Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 112/01

(BPatG: Beschluss v. 10.05.2002, Az.: 25 W (pat) 112/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Bezeichnung ALS - aktivierende LernSystemeist am 27. November 1997 für

"Wissenschaftliche Forschung; Datenverarbeitung; Erziehung; Ausbildung; Lehr- und Unterrichtsmittel; Buchbinderartikel; Drukkereierzeugnisse"

in das Markenregister eingetragen worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 30. Dezember 1997.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der 30. Oktober 1991 für

"Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate) in Form von Druckereierzeugnissen; mit Programmen versehene Datenträger aller Art zu Unterrichtszwecken; Entwicklung und Durchführung von Fernlehrgängen"

eingetragenen Wort-/Bildmarke 2 005 750 siehe Abb. 1 am Ende Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluss vom 23. Mai 2000 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen könnten teilweise identisch sein, so dass zur Vermeidung der Verwechslungsgefahr ein erheblicher Markenabstand erforderlich sei. Diesen Abstand halte die angegriffene Marke jedoch auch dann ein, wenn man von einer Prägung deren Gesamteindrucks durch die Buchstabenfolge ausgehe. Eine klangliche Ähnlichkeit zwischen "ALS" und "iLS" sei aufgrund der unterschiedlichen Vokale, nämlich dem dunklen "A" und dem hellen "i", am Anfang der Buchstabenfolgen trotz der Übereinstimmungen in den nachfolgenden Konsonanten ausgeschlossen, zumal es sich um kurze Bezeichnungen handele, bei denen einzelne Abweichungen stärker als bei längeren Wörtern auffielen. Eine schriftbildliche Ähnlichkeit scheide selbst bei Annahme einer Prägung des Gesamteindrucks der angegriffenen Marke durch den Bestandteil "ALS" aufgrund der grafischen Gestaltung der Widerspruchsmarke und den figürlichen Unterschieden zwischen "A" und "i" ebenfalls aus.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den Beschluss vom 23. Mai 2000 aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke für die Waren und Dienstleistungen "Datenverarbeitung; Erziehung; Ausbildung; Lehr- und Unterrichtsmittel; Druckereierzeugnisse" anzuordnen.

Den angesichts der teilweisen Identität oder hohen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen erforderlichen großen Markenabstand halte die angegriffene Marke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein. Die Widerspruchsmarke werde durch die Buchstabenfolge "iLS" geprägt. Die angegriffene Marke werde durch die Buchstabenkombination "ALS" dominiert, da der Zusatz "aktivierende LernSysteme" rein beschreibend sei und im mündlichen Geschäftsverkehr schon aus Zeitgründen stets die den Anfang bildende Buchstabenfolge benutzt werde. Trotz der Verschiedenheit der Anfangsvokale "A" und "i" reiche dies bei teilweiser Gleichheit der Waren und Dienstleistungen zur Verneinung der Verwechslungsgefahr nicht aus.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine eventuell vorhandene Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen falle nicht ins Gewicht, da sich die Marken gerade in klanglicher Hinsicht deutlich unterschieden, was das DPMA zutreffend erkannt habe. Bei der Widerspruchsmarke stehe die Buchstabenkombination nicht derart im Vordergrund, dass die übrigen Bildbestandteile völlig zurückträten. Die angegriffene Marke werde im mündlichen Verkehr auch nicht nur mit dem Anfangsbestandteil "ALS" benannt, da es sich bei "aktivierende LernSysteme" nicht um einen beschreibenden Zusatz handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschluss sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, in der Sache jedoch ohne Erfolg. Der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle im Ergebnis zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen sind, ist bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und/oder Dienstleistungen von der Registerlage auszugehen. Die mit der Beschwerde noch angegriffenen und somit allein noch verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen "Datenverarbeitung; Erziehung; Ausbildung; Lehr- und Unterrichtsmittel; Druckereierzeugnisse" der jüngeren Marke sind mit den Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke teils identisch, zumindest jedoch ohne weiteres ähnlich. Die Waren und Dienstleistungen richten sich auch an die allgemeinen Verkehrskreise, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints).

Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da entgegenstehende Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.

Auch wenn unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände strenge Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen sind, reichen die Abweichungen der Marken aus, um die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, und zwar auch im Bereich gleicher Waren und Dienstleistungen, in jeder Hinsicht hinreichend sicher auszuschließen.

In ihrer Gesamtheit unterscheiden sich die aus einer Buchstaben-/Wortkombination bestehende angegriffene Marke und die ältere Wort-/Bildmarke schon aufgrund der Länge der Bezeichnungen bzw die grafische Gestaltung der Widerspruchsmarke deutlich.

Grundsätzlich ist zur Beurteilung der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr auf den Gesamteindruck der Marke in ihrer registrierten Form abzustellen ist (vgl BGH MarkenR 2002, 49, 51 "ASTRA/ESTRA-PUREN"), wobei selbst kennzeichnungsschwache oder schutzunfähige Elemente zur Prägung des Gesamteindrucks beitragen oder gar entscheidendes Gewicht erlangen können und dann nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 152, 160 mwN). Dabei entspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass der Verkehr eine Marke in ihrer Gesamtheit aufnimmt, in der sie ihm entgegentritt, ohne eine analysierende Betrachtung vorzunehmen. Dieser Grundsatz schließt zwar die Erkenntnis ein, dass auch einzelnen Zeichenbestandteilen unter Umständen eine besondere, das gesamte Zeichen prägende Kennzeichnungskraft zukommen kann und dass dann bei einer Übereinstimmung von Zeichen in dem prägenden Bestandteil die Gefahr einer Verwechslung der beiden Gesamtzeichen zu bejahen ist (ständige Rspr des BGH, vgl BGH MarkenR 2000, 20, 21 - RAUSCH / ELFI RAUCH mwN). Vorliegend kommt eine Verwechslungsgefahr - was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist - danach jedoch nur dann in Betracht, wenn man für die Beurteilung der Markenähnlichkeit in der angegriffenen Marke dem Anfangsbestandteil "ALS" und in der Widerspruchsmarke dem Wortbestandteil "iLS" eine jeweils selbständig kollisionsbegründende Bedeutung beimisst.

Zwar geht der Senat unter Beachtung des Erfahrungssatzes, dass sich der Verkehr bei einer Wort-/Bildmarke eher am Wortbestandteil als einfachster Bezeichnungsform orientiert, davon aus, dass in der Widerspruchsmarke jedenfalls im Hinblick auf eine klangliche Verwechslungsgefahr dem Wortbestandteil "iLS" eine den Gesamteindruck prägende Bedeutung zukommt (vgl hierzu BGH MarkenR 2000, 140, 144 - ATTACHÉ / TISSERAND). Dagegen könnten Zweifel an einem allein kennzeichnenden Charakter des Bestandteils "ALS" der angegriffenen Marke zumindest dann bestehen, wenn der Verkehr darin die Abkürzung der nachfolgenden beschreibenden Angabe "aktivierende LernSysteme" erkennt.

Diese Frage bedarf für die vorliegende Entscheidung jedoch keiner abschließenden Klärung. Wie bereits die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt hat, ist nämlich auch dann, wenn man zugunsten der Widersprechenden von einer selbständig prägenden Bedeutung des Bestandteils "ALS" ausgeht, der erforderliche Markenabstand eingehalten. Der Unterschied zu dem Wortbestandteil "iLS" der Widerspruchsmarke tritt durch die Abweichung in den Anfangsvokalen deutlich genug hervor, um eine Verwechslungsgefahr sowohl in klanglicher als auch in schriftbildlicher Hinsicht auszuschließen. Hierbei ist zu Recht dem Umstand verwechslungsmindernde Bedeutung beigemessen worden, dass es sich jeweils um Kurzbezeichnungen handelt, bei denen einzelne Abweichungen stärker als bei längeren Wörtern auffallen und sich die Abweichungen zudem am ohnehin aufmerksamer betrachteten Wortanfang befinden.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Engels Brandt Pü

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/25W(pat)112-01.2.3.gif






BPatG:
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Az: 25 W (pat) 112/01


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