Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. August 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 481/08

(BPatG: Beschluss v. 18.08.2010, Az.: 35 W (pat) 481/08)

Tenor

1.

Die Beschwerde der Antragstellerin wird zurückgewiesen.

2.

Der Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I Die Antragsgegnerin ist Inhaberin des Streitgebrauchsmusters DE 297 24 382 U1, das aufgrund der Abzweigung aus der Patentanmeldung Nr. EP 97 90 9167.5 (PCT-Anmeldung EP 0 862 974 A1 = WO 98/12757 A1) als Anmeldetag den 22. September 1997 hat. Für das Streitgebrauchsmuster wurde die innere Priorität vom 20. September 1996 (Az: DE 196 38 667.5) beansprucht. Das Streitgebrauchsmuster ist nach Ablauf der längsten Schutzdauer am 1. Oktober 2007 erloschen.

Die Antragsstellerin hat vor dem Deutsches Patentund Markenamt mit ihrem Schriftsatz vom 16. Mai 2007 die Löschung des Gebrauchsmusters in vollem Umfang beantragt.

Die Antragsstellerin stützte dabei ihr Löschungsbegehren zunächst auf folgenden Stand der Technik:

D1 Nikkei Electronics, 23. September 1996, Nr. 671, Seite 15 (aus dem Prioritätsintervall vom 20. September 1996 bis 22. September 1997); D1a Englischsprachige Übersetzung der D1; D2 JP 7-99345 A; D2a Deutschsprachige Übersetzung der D2; D3 Phosphor Handbook (japanisch), Verlag Ohmsha 1987, ISBN 4-274 03183-2, Seiten 167-175, 188, 189, 268-277, 383-385;

D3* (Englischsprachige Ausgabe als "revised Edition", CRS Press LLC (Copyright 1999, d. h. nachveröffentlicht), ISBN 0-8493-7560-6, Seiten 317-330 (zuletzt abgeheftet), 351-353, 495-508 und 733-738);

D3a Japanischer Originaltext der D3, Phosphor Handbook, Ohmsha 1987, ISBN 4-274-03183-7, Seiten 167-175, 188, 189, 268-277, 383-385; D3b Englischsprachige Übersetzung des japanischen Originals für eine Auswahl an Seiten 172-173, 188-189, 268-270, 275-277, 383-386; D3c Deutschsprachige Übersetzung des japanischen Originals für eine Auswahl der D3a, an Seite 275, re. Spalte Z. 4 bis Seite 276 re. Spalte, Z. 3.

D4 Kirk-Othmer: "Encyclopedia of Chemical Technology", 4. Ausgabe, Bd. 19, John Wiley & Sons, Inc. New York (1996), ISBN 0 471-52688-6 (V. 19), Kapitel "Pigments (Inorganic)", Seiten 1-40;

D5 EP0400176 A1; D6 DE9013615U1;

Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts hat aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19. September 2008 den aus dem Lö

schungsantrag Lö III 74/07 hervorgegangenen Feststellungsantrag auf Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters durch Beschluss vom 1. Oktober 2008 zurückgewiesen und die Kosten des Löschungsverfahrens der Antragstellerin auferlegt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin vom 6. November 2008.

Mit der Beschwerdebegründung benennt die Antragstellerin weiteren Stand der Technik:

D7 DE 196 38 667 A1 (Prio-Schrift zur PCT-Anmeldung); D8 Sitzungsbericht der 264. Sitzung am 29. November 1996 des Instituts der Phosphor Gesellschaft Seiten 5 -14; D8a Deutschsprachige Übersetzung der D8; D8b Englischsprachige Übersetzung der D8; D9 Phosphor Handbook, 2nd Edition, CRC Press (2007), ISBN 0-8493-3564 8, Seite 1001 (nachveröffentlicht); D10 DE-OS 26 42 465 und D11 Schlotter, Schmidt, Schneider: "Luminescence conversion of blue lightemitting diodes" (Rapid communication) in Appl Phys Vol. A 64, Seiten 417-418 (April 1997 als Veröffentlichungsdatum von der Beschwerdeführerin genannt).

