Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. März 2000
Aktenzeichen: NotZ 21/99
(BGH: Beschluss v. 20.03.2000, Az.: NotZ 21/99)
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Kammergerichts in Berlin vom 20. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und die der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu ersetzen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 DM festgesetzt
Gründe
I.
Der 1943 geborene Antragsteller wurde 1972 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amts- und Landgericht Bremen, später auch beim Oberlandesgericht Bremen zugelassen. Ab März 1993 ist er anderweit beim Landgericht Berlin und beim Kammergericht zugelassen. Von 1983 bis zum Ende seiner Zulassung bei den Bremer Gerichten war der Antragsteller Notar mit dem Amtssitz in Bremen.
Nachdem sich der Antragsteller erfolglos um eine der am 27. Oktober 1995 ausgeschriebenen Stellen für Anwaltsnotare in Berlin beworben hatte (Senat, Beschl. v. 20. Juli 1998, NotZ 36/97), bewarb er sich erneut um eine der im Amtsblatt für Berlin vom 25. Oktober 1996 und vom 12. Dezember 1997 ausgeschriebenen Stellen. Die Antragsgegnerin lehnte die Bewerbungen mit Bescheiden vom 30. Oktober 1997 und vom 27. Januar 1999 ab, da Bedenken gegen die persönliche Eignung des Antragstellers für das Amt bestünden. Die hiergegen gerichteten Anträge auf gerichtliche Entscheidung blieben ohne Erfolg.
Mit den sofortigen Beschwerden (hier: NotZ 21/99, betr. die Ausschreibung vom 25. Oktober 1996; parallel: NotZ 22/99 betr. die Ausschreibung vom 12. Dezember 1997) verfolgt der Antragsteller seine Anträge, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihn bei dem jeweiligen Auswahlverfahren zu berücksichtigen, fort. Die Antragsgegnerin tritt den Beschwerden entgegen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 111 Abs. 4 BNotO, § 42 Abs. 4 BRAO) aber nicht begründet.
Zu den für beide Bewerbungen maßgeblichen Zeitpunkten, nämlich dem Ablauf der an die jeweilige Ausschreibung anschließenden Bewerbungsfrist (Senatsbeschl. v. 22. März 1999, NotZ 33/98 zur Veröffentl. bestimmt), bestanden begründete Zweifel an der persönlichen Eignung des Antragstellers für das Amt des Notars (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO). Dies schließt seine Bestellung aus (Senat, Beschl. v. 26. März 1973, NotZ 7/72, DNotZ 1974, 755, 756; v.
18. September 1995, NotZ 30/94, NJW-RR 1996, 311; v. 30. November 1998, NotZ 24/98), so daß ihn die Antragsgegnerin zu Recht in das Auswahlverfahren nach § 6 Abs. 3 BNotO nicht einbezogen hat. Die dem jeweiligen Stichtag nachfolgenden Vorgänge bestätigen und vertiefen diese Zweifel. Der Senat nimmt hierzu auf die angefochtenen Beschlüsse des Kammergerichts vom 20. Oktober 1999 (Not 36 und 41/97 betr. die Ausschreibung vom 25. Oktober 1996; Not 3 und 4/99 betr. die Ausschreibung vom 12. Dezember 1997) und die dort getroffenen Feststellungen Bezug, die er sich, soweit sich aus nachfolgendem nichts Abweichendes ergibt, zu eigen macht.
1. Die Staatsanwaltschaft beim Kammergericht führt ein standesgerichtliches Ermittlungsverfahren gegen den Antragsteller (EV 90/95), das mit einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Potsdam (66 Js 858/95) einhergeht, in dem dem Antragsteller u.a. Beihilfe zur Untreue vorgeworfen wird. Der Antragsteller hat von einem Mandanten, dem Betrugshandlungen zum Nachteil einer Reihe Landwirtschaftlicher Produktionsgenossenschaften, für die er als Liquidator tätig war, zur Last gelegt werden (vermutlicher Gesamtschaden 2,3 Mio. DM), im Juni 1993 zur Begleichung von (angeblichen) Honorarforderungen drei Verrechnungsschecks über jeweils 57.500 DM entgegengenommen, die auf Kontoguthaben gezogen wurden, die nicht dem Mandanten, sondern den Genossenschaften zustanden. Nach dem Ermittlungsstand hat der Antragsteller die Schecks als Blanketts empfangen und selbst mit den Schecksummen versehen. Im Beschwerderechtszug führte der Antragsteller aus, es habe sich um Treuhandkonten gehandelt, die er selbst auf den Namen des Mandanten eingerichtet habe, da dieser die Handelsregisterauszüge nicht zur Hand gehabt habe. Dies entlastet den Antragsteller nicht, sondern deutet darauf hin, daß ihm die Eigenschaft der empfangenen Summen als Fremdgelder und damit die Untreuehandlung seines Mandanten gegenüber den Genossenschaften bewußt war. Bereits dies macht ihn weiterhin zum Notar untauglich.
