Landgericht Münster:
vom 17. April 2009
Aktenzeichen: 016 O 532/07
(LG Münster: v. 17.04.2009, Az.: 016 O 532/07)
Tenor
Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Pro-zentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG aus 390.000,- € seit dem 5. September 2002 und aus weiteren 110.000,- € seit dem 30. Oktober 2007 zu zahlen, abzüglich bereits gezahlter 350.000,- €.
Daneben werden die Beklagten verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 15.237,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 1 DÜG seit dem 30. Oktober 2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 52 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 48 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutrei-benden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die am 27. August 1992 geborene Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus Anlass eines Verkehrsunfalls geltend, der sich am 7. Oktober 2001 gegen 18.30 Uhr in I2 ereignet hat. Die damals 9 Jahre alte Klägerin wurde auf der dortigen I-Straße vom Fahrzeug des Beklagten zu 1), das bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war, frontal erfasst und durch die Luft geschleudert, wodurch sie schwerste Verletzungen erlitt. Die volle Eintrittsverpflichtung der Beklagten für die unfallbedingten Schäden ist zwischen den Parteien mittlerweile unstreitig.
Durch den Unfall erlitt die Klägerin ein Schädel-Hirn-Trauma Grad IV-V mit multiplen Kalottenfrakturen rechts frontoparietooccipitotemporal und links temporooccipital, ausgedehnte kontusionelle Läsionen mit massivem Hirnödem, Koma, Einklemmungssymptomatik und traumatischem Hydrocephalus sowie einer Pneumonie. Nachdem sie zur Erstversorgung zunächst mit einem Rettungshubschrauber in das Klinikum P eingeliefert worden war, fand in der Zeit vom 8. Oktober bis zum 17. Dezember 2001 ihre stationäre Behandlung in der Paracelsus-Klinik in P statt. Dort wurde bei ihrer Aufnahme am 8. Oktober 2001 eine ausgedehnte hemisphärielle Entlastungskraniotomie rechts vorgenommen, wobei ein massives Hirnödem mit kontusionellen Läsionen bei dünnem subduralem Hämatom und zahlreichen Kalottenfrakturen diagnostiziert wurde. Zudem bestand bei der Klägerin eine linksbetonte spastische Tetraparese. Zur weiteren kraniellen Drucküberwachung wurde ihr eine epidurale Spiegelbergdrucksonde implantiert. Ende November 2001 wurde der Klägerin ein Teil ihres Schädelknochens, der zwischenzeitlich in ihren Unterbauch implantiert worden war, wieder eingesetzt; gleichzeitig wurde ihr ein ventriculoperitonealer Shunt zur Hirndruckkontrolle implantiert.
Anschließend wurde die Klägerin für eine Woche in die Klinik I3 in I verlegt. Infolge der Schädel-Hirn-Schädigung hatte sich bei ihr bereits eine schwere Tetraspastik entwickelt. Die Klägerin, die sich im Wachkoma befand, musste tracheotomiert werden, um eine ausreichende Atmung sicherzustellen. Sie konnte nicht oral ernährt werden, sondern bedurfte der künstlichen Ernährung. Weiterhin bestand eine Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung, welche die Urinableitung über einen suprapubischen Katheter erforderlich machte.
Vom 24. Dezember 2001 bis zum 4. Januar 2002 wurde die Klägerin sodann im Universitätsklinikum F stationär behandelt. Vom 4. Januar bis zum 21. Mai 2002 sowie vom 3. Juni bis zum 4. Juli 2002 befand sich die Klägerin erneut in stationärer rehabilitativer Behandlung in der Klinik I3 in I.
Vom 21. Mai 2002 bis zum 3. Juni 2002 fand eine weitere stationäre Behandlung in der Paracelsus-Klinik in P statt. Dabei wurde der Klägerin ein künstliches Schädeldeckenimplantat eingesetzt.
Am 4. Juli 2002 wurde die Klägerin mit fehlender Kopfkontrolle, ausgeprägter spastischer Tetraparese und mit apallischem Syndrom aus der Klinik I3 in die häusliche Pflege entlassen.
Im Jahre 2004 stellte sich bei der Klägerin eine Epilepsie ein, die sich in Form tonischer Anfälle äußert. Diese Anfälle dauern durchschnittlich 10 Sekunden und ereignen sich unregelmäßig, teilweise mehrmals täglich. Die Klägerin ist nicht mehr in der Lage, sich in irgendeiner verbalen Form zu äußern. Wenn die Klägerin sich unbehaglich fühlt oder Schmerzen verspürt, wird sie unruhig, gibt Laute von sich oder reagiert mit einer erheblichen Zunahme der Spastik. Sie ist kaum in der Lage, selbst Bewegungen auszuführen und kann ihre Körperposition nicht ändern. Langes Verbleiben in einer Körperposition verursacht ihr Schmerzen, die sich dann in dem beschriebenen Verhalten der Klägerin äußern.
Weiterhin hat die Klägerin eine skoliosebedingte Thoraxasymmetrie und leidet unter Obstipation; mindestens einmal wöchentlich treten bei ihr Verstopfungen auf. Immer wieder kommt es bei ihr zu Lungenentzündungen und Bauchspeicheldrüsenentzündungen sowie zu Entzündungen des zentralen Venenkatheters. Ihre Bänder, Sehnen und Gelenkkapseln sind verkürzt, so dass es zu Kontrakturen in den Handgelenken und zur Bildung von Spitzfüßen gekommen ist. Durch häufig auftretende Harnwegsinfektionen ist es bei der Klägerin Ende des Jahres 2007 zur Bildung eines Nierensteins gekommen, der so groß wie die Niere selbst war. Bei der operativen Entfernung dieses Nierensteins wurde als Zufallsbefund ein großer Ausguss-Stein in der linken Niere diagnostiziert, der ebenfalls entfernt wurde.
Der Pflegeaufwand für die Klägerin, die rund um die Uhr der Aufsicht bedarf, ist beträchtlich. Trotz Trileptalmedikation treten bei ihr häufig epileptische Anfälle auf, und zwar bis zu zehn Mal pro Tag und Nacht. Durch beruhigendes Einwirken ihrer Eltern wird eine Lösung der Krampfanfälle, deren Dauer zwischen 30 Sekunden und einer Minute liegt, bewirkt. Eine Umlagerung der Klägerin erfolgt auf Grund der Körperlähmungen zweimal pro Nacht. Auf Grund von Schwitzanfällen kann ein Kleiderwechsel bis zum viermal pro Nacht erforderlich sein. Häufiger treten nachts Verschleimungsattacken bei der Klägerin auf, die - neben den mehrfach täglich durchgeführten Inhalationen mittels Kochsalzlösung - ein manuelles Absaugen erforderlich machen. Da die Klägerin stuhl- und harninkontinent ist, muss nachts mindestens ein Windelwechsel durchgeführt werden. Der Transport im Hause erfolgt mittels eines Treppenliftes; damit sie die Badewanne benutzen kann, ist der Einsatz eines Deckenliftsystemes erforderlich.