In der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2010 überreicht sie noch die Druckschrift:

D12 EP 0 936 682 B9 mit frühester Priorität vom 29. Juli 1996 aus der japanischen Anmeldung JP 19858596 und frühester PCT-Publikation WO 98/05078 am 5. Februar 1998 (ältere Anmeldung).

In ihrer Beschwerdebegründung vom 11. Mai 2009 trägt die Beschwerdeführerin im Einzelnen vor:

a) Zum Nachweis eines Rechtsschutzbedürfnis an der Feststellung der Unwirksamkeit des Streitgebrauchsmusters von Anfang an, verweist die Antragstellerin und Beschwerdeführerin darauf, dass sie vom LG Mannheim wegen Gebrauchsmusterverletzung verurteilt wurde (Az.: 7 O 210/05). Gegen dieses Urteil hat die Antragstellerin Berufung bei dem OLG Karlsruhe eingelegt (Az.: 6 U 119/07).

b) Zum Zeitrang des Streitgebrauchsmusters führt die Beschwerdeführerin aus, dass diesem lediglich der Zeitrang des Anmeldetages der EU-Patentanmeldung Nr. 97909967.5 vom 22. September 1997 zusteht.

Die Priorität vom 20. September 1996 als Anmeldetag der Anmeldung DE 196 38 667.5 werde zu Unrecht beansprucht, weil insbesondere die Korngröße < 20 µm und der mittlere Korndurchmesser < 5 µm in diesem Prioritätsdokument nicht offenbart seien.

Ferner wendet die Beschwerdeführerin ein, dass die Prioritätsanmeldung ein Halbleiterbauelement und nicht eine wellenlängenkonvertierende Vergussmasse betrifft.

c) Zur erfinderischen Tätigkeit trägt die Beschwerdeführerin vor, dass die Auswahl der die Korngröße der Leuchtstoffpigmente < 20 µm und des mittleren Korndurchmessers < 5 µm im Rahmen fachmännischen Handelns läge. Entsprechende Leuchtstoffe seien dem Fachmann bekannt.

d) Mit ihrer Beschwerdebegründung rügt die Beschwerdeführerin weiter die Besetzung des Gebrauchsmuster-Senats, weil sie der Auffassung ist, dass im vorliegenden Fall als zuständiger Fachmann ein Chemiker oder ein Materialwissenschaftler mit Arbeitsschwerpunkt lumineszierende Leuchtstoffe oder anorganische Farbstoffpigmente zu definieren sei (vgl. Seite 8 der Beschwerde-Begründung).

e) Für den Fall, dass der Senat sich außerstande sieht, über die in das Gebiet der Chemie fallend Fragestellung, im Sinne der Beschwerde zu entscheiden, regt die Beschwerdeführerin an, ein externes durch den Senat in Auftrag zu gebendes neutrales Gutachten erstellen zu lassen, worin zu klären sein wird, dass die Optimierung der Korngröße und damit des mittleren Korndurchmessers in den Bereich des vorstehend definierten Fachmanns fällt.

In der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2010 beantragt die Beschwerdeführerin,

-den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts vom 1. Oktober 2008 aufzuheben und -festzustellen dass das Gebrauchsmuster in vollem Umfang von Anfang an nicht rechtkräftig gewesen ist.

