Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. November 2010
Aktenzeichen: 35 W (pat) 47/09
(BPatG: Beschluss v. 29.11.2010, Az.: 35 W (pat) 47/09)
Tenor
1.
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts vom 7. September 2009 insoweit abgeändert, als die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten des ersten Rechtszuges auf 3.965,29 € festgesetzt werden.
2.
Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin 5/8 und die Antragstellerin 3/8.
Gründe
I.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Antragsgegnerin) war Inhaberin des am 31. Oktober 2006 angemeldeten und am 4. Januar 2007 eingetragenen Gebrauchsmusters ... mit der Bezeichnung "..., das mit Löschungsantrag vom 3. Juli 2007 von der Antragstellerin angegriffen worden ist.
Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patentund Markenamts hat mit Beschluss vom 18. Juli 2008 das Gebrauchsmuster gelöscht und der Antragsgegnerin die Kosten des Löschungsverfahrens auferlegt.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) hat eine Kostenrechnung in Höhe von 4.555,09 € eingereicht und Kostenfestsetzungsantrag beim Deutschen Patentund Markenamt gestellt, wobei sie von einem Gegenstandswert von 50.000 € ausging und zuletzt u. a. einen Vergütungssatz des 2,1-fachen der Verfahrensgebühr nach Nr. 2300 VV RVG sowie eine Terminsgebühr in Höhe des 1,2-fachen Satzes nach Nr. 3104 VV RVG geltend machte.
Mit Beschluss vom 7. September 2009 hat die Gebrauchsmusterabteilung I die von der Antragsgegnerin der Antragstellerin zu erstattenden Kosten des ersten Rechtszugs auf 3.195,29 € festgesetzt, wobei sie der Berechnung antragsgemäß einen Gegenstandswert von 50.000 € zu Grunde gelegt und den 2,0-fachen Satz der Verfahrensgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angesetzt hat. Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG wurde nicht berücksichtigt. Zur Begründung führt die Gebrauchsmusterabteilung aus, die spezielle Regelung der Nr. 2300 VV RVG verbiete einen Rückgriff einschließlich einer zusätzlichen Heranziehung anderer Tatbestände. Der Höhe nach erscheine jeweils ein Ansatz des 1,0-fachen Vergütungssatzes für das Verfahren als solches und die Verhandlung angemessen (unter maßvoller Absenkung von VV RVG Nrn. 3510, 3516), zumal in der mündlichen Verhandlung die Gegnerin nicht anwesend gewesen sei. Der von der Antragstellerin angenommenen Ansatz erscheine deutlich überhöht. Es könne hinsichtlich der Schwierigkeit der Angelegenheit auch entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht von einem Rechtanwalt ohne Spezialkenntnisse des Gebrauchsmusterrechts ausgegangen werden, sondern vom tatsächlich in der Sache tätig gewordenen Patentanwalt.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die sich gegen die Nichtanerkennung der geltend gemachten Anwaltskosten, insbesondere der Terminsgebühr, richtet.
Die Antragstellerin führt aus, unter Geltung der BRAGO sei klar und jeweils in gesonderten Bestimmungen geregelt gewesen, wann eine Verhandlungsgebühr, eine Erörterungsgebühr und eine Besprechungsgebühr verdient wurde. Dieses sollte unter der Neufassung durch das RVG vereinheitlicht und der Anwendungsbereich erweitert werden, da der Anwalt nach seiner Bestellung in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sachund Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens hinwirken sollte. So entstehe nach Vorb. 3 Abs. 3 RVG die Terminsgebühr auch für die Mitwirkung an oder auch die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichtete Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts, wobei ein gerichtliches Verfahren noch nicht anhängig sein müsse. Es genüge vielmehr, dass -wie vorliegend -ein Verfahrensauftrag für ein gerichtliches Verfahren vorliege. Eine Terminsgebühr gem. Nrn. 3104, 3516 VV RVG sei daher angefallen.
