Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 24. Januar 2012
Aktenzeichen: 5 U 188/11
(OLG Köln: Beschluss v. 24.01.2012, Az.: 5 U 188/11)
Tenor
Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 24. August 2011 verkündete Urteil der 23. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 23 O 6/11 - gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit, zu dem Hinweis innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Die Berufung hat nach gründlicher Prüfung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, weil das angefochtene Urteil weder auf einer Rechtsverletzung beruht noch nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen (§§ 522 Abs. 2 Nr. 1, 513 Abs. 1 ZPO).
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen den Beklagten aus dem Anwaltsvertrag kein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB zu.
1. Der Beklagte hat, indem er den Streitwert in der Antragsschrift vom 5.9.2006 mit 40.000 € angegeben hat, nicht gegen eine ihm aus dem Anwaltsvertrag obliegende Pflicht verstoßen. Insbesondere hat er den Wert nicht pflichtwidrig zu hoch beziffert.
Dabei kommt es nicht in erster Linie auf den vom Landgericht herausgestellten Umstand an, dass - wie im Berufungsverfahren unstreitig geworden ist und sich aus der Antragsschrift sowie der eidesstattlichen Versicherung des Klägers vom 5.9.2006 ergibt - der vom Kläger befragte Fachunternehmer seinerzeit den Austausch der Fenster als erforderlich angesehen und die Kosten hierfür auf 40.000 € geschätzt hatte.
Auch bei einer entsprechenden, dem Anwalt mitgeteilten Tatsachengrundlage kann die Angabe eines nach den voraussichtlichen Gesamtsanierungskosten bemessenen Streitwerts in der Antragsschrift pflichtwidrig sein, wenn sie für den endgültigen Streitwert des selbstständigen Beweisverfahrens ausschlaggebend ist, dem Anspruchsteller deshalb bei bloßer Feststellung der Erforderlichkeit einer Reparatur durch den Sachverständigen Kostennachteile drohen und die Durchsetzung eines möglichst umfassenden Schadensausgleichs bei Angabe eines niedrigeren Streitwerts, etwa nach den geschätzten Reparaturkosten oder nach dem Regelwert, gleichermaßen möglich bliebt. Denn bei sorgfältigem Vorgehen muss ein Anwalt regelmäßig in Rechnung stellen, dass der beauftragte Sachverständige zu einer anderen Beurteilung als ein vom Anspruchsteller befragter Fachunternehmer kommen wird.
Im Streitfall begründeten die Streitwertangabe von 40.000 € und der Inhalt der Antragsschrift allerdings nicht das Risiko von Kostennachteilen für den Kläger. Weder war die Angabe des Streitwerts in der Antragsschrift für die endgültige Streitwertfestsetzung bindend oder maßgeblich noch enthielt die Antragsschrift eine für die Streitwertfestsetzung erhebliche Festlegung auf eine bestimmte Mängelbeseitigungsmaßnahme, das heißt den Austausch der Fenster.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der vom Antragssteller bei Einleitung des selbständigen Beweisverfahrens geschätzte Wert (§ 61 GKG) weder bindend noch maßgeblich; das Gericht hat nach Einholung des Gutachtens den „richtigen“ Hauptsachewert, bezogen auf den Zeitpunkt der Verfahrenseinleitung und das Interesse des Antragstellers, festzusetzen (BGH, Beschluss vom 16.9.2004 - III ZB 33/04, iuris Rdn. 18, NJW 2004, 3488 ff.). Dabei sind die vom Sachverständigen festzustellenden tatsächlichen Mängelbeseitigungsmaßnahmen entscheidend, solange sich die Partei in ihrem Antrag nicht schon auf eine bestimmte Mängelbeseitigungsmaßnahme festgelegt und hierdurch zum Ausdruck gebracht hat, dass ihr Interesse nicht auf eine Mängelbeseitigung im Allgemeinen, sondern auf eine bestimmte Art der Mängelbeseitigung gerichtet ist (OLG Stuttgart IBR 2006, 309; OLG Stuttgart NZM 2008, 823 f.; Zöller/Herget, ZPO 28. Aufl. § 3 Rdn. 16).