Im Übrigen regt sie an, die Rechtsbeschwerde zu der Frage der Einholung eines Sachverständigengutachtens bei mangelnder Fachkenntnis des Senats zuzulassen. Ergänzend beantragt sie noch:

-die Hinzuziehung eines Sachverständigengutachtens, um die Obliegenheiten eines Fachmanns im Zusammenhang mit Leuchtstoffen für LEDs zu beurteilen, weil der Senat im vorliegenden Verfahren mit Technikern besetzt sei, obwohl ein chemischer oder zumindest physikalischchemischer Zusammenhang dem Streitgegenstand wesentlich sei,

-betreffend der von der Beschwerdegegnerin bestrittenen öffentlichen Zugänglichkeit des 264. Meeting der japanischen Phosphorgesellschaft (D8) Beweis über deren öffentliche Zugänglichkeit zu erheben durch Einvernahme von Herrn N..., zu laden über U..., S..., CA, als Zeugen,

-zur Beurteilung der Gebrauchsmusterfähigkeit des Streitgebrauchsmusters, soweit es die Schutzansprüche 13 bis 19 betrifft, das europäische Patent EP 0 936 682 B9 als älteres Recht im Verfahren zuzulassen.

Die Beschwerdegegnerin stellt in der mündlichen Verhandlung vom 18. August 2010 den Antrag,

-die Beschwerde zurückzuweisen.

Der eingetragene Schutzanspruch 1 hat nach der Merkmalsgliederung der Beschwerdeführerin folgenden Wortlaut:

a) Wellenlängekonvertierende Vergussmasse b) auf der Basis eines transparenten Epoxidgießharzes, c) das mit einem Leuchtstoff versetzt ist, d) für ein elektrolumineszierendes Bauelement mit einemultraviolettes, blaues oder grünes Licht aussendenden Körper, dadurch gekennzeichnet e) dass im transparenten Epoxidgießharz ein anorganisches Leuchtstoffpigmentpulver mit Leuchtstoffpigmenten) f) aus der Gruppe der Phosphore mit der allgemeinen Formel A3B5X12: M dispergiert ist, undg) dass die Leuchtstoffpigmente Korngrößen < 20 µm und h) einen mittleren Korndurchmessr d50 < 5 µm aufweisen.

Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 12 und dem nebengeordneten Gegenstandsanspruch 13 und den weiteren Unteransprüchen 14 bis 19 wird auf das Streitgebrauchsmuster und hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Gebrauchsmustergegenstand Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine wellenlängenkonvertierende Vergussmasse auf der Basis eines transparenten Epoxidgießharzes, das mit einem Leuchtstoff versetzt ist, insbesondere für die Verwendung bei einem elektrolumineszierenden Bauelement mit einem ultraviolettes, blaues oder grünes Licht aussendenden Körper (LED).

Die bislang bekannten Vergussmassen der eingangs genannten Art mit organischen Leuchtstoffen zeigen bei Temperaturund Temperatur-Feuchtebeanspruchung eine Verschiebung des Farbortes, also der Farbe des vom elektrolumineszierenden Bauelement abgestrahlten Lichtes.

Der vorliegenden Erfindung liegt als technisches Problem die Aufgabe zugrunde, eine Vergussmasse der eingangs genannten Art zu entwickeln, mit der elektrolumineszierende Bauelemente hergestellt werden können, die homogenes mischfarbiges Licht abstrahlen und die eine Massenfertigung mit vertretbarem technischen Aufwand und mit weitestgehend reproduzierbarer Bauelementcharakteristik ermöglicht. Weiterhin sollen entsprechende lichtabstrahlende Halbleiterbauelemente angegeben werden, wobei das abgestrahlte Licht auch bei Temperaturund Temperatur-Feuchtebeanspruchung farbstabil sein soll (vgl. Streitgebrauchsmuster Seite 2, vorle. Abs.).

Dieses Problem wird gelöst durch die Vergussmasse gemäß Schutzanspruch 1 und durch das lichtabstrahlende Halbleiterbauelement gemäß Schutzanspruch 13.