Die Nahrungsaufnahme der Klägerin erfolgt vollständig über eine PEG-Sonde. Tagsüber wird sie in einem Spezialrollstuhl mit körperangepasster Sitzschale gelagert, der wegen der begleitenden Skoliose an gefährdeten Knochenstellen mehrfach gepolstert ist. Auf Grund von Kontrakturen im Fußbereich muss die Klägerin beidseits Orthesen tragen; außerdem muss sie zusätzlich Nachtorthesen tragen, welche abends angelegt werden müssen. Die Schultergelenke der Klägerin sind nur noch wackelbeweglich. Auf Grund eines massiven Muskelhypertonus trägt die Klägerin beidseits Handrollen mit Gurtfixation, zeitweise auch Handlagerungsschienen. Auf Grund der Skoliose muss die Klägerin zusätzlich ein Korsett tragen. Die Fixierung im Rollstuhl erfolgt durch einen Hosenträgergurt mit zusätzlichem Beckengurt; der Kopf wird durch ein am Rollstuhl angebrachtes Stirnband fixiert. Auf Grund der häufig auftretenden spastischen Zuckungen wird das Band häufig nach hinten gestülpt, so dass der Kopf der Klägerin nach links vorne fällt. Hierdurch kommt es jedoch zu einer deutlichen Einschränkung ihrer Atmung, so dass eine rasche Lagekorrektur zwingend notwendig ist. Die Lippen und die Zunge der Klägerin sind trocken, so dass häufig eine Befeuchtung erfolgen muss. Die Augen der Klägerin sind ebenfalls trocken und müssen mit einem künstlichen Tränenfilm benetzt werden.
Die Klägerin, die auf Lebenszeit erwerbsunfähig bleiben wird, ist für sämtliche Verrichtungen des täglichen Lebens auf fremde Hilfe angewiesen. Sie ist in der Lage, Schmerz zu empfinden und dies durch entsprechende Signale - wie z.B. Veränderungen ihrer Mimik - zu zeigen. Sie kann auf akustische und taktile Reize reagieren, Gefühle ausdrücken, lächeln und auch weinen. Ob sich die Klägerin darüber hinaus ihrer Situation bewusst ist, blieb zwischen den Parteien streitig. Derzeit wird die Klägerin fünf Mal pro Woche jeweils zwei Stunden physiotherapeutisch behandelt und erhält wöchentlich jeweils zwei Sitzungen Logopädie und Ergotherapie.
Mit Schreiben vom 29. November 2001, wegen dessen genauen Inhalts auf Blatt 86 der Akte Bezug genommen wird, forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin bei der Beklagten zu 2) einen Schmerzensgeldvorschuss in Höhe von 5.000,- DM an. Weil keine Zahlung erfolgte, fragten sie mit Schreiben vom 4. Januar 2002 bei der Beklagten zu 2) an, ob der angeforderte Vorschuss gezahlt wird. Die Beklagte zu 2) entgegnete daraufhin mit Schreiben vom 18. Januar 2002, wegen dessen weiteren Inhalts auf Blatt 88 der Akte Bezug genommen wird, dass sie derzeit keine Haftung ihres Versicherungsnehmers - des Beklagten zu 1) - am Zustandekommen des Unfalls sehe und deshalb der Ausgang des Strafverfahrens abgewartet werden müsse; ggf. biete sich dann auch die Einholung eines unfallanalytischen Sachverständigengutachtens an.
Mit Schreiben vom 25. Januar 2002 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte zu 2) sodann auf, bis zum 8. Februar 2002 zu bestätigen, dass sie den Schaden der Klägerin ausgleichen werde. Hierauf entgegnete die Beklagte zu 2) unter dem 21. Februar 2002, dass sie auf Grund der Gegebenheit keine Möglichkeit sehe, ein Haftungsanerkenntnis abzugeben.
Mit Schreiben vom 22. August 2002, wegen dessen genauen Inhalts auf Blatt 93 bis 98 der Akte Bezug genommen wird, machten die Prozessbevollmächtigten gegenüber der Beklagten zu 2) sodann ein Schmerzensgeld in Höhe von 390.000,- € zzgl. einer monatlichen Rente in Höhe von 800,- € geltend und forderten die Beklagte zu 2) unter Fristsetzung bis zum 4. September 2002 zur Zahlung auf. Nachdem die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 11. September 2002 unter Hinweis auf das gegen den Beklagten zu 1) laufende Strafverfahren eine Zahlung erneut abgelehnt hatte, zahlte sie im März 2003 einen ersten Vorschuss in Höhe von 50.000,- € an die Klägerin aus. Im Juli 2003 zahlte sie sodann einen weiteren Betrag in Höhe von 50.000,- €. In einer im Oktober 2003 stattfindenden Besprechung erklärte sich die Beklagte zu 2) bereit, den Schaden der Klägerin zu 2/3 auszugleichen.
Mit Schreiben vom 8. Januar 2004 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin einen weiteren angemessenen Vorschuss auf den Schadensersatz von der Beklagten zu 2) an. Gut ein Jahr später, und zwar im Februar 2005, zahlte die Beklagte zu 2) sodann einen weiteren Betrag in Höhe von 50.000,- € an die Klägerin und im Oktober 2005 weitere 50.000,- €. Nachdem sodann im Verfahren der Krankenkasse der Klägerin gegen die hiesigen Beklagten (Aktenzeichen: ......... LG Münster) am 5. Mai 2006 ein Urteil ergangen war, welches zu einer 100%igen Einstandspflicht der Beklagten für die entstandenen Heilbehandlungskosten gelangt war, und die Beklagten ihre hiergegen eingelegte Berufung unter dem 13. November 2006 zurückgenommen hatten, zahlte die Beklagte zu 2) auf das Schmerzensgeld einen weiteren Betrag in Höhe von 150.000,- € an die Klägerin aus. Hintergrund dieser Zahlung war, dass die Beklagte zu 2) ein Schmerzensgeld in Höhe von 350.000,- € für angemessen hielt, allerdings von einer Mithaftung der Klägerin in Höhe von 1/3 ausging und aus diesem Grund zunächst nur 200.000,- € an sie auszahlte. Nach Rücknahme ihrer Berufung gegen das landgerichtliche Urteil vom 5. Mai 2006 hielt die Beklagte zu 2) an dieser Auffassung jedoch nicht mehr fest und überwies der Klägerin auch die restlichen 150.000,- €.
Mit Schreiben vom 21. November 2006, wegen dessen genauen Inhaltes auf Blatt 142 der Akte Bezug genommen wird, teilte die Beklagte zu 2) den Prozessbevollmächtigten der Klägerin darüber hinaus folgendes mit: "Im übrigen bestätigen wir, dass wir in dem Rechtsstreit der C gegen uns die Berufung zurückgenommen haben. Somit besteht eine 100%ige Haftung unsererseits."
Mit ihrem Klageantrag zu 2) macht die Klägerin ihren materiellen Schaden geltend, dessen Höhe sie wie folgt berechnet:
In der Zeit vom 12. März bis zum 3. April 2004 wurde bei der Klägerin eine Delphin-Therapie in G durchgeführt. Die hierdurch angefallenen Kosten wurden von der Beklagten zu 2) in voller Höhe erstattet. In der Zeit vom 7. bis zum 25. April 2006 führte die Klägerin eine weitere Delphin-Therapie in den G durch. Die hierdurch entstandenen Kosten beliefen sich auf insgesamt 10.118,26 € und verteilen sich wie folgt:
Flugkosten 2.405,00 € Unterbringungskosten 2.455,52 € Fahrzeuganmietung (behindertengerecht) 1.852,67 € Therapiekosten 3.405,07 €
Die Beklagte zu 2) lehnte eine Übernahme dieser Kosten ab.
Vom 9. August bis zum 2. September 2004 wurde bei der Klägerin eine Sauerstoff-Therapie in der T2 durchgeführt. Die hierdurch entstandenen Kosten wurden von der Beklagten zu 2) übernommen. Vom 7. Juli bis zum 2. August 2005 führte die Klägerin dann eine weitere Sauerstoff-Therapie in der T2 durch; hierdurch entstanden Kosten von insgesamt 5.419,76 €. Diese schlüsseln sich wie folgt auf:
Verdienstausfall des Vaters 1.923,94 € Honorar für den behandelnden Arzt 2.050,00 € Hilfsmittel (Anpassung des Korsetts/Anschaffung von
Handlagerungsschienen und Rollen) 73,82 €
Fahrtkosten (4.050 km x 0,24 €/km) 972,00 € Unterkunftskosten 400,00 €
Diese Kosten, die von der Beklagten zu 2) nicht erstattet wurden, macht die Klägerin - mit Ausnahme der für die Hilfsmittel verauslagten Kosten in Höhe von 73,82 €, also insgesamt nur in Höhe von 5.345,94 € - nunmehr klageweise geltend.
