Verwaltungsgericht Gießen:
Beschluss vom 16. März 2009
Aktenzeichen: 10 O 188/09.GI
(VG Gießen: Beschluss v. 16.03.2009, Az.: 10 O 188/09.GI)
Tenor
Auf die Erinnerung des Beklagten und Erinnerungsführers hin wird die Kostenfestsetzung im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 03. Februar 2009 wie folgt geändert:
Auf Grund des rechtskräftigen Urteils des Verwaltungsgerichts in Gießen vom 17.11.2008 sind von dem Kläger an Kosten 28,75 EUR (in Worten: achtundzwanzig Euro fünfundsiebzig Cent) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 31.12.2008 an den Beklagten zu erstatten.
Im Übrigen wird die Erinnerung des Beklagten und Erinnerungsführers zurückgewiesen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
Der Antrag des Erinnerungsführers auf Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist als Erinnerung gem. §§ 165, 151 VwGO gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 03.02.2009 zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen dagegen unbegründet. In dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss ist für die Fahrt des Terminsvertreters des Erinnerungsführers zu der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht zu Unrecht lediglich eine Wegstreckenentschädigung in Höhe von 0,16 EUR je Kilometer als notwendige Aufwendung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO festgesetzt worden. Dem Beklagten und Erinnerungsführer steht für die Benutzung des Pkw zur Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung am 17.11.2008 ein Betrag von 0,25 EUR je gefahrenem Kilometer, mithin von 35 km x 0,25 EUR = 8,75 EUR zu. Damit errechnet sich der vom Kläger und Erinnerungsgegner zu erstattende Kostenansatz nach der Kostenberechnung des Erinnerungsführers vom 23.12.2008 auf den tenorierten Gesamtbetrag von 28,75 EUR.
Hinsichtlich der mit der Erinnerung allein angefochtenen Entscheidung in Bezug auf den Kostenansatz für die Benutzung eines Pkw zur Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung führt das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 06.12.1983 (4 A 1/78) aus:
"Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören gem. § 162 Abs. 1 VwGO die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen. In der Verwaltungsgerichtsordnung fehlt eine nähere Festlegung, welche Fahrtkosten eines Beteiligten im Einzelfall als notwendig und erstattungsfähig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO anzusehen sind, insbesondere welches Beförderungsmittel und in welcher Höhe dessen Kosten als notwendig anzuerkennen sind. In § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist jedoch bestimmt, dass die erstattungsfähige Entschädigung für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis entsprechend dem ZSEG (jetzt: JVEG) zu bemessen ist; diese Regelung ist im Verwaltungsprozess gem. § 173 VwGO entsprechend anzuwenden. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für die Erstattungsfähigkeit entstandener Fahrtkosten eines Dienstkraftwagens § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 9 Abs. 3 Satz 1 ZSEG anzuwenden. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften nur auf die durch die Terminswahrnehmung verursachte Zeitversäumnis für anwendbar erklären wollte, nicht aber für die eigentlichen Reisekosten. Der Grundsatz der Bestimmtheit und Voraussehbarkeit der zu erwartenden Prozesskosten und die Praktikabilität des Kostenfestsetzungsverfahrens rechtfertigen es, auch die zur Erstattung beantragten Fahrtkosten nach einer pauschalierten Regelung festzusetzen. Die Regelung des § 9 Abs. 2 und 3 ZSEG ist hinreichend bestimmt und wird, wie § 9 Abs. 3 ZSEG zeigt, auch der Kostenerstattung für eine Kraftwagenbenutzung angemessen gerecht".
