Kammergericht:
Urteil vom 11. Dezember 2015
Aktenzeichen: 5 U 64/15

(KG: Urteil v. 11.12.2015, Az.: 5 U 64/15)

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 23. März 2015 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 101 des Landgerichts Berlin - 101 O 70/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers wegen der Unterlassungsverpflichtung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- € abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Beklagten wird weiter nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A.

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs beachtet werden.

Die Beklagte verbreitete am 5. April 2014 zwischen 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr über den TV-Verkaufssender ... Werbung für Nahrungsergänzungsmittel. Wegen des Inhalts der Werbesendung €N... V... - natürlich gut€ wird auf die als Anlage K 1 zur Klageschrift vorgelegte Mitschrift verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

I.

die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr auf dem deutschen Markt zu werbenfür das Produkt €Optimal Hair Renature Kapseln€

1. €Es geht um eine Verbesserung des Haarwuchses€,

2. €Das bedeutet, wir können dünnes Haar wieder voluminöser machen€,

3. €Und wir können auch Stellen, an denen wenige Haare wachsen, wieder mit mehr Haaren besiedeln.€,

4. €Und wir können frühzeitig ergrautes Haar auch, zumindest teilweise, repigmentieren€,

und/oder

€Und in einem dritten Schritt repigmentieren wir das Haar noch mit bestimmten Kupfer- und Selenverbindungen.€,

5. €Und in Schritt drei repigmentieren wir Ihr Haar. Das bedeutet, wenn Sie bereits graues Haar haben, dann können wir das wieder dunkler bekommen mit Optimal Hair Renature.€

und/oder

€Und wenn Ihr Haar am Ergrauen ist, dass wird€s wieder etwas dunkel.€

und/oder

€Und wir können es auch schaffen, ergrautes Haar wieder nachträglich einzudunkeln.€

6. €wenn Sie zum Beispiel färben oder tönen, dann brauchen Sie nicht so häufig nachzufärben, weil der Ansatz nicht so grau nachwächst.€,

7. €Aber wenn Sie von innen ansetzen, dort wo das Haar wächst, dann können Sie wirklich sensationelle und dauerhafte Erfolge erzielen. Was meine ich damit€ Kein Spliss mehr! Volleres Haar! Keine brüchigen Fingernägel mehr! Kein trockenes Haar mehr! Also das alles gibt sich.€,

für die Mittel €Optimal Hair Renature Kapseln€ und €Repair-Kapseln für Haut, Haar, Nägel€

8. mit der Abbildung

und dem dazugehörigen Text:

€Wenn Sie das kennen, kahle Stellen auf dem Hinterkopf, dann sind Sie bei uns, in dieser Sendung richtig. Denn wir können Ihnen helfen, diese kahlen Stellen loszuwerden.€,

9. €wenn Sie sich häufig vor dem Spiegel wiederfinden und denken, Mensch, mein Haaransatz war doch irgendwie letzte Woche noch nen Zentimeter weiter vorne, auch dann sind Sie bei uns heute an der richtigen Adresse. Denn wir kümmern uns rundum mit einer Auswahl der besten Pflanzen aus der traditionellen chinesischen Medizin, aus der ayurvedischen Medizin, heute um ihre Haarwurzeln.€,

10. €Und das darf auch jeder schon präventiv nehmen. Wenn Sie also der Meinung sind, bei mir in der Familie ist das schon mit dem Haarausfall so früh losgegangen. € Sie können auch als vorbeugende Maßnahme Optimal Hair Renature und die Repair-Kapseln einsetzen.€,

sowie für das Produkt €Repair-Kapseln für Haut, Haar, Nägel€

11. €Wir haben Leinsamen. Wir haben Blasentang. Das sind Pflanzen, die dafür bekannt sind, dass sie das Volumen des Haares und die Stabilität der Fingernägel stärken können.€

sofern dies geschieht wie in der auf dem TV-Verkaufssender ... am 5. April 2014 zwischen 15.00 Uhr und 17.00 Uhr ausgestrahlten Dauerwerbesendung (Anlage K1).

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem am 12. Februar 2015 verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Es wird insoweit auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen, und zwar auch hinsichtlich des weitergehenden erstinstanzlichen Vortrages der Parteien.

Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen dieses Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

das am 23. März 2015 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 101 des Landgerichts Berlin - 101 O 70/14 - zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, insbesondere auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung der Beklagten ist jedoch nicht begründet.

Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der im Tenor des angegriffenen Urteils unter I. aufgelisteten Werbeaussagen über die Nahrungsergänzungsmittel €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ und/oder €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€.

Der Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 2, §§ 3, 4 Nr. 11(=§3a UWG n.F.) UWG i.V.m. den nachfolgend erörterten Marktverhaltensvorschriften.

1.

Geht man davon aus, dass es sich bei den beanstandeten Aussagen über die Nahrungsergänzungsmittel €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ und €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€ um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (im Folgenden: HCVO) handelt, ist ein Verstoß der Beklagten gegen Art. 10 Abs. 1 HCVO festzustellen.