Das standesrechtliche und das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sind allerdings noch nicht abgeschlossen, da die beteiligten Staatsanwaltschaften darauf angewiesen sind, die Erkenntnisse im Strafverfahren gegen den Haupttäter, den Mandanten des Antragstellers, heranzuziehen. Dies steht indessen der Verwertung der Vorgänge vom Juli 1993 nicht entgegen, denn der Senat ist insoweit zu eigenen Feststellungen in der Lage (Senat, Beschl. v.
9. Januar 1995, NotZ 30/93, BNotO § 6 Eignung 5). Vom Oberlandesgericht nicht herangezogen und vom Senat nicht berücksichtigt ist allerdings der strafrechtliche Hauptvorwurf, den die Staatsanwaltschaft Potsdam gegen den Antragsteller erhebt, nämlich die Beteiligung an den Betrugshandlungen des Mandanten zum Nachteil der Genossenschaften. Der Antragsteller soll den Mandanten, der wegen weiterer Straftaten zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war und sich im offenen Vollzug befunden hatte, zur Übernahme der Tätigkeit als Liquidator der Genossenschaften bestimmt und sich aus Mitteln der Genossenschaften in Höhe von mehreren hunderttausend Mark bereichert haben. Die im Strafverfahren geltende Unschuldsvermutung (vgl. Art. 6 Abs. 2 MRK) stünde der Berücksichtigung der nicht abgeschlossenen Ermittlungen allerdings nicht entgegen, denn im Verfahren der Notarzulassung geht es nicht darum, gegen den Bewerber strafrechtliche Sanktionen zu verhängen, sondern Gefahren für den Rechtsverkehr, die von ihm ausgehen könnten, wenn er das Amt inne hätte, vorzubeugen. Den Notaren ist für Beurkundungen (im wesentlichen) eine gesetzliche Monopolstellung eingeräumt (vgl. §§ 1, 56 BeurkG). Die Landesjustizverwaltung hat deshalb die besondere Pflicht, bei der Bestellung der Amtsträger strikt darauf zu achten, daß deren persönliche Eignung für das Amt außerhalb jeden Zweifels steht. Dies ist sie den "unschuldigen" Nutzern der vorsorgenden Rechtspflege, deren Vermögensinteressen auf dem Spiel stehen, schuldig. Das nach Art. 12 Abs. 1 GG verbürgte Recht auf Zugang zum Beruf gebietet es nur, Zweifel an der Eignung des Bewerbers nicht sachwidrig in der Schwebe zu halten, sondern mit den gebotenen Mitteln zu erhärten oder auszuräumen. In dem Verwaltungsverfahren um die Bestellung zum Notar (§§ 6, 64 a BNotO i.V.m. den dazu erlassenen Allgemeinen Verwaltungsvorschriften) sind den Aufklärungsmöglichkeiten der Landesjustizverwaltung aber Grenzen gesetzt. Art und Umfang der Beteiligung eines Bewerbers an einer Wirtschaftsstraftat, deren dieser ernstlich verdächtigt ist, lassen sich vielfach nur mit rechtlichen Mitteln klären, die Staatsanwaltschaft und Gericht im Strafverfahren zur Verfügung stehen. Sind bei dessen Fortschreiten Hindernisse zu überwinden, ist die Justizverwaltung nicht darauf verwiesen, im Verfahren nach §§ 6, 64 a BNotO die strafrechtlichen Ermittlungen zu überholen. Solange der Verdacht ernstlich bestehen bleibt, fehlt die Eignung zum Amt. Unter diesem Gesichtspunkt sähe der Senat keine grundsätzlichen Bedenken, die bisherigen Ergebnisse des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens über den vom Oberlandesgericht herangezogenen Teilaspekt hinaus zu verwerten. Er braucht die Frage jedoch nicht abschließend zu beantworten, da die persönliche Eignung des Antragstellers zum Amt auch sonst zu verneinen ist.