In der Zeit vom 1. Juli 2006 bis zum 28. Oktober 2006 wurde bei der Klägerin am Institut S in C2 eine Stammzellentherapie durchgeführt. Während ihrer Behandlung wurde die Klägerin abwechselnd von ihren Eltern betreut, die während eines Zeitraums von 28 Tagen gleichzeitig anwesend waren. Die Kosten für die Therapie, die sich auf 98.510,21 € belaufen und die von der Beklagten zu 2) nicht erstattet wurden, setzen sich aus den folgenden Einzelpositionen zusammen:
Behandlungskosten 78.114,40 € Flugkosten 8.363,95 € Unterkunftskosten 5.635,43 € Verdienstausfall des Vaters der Klägerin 4.143,50 € Postgebühren DHL C2 59,00 € Flughafengebühren C2 84,53 € Parkgebühren Flughafen G 112,00 € Zugfahrten mit der Deutschen Bahn 211,00 € Fahrtkosten I2-G (1.400 km x 0,24 €/km) 336,00 € verschreibungspflichtige Medikamente für die Klägerin
in C2 46,40 €
Betreuungskosten für die Schwester der Klägerin 1.400,00 €
Summe 98.506,21 €
Die Klägerin trägt hierzu vor, dass - wäre sie auf dem Flug nicht von beiden Elternteilen begleitet worden - die Buchung eines Bettes in der Business-Class erforderlich gewesen wäre; zudem hätte ein Arzt der Fluglinie anwesend sein müssen. Die Flugkosten hätten sich in diesem Fall nicht auf rund 8.400,- €, sondern auf etwa 18.000,- € belaufen. Eine Betreuung durch ein Elternteil allein sei aufgrund des enormen Betreuungsaufwands nicht möglich gewesen, so dass sich beide Eltern hätten abwechseln müssen. Die Postgebühren seien für die Versendung medizinischer Unterlagen und Röntgenbilder zur Anamnese an das Institut S angefallen. Während des Zeitraumes, in dem beide Elternteile in C2 anwesend gewesen seien, habe ihre jüngere Schwester betreut werden müssen, was zusätzliche Kosten verursacht habe.
Seit dem 1. Oktober 2002 erhält die Klägerin vom Landschaftsverband W ein Blindengeld in Höhe von monatlich zunächst 290,00 €, ab dem 1. Juli 2003 dann 293,00 € pro Monat. Für die Zeit vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Januar 2007 belief sich das Blindengeld - dies ist zwischen den Parteien unstreitig - auf insgesamt 15.237,- €. Diesen Betrag hat die Beklagte zu 2) von dem Pflegegeld, welches sie den Eltern der Klägerin für deren Betreuung gezahlt hat, in Abzug gebracht.
Im Zusammenhang mit der Anrechnung des Blindengeldes bat der Vater der Klägerin Frau Rechtsanwältin T um eine Stellungnahme. Frau T stellte hierüber eine Rechnung über 338,23 € aus, wegen deren genauen Inhalts auf Blatt 133 der Akte Bezug genommen wird.
Der mit dem Klageantrag zu 2) beanspruchte materielle Schadensersatz setzt sich hiernach wie folgt zusammen:
Delphintherapie 10.118,26 € Sauerstofftherapie 5.345,94 € Stammzellentherapie 98.506,21 € einbehaltene Pflegekosten 15.237,00 € Anwaltskosten RAin T 338,23 €
Summe 129.545,64 €
Schließlich verlangt die Klägerin auch die vorgerichtlichen Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten ersetzt. Auf der Grundlage eines Streitwerts von 340.836,64 € (161.291,- € für den Antrag zu 1., 129.545,64 € für den Antrag zu 2. und 50.000,- € für den Antrag zu 3.) errechnet sie diese Kosten wie folgt:
1,3 Geschäftsgebühr 3.127,80 €
Post- und Telekommunikationskosten 20,00 €
Mehrwertsteuer 598,08 €
Summe 3.745,88 €
Die Klägerin hält ein Schmerzensgeld in Höhe von 1,0 Mio. DM (= 511.291,- €) für angemessen, aber auch erforderlich. Ihr gesamtes Leben sei auf die primitivsten Existenzzustände reduziert und ihre Persönlichkeit weitgehend zerstört worden. Die Einbuße der Persönlichkeit und der Verlust an personaler Qualität infolge schwerster Hirnschädigungen stellten schon für sich genommen einen auszugleichenden immateriellen Schaden dar, und zwar unabhängig davon, ob das Unfallopfer die Beeinträchtigung empfinde oder nicht. Eine wesentliche Ausprägung des immateriellen Schadens könne allerdings darin bestehen, dass sich der Verletzte seiner Beeinträchtigung bewusst sei und deshalb in besonderem Maße unter ihr leide. Hiervon sei im vorliegenden Fall auszugehen, da die Klägerin ihren Eltern gegenüber Reaktionen durch Veränderungen ihrer Mimik zeige. Weiterhin müsse sich das zögerliche Regulierungsverhalten der Beklagten zu 2) schmerzensgelderhöhend auswirken. Ein Grund, mit der Schmerzensgeldzahlung abzuwarten, habe nicht bestanden. Ihre Prozessbevollmächtigten hätten von dem Verfahren ihrer Krankenkasse gegen die Beklagten (......... LG Münster) erst im Nachhinein erfahren.
Das Schmerzensgeld solle als Gesamtkapitalbetrag ausgezahlt werden; die Zahlung einer Schmerzensgeldrente, wie ihre Prozessbevollmächtigten sie mit Schreiben vom 22. August 2002 ursprünglich geltend gemacht hatte, verlangt die Klägerin nun nicht mehr.
Die Klägerin behauptet, die Delphin-Therapie in G, die Sauerstoff-Therapie in der T2 und die Stammzellentherapie in C2 seien aus medizinischer Sicht geeignet gewesen, ihren Zustand im Sinne einer Heilung oder Linderung zu verbessern. Bereits vor über 20 Jahren hätten amerikanische Forscher festgestellt, dass Kinder auf Delphine positiver reagieren als auf andere Tiere. Man habe herausgefunden, dass sich behinderte Kinder beim Spiel mit den Delphinen überdurchschnittlich entspannen und konzentrieren, dass ihr Immunsystem gestärkt und ihre Aufnahmefähigkeit vergrößert werde. Bei der Klägerin seien Besserungen ihres Gesundheitszustandes (erhöhte Aufmerksamkeit, bewussteres Wahrnehmen der Umwelt) eingetreten, die auf den Kontakt mit den Delphinen zurückzuführen seien.
Die Sauerstoff-Therapie führe zu einer Fülle von therapeutischen Effekten. Es würden dadurch Körperregionen erreicht, in denen ein Sauerstoffdefizit herrsche, z. B. durch eine Minderdurchblutung. Zellen, die für Heilungsprozesse verantwortlich seien, würden stimuliert und aktiviert, die Neubildung von kleinen Gefäßen werde gefördert. Wissenschaftliche Studien für die Anwendung und die Erfolge der Sauerstoff-Therapie bei Kindern mit Schädel-Hirn-Trauma seien in den G veröffentlicht und nachgewiesen worden.