In seinem Beschluss vom 12.12.1988 (1 A 23/85) führt das Bundesverwaltungsgericht weiter aus, dass auch die durch notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandenen Zeitversäumnisse grundsätzlich von den Regelungen des ZSEG erfasst sind, einer Behörde aber durch einen Rechtsstreit keine zusätzlichen Kosten entstanden sind und damit auch keine Aufwendungen im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO erstattungsfähig festgesetzt werden können. In die gleiche Richtung argumentiert das Bundesverwaltungsgericht weiter in dem Beschluss vom 29.12.2004 (9 KST 6/04), in dem es ausdrücklich klarstellt, dass das nunmehr am 01.07.2004 in Kraft getretene JVEG im Rahmen der Kostenerstattung für Aufwendungen in Bezug auf Terminswahrnehmungen Anwendung findet. Soweit vorliegend von Belang, führt das Bundesverwaltungsgericht in diesem Beschluss aus:
"Die öffentliche Verwaltung ist das Instrument, durch das der Staat gegenüber dem Bürger handelt. Sie wird grundsätzlich aus allgemeinen Steuermitteln finanziert und nur in einem beschränkten Umfang und unter gesetzlich geregelten Voraussetzungen durch die Erhebung von Gebühren oder Beiträgen, die an eine konkrete Verwaltungsleistung anknüpfen. Die öffentliche Verwaltung wird vom Staat nicht um ihrer selbst willen unterhalten und vorgehalten, sondern zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben gegenüber dem Bürger. Zu den Aufgaben der öffentlichen Verwaltung gehört es auch, dass sie ihr Handeln vor Gericht zu verantworten und zu vertreten hat, wenn der davon betroffene Bürger, gestützt auf die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG, es einer gerichtlichen Überprüfung unterziehen lässt. Dies ist eine Errungenschaft des Rechtsstaates und gehört kraft Verfassungsrechts zu den originären Aufgaben der öffentlichen Verwaltung. Hierzu zählen auch die Wahrnehmung eines Gerichtstermins in einem gegen sie geführten Verwaltungsstreit und der Zeitaufwand dafür. Vor diesem Hintergrund ist es verfehlt, einen entschädigungspflichtigen "Nachteil" der juristischen Person des öffentlichen Rechts oder der Behörde darin zu sehen, dass der den Gerichtstermin wahrnehmende Bedienstete in dieser Zeit nicht "seinen anderen Aufgaben" an "seinem eigentlichen Arbeitsplatz" nachgehen könne und dass diese entweder von ihm selber durch Überstunden oder von anderen Bediensteten erledigt werden müssten, wobei letztere dann wiederum nicht für andere Aufgaben zur Verfügung stünden. Dabei wird verkannt, dass die rechtswahrende Vertretung ihres Handelns vor Gericht mit zu dem Aufgabenkreis der öffentlichen Verwaltung gehört; dieses zu vertreten liegt nicht außerhalb ihrer "eigentlichen" Aufgaben, von deren Erledigung sie bzw. der den Gerichtstermin wahrnehmende Bedienstete abgehalten würde."
Das Verwaltungsgericht Kassel legt in seinem Beschluss vom 02.08.2001 (6 J 1763/01) dar:
"Das erkennende Gericht schließt sich diesen Ausführungen (des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.12.1983) an. Verwaltungsinterne Regelungen wie etwa die Allgemeine Verwaltungskostenordnung oder die Verordnung über die Gewährung von Wegstreckenentschädigung für die Benutzung anerkannt privateigener Kraftfahrzeuge bei Dienstreisen können im Verhältnis zu außerhalb der Verwaltung stehenden Dritten hier nicht angewendet werden. Mit der Erstattung sollen vielmehr lediglich die Unterhaltungs- und Betriebskosten des Kraftfahrzeugs anteilig abgegolten werden (§ 9 Abs. 3 ZSEG)."
In die gleiche Richtung erläutert auch das Verwaltungsgericht München in seinem Beschluss vom 18.10.2002 (31 K 00.3337):
"Gemäß § 162 Abs. 1 VwGO werden die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten berücksichtigt. Die Beteiligten sind jedoch gehalten, die Aufwendungen so gering wie möglich zu halten. Erstattungsfähig sind dabei auch die Reisekosten, die zur Terminswahrnehmung angefallen sind. Diese sind nach § 173 VwGO i.V.m. § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO entsprechend dem ZSEG zu berechnen. Höhere Auslagen sind nicht anzuerkennen. Die Vorschriften über die Absetzbarkeit von Werbungskosten nach § 9 EStG sind nicht anwendbar. Dies ergibt sich schon daraus, dass in § 91 ZPO ausdrücklich auf das ZSEG (jetzt JVEG) und nicht auf das EStG verwiesen wird."
Hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Behördenvertreters für Verpflegungsmehraufwendungen anlässlich eines Verhandlungstermins entschied das VG Chemnitz in seinem Beschluss vom 23.11.2000 (1 K 2445/96), dass diese sich allein nach § 10 ZSEG richtet, obwohl auch insoweit die einschlägigen Reisekostengesetze des Bundes und der Länder insoweit Spezialvorschriften im Innenverhältnis enthalten. Wenn auch in etwas anderem Zusammenhang, so doch gleichwohl von Interesse, entschied das Landgericht Mühlhausen, 1. Große Strafkammer, in seinem Beschluss vom 14.02.2008 (402 Js 50110/03 1 KLS), dass das JVEG die Entschädigung von Zeugen vor Gericht regelt und auch für Polizeibeamte, die als Zeugen vor Gericht über Wahrnehmungen aussagen, die sie im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit gemacht haben, neben dem Thüringer Reisekostengesetz anwendbar ist, diesem sogar gleichsam vorgeht. Dass das JVEG für den Polizeibeamten Anwendung findet, ergibt sich aus der Systematik des Gesetzes unabhängig davon, dass die Zeugenaussage über Wahrnehmungen im Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit für den Polizeibeamten Dienstzeit ist. Dies führt jedoch ausschließlich dazu, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Kostenerstattung gegenüber dem Dienstherrn nach dem Thüringer Reisekostengesetz bestehe, aber nicht den Anspruch des Beamten auf Erstattung seiner Reisekosten nach JVEG tangiere. Auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bemisst in seinem Beschluss vom 03.07.1990 (8 S 2212/87) die erstattungsfähigen Aufwendungen für Beteiligten-Vertreter allein nach den Regelungen des ZSEG, sowohl in Bezug auf die Benutzung von Beförderungsmitteln als auch in Bezug auf die Zeitversäumnis nach § 10 Abs. 2 ZSEG. Das OLG Stuttgart legt in seinem Beschluss vom 03.04.2001 (8 W 494/00) schließlich dar, dass der gesetzliche Vertreter (oder sonstige Beauftragte) einer Partei, die juristische Person des Privatrechts oder des öffentlichen Rechts ist, bei einer Reise zur Terminswahrnehmung für die Zeitversäumnis ohne Nachweis nach ZSEG zu entschädigen ist, nicht dagegen nach sonstigen besoldungstechnischen Regelungen. Es führt insoweit aus:
"Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats sind Parteireisekosten von gesetzlichen oder beauftragten Vertretern von juristischen Personen zur Wahrnehmung von Gerichtsterminen (§ 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO) erstattungsfähig. Dabei ist ein Unterschied zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts nicht gerechtfertigt. Da diese Entschädigung nach den Bemessungsgrundsätzen der Zeugenentschädigung ohnehin nicht geeignet ist, den tatsächlich durch Zeitverlust entstandenen Nachteil auszugleichen, sondern nur einen pauschalierten Aufwandsersatz darstellt, hält es der Senat für rechtlich geboten, auch hinsichtlich des Stundensatzes und seines Nachweises keine Unterschiede zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts zu machen. Dies gilt umso mehr, als die in § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO genannten Terminsreisekosten eine ausdrückliche Ausnahme von dem Grundsatz bilden, dass der allgemeine Prozessaufwand einer Partei nicht erstattungsfähig ist."
