Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. Juli 2010
Aktenzeichen: 27 W (pat) 251/09
(BPatG: Beschluss v. 06.07.2010, Az.: 27 W (pat) 251/09)
Tenor
Die Beschlüsse des Deutschen Patentund Markenamts vom 22. Januar 2008 und vom 11. August 2009 werden insoweit aufgehoben, als der angemeldeten Marke der Schutz für Schreibwaren und Büroartikel versagt worden ist. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Deutsche Patentund Markenamt hat mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 41 vom 15. Februar 2008 die Anmeldung der Darstellungals Marke für die Waren und Dienstleistungen Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit sie in Klasse 16 enthalten sind; Schreibwaren; Büroartikel (soweit in Klasse 16 enthalten); Bücher; Zeitungen; Zeitschriften; Druckereierzeugnisse, Kalender, Fotografien und Lichtbilderzeugnisse; Werbung; Herausgabe von Druckerzeugnissen auch in elektronischer Form für Werbezwecke; Werbung im Internet für Dritte, Präsentation von Waren in Kommunikationsmedien für Dritte, Marketing; Durchführung von Unterhaltungsveranstaltungen, kulturellen und sportlichen Live-Events; Dienstleistungen eines Verlages, Veröffentlichung und Herausgabe von Druckereierzeugnissen, jeweils einschließlich gespeicherter Ton und Bildinformation und auch in elektronischer Form; Online-Publikationen von Büchern und Zeitschriften in elektronischer Form, auch im Internet; Fernsehunterhaltung; Produktion von Fernsehund Rundfunksendungen und Live-Unterhaltungsshows und -programmen; Zusammenstellung von Fernsehund Rundfunkprogrammen und Live-Unterhaltungsshows und -programmen; Durchführung von Live-Veranstaltungen; Vergabe von Preisen und Auszeichnungen zu Unterhaltungszwecken; Veranstaltung von Preisverleihungen zu Unterhaltungszweckennach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG als nicht unterscheidungskräftige und freihaltungsbedürftige Angabe mit der Begründung zurückgewiesen, die Marke habe für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen unmittelbar und ausschließlich beschreibenden und werbeüblich anpreisenden Charakter, weil das Publikum sie ohne Weiteres als Hinweis darauf verstehe, so bezeichnete Angebote richteten sich an Gourmets oder befassten sich hiermit inhaltlich.
Die dagegen gerichtete Erinnerung der Anmelderin hat das Deutsche Patentund Markenamt mit Beschluss vom 11. August 2009 zurückgewiesen. Nach Auffassung der Erinnerungsprüferin eigne sich der Begriff "Gourmet" als Synonym für "Feinschmecker" oder "Genießer" sowohl als Bestimmungsals auch als Beschaffenheitsangabe. Auch wenn ein solches Verständnis zunächst nur im Zusammenhang mit Lebensmitteln und Speisen bestehe, sei es nach der Lebenserfahrung naheliegend, ihn entsprechend auf anderen Gebieten einzusetzen, da die Verbraucher an personifizierte Angaben mit beschreibendem Produktbezug und Wertversprechen im übertragenen Sinn gewöhnt seien; für viele Waren und Dienstleistungen eigne sich der Begriff daher zur Bezeichnung einer besonderen Qualität, aber auch zur Bezeichnung des möglichen Käuferkreises.
Mit ihrer Beschwerde macht die Anmelderin im Wesentlichen geltend, die Anmeldemarke sei schutzfähig, weil der Begriff keinen produktbeschreibenden Charakter hätte. Dass er ein allgemeines Wertversprechen enthalte, entspreche nicht der Verkehrsauffassung; hierfür gebe es auch keine Verwendungsbeispiele. Auch sei ein solches Verständnis für andere Waren als Lebensmittel fernliegend. Der Hinweis auf einen möglichen Käuferkreis rechtfertige keine Zurückweisung, denn hiermit könnten alle erdenklichen personifizierten Angaben als Marke zurückgewiesen werden; wenn aber beispielsweise "Royal" oder "Maestro" als Marken zugelassen worden seien, müsse dies auch für den Begriff "Gourmet" gelten. Die Markenstelle habe ferner zu Unrecht die grafische Gestaltung der Marke außer acht gelassen. Schließlich sprächen für die Schutzfähigkeit zahlreiche Voreintragungen mit dem Bestandteil "Gourmet".
Die Anmelderin beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patentund Markenamts vom 22. Januar 2008 und 11. August 2009 aufzuheben.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft.
II.
Die nach § 66 MarkenG zulässige Beschwerde hat nur zu einem Teil Erfolg, da die Anmeldemarke für die beanspruchten Waren "Schreibwaren; Büroartikel" nicht nach §§ 37, § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen ist. Hinsichtlich der weiteren beanspruchten Waren und Dienstleistungen teilt demgegenüber der Senat die Auffassung der Markenstelle, der sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen anschließt, derzufolge einer Eintragung jedenfalls das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) entgegensteht.
