Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. Juni 2011
Aktenzeichen: 19 W (pat) 16/08

(BPatG: Beschluss v. 01.06.2011, Az.: 19 W (pat) 16/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02K des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Dezember 2007 aufgehoben und das Patent erteilt:

Bezeichnung: Gehäuseteil und Antrieb Anmeldetag: 11. August 2003.

Der Patenterteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantrag und Beschreibung, Seiten 1 bis 7 mit Einfügung zu Seite 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnung, Figur 1, vom Anmeldetag 11. August 2003.

Gründe

I.

Das Deutsche Patentund Markenamt -Prüfungsstelle für Klasse H02K -hat die am 11. August 2003 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 17. Dezember 2007 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nicht erfinderisch sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht.

Sie beantragt, den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H02K des Deutschen Patentund Markenamts vom 17. Dezember 2007 aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hauptantragund angepasste Beschreibung, überreicht in der mündlichen Verhandlung, 1 Blatt Zeichnung, Figur 1, vom Anmeldetag 11. August 2003.

Der Anspruch 1 lautet:

"Elektromotor mit Gehäuseteil aus Aluminium, wobei ein Bremswiderstand in Schichttechnik im Siebdruckverfahren an der Innenseite des Gehäuseteils aufgebracht ist, wobei bei der Herstellung Druckpaste derart auf das Gehäuseteil aufgebracht ist, dass der daraus erzeugte Bremswiderstand zusammen mit dem Gehäuseteil eine hohe Wärmekapazität aufweist, wobei zwischen Gehäuseteil und Bremswiderstand eine Komponente zur elektrischen Isolierung vorgesehen ist, wobei die Komponente zur elektrischen Isolierung mittels Oberflächenbehandlung des Gehäuseteils hergestellt ist."

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg.

1. Die Anmeldung betrifft ein Gehäuseteil und einen Antrieb. Der Beschreibungseinleitung zu Folge wird der Bremswiderstand eines Antriebs zumeist außerhalb des Schaltschrankes oder dezentral im Feld installiert und elektrisch mittels Leitungen mit dem Stromrichter verbunden. Die Installation und die Leitungen erforderten Aufwand, insbesondere Installationsaufwand und Wartungsaufwand, und verursachten Kosten. Des Weiteren sei ein Schutz des Bedienpersonals notwendig, da der Bremswiderstand hohe Temperaturen erreichen könne und somit eine Verletzungsgefahr vorhanden sei.

Im Stand der Technik finden sich auch Elektromotoren, in denen ein Bremswiderstand innerhalb des Motorgehäuses, im Klemmenkasten oder einem anderen Gehäuseteil des Motors untergebracht wird, und der seine Wärme an den durch einen Lüfter erzeugten Kühlluftstrom abgibt.

Als Aufgabe ist angegeben, ein Gehäuseteil und einen Antrieb in kompakter und kostengünstiger Weise weiterzubilden.

Zur Lösung der Aufgabe enthält der Anspruch 1 die folgenden, für den Beschluss aufgegliederten Merkmale:

"a) Elektromotor mit Gehäuseteil aus Aluminium, b) wobei ein Bremswiderstandb1) in Schichttechnik im Siebdruckverfahrenb2) an der Innenseite des Gehäuseteils aufgebracht ist, c) wobei bei der Herstellung Druckpaste derart auf das Gehäuseteil aufgebracht ist, dass der daraus erzeugte Bremswiderstand zusammen mit dem Gehäuseteil eine hohe Wärmekapazität aufweist, d) wobei zwischen Gehäuseteil und Bremswiderstand eine Komponente zur elektrischen Isolierung vorgesehen ist, e) wobei die Komponente zur elektrischen Isolierung mittels Oberflächenbehandlung des Gehäuseteils herstellbar ist."

2.

Bei dieser Sachlage sieht der Senat einen Diplomingenieur (FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Erfahrung in der Entwicklung von Elektromotoren als Fachmann an.

3.

Die geltenden Ansprüche sind ursprünglich offenbart (§ 38 PatG).

Der Anspruch 1 ist aus den Merkmalen der ursprünglichen Ansprüche 1 bis 4, 9, 11 und 13 sowie dem Merkmal b2, offenbart auf S. 5, Z. 27 bis 30 zusammengesetzt. Die Ansprüche 2 bis 4 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 10, 12 und 15.

4.

Einige Merkmale des Anspruchs 1 bedürfen der Erläuterung.

Das beanspruchte Gehäuseteil ist vorzugsweise der Klemmenkasten oder ein Stromrichtergehäuse (S. 5, Z. 21 bis 30). Das Merkmal c) setzt voraus, dass der Bremswiderstand in direktem Wärmekontakt mit dem Gehäuseteil steht, damit beide zusammen die beanspruchte hohe Wärmekapazität für den Bremswiderstand bilden können. Dieser kann die gewöhnlich kurzzeitig anfallende Bremsenergie aufnehmen, und dann über das Gehäuseteil nach außen abgeben. Zur elektrischen Isolierung ist nach Merkmal d) eine Komponente vorgesehen, die jedoch den Wärmekontakt nicht behindert, also elektrisch isolierend, aber wärmeleitend ist (S. 7, Z. 9 bis 11). Dass es sich dabei nicht um einen (aus dem ursprünglichen Anspruch 1 gestrichenen) Träger, sondern nur um eine durch Oberflächenbehandlung erzeugte Schicht handelt, stellt das Merkmal e) klar.

5. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist neu (§ 3 Abs. 1 PatG).

