Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 14. Juli 1995
Aktenzeichen: 6 U 231/94
(OLG Köln: Urteil v. 14.07.1995, Az.: 6 U 231/94)
Vermeidbare Herkunftstäuschung; Störereigenschaft 1. Ein Wettbewerber bringt ein Produkt auch dann in den Verkehr, wenn er die von ihm hergestellten Stücke lediglich zur Abholung durch den Spediteur in seinem Lager bereit hält. Das gilt auch dann, wenn dies im Ausland für einen Dritten geschieht. 2. Zur wettbewerbswidrigen betrieblichen Herkunftstäuschung beim Angebot und Vertrieb dänischer Möbel in klassischem (antikem) Design.
Tatbestand
Die Klägerin vertreibt Möbel, und zwar vornehmlich aus dem
skandinavischen Raum. Ihr Geschäftsführer ist der
Mehrheitsgesellschafter der Fa. F. AG mit Sitz in der Schweiz.
Die Beklagte ist eine dänische Möbelherstellerin.
In der Vergangenheit bestand zwischen den Parteien unter
Einschluß der Fa. F. eine langjährige Geschäftsverbindung. Die
Beklagte stellte in dieser Zeit zahlreiche von der Fa. F.
entworfene Möbelmodelle in deren Lizenz her, die sodann in
Deutschland exclusiv durch die Klägerin vertrieben wurden. Im § 4
Abs.2 des dieser Zusammenarbeit zugrundeliegenden Lizenzvertrages
mit der Fa. F. hatte sich die Beklagte verpflichtet, über die
erteilte Lizenz hinaus keine Produkte herzustellen, die den
lizensierten Produkten ähnlich oder mit ihnen zu verwechseln
sind.
Auf Grund der beschriebenen Zusammenarbeit wurde auch ein
Vitrinenschrank von der Beklagten in Lizenz der Fa. F. produziert
und seit dem Jahre 1986 in der Bundesrepublik Deutschland von der
Klägerin unter der Bezeichnung ,HERREGAARD" mit der Modellnummer
208 vertrieben. Wegen der Einzelheiten der Ausgestaltung dieses
Schrankes wird auf die als Anlage 3 zur Klageschrift vorgelegte
Abbildung Bezug genommen. Zumindest zwischen den Parteien, nach der
Behauptung der Klägerin auch nach außen, ist dieser Schrank auch
als ,GAVNO" bezeichnet worden.
Nachdem es in der beschriebenen Geschäftsverbindung zu
Auseinandersetzungen gekommen war, kündigte die Fa. F. mit dem als
Anlage 4 zur Klageschrift vorgelegten Schreiben bezüglich aller
noch in Lizenz befindlichen Produkte die Lizenz. Später vergab sie
die Lizenz bezüglich des Schrankes "HERREGAARD" an eine andere
Herstellerin. Auch der Alleinvertriebsvertrag zwischen den Parteien
ist inzwischen gekündigt worden.
Im Rahmen der Auseinandersetzungen ist zwischen den Parteien
unter Einschluß der Fa. F. und einer Fa. B. Design ApS, auf die
noch näher einzugehen ist, am 28.1.1993 eine als
,Kompromißregelung" bezeichnete Vereinbarung getroffen worden, die
u.a. die bis zu dem damaligen Zeitpunkt angefallenen Gerichtskosten
und Rechtsanwaltsgebühren betraf und eine hälftige Tragung dieser
Kosten durch die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits vorsah.
Wegen der Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf die als Blatt
213 ff bei den Akten befindliche Ablichtung Bezug genommen.
Die Beklagte vertreibt seit dem Jahre 1993 in Deutschland
ebenfalls einen Vitrinenschrank, und zwar unter der Bezeichnung
"GAVNO" mit der Modellnummer 800208 sowie in zweiteiliger Version
als Trapez-Vitrinenaufsatz "GAVNO", Modellnummer 800218 und
Trapez-Kommode "GAVNO", Modellnummer 800219. Wegen der Einzelheiten
der Ausstattung dieser Möbelstücke wird auf die auf den Seiten 3,4
und 6 dieses Urteils befindlichen Ablichtungen ihrer bildlichen
Darstellung verwiesen.