Eine Stammzellentherapie, wie sie bei der Klägerin durchgeführt worden sei, beinhalte die realistische Chance, ihren Gesundheitszustand zu lindern oder eine Verschlechterung zu verhindern. Die Therapie, deren Kosten üblich und angemessen seien, hätte bei der Klägerin zu einer Verbesserung ihrer Atmung und ihrer Schluckfähigkeit geführt, zudem habe sie nach der Therapie einfachen Anweisungen ihrer Eltern folgen können.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass das an sie ausgezahlte Blindengeld von der Beklagten zu 2) zu Unrecht von dem Pflegegeld in Abzug gebracht worden sei. Eine Anrechnung des Blindengeldes auf das Pflegegeld sei nicht gerechtfertigt, da in den vorliegenden Pflegegutachten keine durch Blindheit bedingten Mehraufwendungen aufgeführt seien. Ein pflegerischer Hilfebedarf, der auf die Blindheit der Klägerin zurückzuführen sei, sei nicht feststellbar; die pflegerische Hilfe sei deshalb ausschließlich auf Grund der sonstigen Einschränkungen der Klägerin zu gewähren. Der von der Beklagten zu 2) akzeptierte Pflegebedarf von 15,2 Stunden täglich wäre auch angefallen, wenn die Klägerin nicht erblindet wäre. Zudem gelte, wie aus dem Schreiben des Landschaftsverband W vom 29. Juni 2007 (Anlage K 49, Bl. 238 d. A.) hervorgehe, eine Anrechnung nicht für Blinde, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hätten.
Ursprünglich hatte die Klägerin - neben den Zahlungsanträgen - auch beantragt, festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 7. Oktober 2001 auf der I-Straße in I2 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen. Die Beklagten haben diesen Antrag mit Schriftsatz vom 29. November 2007 insoweit anerkannt, als festgestellt wird, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin sämtliche zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfall vom 7. Oktober 2001 auf der I-Straße in I2 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
Antragsgemäß hat die Kammer daraufhin am 6. März 2008 ein Anerkenntnis-Teilurteil erlassen, wegen dessen genauen Inhalts auf Blatt 246 und 247 d. A. Bezug genommen wird.
Die Klägerin beantragt nunmehr noch,
1.
die Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. September 2002 abzüglich bereits gezahlter 350.000,- € zu zahlen;
2.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 129.545,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. Oktober 2007 sowie vorgerichtliche Kosten in Höhe von 3.745,88 € zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, eine zögerliche Regulierung des Schadens sei ihnen nicht vorzuwerfen. Gegenstand des Rechtsstreits ......... LG Münster sei im Wesentlichen die Frage der Haftung der Beklagten dem Grunde nach und hier insbesondere die Frage einer Mithaftung der hiesigen Klägerin aus einem unfallursächlichen eigenen Fehlverhalten gewesen. Wenngleich das Landgericht in seinem Urteil vom 5. Mai 2006 letztendlich eine 100%ige Haftung der Beklagten bejaht habe, führe das Urteil allerdings ausdrücklich auch auf, dass auf Seiten der Klägerin ein Mitverschulden am Unfallereignis vorgelegen habe. Die gleichwohl uneingeschränkte Eintrittspflicht der Beklagten begründe das Landgericht in seiner Entscheidung mit einem Zurücktreten des schuldhaften Mitverursachungsbeitrages der Klägerin gegenüber dem seitens des Beklagten zu 1) gesetzten Verursachungsbeitrag. Gerade der Umstand, dass das Landgericht Münster in seiner Entscheidung ein unfallursächliches Mitverschulden der Klägerin bejahe, zeige jedoch - in Verbindung mit den bei Abschluss des Vorverfahrens ebenfalls unstreitig erbrachten Vorschusszahlungen der Beklagten zu 2) - dass die Beklagten jedenfalls nicht gänzlich unbegründet zunächst lediglich angemessene Vorschusszahlungen geleistet hätten. Im Übrigen sei davon auszugehen, dass die Prozessbevollmächtigten der Klägerin über den jeweiligen Stand des Verfahrens informiert gewesen seien.
Die Beklagten sind weiterhin der Ansicht, dass der Klägerin kein Anspruch auf Zahlung eines über den bereits geleisteten Betrag von 350.000,- € hinausgehenden Schmerzensgeldes zustehe. Wie aus dem von der Klägerin vorgelegten neuropädriatischen Gutachten des Universitätsklinikums N vom 28. Juni 2005 hervorgehe, könnten auf Grund der bei der Klägerin vorliegenden äußersten Einschränkungen ihrer Mitteilbarkeit subjektive Beschwerden überwiegend nur von den objektiv fassbaren Beeinträchtigungen der Klägerin abgeleitet werden. Dass die Klägerin sich mithin ihrer eigenen Situation bewusst ist bzw. in welchem Umfang eine solche subjektive Wahrnehmung bei der Klägerin vorliegt, sei ausweislich der gutachterlichen Feststellungen völlig offen. Eine zusätzliche, schmerzensgelderhöhende Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Klägerin ihrer Situation bewusst sei, sei aus diesem Grund nicht möglich.
Nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände seien die bereits gezahlten 350.000,- € Schmerzensgeld angemessen, aber auch ausreichend; ein weitergehender Anspruch stehe der Klägerin nicht zu. Hierbei verweisen die Beklagten insbesondere auf die Entscheidungen des OLG Schleswig vom 11. Februar 2002 (Aktenzeichen: 4 U 62/00), des OLG Köln vom 12. Juni 1995 (NJW-RR 1996, 281) und des OLG Brandenburg vom 13. Oktober 1998 (Aktenzeichen: 2 U 198/97). Diese Entscheidungen zeigten, dass die von der Beklagten zu 2) vorgenommene Regulierung sich an der obergerichtlichen Rechtsprechung orientiert habe und die Zahlung von insgesamt 350.000,- € über die in vergleichbaren Fällen gezahlte Summe nicht unerheblich hinausgehe.
Die der Klägerin im Zusammenhang mit der Durchführung der Delphin-Therapie, der Sauerstoff-Therapie und der Stammzellen-Therapie entstandenen Kosten seien nicht ersatzfähig. Denn der Schädiger habe nur die Kosten solcher Behandlungsmaßnahmen zu ersetzen, die aus medizinischer Sicht eine Heilung oder Linderung versprechen; Aufwendungen für nicht anerkannte und deswegen allenfalls als "medizinische Außenseitermethoden" anzusehende Behandlungen seien nur ersatzfähig, wenn wissenschaftlich betrachtet die realistische Chance eines Heilungserfolges, einer Linderung oder einer Verhinderung weiterer Verschlechterungen bestehen. Diese Voraussetzungen lägen bei den drei Therapien, für welche die Klägerin Kostenersatz begehrt, jedoch nicht vor. Bei der sogenannten "Delphin-Therapie" handele es sich um eine in der Fachwelt äußerst umstrittene Therapieform, für die bis heute keinerlei wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis habe erbracht werden können. Auch die Sauerstoff-Therapie sei eine sehr umstrittene Behandlungsform. Erkenntnisse darüber, dass eine derartige Sauerstoff-Therapie im Zusammenhang mit Hirnschädigungen, Krampfleiden o. ä. auch nur Ansätze einer Heilung, Linderung oder Vermeidung von Verschlechterungen bewirken könnte, existierten nicht. Letztlich entspreche auch die von der Klägerin durchgeführte Stammzellentherapie in C2 keineswegs den für erstattungsfähige Behandlungsmaßnahmen entwickelten Kriterien. Falls sich der Gesundheitszustand der Klägerin infolge ihres Aufenthaltes in C2 tatsächlich verbessert haben sollte, was seitens der Beklagten in Abrede gestellt wird, so dürften diese Verbesserungen auch nicht in erster Linie auf die Behandlung mit Stammzellen zurückzuführen sein, sondern dürften ihren Grund ausschließlich dem umfangreichen, konzentrierten sonstigen therapeutischen Behandlungsrahmen haben.