Die altersbedingte Veränderung des Haarwuchses und der Haarfarbe ist allerdings für sich genommen ebenso wenig eine Krankheit oder ein von der Gesundheit abweichender Zustand wie das Altern selbst (vgl. auch OLG Karlsruhe MD 2013, 1033). Die altersbedingte Veränderung des Haarwuchses und der Haarfarbe erfolgt grundsätzlich auch unabhängig von der Gesundheit des Einzelnen.

Für Zweifel an der Annahme gesundheitsbezogener Angaben im vorliegenden Fall streitet überdies der Umstand, dass etwa der Claim €Collagen is a natural component of the skin. Helps the skin to preserve its firmness and elasticity. Has beneficial effect in the maintenance of skin firmness and elasticity.€ mit der Begründung zurückgewiesen worden ist: €Non-compliance with the Regulation because on the basis of the scientific evidence assessed, this claimed effect has not been linked to a function of the body, as required by Article 13 of the Regulation.€. (vgl. entry ID 1950 unter http://ec.europa.eu/nuhclaims/)

Andererseits sind in der nach Art. 13 Abs. 3 HCVO erlassenen Verordnung (EU) 432/2012 der Kommission vom 16. Mai 2012 zur Festlegung einer Liste zulässiger anderer gesundheitsbezogener Angaben über Lebensmittel als Angaben über die Reduzierung eines Krankheitsrisikos sowie die Entwicklung und die Gesundheit von Kindern (im Folgenden: Verordnung (EU) 432/2012) z.B. folgende Claims zugelassen: €Biotin trägt zur Erhaltung normaler Haare bei€ und €Kupfer trägt zu einer normalen Haarpigmentierung bei€ sowie €Selen trägt zur Erhaltung normaler Nägel bei€.

Es könnte davon auszugehen sein, dass die Norm, auf die die zugelassenen Claims jeweils Bezug nehmen, nicht ein bestimmtes Schönheitsideal oder einen jugendlichen Zustand bezeichnet, sondern den altersbedingten Zustand der Haare bei ausreichender Versorgung mit dem jeweiligen Stoff und damit abzugrenzen ist von einem Zustand, der durch Unterversorgung und Mangelerscheinungen gekennzeichnet ist. Letztlich kann dies - wie noch auszuführen sein wird - im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben.

Gesundheitsbezogene Angaben sind nach Art. 10 Abs. 1 HCVO verboten, wenn sie nicht den allgemeinen Anforderungen gemäß Art. 3 bis 7 HCVO und den speziellen Anforderungen gemäß Art. 10 bis 19 HCVO genügen und gemäß der Verordnung zugelassen und in die Liste der zugelassenen Angaben gemäß Art. 13, 14 HCVO aufgenommen sind.

a)

Wenn man in den beanstandeten Werbeaussagen gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO sieht, ist dem Landgericht darin beizupflichten, dass es sich bei diesen Aussagen um gesundheitsbezogene Aussagen im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO handelt und nicht um Verweise auf allgemeine, nicht spezifische Vorteile des Lebensmittels für die Gesundheit im Allgemeinen oder das gesundheitsbezogene Wohlbefinden im Sinne des Art. 10 Abs. 3 HCVO.

Art. 10 Abs. 3 HCVO erfasst nur Aussagen, die zwar auf eine der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 HCVO genannten Funktionen Bezug nehmen, aufgrund ihrer allgemeinen und unspezifischen Formulierung aber nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnten (vgl. BGH GRUR 2011, 249 - Gurktaler Kräuterlikör, Rn 9; BGH GRUR 2013, 958 - Vitalpilze, Rn 13).

Dies ist hier auch hinsichtlich der im Verbotstenor unter 1.6 und 1.7 aufgeführten Aussagen nicht der Fall.

Die Beklagte verspricht dort ganz konkrete Effekte, die der Konsum des beworbenen Produkts herbeiführen soll, nämlich die Bekämpfung von Haarausfall.

b)

Die vom Kläger beanstandeten Aussagen über die Nahrungsergänzungsmittel €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ und €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€ sind in der nach Art. 13 Abs. 3 HCVO erlassenen Verordnung (EU) 432/2012432/2012) nicht enthalten und zwar auch nicht in der durch die Verordnung (EU) Nr. 536/2013 der Kommission vom 11. Juni 2013 geänderten Fassung.

In der Liste über zulässige gesundheitsbezogene Aussagen im Anhang der Verordnung (EU) 432/2012 sind zwar Aussagen über Vitamin C, Kupfer, Zink und Biotin aufgeführt, also über Stoffe, die in den Produkten €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ bzw. €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€enthalten sein sollen.

Aus diesen Eintragungen kann die Beklagte die Zulässigkeit der beanstandeten Aussagen jedoch nicht herleiten.

aa)

Zu Vitamin C, Kupfer, Zink und Biotin lässt sich dem von der Beklagten als Anlage B 1 zur Klageerwiderung vorgelegten Etikett des Produkts €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ entnehmen, welche Mengen in der Tagesverzehrmenge enthalten sein sollen. Die Zusammensetzung von €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€ ergibt sich aus der Klageerwiderung.