1. Mit Ausnahme der beiden vorgenannten Waren fehlt der Anmeldemarke für die übrigen beanspruchten Waren und Dienstleistungen jedenfalls die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.
a) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, welche nach Art. 234 EGV, Art. 101 GG für alle nationalen Gerichte in allen Entscheidungen bindend ist, da die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auf die Vorgaben des Art. 3 Abs. 1 Buchst. b) der Ersten Richtlinie des Rates der EG Nr. 89/104 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. Nr. L 40 vom 11.2.1989) zurückgeht und die Auslegung der europarechtlichen Normen dem Europäischen Gerichtshof als insoweit allein zuständigem gesetzlichen Richter vorbehalten ist, ist für die Beurteilung, ob einer angemeldeten Bezeichnung die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt, auf die Hauptfunktion einer Marke abzustellen; danach soll diese den Abnehmern die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen garantieren, indem sie es ihnen ermöglicht, diese ohne Verwechslungsgefahr von Waren oder Dienstleistungen anderer Herkunft zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 927 [Rz. 30] -Philips/Remington; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 23] -SAT.2; GRUR 2006, 229, 230 [Rz. 27] -BioID). Unter Berücksichtigung des Allgemeininteresses an der nicht ungerechtfertigten Einschränkung der Verfügbarkeit der angemeldeten Kennzeichnung für die anderen Wirtschaftsteilnehmer, die entsprechende Waren oder Dienstleistungen anbieten (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 26] -SAT.2), ist deshalb die Unterscheidungskraft einer angemeldeten Bezeichnung zu verneinen, wenn diese nicht geeignet ist, die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, in der Anschauung ihrer durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 607 [Rz. 46] -Libertel; GRUR 2004, 943, 944 [Rz. 24] -SAT.2) Abnehmer als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Waren und Dienstleistungen von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35] -Philips/Remington; MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] -Gabelstapler; MarkenR 2005, 22, 25 f. [Rz. 33] -Das Prinzip der Bequemlichkeit).
b) Dies ist bei der vorliegend zu beurteilenden angemeldeten Kennzeichnung für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der Waren "Schreibwaren; Büroartikel" aber der Fall, weil sie nur einen im Vordergrund stehenden, diese beanspruchten Waren und Dienstleistungen beschreibenden Begriffsinhalt hat (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 -marktfrisch; GRUR 2003, 1050, 1051 -City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N. -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION) und auch die grafische Gestaltung wegen ihrer Werbeüblichkeit einen Schutz der angemeldeten Kennzeichnung nicht begründen kann (vgl. BGH WRP 2001, 1201, 1202 -antiKALK).
c) Für die meisten der beanspruchten Waren und Dienstleistungen wird das Publikum den Wortbestandteil "Gourmet", selbst wenn es bislang für diese Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde, als Angabe möglicher Merkmale dieser Waren und Dienstleistungen verstehen (vgl. EuGH GRUR 2003, 58, 59 [Rz. 21] -Companyline; MarkenR 2003, 450, 453 [Rz. 32] -DOUBLEMINT; MarkenR 2004, 99, 109 [Rz. 97] -POSTKANTOOR; MarkenR 2004, 111, 115 [Rz. 38] -BIOMILD).
Wie auch die Anmelderin nicht in Abrede stellt, hat sich der ursprünglich aus dem Französischen stammende Begriff "Gourmet" als Synonym für "Feinschmecker", "Genießer" auch im deutschen Sprachkreis eingebürgert. Da sich die meisten Waren der Klasse 16 aber mit diesem Thema befassen können, kommt der Begriff für sie als mögliche Beschaffenheitsangabe in Form der Angabe des Gegenstandes und Themas in Betracht. Die beanspruchten Dienstleistungen wiederum können sich an Personen wenden, die Feinschmecker sind oder sich hierfür halten, so dass das Publikum den Begriff "Gourmet" für diese Dienstleistungen ohne Weiteres als mögliche Angabe derjenigen verstehen wird, an welche sich diese Dienstleistungen in erster Linie wenden.