Der Schutzanspruch 1 hat in der Merkmalsgliederung der Beschwerdeführerin folgende Fassung:

a) Wellenlängekonvertierende Vergussmasse b) auf der Basis eines transparenten Epoxidgießharzes, c) das mit einem Leuchtstoff versetzt ist, d) für ein elektrolumineszierendes Bauelement mit einemultraviolettes, blaues oder grünes Licht aussendenden Körper, dadurch gekennzeichnet, e) dass im transparenten Epoxidgießharz ein anorganisches Leuchtstoffpigmentpulver mit Leuchtstoffpigmenten f) aus der Gruppe der Phosphore mit der allgemeinen Formel A3B5X12: M dispergiert ist, und g) dass die Leuchtstoffpigmente Korngrößen < 20 µm und h) einen mittleren Korndurchmesser d50 < 5 µm aufweisen.

Bei dieser Lösung ist es wesentlich, dass hier eine Kombinationserfindung vorliegt, bei der bekanntlich sämtliche Einzelmerkmale vorbekannt sein können, aber in der speziellen Kombination nicht nahegelegen haben. Hierbei muss das Augenmerk speziell auf die Merkmale g) und h) gerichtet werden, denen zufolge die Leuchtstoffpigmente einen mittleren Korndurchmesser d50 < 5 µm aufweisen sollen, jedoch auch wenige Leuchtstoffpigmente größere Korngrößen bis unterhalb von 20 µm aufweisen.

2. Schutzfähigkeit des Streitgebrauchsmustersa) Die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 19 des Streitgebrauchsmusters sind in der EP-Anmeldung Nr. 97 90 9167.5 offenbart und somit zulässig.

Die Schutzansprüche 1 bis 8 des Streitgebrauchsmusters sind identisch mit den Ansprüchen 1 bis 8 der EP-Anmeldung.

Die Ansprüche 9 bis 12 der EP-Anmeldung sind auf ein "Verfahren zum Herstellen einer Vergussmasse gemäß den Ansprüchen 1 bis 8" gerichtet, wobei die jeweilige Ausgestaltung gemäß den zugehörigen kennzeichnenden Teilen der Ansprüche 9 bis 12 identisch ist mit den kennzeichnenden Teilen der Schutzansprüche 9 bis 12 des Streitgebrauchsmusters, so dass das unmittelbare Produkt dieser Verfahren, nämlich die "Vergussmasse" ebenfalls in der EP-Anmeldung offenbart ist.

Der Anspruch 13 der EP-Anmeldung ist auf eine "Verwendung der Vergussmasse nach einem der Ansprüche 1 bis 12 in einem lichtabstrahlendes Halbleiterbauelement mit einem Halbleiterkörper, der im Betrieb des Halbleiterbauelementes elektromagnetische Strahlung aussendet" gerichtet, wobei die kennzeichnenden Teile der jeweiligen Ansprüche 13 nach Streitgebrauchsmuster und der EP-Anmeldung identisch sind, so dass das unmittelbare Produkt dieser Verwendung, nämlich das "lichtabstrahlende Halbleiterbauelement" ebenfalls in der EP-Anmeldung offenbart ist.

Die Schutzansprüche 14 bis 17 des Streitgebrauchsmusters sind identisch mit den entsprechenden Ansprüchen der EP-Anmeldung.

Der Schutzanspruch 18 des Streitgebrauchsmusters geht auf Seite 8, le. Abs. bis Seite 9 zurück, während der der Schutzanspruch 19 des Streitgebrauchsmusters zurückgeht auf Anspruch 6 der EP-Anmeldung.

b) Der Prioritätseinwand der Beschwerdeführerin kann dahinstehen, weil in keiner der von ihr herangezogenen Druckschriften, einschließlich derjenigen aus dem Prioritätsintervall vom 20. September 1996 bis 22. September 1997 (dem Anmeldetag des EP-Patents 0 862 794 B1), die Merkmale g) und h) in deren spezieller Kombination offenbart sind, wie es sich aus den nachfolgenden Ausführungen zum erfinderischen Schritt ergibt.

