATICA" um kein im Inland gebräuchliches Synonym für den deutschen Begriff "Informatik" handelt, werden maßgebliche Teile des Verkehrs ihn doch ohne weiteres Nachdenken mit diesem gleichsetzen und nur in diesem Sinne verstehen, wenn sie ihm in unmittelbarem Zusammenhang mit solchen Waren begegnen, welche der elektronischen Datenverarbeitung zugehören. Hierfür spricht schon die sprachliche Nähe dieses niederländischen, spanischen, portugiesischen und italienischen Wortes zum entsprechenden deutschen Begriff, von dem er sich lediglich durch den Endvokal "a" und die Ersetzung des Konsonanten "K" durch den gleichwertigen, häufig anstelle des "K" alternativ verwendeten Konsonanten "C" unterscheidet. Für den inländischen Verkehr liegt es dabei nahe, in dem Markenwort "INFORMATICA" nur die romanische Form des deutschen Begriffs "Informatik" zu sehen, da großen Teilen des Verkehrs bekannt ist, dass der deutsche Begriff ein aus dem romanischen Sprachkreis stammendes Lehnwort ist (vgl DUDEN, Herkunftswörterbuch, 3. Aufl, S 362; BERTELSMANN Herkunftswörterbuch, S 274; KLUGE, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, 24. Aufl, S 440). Hierfür sprechen auch die in der mündlichen Verhandlung erörterten gelegentlichen Verwendungen dieses Begriffs. So hatte die Universität Bremen für Herbst 2004 eine "Sommeruniversität für Frauen in der Informatik" unter der Bezeichnung "Informatica Feminale" angekündigt (vgl http://www.informaticafeminale.de) und erscheint eine "Zeitschrift für fachdidaktische Grundlagen der Informatik" unter dem Titel "informatica didactica" (vgl http://www.informaticadidactica.de). Insoweit unterscheidet sich die angegriffene Marke nicht von Begriffen wie "Classica" (vgl hierzu BPatG 27 W (pat) 210/03, veröffentlicht auf der PAVIS-CD-ROM) oder "electronica" (vgl HABM GRUR-Int 2001, 338), welche für den Verkehr ohne weiteres mit "Klassik/klassisch" bzw "Elektronik" gleichgesetzt werden und daher wegen dieses unmittelbar erkennbaren Sinngehalts als nicht schutzfähig für Waren der Klassen 25, 16, 35 und 41 erachtet worden sind.
Fassen maßgebliche Teile des Verkehrs die Marke "INFORMATICA" in Zusammenhang mit den eingetragenen Waren "elektrische Apparate und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten), Geräte zur Aufzeichnung. Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger; Rechenmaschinen, Datenverarbeitungsgeräte, Computer; Computerprogramme, insbesondere zur Anwendungsentwicklung, zum Datenbankmanagement, zur Zugangseröffnung zu internen und externen Netzwerken einschließlich zu dem weltweiten Computerinformationsnetzwerk sowie Computerprogramme für die Entwicklung von netzwerkgestützten automatisierten Hilfs- und Entscheidungsfunktionen und zugehörige Handbücher (soweit in Klasse 9 enthalten)" aber nur als Synonym für das deutsche Wort "Informatik" auf, werden sie die Marke in bezug auf solche Waren vordergründig nur als bloße Sachangabe dahin ansehen, dass sie für die elektronische Informationsverarbeitung gedacht sind und dieser dienen. Damit haben sie aber keinen Anlass, sie ohne weiteres Nachdenken als Hinweis auf die betriebliche Herkunft dieser Waren aufzufassen, so dass die angegriffene Kennzeichnung für diese Produkte die Hauptfunktion einer Marke, diese nach ihrer Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen von anderen Produkten zu unterscheiden, nicht mehr erfüllen kann. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Verkehr die angegriffene Marke zum Zeitpunkt ihrer Eintragung anders aufgefasst hat.
Damit kann die angegriffene Marke für die im Tenor genannten Produkte aber mangels der erforderlichen Unterscheidungskraft keinen Bestand haben, so dass sie für diese Waren nach § 50 Abs 1 Nr 3 in Verbindung mit § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG teilweise zu löschen war. In diesem Sinne war somit der angefochtene Beschluss der Markenabteilung aufzuheben und die teilweise Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs 1 Nr 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 83 Abs 2 Nr 2 MarkenG). Zu befinden war vielmehr allein auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung über die Verwechselbarkeit der Vergleichsmarken aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falls.
Dr. Schermer Dr. van Raden Schwarz Pü
BPatG:
Beschluss v. 15.10.2004
Az: 27 W (pat) 140/03
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