Bundesgerichtshof:
Urteil vom 9. Juli 2009
Aktenzeichen: I ZR 64/07
(BGH: Urteil v. 09.07.2009, Az.: I ZR 64/07)
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 1. Februar 2007 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger ist der Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe Köln. Er beanstandet eine Fernsehwerbung der Beklagten für einen Nassrasierer, in der sie ein Gewinnspiel ohne Angaben zu den Teilnahmebedingungen nur mit einem Hinweis auf im Handel erhältliche Teilnahmekarten ankündigte. Die Teilnahmebedingungen waren aus den Teilnahmekarten ersichtlich.
Der Kläger hat beantragt, der Beklagten zu verbieten, wie auf der beigefügten DVD wiedergegeben, ein Gewinnspiel mit dem Hinweis anzukündigen:
Jetzt mit G. Tickets für die FIFA-WM 2006 gewinnen und dazu ein gratis Rasiergel. Teilnahmekarten sind separat im Handel erhältlich, ohne weitere Angaben zu den Teilnahmebedingungen an dem Gewinnspiel in dem Werbespot zu machen.
Ferner hat er die Beklagte auf Erstattung von Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Frankfurt a.M. WRP 2007, 668). Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter. Die Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Verstoß der beanstandeten Werbung gegen § 4 Nr. 5 UWG verneint. Hierzu hat es ausgeführt:
Die Angabe der Teilnahmebedingungen für das von der Beklagten angekündigte Gewinnspiel sei in der beanstandeten Fernsehwerbung noch nicht erforderlich gewesen. Der Hinweis "Teilnahmekarten sind separat im Handel erhältlich" habe ausgereicht, weil der Verbraucher gewohnt sei, auf den Teilnahmekarten auch die Teilnahmebedingungen zu finden.
Die Informationspflicht nach § 4 Nr. 5 UWG sei spätestens im Zeitpunkt der Teilnahme zu erfüllen. Die beanstandete Werbung eröffne noch keine unmittelbare Teilnahmemöglichkeit, da ausschließlich die im Handel erhältlichen Teilnahmekarten zu verwenden gewesen seien. Ein aktuelles Aufklärungsbedürfnis bereits bei der Fernsehwerbung sei nicht ersichtlich. Soweit bei verschiedenen Einzelhandelsunternehmen unterschiedliche Teilnahmebedingungen gegolten hätten und diese von den Verbrauchererwartungen abwichen, fehle ein darauf bezogenes Unterlassungsbegehren.
II. Die Revision bleibt ohne Erfolg. Dem Kläger stehen aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 i.V. mit §§ 3, 4 Nr. 5, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG keine Ansprüche auf Unterlassung und Erstattung der Abmahnkosten zu.
1. Auf den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch sind die Bestimmungen des am 30. Dezember 2008 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb vom 22. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2949) anzuwenden, mit dem die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken umgesetzt worden ist. Der im Streitfall auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch besteht allerdings nur, wenn die beanstandete Verhaltensweise auch schon zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig war (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 20.1.2005 - I ZR 96/02, GRUR 2005, 442 = WRP 2005, 474 - Direkt ab Werk; Urt. v. 28.6.2007 - I ZR 153/04, GRUR 2008, 186 Tz. 17 = WRP 2008, 220 - Telefonaktion). Demgegenüber kommt es für den Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. BGH, Urt. v. 19.4.2007 - I ZR 57/05, GRUR 2007, 981 Tz. 15 = WRP 2007, 1337 - 150% Zinsbonus). Die im vorliegenden Fall maßgebliche Vorschrift des § 4 Nr. 5 UWG hat durch die Umsetzung der Richtlinie keine Änderung erfahren. Es ist deshalb nicht erforderlich, zwischen der vor und nach dem 30. Dezember 2008 geltenden Rechtslage zu unterscheiden.
2. Die in § 4 Nr. 5 UWG vorgesehene Pflicht, über die Bedingungen der Teilnahme an einem Gewinnspiel zu informieren, steht mit der Richtlinie im Einklang.