Zu allen hier in Betracht kommenden zugelassen Aussagen über diese Vitamine und Mineralstoffe heißt es im Anhang der Verordnung (EU) 432/2012, die jeweils zugelassene Angabe dürfe nur für Lebensmittel verwendet werden, die die Mindestanforderungen an jeweilige Vitamin- oder Mineralstoffquelle gemäß der im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aufgeführten Angabe [NAME DES VITAMINS/DER VITAMINE] UND/ODER [NAME DES MINERALSTOFFS/DER MINERALSTOFFE]-QUELLE erfüllen.

Nach dem Anhang zur HCVO ist die Angabe, ein Lebensmittel sei eine Vitaminquelle oder Mineralstoffquelle, sowie jegliche Angabe, die für den Verbraucher voraussichtlich dieselbe Bedeutung hat, nur zulässig, wenn das Produkt mindestens eine gemäß dem Anhang der Richtlinie 90/496/EWG signifikante Menge oder eine Menge enthält, die den gemäß Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Zusatz von Vitaminen und Mineralstoffen sowie bestimmten anderen Stoffen zu Lebensmittelnzugelassenen Abweichungen entspricht.

Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten kann danach davon ausgegangen werden, dass die hier zu beurteilenden Vitamine und Mineralstoffe in den beworbenen Produkten jeweils in ausreichender Menge enthalten sind.

bb)

Jedoch rechtfertigt keine der nach dem Anhang der Verordnung (EU) 432/2012 zulässigen Aussagen über Vitamin C, Kupfer, Zink und Biotin bzw. Selen die hier streitgegenständlichen Aussagen inhaltlich.

Zulässig sind zwar die Angaben €Biotin trägt zur Erhaltung normaler Haare bei€, €Kupfer trägt zur Erhaltung einer normalen Haarpigmentierung bei€, €Zink trägt zur Erhaltung normaler Haare bei€, €Selen trägt zur Erhaltung normaler Haare bei€ und €Selen trägt zur Erhaltung normaler Nägel bei€.

Es kann jedoch keine Rede davon sein, dass der Wortlaut der beanstandeten Werbeaussagen aus der maßgeblichen Verbrauchersicht gleichbedeutend wäre mit demjenigen einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe (vgl. hierzu Erwägungsgrund 9 der Verordnung (EU) Nr. 432/2012). Die zulässigen Aussagen über Biotin, Kupfer, Zink und Selen bleiben hinsichtlich des Wirkungsgrades deutlich hinter den beanstandeten Aussagen zurück.

Da keiner der zulässigen Claims verspricht, wie die streitgegenständlichen Behauptungen, Kahlheit oder Haarergrauung rückgängig machen oder verhindern zu können oder dauerhafte und sensationelle Erfolge gegen brüchige Fingernägel herbeizuführen, trifft der Standpunkt der Beklagten, sie habe lediglich die €nüchterne€ Sprache der zugelassenen Claims präzisiert und klargestellt, was unter €normal€ zu verstehen sei, nicht zu.

Es ist auch nicht nachzuvollziehen, warum dünnes Haar generell und graues Haar in fortgeschrittenem Alter nicht €normal€ sein sollen. Die Beklagte versucht nicht nur in der Werbung, sondern auch in ihrem schriftsätzlichen Vortrag ein bestimmtes Schönheitsideal der Norm, auf die die zugelassenen Claims Bezug nehmen, gleichzusetzen.

cc)

Die in den Verbotsanträgen wiedergegebenen Aussagen beziehen sich ohnehin nicht auf Biotin, Kupfer und Zink bzw. Selen. Die Aussagen beziehen sich allgemein auf die aus mehreren Stoffen bestehenden Produkte €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ und €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€ oder andere Inhaltsstoffe der Nahrungsergänzungsmittel.

Gesundheitsbezogene Angaben dürfen aber nur für den jeweiligen Nährstoff, die Substanz oder das Lebensmittel gemacht werden, für die sie zugelassen sind, nicht jedoch für das Lebensmittelprodukt, das diese enthält (vgl. OLG Bamberg WRP 2014, 609).

Die EU-Kommission hat auf ihrer Seite http://ec.europa.eu/nuhclaims/ folgenden Hinweis unter der Überschrift €Terms and Conditions€ veröffentlicht, der erscheint, wenn der Besucher der Seite das €EU-Register of Nutrition and Health Claims€ aufrufen will:

€Health claims should only be made for the nutrient, substance, food or food category for which they have been authorized, and not for the food product that contains them.€.

Diesen Hinweis hat das OLG Bamberg wie folgt ins Deutsche übersetzt: €Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur für den Nährstoff, die Substanz, das Lebensmittel oder die Lebensmittelkategorie gemacht werden, für die sie zugelassen sind und nicht für das Lebensmittelprodukt, das diese enthält.€.