Die Klägerin müsse sich, so die Auffassung der Beklagten, auch das ihr zugeflossene Blindengeld in Höhe von 15.237,- € anrechnen lassen. Im Schadensersatzrecht gelte der Grundsatz, dass dann, wenn ein zum Schadensersatz verpflichtendes Ereignis neben Nachteilen auch Vorteile erbringe, diese jedenfalls dann schadensmindernd zu berücksichtigen seien, wenn einerseits zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang bestehe und wenn andererseits die Anrechnung des Vorteils dem Zweck des Schadensersatzes entspricht, d. h. den Geschädigten nicht unzumutbar belaste und den Schädiger nicht unbillig begünstige. Im vorliegenden Fall sei zu berücksichtigen, dass die blindheitsbedingten Mehrkosten, welche typischerweise durch die Zahlung von Blindengeld ausgeglichen werden sollten, bei der Klägerin gerade nicht anfielen.
Die durch die Beauftragung der Rechtsanwältin T entstandenen Kosten in Höhe von 338,23 € sind nach Ansicht der Beklagten nicht ersatzfähig. Der entsprechende Auftrag sei im Zusammenhang mit der im vorliegenden Verfahren entscheidenden haftungsrechtlichen Frage nicht notwendig gewesen, da auch die Rechtsanwältin T lediglich eine Beurteilung unter sozialrechtlichen Vorgaben vorgenommen habe.
Letztlich stehe der Klägerin auch kein Anspruch auf Ersatz ihre außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.745,88 € zu. Zum einen lege die vorgenommene Gebührenberechnung zu Unrecht einen Streitwert von 340.836,64 € zugrunde; hierbei bleibe unberücksichtigt, dass die Beklagten vorprozessual - und zwar mit Schreiben der Beklagten zu 2) vom 21. November 2006 - bereits ein Anerkenntnis hinsichtlich ihrer gesamten zukünftigen Eintrittspflicht abgegeben hätten. Hinzu komme, dass der Klägerin weitergehende Zahlungsansprüche nicht zustünden, so dass auch kein Erstattungsanspruch hinsichtlich außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten bestehe.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. T3 vom 16. Juni 2008 Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet.
1.
Über den ursprünglich gestellten Feststellungsantrag (Antrag zu Ziffer 3. aus der Klageschrift vom 24. Oktober 2007, Bl. 2 d. A.) war nicht mehr zu entscheiden. In der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2008 hatte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin klargestellt, dass er die Eintrittspflicht der Beklagten mit diesem Antrag nur im Hinblick auf zukünftige Schäden festgestellt wissen wollte. Diesen Antrag hatten die Beklagten bereits mit Schriftsatz vom 29. November 2007 anerkannt, woraufhin die Kammer ein entsprechendes Teil-Anerkenntnisurteil erlassen hatte. Hiermit hielten beide Parteien den Feststellungsantrag für erledigt; dementsprechend hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Feststellungsantrag in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2008 auch nicht mehr gestellt.
2.
Gemäß Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB sind die schadensersatzrechtlichen Vorschriften in der bis zum 31. Juli 2002 geltenden Fassung anzuwenden, da das schädigende Ereignis vor diesem Datum - und zwar am 7. Oktober 2001 - eingetreten ist. Im Übrigen finden gemäß Art. 229 § 5 EGBGB die Vorschriften des BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung Anwendung, da das (gesetzliche) Schuldverhältnis, auf welches die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche gestützt werden, vor diesem Tag entstanden ist, nämlich ebenfalls am 7. Oktober 2001.
3.
Die Beklagten schulden der Klägerin gemäß §§ 823, 847 a. F. BGB ein angemessenes Schmerzensgeld.
Nach ständiger Rechtsprechung besteht die Funktion des Schmerzensgeldes darin, dem Verletzten einen materiellen Ausgleich für den erlittenen materiellen Schaden und ferner Genugtuung für das ihm zugefügte Leid zu gewähren. Eine billige Entschädigung in Geld steht dem Geschädigten nach diesen Grundsätzen auch dann zu, wenn seine Persönlichkeit weitgehend zerstört ist, selbst wenn seine Empfindungsfähigkeit ganz oder teilweise durch das schadensstiftende Ereignis aufgehoben sein sollte (BGH VersR 1993, 327 ff. und 585 f.).
Der gesundheitliche Zustand der Klägerin ist zwischen den Parteien weitestgehend unstreitig. Nach den ergänzenden Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. T3, welcher der Kammer als sorgfältig und gewissenhaft arbeitender Sachverständiger bekannt ist, liegt bei der Klägerin eine Extremform einer schwersten traumatischen Hirnschädigung vor. Die Klägerin kann sich nicht fortbewegen, auch nicht selbständig drehen, kriechen oder robben, kann nicht stehen oder ungestützt sitzen, hat keine willkürliche Kopfkontrolle, kann nicht gezielt greifen und nicht verbal und auch nur ganz eingeschränkt auf einem ganz niedrigen Reaktionsniveau nonverbal kommunizieren. Sie hat eine sehr schwere, an Blindheit grenzende Sehstörung. Bei ihr treten - auch wenn es sich nicht um epileptische Anfälle handele - sehr störende, manchmal auch schmerzhafte Bewegungsautomatismen im Sinne von dystonen Hyperkinesen auf.
Was das Bewusstsein der Klägerin anbelange, so der Sachverständige weiter, erscheine sie über lange Perioden in einer Art Wachkoma, sei aber eindeutig nicht vollständig deafferentiert. Sie nehme akustische Reize ganz eindeutig und auch auf einem einfachen Niveau durchaus mit unterschiedlichen Reaktionsweisen wahr, reagiere darauf bis hin zum Lachen und stark eingeschränkten, überwiegend reflektorischen Bewegungen. Ganz eindeutig befinde sich die Klägerin aber nicht in einem dauerhaften und ausschließlich vegetativen Status; sie befinde sich also nicht in einem dauerhaft gleichförmigen "coma vigile". Als Diagnose sei insoweit ein deutlich inkomplettes coma vigile zu stellen.
Nach den sog. "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit" des Bundesministeriums für Gesundheit und soziale Sicherung (2004) entspreche der Grad der Behinderung der Klägerin (GdB) der Punktzahl 100, was auch einer zu erwartenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 % entspreche. Darüber hinaus bestehe bei der Klägerin entsprechend Abschnitt 22 der zitierten Anhaltspunkte eine vollständige Hilflosigkeit ohne die Möglichkeit einer Anleitung zu Verrichtungen. Die Klägerin sei hilfsbedürftig, vollständig pflegebedürftig und erfordere eine Aufsicht, die mindestens durch Anwesenheit und ständige Verfügbarkeit rund um die Uhr gewährleistet sein müsse.
Die Entwicklung des sehr großen Nierensteins sei als direkte Folge des Unfalls anzusehen, bedingt durch die extreme Bewegungsarmut der Klägerin, die zu einer Knochenentkalkung führt, möglicherweise mitbedingt durch Harnwegsinfektionen, die durch unfallbedingte Blasenentleerungsstörungen aufgetreten sein könnten. Bei dem liquorableitenden Shunt-System, welches der Klägerin eingesetzt wurde, seien bisher erstaunlicherweise keine Komplikationen aufgetreten. Es seien aber sowohl Infektionen des Shunt-Systems als auch ein plötzlicher Verschluss mit Entwicklung von Hirndruck für die Zukunft nicht ausgeschlossen und bedürften einer sorgfältigen Beachtung und Beobachtung.