Auch sei im angefochtenen Beschluss der Satz für die Verfahrensbzw. Geschäftsgebühr mit 1,0 zu niedrig angesetzt worden. Ein Gebrauchsmusterfall sei wegen des sehr hohen Rechercheaufwands und weiterer Tätigkeiten wie Abmahnungen schon im Vorfeld des Löschungsverfahrens und der komplizierten Spezialmaterie sowie wegen der Repliken auf Äußerungen des Gegners in der Regel besonders schwierig. Hinzu komme, dass ein Eingriff in das angegriffene Gebrauchsmuster durch die Antragstellerin sehr wahrscheinlich gewesen sei und die Angelegenheit große wirtschaftliche Bedeutung gehabt habe, weil der Gegenstand des Gebrauchsmusters ein Massenprodukt gewesen sei, das zusammen mit Zubehör vertrieben werde.
Im Übrigen sei der Ansatz von 1,0 für die Verhandlung durch die Gebrauchsmusterabteilung unangemessen. Die Vorbereitung und Wahrnehmung eines Termins vor der Gebrauchsmusterabteilung sei ebenso aufwendig und schwierig wie für eine Verhandlung vor dem Bundespatentgericht, bei der eine Terminsgebühr von 1,3 anerkannt werde. Es sei daher jedenfalls der Satz von 1,2 angemessen.
Falls der Senat diesem Vorbringen nicht folge, sei die 2,0-fache Gebühr für das gesamte Verfahren anzusetzen und angesichts der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung und der Restlaufzeit des Streitgebrauchsmusters bei Antragstellung von 9,5 Jahren von einem Gegenstandswert in Höhe von 150.000 € auszugehen.
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die von der Antragsgegnerin an die Antragstellerin zu erstattenden Kosten auf 4.555,09 € festzusetzen.
Die Antragsgegnerin und Beschwerdegegnerin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten im Verfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt und im Beschwerdeverfahren sowie auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig. Sie hat in der Sache auch teilweise Erfolg.
1.1. Die Gebrauchmusterabteilung hat zu Recht den 2,0-fachen Satz der Verfahrensgebühr nach Nr. 2300 VV RVG angesetzt und nicht auch eine zusätzliche Terminsgebühr nach Nrn. 3104, 3516 VV RVG berücksichtigt.
Bei dem Löschungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patentund Markenamts handelt es sich trotz seiner gerichtsähnlichen Ausgestaltung um ein Verwaltungsverfahren (vgl. BVerfG GRUR 2003, 723 -Rechtsprechungstätigkeit; Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 26 Rn. 4, 5). Die für die Vertretung im Verwaltungsverfahren verdiente Geschäftsgebühr richtet sich darum nach Nr. 2300 VV RVG. Eine weitere Gebühr nach Nr. 3104 VV RVG für die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung wird dabei nicht verdient. Dies ergibt sich schon aus der systematischen Stellung dieser Gebührenvorschriften. Nr. 2300 VV RVG findet sich in Teil 2 Außergerichtliche Tätigkeiten einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren der Anlage 1 (zu § 2 Abs. 2 RVG), Abschnitt 3 Vertretung. Die Vergütungsvorschrift, auf die der Vertreter der Beschwerdeführerin Bezug nimmt, steht dagegen in Teil 3 Zivilsachen, Verfahren der öffentlichrechtlichen Gerichtsbarkeiten und ähnliche Verfahren, Vorbemerkung 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nr. 3104 VV RVG. Nach dieser Regelung fällt eine Terminsgebühr an für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungsoder Beweisaufnahmetermin oder die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins oder die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts. Diese unterschiedliche Einordnung zeigt, dass Nr. 2300 VV RVG die Tätigkeit im (vorgerichtlichen) Verwaltungsverfahren erfassen soll, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 in Verbindung mit Nr. 3104 VV RVG aber die anwaltliche Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren betrifft. Daraus folgt jedoch, dass eine Tätigkeit, die notwendiger Bestandteil des Verwaltungsverfahrens ist und als solche vergütet wird, nicht gleichzeitig auch noch eine Gebühr nach den für das gerichtliche Verfahren geltenden Vorschriften auslösen kann.