Zunächst wird der Stand der Technik gemäß den Druckschriften D1, D2, D6 bis D8, D11 und D12 abgehandelt, der sich mit wellenlängenkonvertierenden LED's befasst.

c) Als zuständiger Fachmann ist hier ein berufserfahrener, mit der Entwicklung von in mit Füllstoffen, u. a. Leuchtstoff-Pigmenten versetzten Vergussmassen gekapselten lichtabstrahlenden Halbleiterkörpern betrauter Diplom-Physiker auf dem Gebiet der Halbleiterfertigung mit Hochschulabschluss zu definieren.

c1) Die Druckschrift D1 aus dem Prioritätsintervall des Streitgebrauchsmusters offenbart in der Terminologie des Streitgebrauchsmusters eine -wellenlängenkonvertierende Vergussmasse -auf der Basis eines transparenten Harzes, -das mit einem Leuchtstoff versetzt ist, -für ein elektrolumineszierenden Bauelement mit einem ultraviolettes, blauesoder grünes Licht aussendenden Körper, -wobei im transparenten Harz ein anorganisches Leuchtstoffpigmentpulver mit Leuchtstoffpigmenten -aus der Gruppe der Phosphore mit der allgemeinen Formel A3B5X12: M dispergiert ist (The flourescent substance YAG distributed by the binder to be liquefied is applied on the blue light emitting chip, and after drying, it is solidified by the transparent resin /vgl. D1a Seite 2, vorle. und le. Abs., Seite 3 vorle. Abs.).

Somit offenbart die Druckschrift 1 - kurz gesagt - eine weißes Licht abstrahlendes Halbleiterbauelement mit einer bauen LED mit den Merkmalen a) bis f) der Vergussmasse des Schutzanspruchs 1.

Mit der Spezifizierung der Korngrößen des Leuchtstoffpigmentpulvers befasst sich diese Druckschrift überhaupt nicht, zumal das Leuchtstoffpigmentpulver mittels eines Bindemittels direkt auf die blaue LED aufgetragen wird.

Somit weist die Vergussmasse nach der Druckschrift D1 die Merkmale g) und h) des Schutzanspruchs 1 nicht auf und vermag auch nicht, diese Merkmale anzuregen, weil diese Druckschrift auf die Korngrößenverteilung des Leuchtstoffpigmentpulvers nicht eingeht.

c2) Bei dem Offenbarungsgehalt der vorveröffentlichten Druckschrift D2 verhält es sich analog. Die Merkmale a) bis f) des Schutzanspruchs 1 sind in der D2 offenbart (Das Licht emittierende Element, das einen aus einer Halbleiter-Verbindung gefertigten Licht emittierenden Chip besitzt, der in einer Schale 3 eines Leiterrahmen angeordnet ist und der mittels eines ersten mit fluoreszierenden Stoff 5 versetzten Harzes 11 und mittels eines zweiten Harzes gekapselt ist / vgl. die Übersetzung zu D2 Beschreibung zu Fig. 1).

Somit weist die Vergussmasse nach der Druckschrift D1 die Merkmale g) und h) des Schutzanspruchs 1 nicht auf und vermag auch nicht, diese Merkmale anzuregen, weil diese Druckschrift auf die Korngrößenverteilung des Leuchtstoffpigmentpulvers nicht eingeht.

c3) Die Druckschrift D6 offenbart eine wellenlängenkonvertierende Vergussmasse (Kunstoffmatrix 4), die mit mindestens zwei Leuchtstoffen (fluoreszierend Farbstoffe) versetzt ist, für ein elektrolumineszierendes Bauelement mit einem Licht aussendenden Körper (Halbleiter 3) gemäß den Merkmalen a), c), d) und e) des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters.