2. Weitere, zum Teil strafrechtlich relevante, zum Teil sonst Zweifel an der Lauterkeit und Gewissenhaftigkeit des Antragstellers begründende Vorfälle stehen dessen Bestellung zusätzlich entgegen. Sie erstrecken sich bis in den Zeitraum der beiden Stellenausschreibungen hinein und dauern darüber hinaus fort. Ein 1996 wegen Geringfügigkeit eingestelltes Ermittlungsverfahren (160 Js 6779/96, STA Bremen) hatte eine Urkundenfälschung bei der Abgabe der gemeinschaftlichen Steuererklärung des Antragstellers mit seiner damaligen Ehefrau zum Gegenstand. In der Beschwerdeinstanz hebt der Antragsteller zwar darauf ab, er sei seinerzeit ermächtigt gewesen, die Einkommensteuererklärung mit einer zweiten Unterschrift für seine Ehefrau zu versehen. Das Strafverfahren ging indessen auf die Anzeige der Ehefrau zurück. Der Antragsteller vermag auch nicht darzutun, daß er sich bereits seinerzeit auf die jetzt behauptete Ermächtigung berufen hätte. In die Jahre 1986 bis 1990 fallen Beanstandungen und disziplinarrechtliche Vorermittlungen wegen der damaligen Amtsführung des Antragstellers als Notar (fehlende Anderkontenliste, fehlerhafte Kostenrechnungen, Beurkundung eines Vergleichs nach vorangegangener anwaltlicher Vertretung eines Beteiligten) sowie ehrengerichtliche Ahndungen wegen seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt (EGH für Rechtsanwälte der Freien Hansestadt Bremen, Urt. v. 21. März 1990, 1 EGH 3/89: Vortäuschung anwaltlicher Fürsorge zum Zwecke der Ermittlung von Vollstreckungsmöglichkeiten; Rügeverfahren der Rechtsanwaltskammer Bremen, B-R 30/90: Zurückhalten eines Empfangsbekenntnisses). In die Zeit der Tätigkeit als Rechtsanwalt in Berlin fallen die unzulässige Errichtung einer Zweigstelle und die verspätete Weiterleitung von Zahlungen einer Haftpflichtversicherung an den Mandanten (Anschuldigungsschrift v. 27. Februar 1995, 3 AnwG 18/95, EV 418/94 StA/KG, I BS 989.93 RAK Berlin; Einstellung gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße), die verspätete und zum Teil unkorrekte Abrechnung eines Vorschusses mit dem Mandanten (Rüge der Rechtsanwaltskammer, bestätigt durch Beschluß des Anwaltsgerichts Berlin vom 17. August 1998, 2 AnwG 2/98) sowie die Nichtberücksichtigung einer - nachträglichen -Streitwertreduzierung bei der Abrechnung mit dem Auftraggeber (Verfahren der Rechtsanwaltskammer III MZ 169/97, abgeschlossen nach zivilgerichtlicher Verurteilung des Antragstellers zur Rückzahlung an den Mandanten). Beachtlich ist in diesem Zusammenhang die Stellungnahme der Beschwerde, wonach die Streitwertherabsetzung zu beanstanden sei, der Antragsteller die Sache dagegen in legitimer Weise abgeschlossen habe. Ähnlichen Zuschnitts und nach den Umständen schwerwiegend ist die Zurückhaltung eines von der Justizkasse erstatteten Gerichtskostenvorschusses in Höhe von 2.159,70 DM gegenüber dem Mandanten (Verfahren der Staatsanwaltschaft beim LG Berlin 56 Js 2967/97, Verfahren der Rechtsanwaltskammer III MZ 257.98). Bei der Durchsuchung seiner Kanzleiräume am 20. Januar 1998 gab der Antragsteller dazu an, ihm stehe eine Honorarforderung in gleicher Höhe zu. Auf den Nachweis, daß die Forderung bereits Mitte 1995 getilgt worden war, leitete der Antragsteller den Betrag an die Justizkasse zurück. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ist zwar noch nicht abgeschlossen, unabhängig davon, ob dieses zu einer gesicherten Feststellung des für eine Straftat erforderlichen subjektiven Tatbestandes gelangt, reichen die bereits ermittelten Umstände hin, nachhaltige Bedenken gegen die Eignung des Antragstellers zu begründen, fremde Gelder als Notar in Verwahrung zu nehmen. Nicht in seine Erwägungen einbezogen hat der Senat die Streitigkeiten des Antragstellers mit seinem früheren Mandanten Lehmann sowie die Angabe einer Postfachanschrift in dem von seiner Kanzlei verwendeten Briefkopf.
Rinne Tropf Wahl Lintz Doye
BGH:
Beschluss v. 20.03.2000
Az: NotZ 21/99
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