Die Entgegenhaltungen DE 299 09 530 U1 (E1), DE 100 52 910 A1 (E2), und DE 196 22 396 A1 (E5) zeigen, dass Bremswiderstände für elektrische Antriebe gewöhnlich als Drahtwiderstände ausgeführt werden. Sie können innerhalb oder außerhalb des Motors angeordnet werden und liegen gewöhnlich im Luftstrom des Motorlüfters.

Die DE 196 22 396 A1 (E5), insbesondere die Ausführungsform nach Figur 5, sieht der Senat als diesbezüglich nächstkommenden Stand der Technik an. In ihr wird ein Motor mit integriertem Frequenzumrichter beschrieben (Anspruch 1). In einem Umrichtergehäuse ("Umrichtermodul") 3 aus Aluminium (Sp. 6, Z. 36, 37) sind die erwärmungsgefährdeten Bauelemente thermisch gut leitend an der Bodenwand angebracht (Sp. 3, Z. 37 -42). Die Leistungshalbleiter befinden sich in einem oder mehreren Modulen, vorzugsweise an der Innenseite der Gehäusewand (Sp. 4, Z. 13 bis 20). Falls die Kühlkörper der Leistungsmodule nicht elektrisch von diesen isoliert sind, kann ein thermisch leitender Isolator zwischen den Kühlkörpern und dem Gehäuse angeordnet werden (Sp. 4, Z. 30 bis 33). Die Leiterplatte kann von einer thermisch gut leitenden Vergussschicht umgeben sein, die die Wärme zur Außenwand abführt und elektrisch nichtleitend ist (Sp. 6, Z. 8 bis 18). Ein Bremswiderstand 9 wird in der Lüfterhaube, vorzugsweise vor dem Umrichtergehäuse 3, angeordnet und weist eine höhere Leistung als ein im Umrichter integrierter Bremswiderstand auf (Sp. 7, Z. 26 bis 34).

Mit den Worten des Anspruchs 1 (Änderungen markiert) ist damit bekannt eina) Elektromotor mit Gehäuseteil 3 aus Aluminium (Sp. 6, Z. 36, 37), b) wobei ein Bremswiderstandb2teilw) an der Innenseite des Gehäuseteils (Lüfterhaube) untergebracht ist, Die weiteren Entgegenhaltungen zeigen Widerstände in Schichttechnik (E3: DE 196 35 408 C1, E6: DE 24 59 283 C2) und mit Aluminiumoxid als Isolierung (E4: DE 196 28 471 C2, nachveröffentlicht). Die DE 197 04 226 A1 (E7) zeigt einen Umrichtermotor ohne Bremswiderstand.

Einen Bremswiderstand in Schichttechnik zeigt keine der entgegengehaltenen Druckschriften.

6. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

Ausgehend von der Anordnung nach der DE 196 22 396 A1 (E5) findet der Fachmann in Spalte 7, Zeile 24 bis 30 den Hinweis, den Bremswiderstand im Inneren des Umrichtermoduls 3 unterzubringen, wenn er nur für kleinere Leistungen ausgelegt werden muss. Dabei mag für kleine Leistungen auch ein herkömmlicher Schichtwiderstand in Frage kommen, der wie die anderen Leistungsbauelemente an der Gehäusewand angebracht werden kann. Schichtwiderstände setzt der Senat als allgemein üblich voraus. Sie werden als Standard-Bauelemente im Wattbereich für elektronische Schaltungen in großen Stückzahlen gefertigt.

Es gibt jedoch keinen Hinweis darauf, den Widerstand in Schichttechnik im Gehäuseinneren aufzubringen.

Die DE 196 35 408 C1 (E3) zeigt zwar einen Widerstand in Schichttechnik auf einem Gehäuse. Abgesehen von der anderen Anwendung (Vorwiderstand für KFZ-Leuchte) ist aber dort die Schicht außen auf dem Gehäuse aufgebracht. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass damit die Wärme nach außen abgestrahlt wird, der Innenraum sich nicht erwärmt, und so Kunststoff für das Gehäuse verwendet werden kann (Sp. 2, Z. 25 bis 29). Das Gehäuse ist somit weder an dem Wärmetransport noch an der Wärmekapazität des Widerstands in nennenswertem Umfang beteiligt.

Der Erfinder hat nun gefunden, dass er durch direktes Aufbringen des Bremswiderstands in Siebdrucktechnik auf das Innere des Aluminiumgehäuseteils eine kompakte Anordnung erreicht, bei der sich das Aluminiumgehäuseteil sowohl an der Wärmespeicherung als auch am Wärmetransport beteiligt. Der Senat sieht hier einen Kombinationseffekt zwischen dem direkten (flächigen) Auftrag der Widerstandsschicht auf das Aluminium-Gehäuseteil und dem thermischen Kontakt zur Wärmeableitung und Kapazitätsvergrößerung, mit dem bei dem üblicherweise zeitlich begrenzten Anfall von Bremsenergie auch bei größeren Leistungen auf einen Hochleistungs-Drahtwiderstand im Kühlluftstrom verzichtet werden kann. Dafür gab es im Stand der Technik keinen Hinweis.

Um zur Vorrichtung nach Anspruch 1 zu kommen, bedurfte es somit erfinderischer Überlegungen.

7. Der Anspruch 1 ist somit ebenso wie die auf ihn rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 gewährbar.

Groß Kirschneck Dr. Scholz J. Müller Pü






BPatG:
Beschluss v. 01.06.2011
Az: 19 W (pat) 16/08


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