Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg:
Beschluss vom 27. November 2011
Aktenzeichen: 5 Ta 215/11

(LAG Baden-Württemberg: Beschluss v. 27.11.2011, Az.: 5 Ta 215/11)

Tenor

Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Pforzheim vom 22.08.2011 - 3 BV 1/11 - abgeändert.

Gründe

I.

Die Beschwerde betrifft die Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit im Rahmen eines Beschlussverfahrens über das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebes zweier rechtlich selbstständiger Unternehmen.

Im Ausgangsverfahren hat der in einem Betrieb mit 220 wahlberechtigten Arbeitnehmern gebildete Betriebsrat einer - beteiligten - Arbeitgeberin geltend gemacht, dass diese mit einem Betrieb einer - ebenfalls beteiligten - hundertprozentigen Tochter der Arbeitgeberin, in dem fünf wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden, einen Gemeinschaftsbetrieb bilde.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag - rechtskräftig - zurückgewiesen und den Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats, die eine Heraufsetzung des Gegenstandswerts in Anlehnung an die Grundsätze für die Bemessung eines Wahlanfechtungsverfahrens auf 22.000,00 EUR begehren. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats ist gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 Satz 3 RVG) und auch im übrigen zulässig und begründet. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats im Ausgangsverfahren ist mit 22.000,00 EUR zu bemessen.

1. Ein Beschlussverfahren über das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs mehrerer rechtlich selbstständiger Unternehmen ist eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, deren Bewertung grundsätzlich nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu erfolgen hat. Ein solches Beschlussverfahren rechtfertigt die Übertragung der Bewertungsmaßstäbe, die für die Anfechtung einer Betriebsratswahl gelten. Wird in einem Beschlussverfahren gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG auf das Vorliegen eines Gemeinschaftsbetriebs erkannt, so nimmt dies das Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG vorweg. Die Interessenlage der am Verfahren Beteiligten ist weitgehend identisch.

2. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit für ein Beschlussverfahren, mit dem eine Betriebsratswahl angefochten wird, richtet sich regelmäßig nach der Zahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder, die gemäß § 9 BetrVG durch die Größe des Betriebes bestimmt wird. Dies entspricht der überwiegenden Auffassung der Landesarbeitsgerichte (LAG Berlin 17. Dezember 1991 - 1 Ta 50/91 (Kost) - NZA 1992, 327; LAG Rheinland-Pfalz 30. März 1992 - 9 Ta 40/92 - NZA 1992, 667; LAG Thüringen 13. November 1998 - 8 Ta 134/98 - AuR 1999, 146; LAG Köln 10. Oktober 2002 - 11 Ta 28/02 - NZA-RR 2003, 493; LAG Schleswig-Holstein 9. Juli 2003 - 3 Ta 215/02 - NZA-RR 2004, 212 = LAGE BRAGO § 8 Nr. 55; LAG Hamm 28. April 2005 - 10 TaBV 55/05 - NZA-RR 2005, 435; LAG Hamm 19. Dezember 2005 - 10 TaBV 161/05 - zitiert nach juris).

a) Die erkennende Kammer geht dabei von einer typisierenden Betrachtung aus, die die Wertfestsetzung ausgehend vom Hilfswert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG vornimmt. Danach ist für die Wahlanfechtung bei fehlenden Anhaltspunkten für eine abweichende Bewertung von dem eineinhalbfachen Hilfswert und damit 6.000,00 EUR auszugehen. Dieser Wert ist für jede der in § 9 BetrVG genannten Staffel jeweils um den Hilfswert von 4.000,00 EUR zu erhöhen. Danach ergibt sich - soweit für den vorliegenden Entscheidungsfall von Interesse - folgende Staffelung:

1 Betriebsratsmitglied EUR 6 000,00,3 BetriebsratsmitgliederEUR 10 000,00,5 BetriebsratsmitgliederEUR 14 000,00,7 BetriebsratsmitgliederEUR 18 000,00,9 BetriebsratsmitgliederEUR 22 000,00.

Dieser unter anderem von den Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Hamm vertretenen Rechtsprechung (statt vieler LAG Hamm 28. April 2005 - 10 TaBV 55/05 - NZA-RR 2005, 435; 19. Dezember 2005 - 10 TaBV 161/05 - zitiert nach juris) hat sich die erkennende Kammer im Interesse der Rechtssicherheit und einer einheitlichen Wertfestsetzungspraxis angeschlossen (17. Juni 2009 - 5 TaBVGa1/09 - juris). Zwar können im Einzelfall konkrete Umstände auch zu einer Abweichung von der typisierenden Betrachtung erfolgen, die sowohl zu einer Herabsetzung als auch einer Erhöhung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit führen. Dies können namentlich unter anderem die Bedeutung der Sache, die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Verfahrens und der damit verbundene Arbeitsaufwand des Rechtsanwaltes und andere Gesichtspunkte mehr sein. Diese Gesichtspunkte sind dann im Rahmen des billigen Ermessens zu bewerten (erkennende Kammer 17. Juni 2009 - 5 TaBVGa 1/09 - juris).

b) Das vorliegende Beschlussverfahren, das die Feststellung des Vorliegens eines Gemeinschaftsbetriebes der beteiligten Arbeitgeberinnen zum Gegenstand hatte, kann nicht anders bewertet werden. Dass das Ausgangsverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG nicht direkt im Zusammenhang mit einer anstehenden Betriebsratswahl eingeleitet worden ist, erscheint für die Wertfestsetzung unerheblich (LAG Hamm 1. März 2006 - 10 Ta 21/06 - juris; LAG Hamburg 17. Dezember 1996 -3 Ta 27/96- juris) Vielmehr ist maßgeblich, dass das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG in einem engen Zusammenhang zum Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG steht. Denn die Frage der Zuordnung der Arbeitnehmer zum Betrieb stellt eine wesentliche Vorfrage auch für das Wahlanfechtungsverfahren dar. Deshalb ist auch bei der Wertfestsetzung für ein Zuordnungsverfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG an die für Wahlanfechtungsverfahren nach § 19 BetrVG entwickelten Grundsätze anzuknüpfen (LAG Hamm 1. März 2006 - 10 Ta 21/06 - juris mwN).

c) Im Entscheidungsfall ergibt sich damit ein Wert von 22.000,00 EUR . Gesichtspunkte, die eine Reduzierung oder Erhöhung des Wertes rechtfertigen würden, sind in dem dem vorliegenden Wertfestsetzungsverfahren zu Grunde liegenden Beschlussverfahren nicht zu erkennen. In den Betrieben der beiden beteiligten Arbeitgeberinnen waren -zusammengerechnet - insgesamt 225 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Unter Zugrundelegung dieser - behaupteten - Betriebsgröße ergibt sich ein Wert von 22.000,00 EUR.

III.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).






LAG Baden-Württemberg:
Beschluss v. 27.11.2011
Az: 5 Ta 215/11


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