Kammergericht:
Urteil vom 17. Juli 2003
Aktenzeichen: 22 U 149/03
(KG: Urteil v. 17.07.2003, Az.: 22 U 149/03)
Tenor
Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 23. April 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin € 29 O 198/03 € wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes hat der Senat gemäß § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg. Das Landgericht hat die von ihm im Beschlusswege erlassene einstweilige Verfügung vom 04. April 2003, mit der der Verfügungsbeklagten aufgegeben worden ist, den Geschäftsbetrieb in den streitbefangenen Mieträumen wieder aufzunehmen und das Ladenlokal wieder zu betreiben, zu Recht mit der Maßgabe bestätigt, dass die Verfügungsbeklagte das Ladenlokal wahlweise auch durch einen Untermieter betreiben lassen könne.
1. Verfügungsanspruch
Die Verfügungsklägerin hat gegen die Verfügungsbeklagte einen Anspruch auf Erfüllung der in § 1 Nr. 4 des Mietvertrages vereinbarten Betriebspflicht. Die Vereinbarung einer Betriebspflicht in einem Mietvertrag über Gewerberäume ist, auch wenn es sich bei den Bestimmungen in dem Mietvertrag um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne von § 305 BGB handeln dürfte, nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung zulässig (vgl. dazu etwa nur BGH NJW-RR 1992, 1032; Staudinger/Emmerich, BGB, Neubearbeitung 2003, Rdn. 92; Hamann ZMR 2001, 581 je m. w. N.).
Soweit die Verfügungsbeklagte sich auf die Entscheidung des OLG Schleswig vom 02. August 1999 € 4 W 24/99 € beruft, nach der eine in einem Formularmietvertrag vereinbarte Betriebspflicht eine unangemessene Benachteiligung darstellen soll, wenn dem Mieter zugleich eine Sortimentsbindung auferlegt und ihm jeglicher Konkurrenzschutz versagt wird (so auch Sternel, Mietrecht, 2. Aufl., Rdn. II 274), kann dahinstehen, ob diese Ansicht zutrifft. Denn jedenfalls im vorliegenden Fall ist entgegen der von der Verfügungsbeklagten vertretenen Ansicht der Konkurrenzschutz, der auch ohne ausdrückliche Bestimmung zur Gewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs gehört (vgl. Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl., Rdn. 687 ff), nicht abbedungen worden. Die von der Verfügungsbeklagten zitierte Entscheidung betrifft daher nicht die hier vorliegende Vertragsgestaltung.
Die Betriebspflicht ist hier auch nicht deshalb entfallen, weil die benachbarte Ladenfläche (ehemals Firma S) seit einiger Zeit nicht vermietet ist. Denn die Rentabilität der gemieteten Räume fällt in den Risikobereich des Mieters (vgl. Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rdn. 652).
Die Betriebspflicht ist hier entgegen der von der Verfügungsbeklagten vertretenen Ansicht auch nicht gemäß § 275 Abs. 1 BGB neuer Fassung, der gemäß Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB auf das hier vorliegende Mietverhältnis als Dauerschuldverhältnis seit dem 1. Januar 2003 Anwendung findet, erloschen mit der Folge, dass die Verfügungsklägerin nicht mehr Erfüllung verlangen könnte, sondern nur noch Schadensersatz. Denn der Verfügungsbeklagten ist die Erfüllung der Betriebspflicht entgegen der von ihr vertretenen Ansicht nicht unmöglich geworden.