Die Ausführungen der vorstehenden zitierten Gerichte werden zudem gestützt durch den Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 23.11.2005 (8 C 1145/04) und des VGH Baden-Württemberg vom 05.06.1996 (8 S 487/96), wonach eine verständige Partei bemüht sein muss, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Auch diese Betrachtungsweise verbietet die Festsetzung höherer Kilometerpauschalen als sie im JVEG niedergelegt sind. Ob Aufwendungen nämlich nötig waren, beurteilt sich nicht nach den subjektiven Auffassungen des Beteiligten, sondern danach, wie sich eine verständige Partei verhält, die bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Dabei ist ein strenger, den Gesichtspunkt sparsamer Prozessführung beachtender Maßstab insbesondere auch deshalb geboten, weil anderenfalls ein Verfahrensbeteiligter das Kostenrisiko zu Lasten anderer Beteiligter unkalkulierbar erhöhen könnte (so auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.08.1977, XI B 610/75).
Unter Würdigung der oben zitierten und wiedergegebenen Rechtsprechung ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Kilometerpauschale des JVEG für Reisen zur Terminswahrnehmung in gerichtlichen Verfahren für jegliche Arten von Kraftfahrzeugen anzuwenden ist. Grundsätzlich ist ein Personenkraftwagen ein Personenkraftwagen, unabhängig davon, ob es ein behördeneigenes Fahrzeug ist, ein anerkannt privatnütziges, ein Privatfahrzeug auf Dienstreise oder schlicht der Pkw einer Privatperson. Von daher erscheint es im Lichte von Art. 3 GG (ohne besonders rechtfertigende gesetzliche Grundlage wie z.B. nach § 162 VwGO i.V.m. BRAGO/RVG) nicht möglich, für die Benutzung eines gleichartigen Beförderungsmittels verschiedene Wegstreckenentschädigung im gerichtlichen Verfahren festzusetzen. Es ist weder ein sachlicher Grund für eine Ungleichbehandlung vorhanden noch liegt ein ungleicher Sachverhalt vor. Kraftfahrzeug ist Kraftfahrzeug, unabhängig davon, in wessen Eigentum und wessen Benutzung es steht. Darüber hinaus legt insbesondere die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nahe, allein auf die Kostenpauschale des JVEG abzustellen, denn im Zeitpunkt seiner Entscheidungen lag auch hinsichtlich der entschiedenen Dienstfahrzeuge eine anders lautende verwaltungsinterne Kostenregelung vor, nämlich in den Verwaltungskostengesetzen des Bundes und der Länder und den hiernach erlassenen Verwaltungskostenordnungen, wonach in Hessen bei Kraftfahrzeugen je gefahrenem Kilometer 0,40 EUR anzusetzen sind. Wenn aber das Bundesverwaltungsgericht in Ansehung der Verwaltungskostengesetze von einer Regelungslücke in der Verwaltungsgerichtsordnung ausgeht, so muss diese auch in Bezug auf die Reisekostengesetze gelten. Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts und der oben zitierten weiteren Gerichte sind nämlich dahingehend zu verstehen, dass die im Rahmen eines Prozessrechtsverhältnisses erstattungsfähigen Kosten auch durch Prozessrechtsnormen festgelegt sein müssen und nicht durch Normen außerhalb der jeweiligen Prozessordnung. Jegliche andere Betrachtung wäre zudem lebensfremd, insbesondere eine Betrachtung dahingehend, Erstattungsansprüche oder Erstattungspflichten im Innenverhältnis zwischen Vertreter und Vertretenem im Prozessrechtsaußenverhältnis einem Dritten entgegenzuhalten. Für die Erstattung von Kosten der Terminswahrnehmung vor Gericht kann daher allein die Wegstreckenentschädigung nach Maßgabe des JVEG festgesetzt werden. Diese Auffassung der Kammer wird zudem durch die Wertung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG erhärtet, wonach das Prozessrecht zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes gehört, was eine landesrechtliche Gesetzgebung ausschließt, soweit der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, was er im Bereich des anzuwendenden Prozessrechts in dem hier zu entscheidenden Umfang abschließend getan hat. "Gerichtliches