Zweifel an der Richtigkeit dieser Übersetzung hat der Senat nicht, insbesondere ist die Übertragung von €Health claims should only be made€ in €Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur € gemacht werden€ korrekt. In der englischen Rechtssprache werden die Wörter €shall€ und €should€ zur Bezeichnung einer Mussbestimmung benutzt (vgl. Langenscheidts Großwörterbuch, Der Kleine Muret-Sanders, Englisch-Deutsch, 3. Auflage).

Der oben wiedergegebenen grundsätzlich unverbindlichen Rechtsauffassung der EU-Kommission ist zu folgen (vgl. auch OLG Bamberg WRP 2014, 609).

Art. 13 Abs. 3 HCVO begründet die Befugnis der Kommission, eine Gemeinschaftsliste zulässiger Angaben sowie aller für die Verwendung dieser Angaben notwendigen Bedingungen zu verabschieden. Dementsprechend bestimmt Art 20 Abs. 2 lit. c) HCVO, dass das Register sowohl die zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben als auch die Bedingungen für ihre Verwendung, etwa nach Art. 13 Abs. 3 und 5 HCVO, enthält.

Wenn es danach zu der z.B. zugelassenen Angabe €Vitamin C trägt zu einem normalen Energiestoffwechsel bei€ unter der Überschrift €Bedingungen für die Verwendung der Angabe€ heißt: €Die Angabe darf nur für Lebensmittel verwendet werden, die die Mindestanforderungen an eine Vitamin-C-Quelle € erfüllen.€ besteht schon dem Wortlaut des Registers nach kein Anlass, dies so zu verstehen, dass der Name dieses Vitamins durch den Namen eines Produkts ersetzt werden kann, das dieses Vitamin enthält. (vgl. OLG Bamberg WRP 2014, 609)

Wenn die Kommission im Erwägungsgrund 9 der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 gleichbedeutende Angaben in engem Rahmen zugelassen hat, bezieht sich dies lediglich auf sinngemäße Formulierungen wie z.B. €Vitamin C leistet einen Beitrag zu einem normalen Energiestoffwechsel.€ (vgl. OLG Bamberg WRP 2014, 609).

Über diesen Rahmen geht auch die Feststellung, die zugelassene Angabe €Eisen trägt zur normalen kognitiven Entwicklung von Kindern bei€ decke die Werbeaussage €Mit Eisen € zur Unterstützung der Konzentrationsfähigkeit€ ab, nicht hinaus (vgl. hierzu Pressemitteilung des BGH Nr. 203/2015 zum Urteil des BGH vom 10. Dezember 2015, I ZR 222/13 - Lernstark).

Auch wenn der oben wiedergegebene Hinweis der EU-Kommission keine rechtliche Verbindlichkeit hat, ist er bei der Auslegung des Willens des EU-Gesetzgebers zu berücksichtigen. Dieser Hinweis stützt die Auslegung, dass ausschließlich mit den gesundheitsbezogenen Angaben so wie in der Liste angeführt, also mit den einzelnen Nährstoffen oder Substanzen, geworben werden darf und eben nicht mit dem Lebensmittelprodukt, das diese Stoffe enthält. (vgl. OLG Bamberg WRP 2014, 609)

Die Auffassung, es mache keinen Sinn, den konkreten Nährstoff des Lebensmittels zu nennen, weil der Verbraucher nicht den Nährstoff, sondern das Produkt kaufen wolle, ist mit den Zielen der HCVO nicht vereinbar. Der Erwägungsgrund 9 der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 verdeutlicht, dass nach dem Willen des Verordnungsgebers sichergestellt werden soll, dass gesundheitsbezogene Angaben wahrheitsgemäß, klar, verlässlich und für den Verbraucher hilfreich sind. Dies gilt nicht für die beanstandeten Werbeaussagen über die Produkte €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ und €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€, da ihnen nicht zu entnehmen ist, welche Nährstoffe in dem Produkt enthalten sind und bei Haarausfall, Haarergrauung und Brüchigkeit der Fingernägel hilfreich sein sollen. (vgl. OLG Bamberg WRP 2014, 609)

Das Informationsbedürfnis des Verbrauchers in diesem Punkt liegt auf der Hand.

Es kommt dem Durchschnittsverbraucher keineswegs nur auf die Erkenntnis an, dass der Konsum eines Lebensmittels oder Produkts beispielsweise zur Verringerung von Müdigkeit beiträgt (so aber: Teufer GRUR-Prax 2012, 476, 477). Ist dies der Fall, weil das Lebensmittel oder Produkt Vitamin C enthält, ist gerade dieses Wissen für den Verbraucher von maßgeblicher Bedeutung, wenn er den Tagesbedarf an Vitamin C bereits mit seiner sonstigen Nahrung aufgenommen hat und eine weitere Zufuhr dieses Vitamins für ihn nutzlos ist.

c)

Die gesundheitsbezogenen Angaben der Beklagten genügen aber auch den allgemeinen Anforderungen nach Art. 5 und 6 HCVO nicht.

Soweit in den beanstandeten Aussagen über €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ und €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€ konkrete Bestandteile angesprochen werden, soll wohl vorgetragen werden, Kupfer- und Selenverbindungen könnten das Haar repigmentieren und Leinsamen und Blasentang könnten das Volumen des Haars sowie die Stabilität der Fingernägel stärken.