Insoweit gelten entsprechend die Erwägungen, mit denen der Senat die Vereinbarkeit des § 4 Nr. 4 UWG mit der Richtlinie begründet hat (vgl. BGH, Urt. v. 11.3.2009 - I ZR 194/06, GRUR 2009, 1064 Tz. 14 ff. = WRP 2009, 1229 - Geldzurück-Garantie II). Die Bestimmung des § 4 Nr. 5 UWG ist, auch soweit sie den nichtelektronischen Geschäftsverkehr betrifft, wie § 4 Nr. 4 UWG keine mitgliedstaatliche Regelung, die über einen gemeinschaftsrechtlichen Mindeststandard hinausgeht. Aufgrund dessen ist der Rückgriff auf Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken eröffnet. Das Tatbestandsmerkmal der "Teilnahmebedingungen des Gewinnspiels" ist im Einklang mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie in der Weise auszulegen, dass es nur Bedingungen erfasst, die für die Entscheidung des Verbrauchers, ob er sich um die Teilnahme an dem Gewinnspiel bemühen will, wesentlich sind. Die Regelung des § 4 Nr. 5 UWG ist daher nicht als Perse-Verbot ausgestaltet, das unabhängig von einer Gefährdung im Einzelfall ein bestimmtes Verhalten generell untersagt. Im Übrigen gestatten die Tatbestandsmerkmale "klar und eindeutig" eine umfassende Würdigung der Umstände des Einzelfalls. Soweit Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie die Aufklärungspflicht von der Relevanz der Information für die Verbraucherentscheidung abhängig macht, enthält das nationale Recht in § 3 Abs. 2 Satz 1 UWG eine entsprechende Schwelle. Die Bestimmung des § 4 Nr. 5 UWG steht deshalb auch nach den vom Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften entwickelten Grundsätzen mit der Richtlinie im Einklang (vgl. EuGH, Urt. v. 23.4.2009 - C-261/07 und C-299/07, GRUR 2009, 599 Tz. 59 ff. = WRP 2009, 722 - Total und Sanoma).
3. Die beanstandete Werbung bezieht sich auf ein Gewinnspiel mit Werbecharakter i.S. von § 4 Nr. 5 UWG. Die Beklagte hat jedoch nicht unlauter im Sinne dieser Vorschrift gehandelt, indem sie auf im Handel erhältliche Teilnahmekarten verwiesen hat, aus denen sich die Teilnahmebedingungen ergaben.
a) Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass schon die Ankündigung eines Gewinnspiels mit Werbecharakter von § 4 Nr. 5 UWG erfasst wird (vgl. BGH, Urt. v. 10.1.2008 - I ZR 196/05, GRUR 2008, 724 Tz. 10 = WRP 2008, 1069 - Urlaubsgewinnspiel).
b) Unter den konkreten Umständen des Streitfalls ist die Beklagte indes nicht verpflichtet, die Bedingungen für die Teilnahme an dem Gewinnspiel schon in der Fernsehwerbung anzugeben.
aa) Bestimmte Werbemedien wie das Fernsehen sind für ausführliche Informationen über Teilnahmebedingungen von Gewinnspielen aus medienimmanenten Gründen nicht geeignet. Dies hat Einfluss auf den Umfang der Informationspflicht (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2008, 250, 251; Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdn. 17; Bruhn in Harte/Henning aaO § 4 Nr. 5 Rdn. 35 f.; Seichter in Ullmann aaO § 4 Nr. 5 Rdn. 30; zur Anzeigenwerbung in Tageszeitungen vgl. BGH GRUR 2008, 724 Tz. 11 ff. - Urlaubsgewinnspiel). In deutlich höherem Maße als Printmedien ist das Fernsehen ein "flüchtiges" Medium, bei dem - wie auch das Berufungsgericht angenommen hat - grundsätzlich eine erhebliche Gefahr besteht, dass Informationen nicht oder nur unzureichend wahrgenommen werden. Ein Hinweis auf andere Informationsquellen kann dann notwendig, aber auch ausreichend sein. Ist die Teilnahme des Verbrauchers an dem Gewinnspiel aufgrund der Fernsehwerbung noch nicht ohne Weiteres - etwa aufgrund der Angabe einer Rufnummer - möglich, kann es nach den konkreten Umständen des Falles genügen, auf weiterführende Hinweise zu den Teilnahmebedingungen in leicht zugänglichen Quellen zu verweisen (vgl. BGH GRUR 2009, 1064 Tz. 37 - Geldzurück-Garantie II), etwa auf eine Internetseite oder im Handel erhältliche Teilnahmekarten.