Ob sich die Klägerin ihres - im Übrigen zwischen den Parteien unstreitigen - Zustandes bewusst ist, wie dies Gegenstand des Parteivorbringens in den gewechselten Schriftsätzen war, lässt sich jedoch auch auf Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens nicht mit hinreichender Sicherheit beantworten. Der Sachverständige führt insoweit aus, dass es ihm auf Grund seiner persönlichen Untersuchung der Klägerin zwar sicher erscheine, dass sie sehr wohl zwischen angenehmen und unangenehmen Empfindungen zu unterscheiden wisse und sie die körperliche Nähe und Zuwendung ihrer engsten Bezugspersonen positiv wahrnehme. Hingegen bleibe es unsicher und sei nicht zu belegen, dass die Klägerin die erheblichen Einschränkungen ihrer Lebensqualität so differenziert wahrnehme, dass sie sie mit der Situation ihrer Bezugspersonen vergleiche. Sicher ausschließen könne man aber auch eine solche Möglichkeit für Teilbereiche ihrer Einschätzung nicht.
Eine Überzeugung dahingehend, dass sich die Klägerin ihres Zustandes bewusst ist, konnte die Kammer auf der Grundlage dieser Feststellungen nicht treffen. Dass sich eine solche Möglichkeit, wie der Sachverständige ausführt, nicht sicher ausschließen lässt, genügt insoweit nicht; vielmehr hätte dies mit einer vernünftige Zweifel ausschließenden Sicherheit festgestellt werden müssen. Dies war angesichts der vom Sachverständigen geäußerten erheblichen Unsicherheiten jedoch nicht möglich.
Auf Grund der der Klägerin obliegenden Beweislast geht dieses negative Beweisergebnis zu ihren Lasten. Dies führt jedoch nicht etwa dazu, dass das ihr zustehende Schmerzensgeld verringert werden müsste, wie die Beklagten meinen. Der nach § 847 BGB auszugleichende immaterielle Schaden besteht nämlich nicht nur in körperlichen oder seelischen Schmerzen. Vielmehr stellen die Einbuße der Persönlichkeit und der Verlust an personaler Qualität infolge schwerster Hirnschädigungen schon für sich genommen einen auszugleichenden immateriellen Schaden dar, und zwar unabhängig davon, ob der Betroffene die Beeinträchtigung empfindet oder nicht (BGH NJW 1993, 781, 783).
Für die Bemessung des Schmerzensgeldes kann zwar durchaus von Bedeutung sein, ob sich der Verletzte seiner Situation bewusst ist und in besonderem Maße darunter leidet. Dieser Umstand würde jedoch allenfalls zu einer Erhöhung des angemessenen Schmerzensgeldes führen und blieb - weil nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, ob und inwieweit sich die Klägerin ihres Zustandes bewusst ist - im vorliegenden Fall bei der Schmerzensgeldbemessung außer Betracht.
Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände - insbesondere der Tatsache, dass sich das Leben der Klägerin aufgrund des Unfalls weitgehend auf die Aufrechterhaltung vitaler Funktionen, die Bekämpfung von Krankheiten und die Vermeidung von Schmerzen beschränkt, sie nie Jugend, Erwachsensein und Alter bewusst erleben und ihre Persönlichkeit entwickeln wird - hält die Kammer ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000,- € für angemessen, aber auch erforderlich, um sowohl der Ausgleichungs- als auch der Genugtuungsfunktion in ausreichendem Maße Rechnung zu tragen. Sie hat sich hierbei an den Entscheidungen des LG München I vom 29. März 2001 (Az. 19 O 8647/00), des LG Aachen vom 13. Juni 2000 (Az. 9 O 40/00), des LG Kleve vom 9. Februar 2005 (Az. 2 O 370/01) und des OLG Zweibrücken vom 22. April 2008 (Az. 5 U 6/07) orientiert; Art und Umfang der erlittenen Verletzungen - insbesondere der Dauerschäden - sind mit dem vorliegenden Fall in weiten Teilen vergleichbar.
Die Kammer hat dabei berücksichtigt, dass der Kläger in dem vom LG München I entschiedenen Fall zumindest einen Teil seiner Defizite wahrnehmen konnte; insoweit besteht ein Unterschied zum vorliegenden Fall. Dem hat die Kammer jedoch dadurch Rechnung getragen, dass das Schmerzensgeld deutlich unter dem vom LG München I zugesprochenen Betrag liegt. Kapitalisiert man die dort zugesprochene Rente, so beläuft sich das Schmerzensgeld auf mehr als 550.000,- €. Berücksichtigt man zusätzlich die zwischenzeitlich eingetretene Geldentwertung, so liegt die Kammer mit dem hier ausgeurteilten Betrag von 500.000,- € noch deutlich darunter.
In dem vom LG Aachen entschiedenen Fall - wobei die Kammer nicht übersehen hat, dass es sich dabei um einen PKH-Beschluss handelte, der allerdings vom OLG Köln bestätigt worden ist - war die Geschädigte unterhalb ihres zweiten Halswirbels querschnittsgelähmt und auf ständige künstliche Beatmung angewiesen, hatte aber - im Gegensatz zur Klägerin - keine Hirnschädigungen erlitten. Der für angemessen erachtete Schmerzensgeldbetrag belief sich - rechnet man die Schmerzensgeldrente von 375,- € monatlich mit einem Kapitalisierungsfaktor von 19,781 ein - auf knapp 490.000,- €.
Der vom Landgericht Kleve entschiedene Fall ist im Hinblick auf die erlittenen Verletzungen mit dem vorliegenden Fall weitgehend vergleichbar; dort wurde unter Berücksichtigung der gleichzeitig zuerkannten Schmerzensgeldrente ein Betrag von rund 520.000,- € für angemessen erachtet.
Und schließlich hielt das OLG Zweibrücken - rechnet man wiederum die zugesprochene Rente mit ein - einen Schmerzensgeldbetrag von etwa 620.000,- € für angemessen; bei dem dortigen Geschädigten handelte es sich im Unterschied zum vorliegenden Fall jedoch um einen Säugling, dessen körperliche Bewegungsfähigkeit noch weiter eingeschränkt war und die bereits einen weiteren operativen Eingriff an der Hüfte erforderlich gemacht hatte.
Ein zögerliches Regulierungsverhalten der Beklagten zu 2), welches im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung hätte berücksichtigt werden können, vermochte die Kammer nicht zu erkennen. Für die Beklagten - die im Jahre 2003 ja bereits 100.000,- € an die Klägerin gezahlt hatten - bestand nämlich ein berechtigtes Interesse daran, zunächst den Umfang einer möglichen Mitverursachung des Verkehrsunfalls durch die Klägerin klären zu lassen. Noch während des laufenden Verfahrens - das Urteil im Verfahren ......... LG Münster wurde am 5. Mai 2006 verkündet - zahlte die Beklagte zu 2) weitere 100.000,- € an die Klägerin aus. Nachdem die Beklagten ihre Berufung gegen das vorgenannte Urteil dann im November 2006 zurückgenommen hatten, wurden weitere 150.000,- € an die Klägerin ausgezahlt, ohne dass es dabei zu einer nennenswerten Verzögerung gekommen wäre. Zwar wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Beklagte zu 2) die Prozessbevollmächtigten der Klägerin über das Verfahren ......... LG Münster bereits früher informiert und auf dem Laufenden gehalten hätte; dass dies der Fall war, ließ sich nicht feststellen. Auswirkungen auf die Höhe des Schmerzensgeldes hatte diese unterbliebene Information jedoch nicht.