Verfahren" im Sinne des § 74 Abs. 1 Nr. 1 GG meint nämlich die verfahrensmäßige Behandlung von Streitfällen vor Gericht, also das Prozessrecht einschließlich der Kosten der Rechtsverfolgung. Es bezieht sich dies gleichermaßen auf alle Gerichtszweige (Kunig in von Münch/Kunig, Grundgesetzkommentar, Art. 74 Rdnr. 17 ff.). Soweit von Bedeutung, führt das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 01.03.1978 (BVerfGE 47, 285) aus, dass das Kostenrecht im Bereich der (freiwilligen) Gerichtsbarkeit gemäß Art. 74 Nr. 1 GG Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung ist. In diesem Bereich haben die Länder gem. Art. 72 Abs. 1 GG die Befugnis zur Gesetzgebung nur, solange und soweit der Bund von seinem Gesetzgebungsrecht keinen Gebrauch gemacht hat. Diese Sperrwirkung für die Landesgesetzgebung tritt vor allem dann ein, wenn der Bund den Sachbereich bereits erschöpfend geregelt hat, sofern nicht das Bundesrecht einen Vorbehalt zu Gunsten der Landesgesetzgebung enthält. An einem derartigen Vorbehalt zu Gunsten des Landesrechts fehlt es sowohl in § 162 VwGO als auch in § 91 ZPO, so dass für die Entschädigung von Terminsreisekosten allein das durch den Bund erlassene JVEG anwendbar bleibt. An keiner Stelle der maßgeblichen Prozessordnungen ist eine Öffnungsklausel dahingehend enthalten, dass es den Landesgesetzgebern freisteht, die Erstattungsfähigkeit von gerichtlichen Aufwendungen durch Landesrecht zu regeln.
In Ansehung der vorstehenden Ausführungen kann der Erinnerung nur insoweit abgeholfen werden, dass je gefahrenem Kilometer eine Wegstreckenentschädigung von 0,25 EUR nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG erstattet und festgesetzt werden kann. Entgegen der Auffassung des Beklagten und Erinnerungsführers sind die Regelungen und Erstattungsbeträge im Hessischen Reisekostengesetz auf die erstattungsfähigen Kosten im Prozessrechtsverhältnis nicht anwendbar. Dies allein entspricht der prozessualen Rechtslage in § 162 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO, welcher nach § 173 VwGO auch im Verwaltungsgerichtsverfahren anwendbar ist und ausschließlich auf das JVEG verweist, nicht dagegen auf anders lautende Kostenrechtsregelungen oder Kostenvereinbarungen außerhalb des Prozessrechtsverhältnisses. Diese Auffassung der Kammer wird gestützt durch die eingeholte Stellungnahme der Bezirksrevisorin beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof vom 02.03.2009, die ausführt, dass hinsichtlich der Reisekosten für Terminswahrnehmungen stets die gleiche Rechtsgrundlage zu Grunde zu legen ist, unabhängig davon, ob es sich um eine Behörde des Bundes, eines Landes oder einer Stadt, um eine natürliche oder juristische Person des öffentlichen oder des privaten Rechts handelt. Für das prozessuale Erstattungsverhältnis unter den Parteien wäre danach stets das JVEG, und zwar die Vorschriften über Zeuginnen und Zeugen, maßgebend. Bezogen auf die aus einem Verwaltungsstreitverfahren resultierenden Erstattungsansprüche des Landes Hessen könne das Reisekostenrecht außerdem keinen weitergehenden Einfluss haben als beispielsweise die vertraglichen Vereinbarungen einer GmbH mit ihrem Geschäftsführer oder Prokuristen, der zur Vertretung der Gesellschaft im verwaltungsgerichtlichen Verfahren berufen ist. Das Reisekostenrecht gehöre wie die vertraglichen Vereinbarungen zum Innenverhältnis der Partei mit ihren Beschäftigen. Der Erstattungsanspruch der Parteien untereinander könne sich aus Gründen der Gleichbehandlung, was die Möglichkeit der eigenen Einflussnahme anbelangt, und aus Gründen der Vorhersehbarkeit von Kosten nur nach einheitlichen Bestimmungen richten. Diese seien bundeseinheitlich für alle Prozessparteien unabhängig von ihrer Rechtsform die gleichen, nämlich diejenigen des JVEG, sowie es die Zivilprozessordnung in § 91 Abs. 1 Satz 2, welche gemäß § 173 VwGO auch auf den Verwaltungsprozess anwendbar sei, vorsehe.