Die Phosphore und Korngrößen < 20 µm mit einem mittleren Korndurchmesser d50 < 5 µm gemäß den Merkmalen f) bis h) des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters werden darin nicht angesprochen.

c4) Die Prioritätsanmeldung D7 (aus dem Prioritätsintervall) offenbart auch nach Auffassung der Beschwerdeführerin gemäß Seite 6 ihrer Beschwerdebegründung die Merkmale mit der maximalen Korngrößen < 20 µm mit einem mittleren Korndurchmesser d50 < 5 µm nicht.

c5) Die öffentliche Zugänglichkeit des 264-igsten Sitzungsberichts des Instituts der Phosphor-Gesellschaft gemäß der Druckschrift D8 bzw D8a (aus dem Prioritätsintervall) kann dahinstehen, weil auch dieser Bericht über die "Entwicklungen sehr heller weißer LED-Lampen" keine Angaben zur Korngröße und mittleren Korndurchmesser gemäß den Merkmalen g) und h) des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters enthält.

Nach dem auf Seite 9, Abs. 1 enthaltenen Hinweis auf YAG-Leuchtstoffe gemäß den Seiten 275 bis 277 der Druckschrift D3, wonach die YAG-Teilchen nach dem Sintern eine Korngröße unter 5 µm und nach dem Sieben unter 3 µm aufweisen, ist auch bei den LED-Lampen gemäß diesem Sitzungsbericht der Phosphor-Gesellschaft gemäß der Druckschrift D8 von einer sehr kleinen Korngröße und mittlerem Korndurchmesser von < 3 µm auszugehen.

Schließlich ist es bei dem Sitzungsbericht gemäß der Druckschrift D8 auch fraglich, ob dort eine Vergussmasse offenbart ist, die mit einem Leuchtstoff versetzt ist

(Merkmale a) und c) des Schutzanspruchs 1 gemäß Streitgebrauchsmusters.)

c6) Die in der mündlichen Verhandlung am 18. August 2010 überreichte Druckschrift D12 als ältere Anmeldung kann nur zur Neuheitsprüfung herangezogen werden. Diese Druckschrift offenbart eine wellenlängenkonvertierende Vergussmasse für eine blaue LED auf Basis eines transparenten Epoxidharzes, in dem Leuchtstoffpigmentpulver aus der Gruppe der Phosphore u. a. aus YAG:Ce dispergiert ist, entsprechend den Merkmalen a) bis f) des Schutzanspruchs 1 gemäß Streitgebrauchsmuster (The coating material 101, (epoxy resin) contains the phosphor YAG:Ce, which converts the light emitted by the light emitting component, i. e. blue LED, vgl. dort die Figuren 1 und 16 mit zugehöriger Beschreibung und den Abschnitten [0063], [0064], [0073], [0096] [105], [106]).

In dieser Druckschrift wird zwar die Herstellung des Leuchtstoffpigmentpulvers erläutert (vgl. dort Abschnitt [0084]), jedoch enthält diese Druckschrift keinerlei Angaben zur Korngröße und mittleren Korndurchmessern und erst recht nicht die Vorgaben von Korngrößen < 20 µm mit einem mittleren Korndurchmesser d50 < 5 µm gemäß den Merkmalen g) und h) des Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters.

Im Übrigen ist auch der diesbezügliche Vortrag der Beschwerdeführerin in ihrem Protokollberichtigungsantrag vom 31. August 2010 unter Punkt 5. unzutreffend, weil der Schutzanspruch 13 des Streitgebrauchsmusters durch dessen Rückbezug auf den Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters immer noch die Merkmale g) und h) des Schutzanspruchs 1 mitumfaßt.

c7) Die Druckschrift D11 (aus dem Prioritätsintervall) offenbart eine wellenlängenkonvertierende Vergussmasse (LUCO of blue light emitting diodes) mit den Merkmalen a) bis f) des Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters. Jedoch sind dort die Merkmale g) und h) dieses Schutzanspruchs 1 überhaupt nicht angesprochen.

c8) Die Druckschrift D3 bzw deren englischsprachige "Übersetzung" D3* erläutert im Kapitel 4 -Abschnitt 7 die Anforderungen an Phosphorschirme. Diese müssen eine glatte Oberfläche aufweisen, frei von Unregelmäßigkeiten und verfärbten Punkten, vollständig gleichförmig über die gesamte Schirmfläche, hohe Packungsdichte und eine hinreichende Bindefestigkeit zum Glassubstrat aufweisen.