Rein tatsächlich liegt keine Unmöglichkeit vor. Denn die Verfügungsbeklagte könnte, da sie insgesamt mehrere Geschäfte in Deutschland betreibt und hinreichend umsatzstark ist (sie hat allein den mit den Mieträumen im Jahre 2002 erzielten Umsatz in ihren Anzeigen im Rahmen ihrer Vermietungsbemühungen immerhin mit 625.000,00 EUR beziffert, dem eine Jahresmiete von 67.613,24 EUR einschl. Umsatzsteuer gegenübersteht) ohne weiteres den Geschäftsbetrieb wieder aufnehmen. Es dürfte für sie keine tatsächlichen Schwierigkeiten bereiten, Waren zu beschaffen und auch Angestellte zu beschäftigen. Auch könnte sie die gemieteten Räume untervermieten. Die Verfügungsklägerin hat ihr grundsätzliches Einverständnis hiermit erklärt und lediglich zur Prüfung der Zumutbarkeit eines Untermieters die Einholung ihrer Zustimmung im Einzelfall gefordert. Dass sich auch bei den gebotenen intensiven Bemühungen auf Dauer kein Mieter finden ließe, hat die Verfügungsbeklagte weder hinreichend dargelegt noch glaubhaft gemacht (§§ 936 in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO) obwohl sie als Schuldnerin insoweit die Darlegungs- und Beweislast trägt (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl., Ergänzungsband, § 275 Rdn. 34).
Auch eine rechtliche Unmöglichkeit der Erfüllung der Betriebspflicht liegt nicht vor. Zwar hat die Verfügungsbeklagte hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie, sofern sie vor Ablauf von 2 Jahren in den Mieträumen einen eigenen Handel mit Schmuck und Uhren mit gleichem Sortiment betreiben würde, gegen § 8 Abs. 6 Nr. 2 UWG verstieße und von anderen Wettbewerbern, Verbraucherschutzverbänden etc. auf Unterlassung in Anspruch genommen werden könnte. Das ergibt sich daraus, dass sie unter der Firmenbezeichnung G mit dem klein gedruckten Zusatz G GmbH den Totalausverkauf beworben und veranstaltet hat. Eine erneute Geschäftsaufnahme durch sie selbst mit gleichem Warenangebot wäre daher vor Ablauf von 2 Jahren unter derselben Geschäftsadresse wettbewerbswidrig (vgl. dazu auch Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl., § 8 Rdn. 51).
Eine (in § 8 Abs. 6 Nr. 2 UWG) zugelassene Ausnahme liegt hier entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht nicht vor. Der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte der Verfügungsklägerin gegenüber zivilrechtlich zur Geschäftsaufnahme verpflichtet ist, führt nicht dazu, dass eine unmittelbare Geschäftsaufnahme durch die Verfügungsbeklagte keinen Wettbewerbsverstoß darstellen würde. Eine auf eine wettbewerbswidrige Handlung gerichtete zivilrechtliche Verpflichtung nimmt nicht etwa der Handlung den Charakter als wettbewerbswidrig. Vielmehr ist in der Regel umgekehrt eine zivilrechtlich begründete Verpflichtung, die zur Begehung unlauteren Wettbewerbs verpflichtet, gemäß § 134 BGB unwirksam (vgl. dazu OLG Stuttgart NJW-RR 1997, 236/237). Daraus folgt für den vorliegenden Fall jedenfalls, dass die Verfügungsbeklagte nicht verpflichtet sein kann, das Geschäft höchstpersönlich mit gleichem Sortiment aufzunehmen. Daher kann die Verfügungsklägerin keine Erfüllung der Betriebspflicht dergestalt verlangen, dass von der Verfügungsbeklagten unmittelbar der Betrieb mit demselben Warensortiment wieder aufgenommen wird.
Das führt aber nicht zu der Annahme, dass der Verfügungsbeklagten die Erfüllung der nach dem Mietvertrag zwischen den Parteien bestehenden Betriebspflicht nach Durchführung des Räumungsverkaufs generell nachträglich rechtlich unmöglich geworden ist. Denn die Verfügungsbeklagte kann die Betriebspflicht rechtlich auch durch Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs mit einem anderen Warensortiment erfüllen oder durch Untervermietung. Die Verfügungsklägerin hat sich mit einer solchen Verfahrensweise ausdrücklich einverstanden erklärt, insbesondere auch während des Verfahrens ausdrücklich ihr Einverständnis mit einem Wechsel des Warensortiments erklärt und auch insoweit lediglich zur Prüfung der Zumutbarkeit die Einholung ihrer Zustimmung im Einzelfall gefordert. Entgegen der von der Verfügungsbeklagten vertretenen Ansicht steht der schriftliche Mietvertrag, in dem eine Untervermietung und ein Sortimentswechsel nicht ausdrücklich vorgesehen sind, aufgrund des von der Verfügungsklägerin ausdrücklich erklärten Einverständnisses schon nach Treu und Glauben nicht entgegen.