Darüber hinaus teilt der Senat auch die Ansicht, dass das Publikum, obwohl der Begriff "Gourmet" bislang vorrangig in Zusammenhang mit Essen und Trinken verwendet wird, keine Mühe hat, ihn bei einer Verwendung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen, die keine unmittelbare Verbindung zum Genuss von Lebensmitteln und Getränken haben, bei denen aber ästhetische Überlegungen bei der Produktauswahl eine große Rolle spielen können, im übertragenen Sinn zu verstehen. Dies kann insbesondere bei den Waren "Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien" der Fall sein, weil bei diesen Produkten, insbesondere wenn sie in Zusammenhang mit künstlerischen Tätigkeiten Verwendung finden sollen, ästhetische Gesichtspunkte bei ihrer Auswahl und der Kaufentscheidung im Vordergrund stehen, was sich insbesondere bei der technischen Fertigung dieser Waren -wie etwa ihrer Stärke, Imprägnierung oder Farbgebung widerspiegelt. In Zusammenhang mit solchen Waren liegt es für das Publikum aber nahe, den Begriff "Gourmet", der ihm als Bezeichnung der Zielgruppe besonders hochwertig hergestellter Gerichte und Getränke und ausgehend hiervon auch gleichermaßen als Qualitätsangabe der zubereiteten Speisen und Getränke selbst geläufig ist, in gleicher Weise auch auf die mögliche Käuferschicht solcher Produkte und deren Qualität zu erstrecken, bei denen in gleichem Maße wie bei der Zubereitung von Lebensmitteln und Getränken besondere Qualitätsansprüche gestellt zu werden pflegen. In Zusammenhang mit (hochwertigem) Papier wird das Publikum den Begriff "Gourmet" daher nur als bloßen Sachhinweis auf dessen besondere ästhetische Qualität verstehen.
Ferner finden die genannten Materialien Verwendung bei der Verpackung von Lebensmitteln; wobei sie Einfluss auf Haltbarkeit, Geschmack etc. haben können, worauf gerade Genießer großen Wert legen. Entsprechendes gilt für die Freiheit von Schadstoffen und die durch die Art der Verpackung beeinflusste Verzehrweise.
Etwas Anderes gilt indessen für Schreibwaren und Büroartikel, weil bei ihnen ästhetische Überlegungen in aller Regel hinter die im Vordergrund stehende Funktionalität zurücktreten, so dass der Verbraucher den Begriff "Gourmet" hier erst nach einer analysierenden Betrachtung, zu welcher er aber nicht neigt (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 1992, 515, 516 -Vamos; BGH GRUR 195, 408, 409 -PROTECH), als möglichen Hinweis auf eine besondere ästhetische Qualität dieser Waren verstehen könnte. Insoweit war, da aus diesem Grund auch ein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG der Anmeldemarke für diese Waren nicht besteht, der Beschwerde stattzugeben.
d) Soweit es die übrigen beanspruchten Waren und Dienstleistungen betrifft, ergibt sich eine Schutzfähigkeit der Anmeldemarke auch nicht aus ihrer grafischen Gestaltung, weil diese über eine (werbe-)übliche stilisierte Schreibschrift nicht hinausgeht und damit angesichts des beschreibenden Begriffsinhalts dem Publikum keinen Anlass bietet, abweichend vom beschreibenden Begriffsverständnis in der angemeldeten Darstellung allein wegen ihrer Grafik einen Herkunftshinweis zu sehen.
e) Soweit die Anmelderin sich schließlich auf die Eintragung ihrer Ansicht nach vergleichbarer Drittmarken beruft, ändert dies nichts an der fehlenden Schutzfähigkeit für die vorliegend zu beurteilende Anmeldemarke. Aus der Schutzgewährung für andere Marken kann ein Anmelder nämlich keinen Anspruch auf Eintragung ableiten. Voreintragungen führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes zu einer Selbstbindung derjenigen Stellen, welche über die Eintragung zu befinden haben. Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke ist nämlich keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage (vgl. EuGH MarkenR 2008, 163, 167 [Rz. 39] -Terranus); GRUR 2004, 674, Nrn. 43, 44 -Postkantoor; GRUR 2004, 428, Nr. 63 -Henkel; BPatG MarkenR 2007, 351, 352 f. -Topline; GRUR 2007, 333, 335 ff. -Papaya; GRUR 2010, 423 -amazing discoveries; GRUR 2010, 425 -Volksflat). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verbietet die Markenrechtsrichtlinie es daher den nationalen Eintragungsbehörden und den mit der Markeneintragung befassten nationalen Gerichten, bei Bestehen eines Eintragungshindernisses dem Eintragungsbegehren allein deshalb stattzugeben, weil bereits identische oder vergleichbar gebildete Marken für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragen sind (vgl. EuGH, GRUR 2009, 667, 668 [Rz. 15 ff.] -Bild.T-Online.de und ZVS).
2. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke nur zu einem kleinen Teil zu Unrecht die Eintragung versagt hatte, während sie die Anmeldung im Übrigen zutreffend wegen des Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen hat, konnte der Beschwerde der Anmelderin nur zu einem Teil stattgegeben werden, während sie im Übrigen erfolglos bleibt.
Dr. Albrecht Kruppa Schwarz Fa
BPatG:
Beschluss v. 06.07.2010
Az: 27 W (pat) 251/09
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