Auch mit Pflanzen- und sonstigen (etwa aus Tieren gewonnenen) Wirkstoffen darf aber nur geworben werden, wenn die weiteren Vorschriften in Art. 5 und 6 HCVO eingehalten sind.

Das erfordert zunächst, dass durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise abgesichert ist, dass das Vorhandensein des betreffenden Stoffs die beworbene positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat (Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 6 Abs. 1 HCVO).

Welche Anforderungen an den von einem Verwender gesundheitsbezogener Angaben zu führenden Wirksamkeitsnachweis zu stellen sind, kann hier weitgehend dahingestellt bleiben, ebenso die Erörterung, ob es sich bei sämtlichen eingangs angeführten Stoffen um pflanzliche Stoffe, sogenannte Botanicals, handelt.

Die von der Beklagten in den Rechtsstreit eingeführten Unterlagen reichen für den erforderlichen Nachweis einer wissenschaftlichen Absicherung ihrer Aussagen jedenfalls nicht aus. Dies gilt auch für die nicht in der Werbung, aber im schriftsätzlichen Vortrag der Beklagten angesprochenen weiteren Inhaltsstoffe der beworbenen Nahrungsergänzungsmittel.

Es gibt keinen Anlass, hier geringere Anforderungen zu stellen, als diejenigen für ein vereinfachtes Registrierungsverfahren für pflanzliche Arzneimittel gemäß Art. 16a Abs. 1 lit. e) der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel. Für diese ist aber nach Art. 16 a Abs. 1 lit. e) dieser Richtlinie nachzuweisen, dass das Produkt unter den angegebenen Anwendungsbedingungen unschädlich ist und dass die pharmakologischen Wirkungen oder die Wirksamkeit des Arzneimittels aufgrund langjähriger Anwendung und Erfahrung plausibel sind. Der der Umsetzung dieser Vorgaben dienende § 39b Abs. 1 Nr. 4 AMG fordert dementsprechend bibliographische Angaben über die traditionelle Anwendung oder Berichte von Sachverständigen, aus denen hervorgeht, dass das betreffende oder ein entsprechendes Arzneimittel zum Zeitpunkt der Antragstellung seit mindestens 30 Jahren, davon mindestens 15 Jahre in der Europäischen Union, medizinisch oder tiermedizinisch verwendet wird, das Arzneimittel unter den angegebenen Anwendungsbedingungen unschädlich ist und dass die pharmakologischen Wirkungen oder die Wirksamkeit des Arzneimittels auf Grund langjähriger Anwendung und Erfahrung plausibel sind.

Die Auffassung der Beklagten, für den Wirkungsnachweis von Nahrungsergänzungsmitteln seien geringere Anforderungen zu stellen als für die Wirksamkeit traditioneller pflanzlicher Arzneimittel, ist mit den Vorstellungen, die der Verordnungsgeber mit der HCVO umsetzen wollte, nicht vereinbar (vgl. insbesondere die Erwägungsgründe 14 und 17 der HCVO).

aa)

L-Methionin und L-Cystein mögen elementare Bausteine für Haarwurzeln und Haarfollikel sein. Inwieweit dies eine oder sämtliche der beanstandeten Aussagen rechtfertigen soll, erläutert die Beklagte jedoch nicht.

Der als Anlage B 8 zur Klageerwiderung vorgelegte Artikel über Haarausfall verhält sich auch nur zu einer Kombination aus L-Cystein, Pantothensäure und Hirseextrakt. Der als Anlage B 9 vorgelegte Artikel verhält sich zur Wirkung von L-Cystein gemeinsam mit B-Vitaminen.

bb)

Die Pflanze Psoralea corylifolia mag dafür bekannt sein, dass sie die Nährstoffversorgung und die Durchblutung der Kopfhaut und der Haarfollikel unterstützt. Inwieweit dies eine oder sämtliche der beanstandeten Aussagen rechtfertigen soll, erläutert die Beklagte jedoch nicht.

Nachweise, die ihren Vortrag stützen, hat die Beklagte ohnehin nicht vorgelegt.

cc)

Eclipta alba mag dafür bekannt sein, dass sie eine unterstützende Wirkung im Hinblick auf die Haarerhaltung hat. Inwieweit dies eine oder sämtliche der beanstandeten Aussagen rechtfertigen soll, erläutert die Beklagte jedoch nicht.

Nachweise, die ihren Vortrag stützen, hat die Beklagte nicht vorgelegt.

dd)

Leinsamenöl mag dafür bekannt sein, mikroiplamatorische Prozesse zu beseitigen und vor ihrer Bildung zu schützen. Inwieweit dies eine oder sämtliche der beanstandeten Aussagen rechtfertigen soll, erläutert die Beklagte jedoch nicht.

Nachweise, die ihren Vortrag stützen, hat die Beklagte nicht vorgelegt.