In dem vorliegenden Verfahren nimmt die Klägerin die Beklagte
unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung gemäß §
1 UWG mit der Behauptung in Anspruch, diese von der Beklagten
vertriebenen Modelle stellten eine fast identische Nachbildung
ihres Vitrinenschrankes "HERREGAARD" dar.
Nach vergeblicher Abmahnung mit Schreiben vom 27.5.1993 hat sie
in dem Verfahren 31 O 379/93 LG Köln bezüglich der einteiligen
Version "GAVNO" mit der Modellnummer 800208 eine am 30.6.1993 im
Beschlußwege erlassene, auf das Vertriebsverbot gerichtete
einstweilige Verfügung erwirkt, gegen die die Beklagte Widerspruch
nicht eingelegt hat. Im Verfahren 31 O 379/93 - SH I LG Köln (= 6 W
67/94 OLG Köln) ist die Beklagte später wegen Verstoßes gegen diese
einstweilige Verfügung gemäß § 890 Abs.1 ZPO zu einem Ordnungsgeld
von 10.000 DM verurteilt worden.
Die Klägerin hat behauptet, ihr stehe auf Grund einer inzwischen
mit der neuen Produzentin getroffenen Vereinbarung weiterhin das
Alleinvertriebsrecht an dem Schrank "HERREGAARD" zu und die
angegriffenen Modelle würden in Deutschland durch die Beklagte
vertrieben. Ihre Auffassung eines Verstoßes gegen § 1 UWG unter dem
Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung hat sie mit
Ausführungen insbesondere zur Verwechslungsfähigkeit der
streitgegenständlichen Modelle begründet, wegen deren Einzelheiten
auf die Klageschrift Bezug genommen wird.
Die Klägerin, die das Modell ,HEEREGAARD" inzwischen nicht mehr
vertreibt, hat b e a n t r a g t,
I.) die Beklagte zu verurteilen,
1.) es bei Vermeidung bestimmter Ordungsmittel zu
unterlassen,
in der Bundesrepublik Deutschland eine Trapez-Vitrine unter der
Bezeichnung "GAVNO" Modell-Nr. 800208 und/oder einen
Trapez-Vitrinenaufsatz "GAVNO" Modell-Nr. 800218 mit einer
Trapez-Kommode "GAVNO" Modell-Nr.800219 wie nachstehend
wiedergegeben anzubieten und/oder in Verkehr zu bringen:
(es folgten Ablichtungen wie diejenigen auf Bl.3 und 4 dieses
Urteils.)
2.) ihr Auskunft darüber zu erteilen, seit wann und in welchem
Umfang sie Handlungen der in Ziffer I.1.) beschriebenen Art
begangen hat, insbesondere welche Werbemaßnahmen sie hierfür
betrieben und welche Umsätze sie insoweit getätigt hat, und zwar
aufgeschlüsselt nach DM-Beträgen und Kalendermonaten,
II.) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr allen
Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu Ziffer I.1.)
beschriebenen Handlungen bisher entstanden ist und/oder noch
entstehen wird.
Die Beklagte hat b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen.
Sie hat bestritten, daß die Klägerin mit der derzeitigen
Herstellerin Alleinvertriebsrechte vereinbart habe. Im übrigen hat
sie behauptet, nicht sie, sondern die Fa. B. Design ApS vertreibe
die angegriffenen Möbelstücke in Deutschland. Bei dieser Firma
handele es sich um ein von ihr unabhängiges Unternehmen, das ein
eigenständiges Möbelprogramm vertreibe, und mit dem sie einen
Kooperationsvertrag geschlossen habe. Auf Grund diese Vertrages
befinde sich das Lager jener Firma bei ihr und holten auch die
Spediteure die Möbel an diesem Lager bei ihr ab. Sie trete auch als
Vermittlerin bzw. in Deutschland als Handelsvertreterin für die Fa.