Zwar kann gemäß § 275 Abs. 2 Satz 1 BGB der Schuldner die Leistung auch verweigern, soweit sie einen Aufwand erfordert, der unter Beachtung des Inhalts des Schuldverhältnisses und der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht. Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht erfüllt. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Verfügungsklägerin ein erhebliches und auch schutzwürdiges Interesse daran hat, dass in den von der Verfügungsbeklagten gemieteten Räumen der Geschäftsbetrieb entsprechend der in dem Mietvertrag zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung der Betriebspflicht, wenn auch mit Modifizierungen, wieder aufgenommen wird. Denn der Leerstand führt bereits jetzt zu Schwierigkeiten bei der Vermietung benachbarter Gewerberäume und es ist für den Fall längeren Leerstandes beider Gewerbeeinheiten weiterer Leerstand durch Abwanderung von Mietern zu befürchten denen die Umgebung ihrer Geschäftsräume in dem Einkaufszentrum zu unbelebt erscheint. Dagegen hat die Verfügungsbeklagte kein schutzwürdiges Interesse an der Einstellung ihres Geschäftsbetriebs in den Mieträumen dargelegt und glaubhaft gemacht. Das Risiko, dass sich die Geschäfte in den Mieträumen weniger profitabel entwickeln als gewünscht, hat die Verfügungsbeklagte als Mieterin zu tragen. Die Verfügungsbeklagte hat daher ihre Pflicht zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs notfalls, sofern ihr eine Untervermietung nicht gelingt, mit einem anderen Warensortiment zu erfüllen, auch wenn dies für sie mit großem Aufwand verbunden sein dürfte.
Insbesondere ist bei der Bestimmung der dem Schuldner zuzumutenden Anstrengungen gemäß § 275 Abs. 2 Satz 2 BGB auch zu berücksichtigen, ob der Schuldner das Leistungshindernis zu vertreten hat. Das ist hier der Fall. Denn die Verfügungsbeklagte hat sich die Erfüllung der von ihr in dem Mietvertrag zwischen den Parteien eingegangenen Betriebspflicht mit ihrem regulären Warensortiment selbst dadurch unmöglich gemacht, dass sie einen Ausverkauf betrieben hat, mit der Folge, dass sie selbst nach § 8 Abs. 6 Nr. 2 UWG eine eigene Fortsetzung ihres Handels mit Uhren und Schmuck in den Mieträumen innerhalb der dem Ausverkauf folgenden zwei Jahre rechtswidrig gemacht hat. Unter diesen Umständen ist ihr, auch für den Fall, dass ihr eine Vermietung nicht gelingt, ein Mehraufwand, der durch Aufnahme eines nicht wettbewerbswidrigen Geschäftsbetriebs mit einem anderen Warensortiment entstehen dürfte, nach Auffassung des Senats zumutbar und nicht im Rechtssinne unmöglich.