In Leinsamenöl mögen auch Linolensäure und Alpha-Linolensäure enthalten sein. Der als Anlage B 3 vorgelegte Beitrag, bei dem es sich offensichtlich um Werbung eines Mitbewerbers der Beklagten handelt, verhält sich nur zu Studien, bei der die €topische Applikation€ von Gamma-Linolensäure, Alpha-Linolensäure und Linolensäure untersucht worden ist, also die äußerliche Anwendung.

ee)

Bei dem Beitrag über Polygonum multiflorum (vielblütiger Knöterich) handelt es sich offensichtlich um Werbung eines Mitbewerbers der Beklagten.

ff)

Die behauptete Wirkung von Mariendistel hat die Beklagte durch nichts belegt.

gg)

Die behauptete Wirkung von Equisetum Arvense (Ackerschachtelhalm) hat die Beklagte durch nichts belegt.

hh)

Die behauptete Wirkung von weißem Teeextrakt hat die Beklagte durch nichts belegt.

ii)

Der als Anlage B 2 zur Klageerwiderung vorgelegte Bericht verhält sich nicht zu L-Methionin und L-Cystein, Psoralea corylifolia, Eclipta alba, Leinsamenöl, Polygonum multiflorum, Mariendistel, Equisetum Arvense (Ackerschachtelhalm) oder weißem Teeexstrakt, die in dem Produkt €N... V... Optimal Hair Renaturekapseln€ enthalten sein sollen.

Dies gilt auch für die als Anlage B 3 vorgelegte Werbung für €Revivogen®€.

jj)

Die als Anlagen B 4 und B 5 vorgelegten Artikel beschreiben eine Studie über die Einnahme von Siliziumgel, ohne dass die Beklagte darlegt, dass dieses Gel in ihren Produkten enthalten sei.

kk)

Der als Anlage B 10 vorgelegte Artikel belegt keine der beanstandeten Werbeaussagen.

ll)

Des weiteren fehlt es aber auch an einer Grundlage für den von der Beklagten nach Art. 6 Abs. 1 HCVO zu führenden Nachweis, dass die fraglichen Stoffe in den Produkten der Beklagten jeweils in bioverfügbarer Form (Art. 5 Abs. 1 lit. c der HCVO) enthalten sind und bei einem vernünftigerweise zu erwartenden Verzehr die von der Beklagten behauptete Wirkung zu erzielen vermögen (Art. 5 Abs. 1 lit. d der HCVO). In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Verwendung der entsprechenden Angaben nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen nur dann zulässig ist, wenn die behauptete positive Wirkung der jeweiligen Substanz bereits zu dem Zeitpunkt anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, zu dem die Angaben gemacht werden. (vgl. BGH GRUR 2013, 958 - Vitalpilze, Rn 21)

e)

Art. 10 Abs. 1 HCVO ist ebenso wie Art. 5 Abs. 1 HCVO eine Marktverhaltensvorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (jetzt § 3a UWG n.F.)(vgl. BGH GRUR 2013, 958 - Vitalpilze, Rn 22).

2.

Geht man davon aus, dass es sich bei den beanstandeten Aussagen über die Nahrungsergänzungsmittel €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ und €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€ nicht um gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO handelt, ist ein Verstoß der Beklagten gegen § 11 LFGB festzustellen.

a)

Die Beklagte verweist im Grundsatz zu Recht auf eine Änderung des § 11 LFGB zum 13. Dezember 2014, also nach Ausstrahlung der streitgegenständlichen Werbesendung am 5. April 2014.

Da der Unterlassungsanspruch auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße gerichtet ist, ist er nur begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann. Zudem muss die Handlung zum Zeitpunkt ihrer Begehung wettbewerbswidrig gewesen sein, weil es andernfalls an der Wiederholungsgefahr fehlt. (BGH GRUR 2013, 301 - Solarinitiative, Rn 17; BGH GRUR 2015, 283 - Hörgeräteversorgung III, Rn 22)

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 LFGB in der bis zum 12. Dezember 2014 gültigen Fassung war es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 LFGB in dieser Fassung sollte eine Irreführung insbesondere dann vorliegen, wenn einem Lebensmittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind.

Nach § 11 Abs. 1 Nr. 1 LFGB in der seit dem 13. Dezember 2014 gültigen Fassung ist verboten, als nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 verantwortlicher Lebensmittelunternehmer oder Importeur Lebensmittel mit Informationen über Lebensmittel, die den Anforderungen des Artikels 7 Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 4, der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 nicht entsprechen, in den Verkehr zu bringen oder allgemein oder im Einzelfall dafür zu werben.

Art. 7 Abs. 1 lit. b) und Abs. 4 lit. a) der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 verbieten irreführende Informationen und Werbung über Lebensmittel, insbesondere indem dem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt.