B. Design ApS auf. Wegen der Einzelheiten des Beklagtenvortrages
hierzu wird auf die Klageerwiderung und den Schriftsatz der
Beklagten vom 5.4.1994 Bezug genommen.
Im übrigen hat die Beklagte die Voraussetzungen eines
sittenwidrigen Wettbewerbsverstoßes unter dem Gesichtspunkt der
vermeidbaren Herkunftstäuschung in Abrede gestellt.
Das L a n d g e r i c h t hat, nachdem die Zeugin S. die
Beweisfrage eines Alleinvertriebsrechtes der Klägerin schriftlich
beantwortet hatte, im einvernehmlichen schriftlichen Verfahren die
Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Voraussetzungen eines
Unterlassungsanspruches aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt einer
vermeidbaren Herkunftstäuschung lägen vor. Dieser Anspruch stehe
auch aufgrund des durch die Zeugenaussage bewiesenen
Alleinvertriebsrechtes der Klägerin dieser zu. Darüber hinaus seien
auch der Auskunfts- und der Schadensersatzfeststellungsanspruch
begründet, weil der Klägerin nach der Lebenserfahrung durch den
Vertrieb der nachgeahmten Möbelstücke ein Schaden entstanden
sei.
Mit ihrer gegen dieses Urteil gerichteten B e r u f u n g greift
die Beklagte unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen
ihre Behauptung auf, wonach nicht sie, sondern nur die Fa. B.
Design ApS die angegriffenen Möbelstücke vertreibe, weswegen auch
allenfalls diese in Anspruch genommen werden könne. Im übrigen
trägt sie vor:
Für den geltendgemachten Unterlassungsanspruch wegen
vermeidbarer Herkunftstäuschung fehle es bereits an der
wettbewerblichen Eigenart des klägerischen Modells "HERREGAARD".
Bei dänischen Möbeln verbinde der Kunde nämlich mit dem einzelnen
Möbelstück keinen bestimmten Hersteller, sondern ausschließlich das
Herkunftsland Dänemark. Angesichts der Vielzahl identischer oder
nahezu identischer Möbelstücke sei es für den Verbraucher
unmöglich, noch einen Óberblick über den Markt zu haben und
insbesondere eine Zuordnung zu einzelnen Herstellern vorzunehmen.
Dies gelte insbesondere für Vitrinen der streitgegenständlichen
Art, da - wie sich aus dem von ihr als Anlagenkonvolut BB 2 und 3
mit Schriftsatz vom 18.4.1995 vorgelegten Prospektmaterial von
Konkurrenzanbietern ergebe - jeder Hersteller oder Vertreiber
dänischer Möbel identische oder formgleiche Vitrinen im Programm
habe. Insbesondere finde man bei allen in Betracht kommenden
Vergleichsstücken einen ,schwungvollen oberen Abschluß" verbunden
mit Sprossenfenstern, einen 45 Winkel der Seitenteile, die
ebenfalls Sprossenfenster aufwiesen, und 1-2 Schubladen im unteren
Bereich der Vitrinen, die überdies nahzu ausnahmslos auf
gedrechselten Füssen stünden. Alle Trapezvitrinen, die auf den
vorgelegten Prospekten erkennbar seien, würden seit vielen Jahren
und auch noch heute in Deutschland vertrieben. Hinzukomme, daß sich
das Modell ,GAVNO" durch eine Vielzahl von gestalterischen
Einzelheiten, wie sie bereits in erster Instanz aufgezeigt worden
seien, von dem Modell "HERREGAARD" unterscheide. Darüber hinaus sei
das Modell "HERREGAARD", von dem sie den behaupteten Umsatz von
mehreren 100 Stück bestreitet, wie auch der Firmenname der Klägerin
im Verkehr nicht bekannt. Dieser ordne die Vitrine "HERREGAARD"
nicht der Klägerin zu.