Insoweit führt auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 29.12.2004 a. a. O. aus:
"Es wäre dem Gesetzgeber im Übrigen € innerhalb der Grenzen des Art. 19 Abs. 4 GG € wohl unbenommen, für die Zeitversäumnis von Behördenvertretern bei der Terminswahrnehmung vor Gericht eine angemessene Entschädigungspflicht ausdrücklich festzusetzen. Diese für die Erhebung eines Entgelts für staatliches Tätigwerden erforderliche gesetzliche Grundlage vermag der Senat vor dem Hintergrund der vorstehenden Erwägungen in der allgemeinen Verweisung des § 173 Abs. 1 VwGO auf die entsprechend anzuwendende Zivilprozessordnung und von dort auf die wiederum lediglich entsprechend anzuwendenden Vorschriften für die Entschädigung von Zeugen nicht zu erkennen. Hiergegen spricht zudem, dass der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren das gerichtliche Kostenrecht mehrfach geändert und grundlegend reformiert hat."
Mit diesen Ausführungen macht das Bundesverwaltungsgericht zur Überzeugung der Kammer deutlich, dass sich die erstattungsfähigen Aufwendungen allein nach Maßgabe des geltenden Prozessrechts bemessen, nicht aber nach anderen Gesetzen oder rechtlichen Grundlagen. Mit anderen Worten: Für die Festsetzung erstattungsfähiger Aufwendungen in Bezug auf die Reisekosten zur Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung bedarf es einer konkreten Rechtsgrundlage im Prozessrecht und außerhalb des Prozessrechts liegende Materien können hierbei keine Berücksichtigung finden.
Zuletzt ist schließlich darauf hinzuweisen, dass allein eine Kilometerpauschale nach Maßgabe des JVEG dem bestehenden Prozessrechtsverhältnis im Lichte des Art. 3 Abs. 1 GG gerecht werden dürfe, da hierdurch eine gleichmäßige Erstattung aller Fahrten möglich ist. Bei Anwendung der Reisekostengesetze bestünde nämlich bereits die Schwierigkeit, zwischen 0,16 Euro und 0,30 Euro zu differenzieren (Landesbeamte) bzw. zwischen 0,20 Euro und 0,30 Euro (Bundesbeamte). Darüber hinaus müsste im Rahmen der Kostenfestsetzung nach Maßgabe der Kostengesetze und der jeweiligen Erlasslage geprüft werden, welche Pauschale zur Anwendung gelangt, was das Kostenrecht deutlich überfrachtet und nicht Aufgabe der gerichtlichen Kostenfestsetzung in Bezug auf Aufwendungen für Teilnahmen an einer mündlichen Verhandlung sein kann. Damit würde das Kostenfestsetzungsverfahren eindeutig überfrachtet. Weiter wäre insoweit zu berücksichtigen, dass die notwendigen Aufwendungen im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO in Bezug auf die Fahrtkosten zur Terminswahrnehmung lediglich die anteiligen Unterhalts- und Betriebskosten des Kraftfahrzeuges abgelten sollen (vgl. VG Kassel a. a. O.), die Kostenpauschale von 0,30 Euro nach hessischem Reisekostengesetz aber auch eine anteilige Fahrzeugvollversicherung umfasst. Eine Kraftfahrzeugvollversicherung kann indes zur Überzeugung des Gerichts auch nicht anteilig vom Prozessgegner erstattet verlangt werden. Insoweit wären von dem Pauschsatz von 0,30 Euro die Aufwendungen für eine Fahrzeugvollversicherung in Abzug zu bringen, was ebenfalls nur pauschal erfolgen könnte. Bei Abzug einer derartigen Pauschale für eine anteilige Fahrzeugvollversicherung wäre man indes wieder in einer Größenordnung von 0,25 Euro oder gar weniger angelangt, so dass eine Anwendung des hessischen Reisekostenrechts auch insoweit für den Erinnerungsführer keinerlei Nutzen haben würde.