Dafür spricht auch Art. 6 lit. d der Richtlinie 2000/31/EG, wonach die Teilnahmebedingungen für im elektronischen Geschäftsverkehr angebotene Gewinnspiele leicht zugänglich sein müssen. Es ist also nicht erforderlich, dass sie schon unmittelbar bei der Gewinnspielwerbung angegeben werden. Da kein Grund für eine Privilegierung des elektronischen Geschäftverkehrs gegenüber anderen Vertriebsformen besteht, kann die leichte Zugänglichkeit auch im nichtelektronischen Geschäftsverkehr und insbesondere bei der Radio- und Fernsehwerbung ausreichen. Ferner zeigen § 5a Abs. 2 UWG sowie Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken, dass der Umfang von Informationspflichten von der Art des Kommunikationsmittels abhängen kann.
Nach § 4 Nr. 5 UWG ist es daher erforderlich und ausreichend, die Information so rechtzeitig zu erteilen, dass ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständiger Verbraucher sie bei seiner Entscheidung über die Teilnahme an dem Gewinnspiel berücksichtigen kann (vgl. Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rdn. 5.14). Daraus folgt, dass unerwartete Beschränkungen oder sonstige überraschende Teilnahmebedingungen in der Werbung stets unmittelbar offenbart werden müssen (vgl. BGH GRUR 2008, 724 Tz. 13 - Urlaubsgewinnspiel). Denn ebenso wie blickfangmäßig herausgestellte, mit Sternchenhinweis versehene Angaben für sich genommen nicht unrichtig oder missverständlich sein dürfen (vgl. BGH GRUR 2007, 981 Tz. 23 - 150% Zinsbonus), muss auch bei der Werbung für Gewinnspiele mit Werbecharakter die für den Ausschluss einer Irreführung erforderliche Aufklärung über Teilnahmebedingungen unmittelbar den herausgestellten Angaben zugeordnet sein. Im Übrigen muss der Verbraucher jedenfalls vor seiner Teilnahmehandlung umfassend über die Teilnahmebedingungen informiert sein.
bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist es im Streitfall nicht erforderlich, die Teilnahmebedingungen bereits in der Fernsehwerbung anzugeben.
Entgegen der Ansicht der Revision rechnet der Verbraucher damit, dass Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Gewinnspiele zeitlich begrenzt sind und die Teilnahme an Bedingungen geknüpft ist (vgl. BGH GRUR 2009, 1064 Tz. 41 - Geldzurück-Garantie II, zu Verkaufsförderungsmaßnahmen). Der Klageantrag stellt auch nicht auf aus Verbrauchersicht überraschende Bedingungen ab. Die Teilnahmebedingungen sind leicht zugänglich, weil die Teilnahmekarten überall im Handel erhältlich sind, wo das beworbene Rasiergerät der Beklagten geführt wird. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Verbraucher daran gewöhnt ist, auf den Teilnahmekarten auch die Teilnahmebedingungen zu finden. Das lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
Die fehlende Angabe der Teilnahmebedingungen in der Fernsehwerbung für das Gewinnspiel vermag auch im Hinblick auf die dieser Werbung immanente Anlockwirkung keine Unlauterkeit zu begründen, sofern die durch die Werbung geweckten berechtigten Erwartungen der Verbraucher nicht - etwa durch überraschende, die Teilnahme erschwerende Bedingungen - enttäuscht werden. Entspricht das Gewinnspiel den Verbrauchererwartungen, ist deshalb grundsätzlich unerheblich, ob Kunden die Teilnahme daran mit einem ohnehin beabsichtigten Besuch eines Handelsunternehmens verbinden, einen solchen Besuch wegen des Gewinnspiels vorziehen oder sich allein wegen der Gewinnchance spontan dazu entschließen, sogleich ein Geschäft aufzusuchen. Der Grad der Anlockwirkung als solcher ist für den Umfang der Informationspflicht über die Teilnahmebedingungen jedenfalls solange irrelevant, wie die Anlockwirkung nicht eine Intensität erreicht, die jede rationale Verbraucherentscheidung ausschließt. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.