Dies ergibt sich auch aus dem Sinn und Zweck der Vergütungsvorschriften. Nach der BRAGebO wurden außergerichtliche Besprechungen, die zur Beendigung oder Verhinderung des gerichtlichen Verfahrens dienten, nicht honoriert. Um die außergerichtliche Streitbeilegung zu fördern, wurde durch das RVG die Regelung des Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 3 eingeführt (vgl. Mayer, Krois, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 4. Aufl., Vorbemerkung 3 Rn. 40; Göttlich/Mümmler/Rehberg, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2010, Stichwort Terminsgebühr des Teils 3 Ziffer 3.1). Diese Vorschrift soll demnach nur gewährleisten, dass der Anwalt, der die gerichtliche Angelegenheit ohne mündliche Verhandlung zum Abschluss bringt, nicht schlechter gestellt ist als der, der die Sache in einer streitigen mündlichen Verhandlung vertritt, nicht aber eine zusätzliche Vergütung für die Tätigkeit in vorangegangenen Verwaltungsverfahren schaffen. Dass außergerichtliche Besprechungen nicht zweifach vergütet werden sollen, zeigt auch die BTDrs. 15/1971 S. 265 "Zu Nummer 3104", wo u. a. ausgeführt wird, dass Abs. 2 der Anmerkung erreichen solle, dass die Terminsgebühr nicht doppelt verdient wird, wenn die Terminsgebühr auch in einem anderen Verfahren anfällt (vgl. Rn. 40; Göttlich/Mümmler/Rehberg, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 2010, Stichwort Terminsgebühr des Teils 3 Ziffer 4.1).
Für eine Anwendung der o. g. Vergütungsvorschriften auf den vorliegenden Fall gibt es auch gar kein Bedürfnis, weil dem Umstand, dass eine mündliche Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung stattgefunden hat, bereits durch Nr. 2300 VV RVG Rechnung getragen wird, die die Anrechnung eines Gebührensatzes bis zum 2,5-fachen erlaubt.
Dies steht auch nicht in Widerspruch zu der Absicht des Gesetzgebers, den Anwalt durch das RVG nicht schlechter zu stellen als er unter der Geltung der BRAGebO gestellt war. Denn nach dem früher für das Verwaltungsverfahren einschlägigen § 118 BRAGebO erhielt der Anwalt fünf Zehntel bis zehn Zehntel der vollen Gebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information, des Einreichens, Fertigens oder Unterzeichnens von Schriftsätzen oder Schreiben und des Entwerfens von Urkunden (Geschäftsgebühr) und eine weitere Gebühr für das Mitwirken bei mündlichen Verhandlungen oder Besprechungen über tatsächliche oder rechtliche Fragen, die von einem Gericht oder einer Behörde angeordnet oder im Einverständnis mit dem Auftraggeber vor einem Gericht oder einer Behörde, mit dem Gegner oder mit einem Dritten geführt wurden. Dies bedeutet, dass auch nach dem alten Recht für das Löschungsverfahren vor der Gebrauchsmusterabteilung höchstens zwei volle Gebühren vorgesehen waren, wie sie auch vorliegend der angegriffenen Kostenfestsetzung zugrundegelegt wurden.
1.2. Auch der Ansatz der Vergütung der Vertreter der Antragstellerin mit einem 2,0-fachen Gebührensatz ist vorliegend nicht zu beanstanden. Die für die Vertretung im Verwaltungsverfahren verdiente Geschäftsgebühr richtet sich nach Nr. 2300 VV RVG. Danach fällt eine Geschäftsgebühr in Höhe des 0,5-fachen bis 2,5-fachen Satzes an. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Somit ist im Normalfall ein Regelsatz von 1,3 anzusetzen, der bei unterdurchschnittlich umfangreichen oder schwierigen Fällen unterschritten werden kann. Nach § 14 Abs. 1 RVG erfolgt die Festsetzung der Gebühr nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommensund Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Maßstab ist nach allgemeiner Auffassung, die den Patentanwalt gebührenrechtlich mit dem Rechtsanwalt gleichstellen will, die Schwierigkeit und der Aufwand des Geschäfts für einen Patentanwalt (vgl. etwa die bei Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 80 Rn. 34, 35 zitierte Rspr.; vgl. auch BPatG 10 W (pat) 24/00 v.