Die Beklagte b e a n t r a g t,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin b e a n t r a g t,
die Berufung mit der Maßgabe der Neufassung des Urteilstenors zu
Ziffer I.1. wie oben geschehen zurückzuweisen.
Sie vertritt weiter die Auffassung, daß die Beklagte Schuldnerin
des Unterlassungsanspruches sei. Sie sei nämlich - so behauptet die
Klägerin unter Vorlage einer Auftragsbestätigung an eine
Schreinerei K. vom 29.10.1993 und einer weiteren
Auftragsbestätigung vom 4.9.1992 (Anlage BE 2 zum Schriftsatz vom
25.4.1995) - trotz des Einsatzes der Fa. B. Design ApS bei dem
Vertrieb Verkäuferin der Möbel. Auch wenn die Beklagte die Fa. B.
Design ApS als Alleinvertriebshändlerin für Deutschland eingesetzt
haben sollte, stellten die Produktion und der mit Hilfe dieser
Firma vorgenommene Absatz durch die Beklagte selbst einen Eingriff
in ihre, der Klägerin, Rechte dar, weswegen der
Unterlassungsanspruch auch gegen die Beklagte bestehe. Im übrigen
ergebe sich aus der Tatsache, daß die Beklagte im Rahmen der
erwähnten ,Kompromißregelung" stets für die Fa. B. Design ApS
aufgetreten sei, die enge geschäftliche Beziehung zwischen beiden
Firmen.
Die Klägerin stützt schließlich die Auffassung des Landgerichts,
wonach der Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG unter dem
Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung gerechtfertigt
ist, und behauptet unter Vortrag zu den vorgelegten
Konkurrenzangeboten im einzelnen, daß die Vitrine "HERREGAARD"
wettbewerbliche Eigenart aufweise und darüber hinaus auch
Verwechslungsgefahr bestehe. Von dem Schrank "HERREGAARD" habe sie
seit 1986 bis zur Kündigung der Zusammenarbeit der Parteien im
Jahre 1991 jährlich 200 Stück abgesetzt, anschließend seien im
Jahre 1992 ca. 120 Stück, 1993 ca. 70 Stück und 1994 ca. 50 Stück
veräußert worden. Diese Zahlen reichten für die notwendige
Verkehrsbekanntheit aus, weil es sich nicht um Massenware, sondern
um hochpreisige Möbelstücke von besonderer Qualität handele.
Inzwischen werde das Modell zwar nicht mehr vertrieben, es sei
jedoch beabsichtigt, nach Klärung der Konkurrenzsituation durch das
vorliegende Verfahren, den Vertrieb wieder aufzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die
bis zum 19.5.1995 gewechselten Schriftsätze Bezug genommen, die
ebenso wie die Akten der Verfahren 6 U 126/94 OLG Köln (= 31 O
632/93 LG Köln), 6 W 67/94 OLG Köln (= 31 O 379/93 SH I LG Köln)
und 31 O 379/93 LG Köln, auf die ebenfalls Bezug genommen wird,
sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen
Erfolg.
Auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens der
Beklagten besteht der Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG unter dem
Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung. Dieser Anspruch
steht der Klägerin zu und richtet sich gegen die im vorliegenden
Verfahren in Anspruch genommene Beklagte. Vor diesem Hintergrund
sind auch der Auskunftsanspruch und der
Schadensersatzfeststellungsantrag begründet.
Unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung
handelt wettbewerbswidrig, wer ein Erzeugnis in den Verkehr bringt,
das wettbewerblich eigenartige Merkmale eines fremden Produktes
aufweist, mit denen der Verkehr Herkunftsvorstellungen verbindet,
wenn er die zur Vermeidung einer Herkunftstäuschung nötigen und
zumutbaren Maßnahmen nicht getroffen hat. Das gilt insbesondere
dann, wenn das beanstandete Produkt eine Nachahmung des fremden
Produktes darstellt (vgl. Baumbach/He- fermehl, Wettbewerbsrecht,
17.Aufl., § 1 UWG, RZ 450 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen
vor. Soweit es sich bei dem Produkt in Details nicht um eine
identische Nachahmung des Schrankes "HERREGAARD" der Klägerin
handelt, ändert dies an der Wettbewerbswidrigkeit nichts, weil es
auch ohne eine identische Nachahmung zu mißbilligen sein kann - und
im vorliegenden Fall zu mißbilligen ist -, wenn der Wettbewerber
mit seinem Erzeugnis zu Lasten des Konkurrenten eine - vermeidbare
- betriebliche Verwechslungsgefahr herbeiführt (BGH GRUR 69, 292,
294 - Buntstreifensatin II).
Der Schrank "HERREGAARD" weist zunächst die erforderliche
wettbewerbliche Eigenart auf. Er unterscheidet sich nämlich, was
hierfür ausreicht (BGH GRUR 86,673,675 - Beschlagprogramm), von
anderen Schränken durch bestimmte Eigentümlichkeiten, die geeignet
sind, im Verkehr als kennzeichnend für die betriebliche Herkunft
des Produktes zu wirken. Zu diesen Eigentümlichkeiten gehören die
naturbelassene helle (Holz-)Farbe des Schrankes, sein zweiteiliger
Aufbau in einen größeren oberen Teil, der verglast ist und sowohl
an den Türen, als auch an den Seitenwänden Sprossenfenster mit
jeweils 5 verhältnismäßig kleinen Fensterflächen übereinander
enthält, und einen kleineren unteren Teil, der in der Frontseite
zwei Ebenen von Schubladen aufweist. Ebenso ist von
wettbewerblicher Eigenart der in Form einer Welle geschwungene
Kranz, durch den die Frontseite des Schrankes in der Mitte erhöht
ist, und die Tatsache, daß die beiden Seitenteile zu der Frontseite
nicht im üblichen Winkel von 90 , sondern im Winkel von 135 stehen.
Durch die zuletzt erwähnte Eigenart erhält der Schrank eine
Grundfläche, die nicht die übliche rechteckige Form, sondern ein
Trapez darstellt.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es für das Vorliegen
der wettbewerblichen Eigenart nicht darauf an, daß der Verkehr den
Schrank gerade der Klägerin zuordnet. Ausreichend ist vielmehr, daß
der Verkehr angesichts des Schrankes die Vorstellung entwickelt,
daß dieser von einem bestimmten Hersteller stammt und nicht etwa so
oder ganz ähnlich von verschiedenen Herstellern gebaut und von
verschiedenen Händlern vertrieben wird (Baumbach/Hefermehl,
a.a.O.,RZ 451 ff). Diese Voraussetzung ist indes auf Grund
zumindest der vorstehend aufgeführten Einzelheiten, die dem Schrank
von Hause aus eine deutliche wettbewerbliche Eigenart verleihen,
gegeben.
Auch die Berücksichtigung des Produktumfeldes führt nicht zu
einer anderen Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart des Modells
"HERREGAARD". Sämtliche von der Beklagten nunmehr im einzelnen
angeführten Modelle vermögen schon deswegen die wettbewerbliche
Eigenart des Klägermodells "HERREGAARD" nicht zu schwächen, weil
die Beklagte nicht vorträgt, daß die jeweiligen Modelle bereits vor
dem Marktzutritt des angegriffenen Modells "GAVNO" in Deutschland
im Jahre 1993 in dafür ausreichendem Umfange hier auf dem Markt
gewesen seien. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der
wettbewerblichen Eigenart ist indes der Zeitpunkt des
Marktzutrittes des beanstandeten Produktes (BGH WRP 76,370,372 -
,Ovalpuderdose"; GRUR 85,676,678 - ,Tchibo/Rolex"). Würde man
nämlich auch Produkte berücksichtigen, die gleichzeitig oder sogar
später als das nach § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt der
vermeidbaren Herkunftstäuschung beanstandete Produkt auf dem Markt
erschienen sind, dann würde dem Betroffenen letztlich die
Möglichkeit zur rechtlichen Gegenwehr genommen werden, weil jeder
der Nachahmer auf die allgemeine Verbreitung der betreffenden
Gestaltungsform durch die anderen Nachahmer verweisen könnte (BGH
a.a.O. Tchibo/Rolex).