Der Zinsanspruch der Klägerin im Hinblick auf das Schmerzensgeld ergibt sich aus §§ 286, 291 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Da die Prozessbevollmächtigten der Klägerin in ihrem Schreiben vom 22. August 2002 an die Beklagte zu 2) ein Schmerzensgeld "nur" in Höhe von 390.000,- € angefordert hatten, kamen die Beklagten nach Ablauf der Zahlungsfrist auch nur insoweit in Zahlungsverzug. Wegen des darüber hinausgehenden Betrages beruht der Zinsanspruch auf § 291 BGB. Die Zinshöhe folgt aus § 288 Abs. 1 a. F. BGB.
4.
Ein Anspruch der Klägerin gegen die Beklagten auf Ersatz der im Zusammenhang mit den durchgeführten drei Therapien (Delphin-Therapie, Sauerstoff-Therapie und Stammzellen-Therapie) entstandenen Kosten besteht nicht. Diese Therapien stellen keine Heilbehandlungen dar, deren Kosten im Rahmen von § 249 BGB ersatzfähig wären.
Als Heilbehandlung ist jegliche ärztliche Tätigkeit anzusehen, die durch die betreffende Krankheit verursacht worden ist, sofern die Leistung des Arztes von ihrer Art her in den Rahmen der medizinisch notwendigen Krankenpflege fällt und auf Heilung oder auch auf Linderung der Krankheit abzielt (BGH, NJW 1987, 703; 1993, 2369). Es genügt insoweit nicht, dass die Heilbehandlung vom Standpunkt eines verständigen Menschen bei der gegebenen Sachlage medizinisch zweckmäßig und geboten erscheint, wie die Klägerin meint. Andererseits sind aber nicht nur solche Behandlungen anzuerkennen, die nach Auffassung der Schulmedizin wissenschaftlich allgemein als erfolgversprechend anerkannt sind. Auch die Kosten für die von der Klägerin durchgeführten Therapien - denen die allgemeine Anerkennung durch die Schulmedizin fehlt - wären ersatzfähig, sofern bei objektiver Betrachtung eine realistische Chance besteht, dass durch die Therapie ein Behandlungserfolg (in Form einer Heilung oder Linderung) eintritt. Dies ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bei den drei Therapien, deren Kosten die Klägerin ersetzt verlangt, jedoch nicht der Fall.
a) Die in G durchgeführte Delphin-Therapie stellt nach den Ausführungen des Sachverständigen, denen die Kammer folgt, keine auf wissenschaftlichen Grundlagen basierende medizinische Therapie dar.
Zwar stellt der Sachverständige nicht in Abrede, dass für viele Kinder der Umgang mit Tieren, angefangen vom Meerschweinchen über Katzen und Hunde bis hin zum Pferd eine wichtige Lebenserfahrung darstelle, die in ihren positiven Erlebnisinhalten erheblich zur Lebensqualität beitragen könne. Daher könne die Möglichkeit nicht bestritten werden, dass die Beschäftigung oder auch das Zusammenführen eines - behinderten - Kindes mit Delphinen eine sinnvolle und für das Kind und seine Entwicklung wichtige Beschäftigung sein könne. Allerdings fehle es in der medizinischen Fachliteratur an einer Evidenz für die Existenz einer "Delphin-Therapie", mit der ein über die beschriebene Steigerung der Lebensqualität hinausgehender Therapieerfolg erzielt werden könne. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den von den Prozessbevollmächtigten der Klägerin vorgelegten Unterlagen. Die hierin enthaltenen Ausführungen zur Delphin-Therapie seien weder wissenschaftlich fundiert noch begründbar. Einschränkungslos sei nur dem in Anlage K 40 (Bl. 224 d. A.) zitierten Herrn O zuzustimmen, wenn dieser sagt: "Wir helfen, aber wir heilen nicht". Als geeignete Behandlungsmethode für Kinder mit einem apallischen Syndrom, einem inkompletten coma vigile, sei die Delphin-Therapie jedoch nicht geeignet. Dem schließt sich die Kammer in vollem Umfang an.
b)
Auch die Kosten für die in der T2 durchgeführte Sauerstoff-Therapie der Klägerin sind nicht ersatzfähig. Nach den ausführlichen Darlegungen des Sachverständigen sind die klinischen Studien zur Anwendung der Sauerstoff-Therapie - nachdem sich zuvor in Tierversuchen ein positiver Effekt dieser Behandlung auf ein traumatisch geschädigtes Gehirn gezeigt habe - nicht eindeutig; mehrere der vom Sachverständigen studierten Autoren empfehlen, weitere Ergebnisse abzuwarten und mit verbessertem Studiendesign zu klareren Antworten zu kommen.
Eine Behandlung mit Sauerstoff-Überdruck in der unmittelbar posttraumatischen Phase sei, so der Sachverständige weiter, mit einer Verkürzung der Bewusstlosigkeitsphase und einer Verminderung der Sterblichkeit verbunden gewesen; gleichzeitig habe diese Verminderung der Sterblichkeit aber eine höhere Rate an Kindern mit neurologischen Restschäden zur Folge gehabt. In einer anderen Studie an Kindern mit einer chronischen Zerebralparese habe man nach Sauerstoff-Überdruck-Beatmung eine signifikante Verbesserung der Hörfunktionen, des visuellen Gedächtnisses und einiger anderer Parameter finden können. Die meisten dieser positiven Effekte hätten aber nur für etwa 3 Monate angehalten und andere, wesentliche Parameter der geistigen und sprachlichen Entwicklung seien überhaupt nicht beeinflusst worden. In zwei weiteren Arbeiten mit sorgfältigem Studiendesign und großer Fallzahl an Kindern mit einer Zerebralparese seien keine positiven Effekte der Sauerstoff-Therapie beobachtet worden. Wichtig sei der Umstand, dass die Sauerstoff-Überdruckbeatmung eindeutige Nebenwirkungen habe; insbesondere sei ein Barotrauma auf das Mittelohr beschrieben worden. Zusammenfassend kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass diese Behandlungsmethode zwar nicht unumstritten positiv beurteilt wird, dass aber ein Behandlungsversuch seiner Ansicht nach keinesfalls als ungerechtfertigt angesehen werden dürfe, auch wenn in der Lehr- und Fachbuchliteratur eine sehr kritische Einstellung gegenüber dieser Behandlung bei Kindern mit einer traumatischen oder hypoxischen Hirnschädigung und dem Restschadenssyndrom einer Zerebralparese deutlich überwiege.
Die Kammer ist hiernach aber nicht davon überzeugt, dass die Sauerstofftherapie eine realistische Chance auf Heilung oder Linderung des Gesundheitszustandes der Klägerin bot. Nach den weiteren Ausführungen des Sachverständigen muss die Behandlung mit Sauerstoff nämlich weiterhin als experimentell und nicht frei von Nebenwirkungen angesehen werden. Darüber hinaus - und dies ist der entscheidende Punkt - hat der Sachverständige bei seiner Literaturrecherche der letzten 10 Jahre nicht einen einzigen Bericht darüber finden können, dass ein Kind mit einem coma vigile (Wachkoma) dieser Behandlung unterworfen wurde. Gesicherte medizinische Berichte über den Erfolg einer solchen Therapie bei Kindern, die sich im Wachkoma befinden, lagen daher nicht vor. Dementsprechend bestand bei objektiver Betrachtung auch keine realistische Chance, dass durch eine Behandlung eine Heilung oder Linderung eintritt. Dies wäre jedoch -wie oben bereits dargelegt - Voraussetzung für die Ersatzfähigkeit der durch die Therapie entstandenen Kosten gewesen.
c)
Schließlich sind auch die für die Stammzellen-Therapie in C2 angefallenen Kosten nicht ersatzfähig.