2. Verfügungsgrund
Es besteht auch ein Verfügungsgrund für den Erlass der einstweiligen Verfügung gemäß §§ 935, 940 ZPO. Zwar nimmt die hier erlassene einstweilige Verfügung jedenfalls für die Zeit bis zu einer Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache diese vorweg. Eine (derart eingeschränkte) Vorwegnahme der Hauptsache durch eine Leistungsverfügung ist jedoch nach allgemeiner Ansicht dann zulässig, wenn der Gläubiger darlegt und glaubhaft macht, dass er auf die Erfüllung dringend angewiesen ist (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 940 Rdn. 6 m. w. N.). Das ist im vorliegenden Fall anzunehmen. Denn der Sinn der Vereinbarung der Betriebspflicht, der darin liegt, das Einkaufszentrum durch ein möglichst großes und vielfältiges Angebot an Geschäften für Kunden attraktiv zu halten, würde unterlaufen, wenn die Verfügungsklägerin darauf verwiesen werden würde, mit der Durchsetzung der Betriebspflicht bis zum Abschluss eines Verfahrens in der Hauptsache zu warten. Die Verfügungsbeklagte trägt selbst vor, mehrere Mietinteressenten hätten wegen des Leerstandes der benachbarten Flächen (ehemals Firma S erklärt, sie wollten derzeit nicht mieten. Daher ist hier ein Verfügungsgrund gegeben (für die grundsätzliche Möglichkeit eines Verfügungsgrundes bei Erfüllung einer Betriebspflicht auch z. B. Wolf/Eckert/Ball, a.a.O., Rdn. 657).
Der hier erlassenen einstweiligen Verfügung fehlt es auch nicht grundsätzlich an der Vollstreckbarkeit mit der Folge, dass ihr Erlass unzulässig wäre (so aber OLG Naumburg NJW-RR 1998, 873). Vielmehr handelt es sich bei der Untervermietung oder der Betriebsaufnahme mit einem anderen Sortiment um eine unvertretbare Handlung mit der Folge, dass die Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO stattfindet (vgl. auch OLG Hamm NJW 1973, 1135).
Allerdings ist jedenfalls eine Untervermietung nicht ausschließlich vom Willen des Verfügungsbeklagten abhängig und es steht derzeit nicht fest, ob sich ein Mietinteressent findet, der insoweit mitwirkt. Der Schuldner muss jedoch dann, wenn die Mitwirkung Dritter zweifelhaft ist, alle tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten ausnutzen, um den Dritten zur Mitwirkung zu bewegen (vgl. MünchKomm-Schilken, ZPO § 888 Rdn. 8). Erst nach entsprechenden Darlegungen und Nachweisen ist die Zwangsvollstreckung durch die Verhängung von Zwangsgeldern unzulässig (vgl. etwa BayObLGZ 88, 440). Der Vollstreckung durch Verhängung eines Zwangsgeldes stehen dabei nur solche Zweifel daran, dass der Schuldner die Leistung noch möglich ist, entgegen, die durch substantiiertes und nachprüfbares Vorbringen des Schuldners begründet sind (vgl. OLG Celle OLGR Celle 1998, 103/104). Im vorliegenden Fall fehlt es insoweit bisher an einer hinreichenden Darlegungen und Glaubhaftmachung. Die Verfügungsbeklagte hat zu ihren Bemühungen um eine erneute Untervermietung, auch mit anderem Sortiment bzw. zu ihren Möglichkeiten, den Geschäftsbetrieb selbst mit einem anderen Sortiment zu eröffnen, nichts Hinreichendes vorgetragen. Sie hat lediglich wenige und nicht sehr intensive Bemühungen durch das Schalten von Zeitungsanzeigen dargelegt, um eine Untervermietung zu erreichen. Auf der Grundlage dieses Vorbringens der Verfügungsbeklagten kann jedenfalls derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass trotz aller Anstrengung der Verfügungsbeklagten erhebliche Zweifel daran bestehen, ob es ihr möglich ist, die Erfüllung der geschuldeten Betriebspflicht selbst oder durch Untervermietung noch zu erreichen. Es kann daher derzeit nicht angenommen werden, dass der erlassenen einstweiligen Verfügung die Vollstreckbarkeit fehlen würde mit der Folge, dass der Erlass der einstweiligen Verfügung unzulässig wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit entfällt wegen § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO (vgl. auch Zöller/Herget, a.a.O., § 708 Rdn. 89); gleiches gilt für eine Entscheidung über die Zulassung der Revision)
KG:
Urteil v. 17.07.2003
Az: 22 U 149/03
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