Entgegen der Ansicht der Revision wollte der Gesetzgeber mit der speziellen Informationspflicht nach § 4 Nr. 5 UWG nicht allgemein einer den Produktabsatz bezweckenden Gewinnspielwerbung entgegenwirken, sondern allein der nicht unerheblichen Gefahr begegnen, dass in intransparenter Weise hohe Hürden für die Teilnahme an dem Gewinnspiel aufgestellt werden (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des UWG 2004, BT-Drucks. 15/1487, S. 17 f.).
c) Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es auch nicht darauf an, ob die Teilnahmebedingungen für das Gewinnspiel bei den einzelnen Handelsunternehmen unterschiedlich ausgestaltet waren und ob sich darunter auch für den Verbraucher überraschende Anforderungen befanden. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Unterlassungsantrag nicht auf überraschende oder unterschiedliche Teilnahmebedingungen bei verschiedenen Handelsunternehmen gestützt ist. Das ergibt sich sowohl aus der Formulierung des Klageantrags als auch aus dem weiteren Vorbringen des Klägers, das den Streitgegenstand näher bestimmt. Der Kläger beanstandet danach, dass in der Fernsehwerbung überhaupt keine Teilnahmebedingungen mitgeteilt wurden. Die Dispositionsmaxime erlaubt dem Kläger, sein Rechtsschutzbegehren dahin zu fassen, dass aus einem - bei natürlicher Betrachtungsweise einheitlichen - Lebenssachverhalt nur bestimmte Teile zur Beurteilung herangezogen werden sollen (vgl. Bergmann, GRUR 2009, 224, 225).
4. Die Vorschrift des § 4 Nr. 5 UWG verlangt ferner, die Teilnahmebedingungen für ein Gewinnspiel mit der notwendigen Klarheit anzugeben. Das gilt gerade auch für einen Hinweis, der in einem flüchtigen Werbemedium wie dem Fernsehen auf weiterführende Informationen in einem anderen Medium gegeben wird. Der Hinweis muss so gestaltet sein, dass er vom Verbraucher ohne Schwierigkeiten erfasst werden kann (vgl. BGH GRUR 2009, 1064 Tz. 42 - Geldzurück-Garantie II). Der Kläger beanstandet aber nicht die Gestaltung des von der Beklagten gegebenen Hinweises, sondern wendet sich allgemein dagegen, ein Gewinnspiel mit dem Hinweis auf im Handel erhältliche Teilnahmekarten anzukündigen, ohne weitere Angaben zu den Teilnahmebedingungen zu machen. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.
5. Da dem Kläger kein Unterlassungsanspruch zusteht, fehlt es auch an den Voraussetzungen für eine Erstattung der Abmahnkosten (§ 12 Abs. 1 Satz 2 UWG).
III. Danach ist die Revision des Klägers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Bornkamm Pokrant Büscher Schaffert Kirchhoff Vorinstanzen:
LG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 28.06.2006 - 2/6 O 116/06 -
OLG Frankfurt/Main, Entscheidung vom 01.02.2007 - 6 U 108/06 -
BGH:
Urteil v. 09.07.2009
Az: I ZR 64/07
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