5. März 2001 zu PAGO), zu dessen typischem Tätigkeitsbereich die Vertretung im Gebrauchsmusterlöschungsverfahren gehört (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 PAO).
Im vorliegenden Fall betrug die Begründung des Löschungsantrags fünf Seiten und stützte sich auf zwei Entgegenhaltungen. Hinzu kam ein sechsseitiger Schriftsatz mit einer Anlage. Weiterhin hat der Vertreter der Antragstellerin an der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung teilgenommen, zu der die Antragsgegnerin oder ein Vertreter der Antragsgegnerin nicht erschienen war. Hieraus lässt sich kein besonderer Aufwand herleiten. Wie der Senat aus eigener Erfahrung weiß, sind häufig wesentlich aufwendigere Recherchen und Schriftsätze sowie Repliken und Dupliken erforderlich. Auch bedeutet eine mündliche Verhandlung mit anwesender Antragsgegnerin, die üblicherweise noch Hilfsanträge einreicht, in aller Regel einen wesentlich höheren Aufwand als eine Verhandlung, zu der -wie angekündigt -die Gegnerin nicht erscheint. Die von der Antragstellerin behauptete drohende Verletzungsgefahr und die damit verbundene mögliche erhebliche wirtschaftliche Beeinträchtigung des Löschungsantragstellers durch das Streitgebrauchsmuster ist üblicherweise Anlass zur Stellung eines Löschungsantrags. Außerdem hat die Antragstellerin nicht konkret vorgetragen, weshalb vorliegend ein besonders hohes Haftungsrisiko bestanden haben soll. Weiterhin ist zu bedenken, dass bei besonders schwierigen und aufwendigen Verfahren maximal der 2,5-fache Gebührensatz verdient werden kann. Der Ansatz der Vergütung des Vertreters der Antragsgegnerin für die Vertretung im Löschungsverfahren einschließlich der mündlichen Verhandlung mit dem 2,0-fachen Gebührensatz im vorliegenden Fall ist daher gerechtfertigt.
1.3. Allerdings ist der Senat der Auffassung, dass im vorliegenden Fall vom durchschnittlichen Gegenstandswert in Höhe von 125.000 € auszugehen ist.
Nach allgemeiner Ansicht hängt der Wert eines Gebrauchsmusters vom Einzelfall ab. Die Bemessung des Gegenstandswertes erfolgt gemäß §§ 23, 33 RVG i. V. m. §§ 3, 4 ZPO grundsätzlich nach freiem Ermessen. Sie richtet sich nach allgemeiner Ansicht nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Gebrauchsmusters, nicht nach dem Interesse der Verfahrensbeteiligten. Ausgangspunkt für die Bemessung des Werts ist der gemeine Wert des Gebrauchsmusters, wie er sich zum Zeitpunkt der Stellung des Löschungsantrags für die restliche Laufzeit darstellt und für dessen Höhe die noch zu erwartenden Erträge des Schutzrechts, insbesondere durch Eigennutzung und Lizenzvergabe, aber auch aus Verletzungshandlungen, bis zum Ablauf seiner Schutzdauer und die bis zum Beginn des Verfahrens entstandenen Schadensersatzforderungen aus Verletzungshandlungen einen Anhalt geben. Dabei ist die Rechtsbeständigkeit des Gebrauchsmusters zu unterstellen (vgl. Bühring, Gebrauchsmustergesetz, 7. Auflage, § 17 Rn. 105 ff. mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).