Da bei der Entscheidung des Rechtsstreits weder davon auszugehen ist, dass die beanstandeten Aussagen über die Nahrungsergänzungsmittel €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ und €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€ hinreichend wissenschaftlich abgesichert waren, noch dass die Nahrungsergänzungsmittel die beworbenen Wirkungen besitzen, hat sich die Rechtslage nicht in einer für die Entscheidung des Streitfalls erheblichen Weise verändert.

b)

Hinsichtlich der unzureichenden wissenschaftlichen Absicherung der Aussagen kann auf die Ausführungen zur HCVO verwiesen werden.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Aspekts, dass sich die hinreichende wissenschaftliche Absicherung auch aus einer einzelnen Arbeit ergeben kann, sofern diese auf überzeugenden Methoden und Feststellungen beruht (vgl. BGH GRUR 2010, 359 - Vorbeugen mit Coffein!, Rn 18).

c)

Hinsichtlich der Frage, wer nach der neuen Rechtslage darzulegen und zu beweisen hat, ob einem Lebensmittel Wirkungen oder Eigenschaften zugeschrieben werden, die es nicht besitzt, weisen Art. 36 Abs. 2 lit. c) und Art. 8 Abs. 1 der Verordnung 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr.1924/2006 und (EG) Nr. 1925/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 87/250/EWG der Kommission, der Richtlinie 90/496/EWG des Rates, der Richtlinie 1999/10/EG der Kommission, der Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/67/EG und 2008/5/EG der Kommission und der Verordnung (EG) Nr. 608/2004 der Kommission (im Folgenden: LMIV) darauf hin, dass dies Sache der Beklagten ist.

Freiwillig bereitgestellte Informationen über Lebensmittel müssen gemäß Art. 36 Abs. 2 lit. c) LMIV auf einschlägigen wissenschaftlichen Daten beruhen. Verantwortlich für die Information über ein Lebensmittel ist gemäß Art. 8 Abs. 1 LMIV in erster Linie der Lebensmittelunternehmer, unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird, oder, wenn dieser Unternehmer nicht in der Union niedergelassen ist, der Importeur, der das Lebensmittel in die Union einführt. (vgl. auch BGH GRUR 2010, 359 - Vorbeugen mit Coffein!, Rn 17).

Anderes ergibt sich aber auch dann nicht, wenn man der Auffassung der Beklagten folgt, es seien die allgemeinen Grundsätze herauszuziehen.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist dann Art. 7 der Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung. Danach haben die Mitgliedstaaten den Gerichten Befugnisse zu übertragen, die sie ermächtigen, vom Werbenden Beweise für die Richtigkeit von in der Werbung enthaltenen Tatsachenbehauptungen zu verlangen, wenn ein solches Verlangen unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Werbenden und anderer Verfahrensbeteiligter im Hinblick auf die Umstände des Einzelfalls angemessen erscheint.

Dies ist hier der Fall.

Wie oben ausgeführt fordern Art. 5 Abs. 1 lit. a, Art. 6 Abs. 1 HCVO im Bereich der gesundheitsbezogenen Werbung, dass durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise abgesichert ist, dass das Vorhandensein des betreffenden Stoffs die beworbene positive ernährungsbezogene Wirkung oder physiologische Wirkung hat.

Nach Nr. 3 Abs. 1 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 der Kommission vom 10. Juli 2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln müssen Werbeaussagen über kosmetische Mittel - ob explizit oder implizit - durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, unabhängig von der Art der für die Bestätigung der Aussagen herangezogenen Nachweise, gegebenenfalls einschließlich Sachverständigengutachten.

Auch wenn €N... V... Optimal Hair Renature Kapseln€ und €N... V... Repair-Kapseln für Haut, Haar Nägel€ keine kosmetischen Mittel im Sinne von Art. 2 Abs. 1 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel sind, weil sie nicht äußerlich angewendet werden, wird doch deutlich, dass nicht nur bei gesundheitsbezogener Werbung, sondern auch bei der Werbung mit den ästhetischen Wirkungen eines Produkts der Nachweis der behaupteten Wirkung vom Werbenden zu führen ist.

d)

Problematisch ist allerdings, ob die Verwendung nicht gesundheitsbezogener Angaben auch nur dann zulässig ist, wenn die behauptete positive Wirkung der jeweiligen Substanz bereits zu dem Zeitpunkt anhand allgemein anerkannter wissenschaftlicher Erkenntnisse nachgewiesen ist, zu dem die Angaben gemacht werden.

Der Wortlaut der Regelung für kosmetische Mittel in Nr. 3 Abs. 1 des Anhangs der Verordnung (EU) Nr. 655/2013 der Kommission vom 10. Juli 2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln (€...müssen durch hinreichende und überprüfbare Nachweise belegt werden, unabhängig von der Art der für die Bestätigung der Aussagen herangezogenen Nachweise (gegebenenfalls einschließlich Sachverständigengutachten)€) könnte Anlass geben, diese Frage im Grundsatz zu verneinen.

Dem ist allerdings entgegen zu halten, dass die Wirkungen, die die Beklagte im vorliegenden Fall verspricht, deutlich über das hinausgehen, was kosmetische Produkte üblicherweise erreichen können. Die Beklagte suggeriert eine physiologische Wirkung des beworbenen Produkts, die altersbedingte Veränderungen insbesondere der Haarfarbe und des Haarwuchses zumindest zeitweilig rückgängig macht oder repariert. Dies kommt am deutlichsten zum Ausdruck, wenn die Beklagte herausstellt, das beworbene Produkt wirke von innen, nämlich dort, wo das Haar wachse.