Die zuletzt angeführten Voraussetzungen liegen nicht vor. Nach den im Schriftsatz vom 5.9.2006 enthaltenen Anträgen, die in erster Linie für die Ermittlung des vom Kläger im selbständigen Beweisverfahrens verfolgten Ziels und seines Interesses heranzuziehen sind, fehlt es klar und eindeutig an einer Festlegung auf einen Austausch der Fenster als bestimmte Art der Mängelbeseitigung. Vielmehr lautet die Beweisfrage 1 ausdrücklich, ob die in die Fensterrahmen gebohrten Löcher reparabel sind. Unter der Beweisfrage 2 ist insbesondere allgemein danach gefragt, auf welche Art die Fensterrahmen wieder in Stand zu setzen sind. Die Beweisfrage 3 betrifft die für das Reparieren oder Austauschen der Fensterrahmen erforderliche Zeit, während sich die Beweisfrage 5 allgemein auf die Kosten für die Instandsetzung bezieht. Im Hinblick auf die ausdrücklich offene Fragestellung kann die bloße Wiedergabe der Auskunft des vom Kläger befragten Fachunternehmers in der Antragsbegründung, dass ein Ersatz der Fenster erforderlich sei und die Kosten hierfür auf 40.000 € zu schätzen sein, nicht als Festlegung des Klägers allein auf diesen Weg der Schadensbeseitigung verstanden werden. Dass es in der Antragsschrift an einer Festlegung auf eine Gesamtsanierung fehlte, haben im selbständigen Beweisverfahren das Amtsgericht Brühl in den Beschlüssen vom 19.1.2010 und vom 3.5.2010 (28 H 8/06) und das Landgericht Köln im Beschluss vom 21.5.2010 (13 T 51/10) nicht beachtet.
2. Eine Aufklärungspflicht hat der Beklagte jedenfalls nicht in schadensursächlicher Weise verletzt.
a) Wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, muss ein Anwalt auf die durch den Abschluss eines Anwaltsvertrags und die Einleitung eines gerichtlichen Verfahren entstehenden Gebühren und deren Höhe nicht ungefragt hinweisen, weil kein Mandant ein unentgeltliches Tätigwerden erwarten darf und die gesetzlichen Gebühren allgemein zu erfahren sind (vgl. BGH, Urteil vom 2.7.1998 - IX ZR 63/97, iuris Rdn. 27, NJW 1998, 3486 ff. und vom 24.5.2007 - IX ZR 89/06, iuris Rdn. 9, NJW 2007, 2332 ff.).
Soweit der Kläger insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Nachteilen sowie demjenigen des sichersten Wegs eine Aufklärung über die nach den Austauschkosten für die Fenster bemessene Streitwertangabe und über die sich hieraus im Fall eines ungünstigen Ergebnisses des Gutachtens ergebenden Konsequenzen für erforderlich hält, fehlt es nach den vorstehenden Ausführungen an einem Aufklärungsbedürfnis. Die vorläufige Streitwertangabe war für die endgültige Streitwertfestsetzung weder bindend noch maßgeblich.
b) Es kann dahinstehen, ob der Beklagte die sich aus § 49b Abs. 5 BRAO ergebende Aufklärungspflicht verletzt hat. Danach muss der Anwalt, wenn sich seine Gebühren nach dem Gegenstandswert richten, seinen Mandanten vor Übernahme des Auftrags hierauf hinweisen.
Aus einer entsprechenden Aufklärung hätte sich für den Kläger kein Anlass ergeben, auf eine Verringerung der vorläufigen Streitwertangabe in der Antragsschrift hinzuwirken. Diese war für die endgültige Wertfestsetzung nicht bindend oder maßgeblich. Vielmehr kam es auf das Ergebnis des noch einzuholenden Sachverständigengutachtens an.
II. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats aufgrund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist.
Köln, den 24.1.2012
Oberlandesgericht, 5. Zivilsenat
OLG Köln:
Beschluss v. 24.01.2012
Az: 5 U 188/11
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