Die Kammer vermag sich aufgrund vorstehender Ausführungen der Auffassung der dem Erinnerungsführer bekannten Beschlüsse der 7., 9., und 6. Kammer des erkennenden Gerichts sowie der Auffassung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen in seinem Beschluss vom 11.03.2004 (4 K 2526/98) und dem Beschluss des Flurbereinigungssenats des Hess. VGH vom 25.01.1989 (F 4471/88) nicht anzuschließen. So bleibt bereits das Verwaltungsgericht Sigmaringen jede nachvollziehbare Begründung dafür schuldig, warum § 161 Abs. 1 VwGO in Bezug auf die Benutzung eines Privatwagens eines Behördenvertreters entgegen den grundsätzlichen Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in den zitierten Beschlüssen keine Regelungslücke enthalten sollte, weil nämlich das maßgebliche Reisekostenrecht diese Lücke auffülle. Das VG Sigmaringen verkennt hierbei, dass die Festlegung erstattungsfähiger Kosten in einem Prozessrechtsverhältnis nicht Aufgabe des Landesgesetzgebers sein kann (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) und dass die Anwendung unterschiedlicher Kilometerpauschalen bei gleichartigen Sachverhalten eklatant gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Auch die Ausführungen des Beschlusses der 6. Kammer vom 3. März 2009 (6 O 74/09) überzeugen insoweit nicht, ebenso wenig die dort dargestellte "herrschende Meinung". Da weder § 162 Abs. 1 VwGO noch § 91 ZPO eine Öffnungsklausel für landesrechtliche Gesetzgebungstätigkeit enthält, verstößt diese Auffassung gegen Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, weil der Bund in Bezug auf die hier streitbefangene Frage in § 162 Abs. 1, § 173 VwGO, § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO und dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz eine abschließende Regelung getroffen hat, die die Anwendung anderer Normen ausschließt. Bei der Entscheidung des Hess. VGH vom 25.01.1989 (a.a.O.) handelt es sich im Übrigen um eine von den Besonderheiten des flurbereinigungsrechtlichen Beweisaufnahmeverfahrens geprägte Besonderheit, die keineswegs verallgemeinerungsfähig ist, zumal der Beschluss einen Dienstwagen und Tagegeld betrifft und damit von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht.
Nach alledem ist der Kostenansatz für die Wahrnehmung des Termins zur mündlichen Verhandlung mittels eines Personenkraftwagens nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 JVEG zu berechnen und beträgt 0,25 Euro für jeden gefahrenen Kilometer. Insoweit ist der mit der Erinnerung angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss abzuändern und der Kostenansatz neu festzusetzen; die darüber hinausgehende Erinnerung ist indes unbegründet und zurückzuweisen.
Die Kosten des Erinnerungsverfahrens sind gem. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO gegeneinander aufzuheben, weil das jeweilige Obsiegen/Unterliegen der Beteiligten eine Kostenverteilung nach Quoten nicht gebietet. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus dem Fehlen eines Gebührentatbestandes für ein Verfahren der vorliegenden Art im Kostenverzeichnis der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz.
Die Kammer lässt die Beschwerde in entsprechender Anwendung von § 4 Abs. 3 JVEG zu, weil die zur Entscheidung stehende Frage grundsätzliche Bedeutung hat und es geboten erscheint, wegen der divergierenden Rechtsprechung eine grundsätzliche Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs zu ermöglichen.
VG Gießen:
Beschluss v. 16.03.2009
Az: 10 O 188/09.GI
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