Die Höhe des Gegenstandswerts ist unabhängig von der angewandten Vergütungsnorm und von der Höhe des Gebührensatzes zu bemessen und ein zu niedriger Ansatz kann daher nicht hilfsweise geltend gemacht werden. Außerdem fehlt es zum hilfsweise geltend gemachten Gegenstandswert in Höhe von 150.000,-€ an einem hinreichend substantiierten Vortrag zum unterdurchschnittlichen wirtschaftlichen Interesse der Allgemeinheit an der Löschung des Streitgebrauchsmusters. Denn es wurden keinerlei konkrete Angaben über mit den betreffenden Produkten erzielten gesamten Umsätze bzw. Verkaufszahlen pro Jahr und die Marktanteile, die Gewinnspanne, die wirtschaftlichen Erfolgsaussichten für die Zukunft, übliche Lizenzsätze etc. konkret genannt, noch zu deren Glaubhaftmachung entsprechende Belege eingereicht.
Zwar geht der von der Gebrauchsmusterabteilung angenommene Gegenstandswert von 50.000 € auf die Kostenrechnung der Antragstellerin zurück, der die Antragsgegnerin nicht widersprochen hat. Der Senat ist jedoch an das Vorbringen und die Einschätzungen der Verfahrensbeteiligten nicht gebunden. Die Festsetzung des Gegenstandswerts hat sich nach den tatsächlichen Verhältnissen zu richten; maßgeblich ist allein das wirtschaftliche Interesse, das mit dem Löschungsantrag objektiv verfolgt worden ist. Ergibt sich im Nachhinein, dass beide Parteien das Verfahren mit einer zu niedrigen Gegenstandswertangabe geführt haben, ist eine der Sachlage angemessene Erhöhung des Gegenstandswertes geboten, selbst wenn die Tatsachen hierfür erst später vorgebracht worden sind; in keinem Fall ist ein Vertrauensschutz gerechtfertigt (vgl. OLG Düsseldorf Mitt. 2010, 490, 491 -"Du sollst nicht lügen!").
Nachdem die Antragstellerin bereits in der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung einen Gegenstandswert von 150.000 € für angemessen gehalten hat und aus den im Kostenbeschwerdeverfahren eingereichten Unterlagen jedenfalls die Art und Verwendungsweise der von Verbietungsrechten aus dem Streitgebrauchsmuster betroffenen Gegenstände ersichtlich ist, erscheint dem Senat eine Erhöhung des Gegenstandswertes für geboten, zumal die Antragsgegnerin diesem Vorbringen nicht widersprochen hat. Entscheidend ist hierbei neben der Eigenschaft der von Verbietungsrechten betroffenen Gegenstände als Massenprodukte vor allem auch die hohe Restlaufzeit des Streitgebrauchsmusters von neuneinhalb Jahren zum Zeitpunkt der Löschungsantragstellung. Insgesamt handelt es sich daher vorliegend nicht um einen vom Durchschittsfall wertmäßig nach unten abweichenden Fall, so dass von dem für durchschnittliche Fälle üblichen Gegenstandswert von 125.000 € auszugehen ist.
1.4. Demnach berechnet sich die Vergütung der Antragstellerin wie folgt:
Gebührentatbestand RVG-VVNr. Satz Betrag in €
Gegenstandswert §§ 2 Abs. 1, 33 RVG: 125.000 €
Verfahrensgebühr für Patentanwalt 2300 2,0 2.862,00 Pauschale Entgelte für Postund Telekommunikationsdienstleistungen jeweils für Patentund Rechtsanwalt 7002 20,00 Antragsgebühr 300,00 Kosten der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung 631,59 73,95 16,82 0,93 60,00 3.965,29€
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens verteilen sich gem. §§ 18 Abs. 2 Satz 2, 84 Abs. 2 PatG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der auch bei Nebenentscheidungen in Löschungsverfahren anwendbar ist (vgl. Bühring, a. a. O., § 18 Rn. 90), entsprechend dem teilweisen Unterliegen der Verfahrensbeteiligten.
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BPatG:
Beschluss v. 29.11.2010
Az: 35 W (pat) 47/09
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