Auch hier bestand objektiv gesehen keine realistische Chance, dass durch diese Therapie ein Behandlungserfolg im Sinne einer Heilung oder Linderung bei der Klägerin eintritt. Zwar werde, wie der Sachverständige in seinem Gutachten ausführt, eine Stammzellentransplantation mit adulten, multipotenten Stammzellen weltweit und selbstverständlich auch in der Bundesrepublik Deutschland häufig durchgeführt, um Knochenmarkerkrankungen zu behandeln. Die gewonnenen Stammzellen seien hervorragend dazu in der Lage, Blutzellen zu bilden und deren Ausfall endgültig und für die gesamte Dauer des weiteren Lebens zu ersetzen; auf diese Weise könnten neben Leukämien und angeborenen Anämien z. B. auch bestimmte immunologische Krankheiten erfolgreich behandelt werden. Allerdings lägen bisher weder ein kasuistischer Beweis noch irgendwelche kontrollierten wissenschaftlichen Studien dafür vor, dass ausgedehnte zentralnervöse Defekte - wie z. B. beim apallischen Syndrom - durch eine solche Transplantation von adulten Stammzellen erfolgreich behandelt werden könnten. Sämtliche therapeutischen Optionen und Therapieversuche könnten zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur als experimentell bezeichnet werden. Diesen Ausführungen des Sachverständigen schließt sich die Kammer an.
Zwar habe sich - so der Vortrag ihrer Prozessbevollmächtigten, der hier als zutreffend unterstellt werden kann - der Zustand der Klägerin durch den Aufenthalt in C2 teilweise gebessert. Wie der Sachverständige weiter ausführt, lässt sich jedoch nicht belegen, ja nicht einmal wahrscheinlich machen, dass diese Verbesserungen auf die durchgeführte Behandlung mit Stammzellen zurückzuführen ist. Die eingetretenen Besserungen gingen nicht über das hinaus, was speziell im Kindesalter nach so ausgedehnten Zerstörungen des Gehirns im Rahmen eines Unfalls durch die Weiterentwicklung des Gehirns einerseits und durch eine intensive Betreuung mit Übungsbehandlung andererseits zu erwarten sei. Dem schließt sich die Kammer an.
Da es hiernach bereits an einer grundsätzlichen Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Kosten fehlt, sind weitere Ausführungen zu deren Höhe nicht erforderlich.
5.
Die Klägerin muss sich die im Zeitraum vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Januar 2007 erhaltene Blindenrente in Höhe von unstreitig 15.237,- € nicht als Vorteilsausgleich anrechnen lassen.
In Rechtsprechung und Gesetzgebung hat sich der Grundsatz durchgesetzt, dass der Schädiger - entsprechend dem Rechtsgedanken des § 843 Abs. 4 BGB - durch Leistungen von dritter Seite, die durch den Schadensfall ausgelöst werden, in der Regel nicht entlastet werden darf (vgl. OLG Köln, NJW-RR 2001, 1285 m.w.N.). Stattdessen soll eine gleichrangige Befriedigung des Geschädigten und des Sozialversicherungsträgers gewährleistet werden. Besondere Umstände, welche im vorliegenden Fall eine Ausnahme von dieser Regel zuließen, liegen nicht vor. Nach Auffassung der Kammer erscheint es auch nicht unbillig, keine Anrechnung des Blindengeldes auf den zu zahlenden Schadensersatz vorzunehmen. Wäre die Klägerin infolge des Unfalls "nur" erblindet, stünde vermutlich außer Frage, dass sich die Klägerin das ihr zufließende Blindengeld nicht anrechnen lassen müsste. Es erschiene jedoch zynisch und wäre juristisch nicht zu begründen, dass eine solche Anrechnung hier deshalb erfolgen müsste, weil die Klägerin aufgrund des Unfalls nicht nur erblindet ist, sondern so schwer verletzt wurde, dass ihre Erblindung neben den übrigen Verletzungen nicht mehr besonders ins Gewicht fällt.
Die Beklagten sind aus diesem Grunde verpflichtet, der Klägerin auch den einbehaltenen Betrag in Höhe von 15.237,- €, der dem vom 1. Oktober 2002 bis zum 31. Januar 2007 gezahlten Blindengeld entspricht, zu zahlen.
6.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten hingegen keinen Anspruch darauf, die Kosten ersetzt zu verlangen, die ihr durch die Beauftragung von Frau Rechtsanwältin T entstanden sind. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, weswegen die Beauftragung von Frau Rechtsanwältin T zur angemessenen Wahrnehmung der Rechte der Klägerin erforderlich gewesen sein soll. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin bereits seit Ende des Jahres 2001 von ihren jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten wurde, ihr also ein Rechtsanwalt zur Seite stand.
7.
Letztlich steht der Klägerin auch kein Anspruch gegen die Beklagten auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 3.745,88 € zu.
Die klägerischen Prozessbevollmächtigten wurden bereits unmittelbar nach dem Unfall, d. h. gegen Ende des Jahres 2001, mit der Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen gegen die Beklagten beauftragt. Das erste Schreiben der Prozessbevollmächtigten an die Beklagte zu 2), mit dem sie einen Schmerzensgeldvorschuss in Höhe von 5.000,- DM verlangen, datiert vom 29. November 2001 (Anlage K 11 zur Klageschrift, Bl. 86 d. A.). Die im Jahre 2007 erhobene Klage betrifft dieselbe Angelegenheit, nämlich die Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen auf Grund des Verkehrsunfalls vom 7. Oktober 2001. Da auch weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der Auftrag zur Erledigung dieser Angelegenheit unter einer Bedingung erteilt worden ist, ist die Vergütung für die klägerischen Prozessbevollmächtigten gemäß § 60 Abs. 1 RVG nach dem bisherigen Recht - d. h. nach der BRAGO - zu berechnen. Die BRAGO sah jedoch eine vollständige Anrechnung der durch die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts entstandenen Gebühren auf die durch die gerichtliche Tätigkeit entstandenen Gebühren an. Eine Differenz, welche die Klägerin gesondert geltend machen könnte, verblieb hiernach nicht.
8.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 93 ZPO.
Im Hinblick auf den bereits durch das Teil-Anerkenntnisurteil vom 6. März 2008 erledigten Teil des Rechtsstreits waren die dadurch entstandenen Kosten gemäß § 93 ZPO der Klägerin aufzuerlegen. Das Anerkenntnis der Beklagten erfolgte "sofort" im Sinne dieser Vorschrift, nämlich noch innerhalb der ihnen zur Klageerwiderung gesetzten Frist.
Die Beklagten hatten der Klägerin nach Auffassung der Kammer insoweit auch keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Die Beklagte zu 2) hatte den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 21. November 2006 (Bl. 142 d. A.) mitgeteilt, dass eine 100%ige Haftung ihrerseits bestehe. Die Kammer teilt die Ansicht der Klägerin, dass diese Erklärung nicht ausgereicht hätte, um verjährungsunterbrechende Wirkung auszulösen. Dass allerdings die Klägerin die Beklagte zu 2) nachfolgend noch einmal aufgefordert hat, das Anerkenntnis in einer vollstreckbaren Form abzugeben, ist weder vorgetragen worden, noch geht dies aus den eingereichten Unterlagen hervor. Dass die Beklagte zu 2) sich hiergegen zur Wehr gesetzt bzw. ein solches Anerkenntnis nicht abgegeben hätte, lässt sich den äußeren Umständen nicht entnehmen. Die Tatsache, dass in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang weitere 150.000,- € an Schmerzensgeld gezahlt wurden, nachdem zuvor über einen Zeitraum von mehreren Jahren erst 200.000,- € gezahlt worden waren, sowie die Tatsache, dass die 100%ige Eintrittspflicht von der Versicherung bestätigt wird, lassen sogar eher das Gegenteil vermuten.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
LG Münster:
v. 17.04.2009
Az: 016 O 532/07
Link zum Urteil:
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