Ein nachträglich erstelltes Gutachten kann die beanstandeten Werbeaussagen aber auch deshalb nicht tragen, weil die Beklagte jedenfalls in der hier zu beurteilenden Werbesendung die Erwartung geweckt hat, dass die behaupteten Wirkungen wissenschaftlich erwiesen sind (vgl. auch OLG Karlsruhe MD 2013, 1033; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Art. 7 LMIV, C 113, Rn 355).

Wer, wie die Beklagte, die Behauptungen aufstellt: €Deswegen zeichnet sich N... V... auch gegenüber Wettbewerbern vor allem dadurch aus, dass, ähm, man mit ... einem wissenschaftlichen Beirat zusammenarbeitet, mit Ärzten und mit Menschen, die wirklich, äh, in diesem Bereich Koryphäen sind.€, weckt damit die Erwartung, dass die Wirksamkeit der beworbenen Nahrungsergänzungsmittel überprüft worden ist. Die Behauptung der Zusammenarbeit mit Koryphäen zielt erkennbar darauf ab, Vertrauen in Anspruch zu nehmen und sich im Gegensatz zu Mitbewerbern als besonders gewissenhafter Anbieter darzustellen.

Auf welchem anderen Weg als durch eine wissenschaftlich stichhaltige Absicherung die Beklagte zu der Erkenntnis gekommen sein könnte, mit ihren Produkten die in Anspruch genommene Spitzenstellung (€Das ganze Paket aus diesen beiden Produkten ist wirklich das Beste, was Sie für Ihre Haare und Ihre Nägel tun können.€) einnehmen zu können, ist auch nicht nachzuvollziehen.

Eine entsprechende Wirkung hat die unmittelbare Ansprache des Zuschauers, die die Erwartung weckt, das Produkt wirke in der beschriebenen Weise bei jedem, den die Beklagte nicht ausdrücklich ausnimmt.

e)

Jedenfalls ist aber von der Beklagten nach den unter d) wiedergegebenen Aussagen, die die Erwartung wecken, dass die angepriesenen Wirkungen des beworbenen Nahrungsergänzungsmittels wissenschaftlich bzw. sachverständig überprüft worden sind, substantiierter Vortrag zu fordern, der darin besteht, die Erkenntnisquellen, die die Werbeaussagen belegen sollen, offenzulegen, bevor ein Sachverständigengutachten über die Richtigkeit der einzelnen Behauptungen einzuholen ist. Dem werden die vorgelegten Unterlagen aus den oben genannten Gründen nicht gerecht.

f)

§ 11 LFGB ist eine Marktverhaltensvorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (jetzt § 3a UWG N.F.)(vgl. BGH GRUR 2012, 1164 - ARTROSTAR, Rn 31).

C.

Die Beklagte regt in verschiedenem Zusammenhang an, Auslegungsfragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

a)

Eine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV jedoch besteht nicht.

Auch aus anderen Gründen ergibt sich eine Vorlagepflicht nicht.

Gerichte, deren Entscheidungen mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, müssen das Verfahren aussetzen und dem Gerichtshof ein Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit vorlegen, wenn sie der Auffassung sind, dass Gründe, die gegen die Gültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts sprechen, durchgreifen, und sie damit die Existenz des Gemeinschaftsrechtsakts in Frage stellen (EuGH, Urteil von 10. Januar 2006, C- 344/04, Rn 29, 30).

Ein solcher Fall liegt hier ebenso wenig vor wie einer der anderen Fälle, in denen bei der Entscheidung über die Vorlage von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen wird (vgl. hierzu: Karpenstein in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 267 AEUV, Rn 61 ff).

b)

Die Frage, ob gesundheitsbezogene Angaben nur für den jeweiligen Nährstoff, die Substanz oder das Lebensmittel gemacht werden dürfen, für die sie zugelassen sind, nicht aber für das Lebensmittelprodukt, das diese enthält, ist aus Sicht des Senats offenkundig und ohne vernünftigen Zweifel zu bejahen, so dass eine Vorlagepflicht auch aus diesem Grund nicht anzunehmen ist (vgl. EuGH NJW 1983, 1257).

D.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Eine Notwendigkeit der Änderung der Kostenentscheidung im Hinblick auf die erstinstanzlich vorgenommene Antragsmodifizierung besteht nicht. Der Kläger hat stets das Verbot der konkreten Verletzungsform begehrt, so dass mit der Klarstellung, welche Aussagen auf welches Produkt bezogen waren, keine teilweise Klagerücknahme verbunden gewesen ist.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Entscheidung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung, und sie beruht auf den besonderen Umständen des vorliegenden Falles.






KG:
Urteil v. 11.12.2015
Az: 5 U 64/15


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2e3b0b088be7/KG_Urteil_vom_11-Dezember-2015_Az_5-U-64-15




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