Die Unregelmäßigkeiten und Verfärbungspunkte entstehen durch abnormal große Phosphorpartikel oder Partikelaggregationen oder durch kontaminierte Glassubstrate, wobei die Neigung zu Partikelaggregation wächst mit abnehmender Partikelgröße (vgl. in D3* Seite 352, Mitte).

In der Druckschrift D3* wird auf Seite 353 im Abschnitt 4.7.4 "Adhesion Strength" hervorgehoben, dass bei fluoreszierenden Lampen und Kathodenstrahlröhren auf eine hinreichende Bindefestigkeit auf Glassubstraten ankommt. Dies wird erreicht, wenn die Phosphorpartikel klein und/oder planar sind. Darüber hinaus tendieren kleine Phosphorteilchen mit anderen Teilchen und am Substrat zu sintern während des Heiz-Prozesses, was zu einer starken Bindefestigkeit der Phosphorschicht führt.

Auch gehen die Ausführungen im Abschnitt 6.5.3 "Phosphors for flyingspot scanner tubes" der Druckschrift D3*, Seiten 505 und 506, in die gleiche Richtung, denn dort werden Phosphorpulver mit Korngrößen unter 5 µm hergestellt und anschließend auf eine Korngröße von unter 3 µm gesiebt.

Dies bedeutet, dass das "Phosphor Handbook" auf einem völlig anderen Einsatzgebiet liegt als wellenlängenkonvertierende Vergussmassen, wobei für die Anregung der in Vergussmassen dispergierten Phosphorteilchen die optische Kopplung an deren Oberfläche wesentlich ist.

Auch die Überlegungen zur Strahlungseffizienz größerer Phosphorteilchen bei Elektronenbeschuss gemäß Abschnitt 4.1.6 "Partiale sieze control" gemäß Druckschrift D3*, Seite 328 können nicht ohne weiteres auf den Beschuss der Phosphorteilchen durch Photonen übertragen werden. In der Figur 8 wird vorausgesetzt, dass ein Elektronenstrahl zweimal Energie abgeben kann, was bei Photonen als einem Wellenzug von einigen Metern durch deren Frequenz vorgegebener Energie nicht möglich ist.

c9) Die Druckschrift D9 aus dem Jahr 2007 ist eine nachveröffentlicht Schrift und somit kein Stand der Technik, während die Druckschriften D4 und D5 vom Gegenstand des Streitgebrauchsmusters weiter weg liegen als der vorher abgehandelte Stand der Technik.

Nachdem in keiner der von der Beschwerdeführerin genanten vorveröffentlichten und nicht vorveröffentlichten Druckschriften eine wellenlängenkonvertierende Vergussmasse bzw lichtabstrahlendes Halbleiterbauelement mit einer entsprechenden Vergussmasse mit den Merkmalen g) und h) des Schutzanspruchs 1 offenbart ist, war das Streitgebrauchsmuster von Anfang an bis zum Erlöschen wirksam.

3. Externer Sachverständiger und Rechtsbeschwerde Der Antrag auf Bestellung eines externen Sachverständigen, um die Obliegenheit eines Fachmanns im Zusammenhang mit Leuchtstoffen für LEDs zu beurteilen, war abzulehnen, da es sich bei dem Gegenstand des Streitgebrauchsmusters im Wesentlichen um physikalische Fragestellungen handelt. Insofern besaß der Senat in der von der Geschäftsverteilung vorgegebenen Besetzung die für die Entscheidung erforderliche Fachkenntnis.

Aus diesem Grund hatte der Senat auch keine Veranlassung, die von der Beschwerdeführerin angeregte Rechtsbeschwerde zuzulassen.

4. Kostenentscheidung Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO. Dass die Billigkeit eine andere Kostenentscheidung erfordert, ist nicht ersichtlich.

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BPatG:
Beschluss v. 18.08.2010
Az: 35 W (pat) 481/08


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