Die pauschale Behauptung der Beklagten, sämtliche
Trapezvitrinen, die auf den von ihr vorgelegten Prospekten
erkennbar seien, würden seit vielen Jahren in Deutschland
vertrieben, besagt mangels irgendwelcher Angaben zu Umsatzzahlen,
Werbeaufwendungen und Vertriebswegen nicht, daß die Produkte im
Jahre 1993 in Deutschland schon hinreichend verkehrsbekannt gewesen
seien, als daß sie in der Lage gewesen sein könnten, die
wettbewerbliche Eigenart des Modells ,HERREGAARD" zu schwächen. Die
bloße Vorlage der Prospekte reicht hierfür schon deswegen nicht
aus, weil es insoweit an der Angabe des Erscheinungsdatums fehlt.
Eines Hinweises des Senats in der mündlichen Verhandlung bedurfte
es hierzu nicht, nachdem bereits die Klägerin in der
Berufungserwiderung auf die Notwendigkeit konkreter Angaben über
den angeblichen Vertrieb der Konkurrenzmodelle und seines Umfanges
hingewiesen hatte.
Schon aus diesem Grunde ist auch das Modell ,5501 Trapezvitrine
med skuffer" aus dem undatierten Prospekt ,Bondeserien" der Fa. P.
Möbler, auf das die Beklagte mit ihrem ergänzenden Schriftsatz vom
18.4.1995 in erster Linie abstellt, zur Schwächung der
wettbewerblichen Eigenart des Klägermodells nicht geeignet. Im
übrigen weist diese Vitrine im Gegensatz zu dem Klägermodell unten
statt einer durchgehenden zwei nebeneinanderliegende Schubladen
sowie abweichende Türgriffe auf und hat sie in den Seitenteilen
oben nicht gerade, sondern geschwungen abschließende Fenster.
Darüber hinaus weicht sie in der Breite und damit in den gesamten
Proportionen von dem Modell ,HERREGAARD" deutlich ab: während jenes
eine Breite von 157 cm aufweist, ist das Konkurrenzmodell
ausweislich der Prospektangaben lediglich 110/115 cm breit.
Erst recht weisen die von der Beklagten darüber hinaus
angeführten weiteren Vitrinenschränke ganz erhebliche Abweichungen
von dem Modell "HERREGAARD" auf, so daß sie - von der nicht
ausreichend dargelegten Marktpräsenz abgesehen - auch deswegen
außer Betracht zu bleiben haben. So hat das Modell ,Anette
kombiskab", bei dem der vorgelegte Prospekt im übrigen einen
Vertrieb in Deutschland nicht ausweist, nur 4 Sprossenfenster
übereinander und eine andere Ausgestaltung der oberen Fenster, die
ebenfalls rechteckig und nicht der ausschwingenden Form der Türen
nachgebildet sind. Soweit ersichtlich stehen die Seiten bei diesem
Modell auch im rechten Winkel zu der Frontseite des Schrankes. Der
auf Bl.169 dargestellte ,Bücherschrank 9619" enthält zwar 5
Sprossenfenster übereinander, dafür aber nur eine Ebene mit
Schubladen. Außerdem sind auch bei diesem Modell die Fenster - 10
Fortsetzung: 6 U 231/94A Datensatznummer: 1390
OLG Köln:
Urteil v. 14.07.1995
Az: 6 U 231/94
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2e77e36ff1d3/OLG-Koeln_Urteil_vom_14-Juli-1995_Az_6-U-231-94