Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 21. September 2010
Aktenzeichen: 6 U 74/10
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 21.09.2010, Az.: 6 U 74/10)
Wer ohne Erlaubnis Rechtsdienstleistungen anbietet, verstößt auch dann gegen §§ 2, 3 RDG sowie gegen § 4 Nr. 11 UWG, wenn er sich zur Erfüllung der versprochenen Leistung eines Rechtsanwalts bedient.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9. Februar 2010verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des LandgerichtsDarmstadt abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt,
es bei Meidung von Ordnungsgeld bis EUR 250.000,00, ersatzweiseOrdnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehenan seinem jeweiligen Vorstand, für jeden Fall der Zuwiderhandlungzu unterlassen,
außergerichtliche Rechtsdienstleistungen anzubieten und/oder zuerbringen und/oder für diese zu werben oder werben zu lassen, ohnedass eine Erlaubnis nach dem Gesetz über außergerichtlicheRechtsdienstleistungen oder aufgrund eines anderen Gesetzesbesteht, wenn dies geschieht für
1. das Dienstleistungsangebot€Interessengemeinschaft/Sammelklagen€ wie wiedergegebenin Anlagenkonvolut K2;und/oder
2. das Dienstleistungsangebot €Anwaltspfusch€ wiewiedergegeben in Anlage K 3;und/oder3. das Dienstleistungsangebot €Anti-Abmahn-Service€ wiewiedergegeben in Anlage K 4;und/oder4. das Dienstleistungsangebot €Anti-Knöllchen-Service€wie wiedergegeben in Anlage K 5;und/oder5. das Dienstleistungsangebot €Schluss mit demFaxterror€ wie wiedergegeben in Anlage K 6.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann dieVollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 90.000,- €abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheitin gleicher Höhe leistet.
Gründe
I.
Die Klägerin ist das Selbstverwaltungsorgan der in den Landgerichtsbezirken O1, O2, O3, O4, O5 und O6 tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. Der Beklagte ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben unter anderem €die Beratung und Aufklärung von Verbrauchern und klein- und mittelständischer Firmen, die Wahrnehmung derer Rechte und Durchsetzung von Ansprüchen, der Abwehr von unberechtigten Ansprüchen und den Interessen der Verbraucher und Unternehmen zuwiderlaufender Handlungen und Maßnahmen sowie insbesondere auch die Wahrnehmung der Rechte von Randgruppen und sozial Schwachen€ gehört.
Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten auf ihrer Internetseite www€..de unterbreiteten Dienstleistungsangebote €Interessengemeinschaften/Sammelklagen€, €Anwalts-Pfusch€, €Anti-Abmahn-Service€, Anti-Knöllchen-Service€ und €Schluss mit dem Faxterror€ gemäß der Anlagen K 2 bis K 6. Die Klägerin vertritt die Auffassung, der Beklagte verstoße mit diesen Angeboten gegen die Vorschriften des Rechtsdienstleistungsgesetz und damit gegen § 4 Nr. 11 UWG, da diese eine einzelfallbezogene juristische Beratung zum Gegenstand hätten. Diese biete die Beklagte auch als eigene Dienstleistungen an, wobei sich deren Entgeltlichkeit aus den erhobenen €Mitgliedsbeiträgen€ ergebe. Die von dem Beklagten unter dem Datum des 12. Oktober 2009 (Aktenkonvolut K 9) abgegebene Unterlassungserklärung hält die Klägerin für nicht ausreichend.
Der Beklagte begegnet diesen Vorwürfen mit dem Argument, ein Mandatsverhältnis komme nur zwischen dem sogenannten Vertrauensanwalt und seinem Mitglied zustande, während der Verein selbst lediglich die Vermittlung zwischen seinen Mitgliedern und qualifizierten Rechtsanwälten übernehme. Außerdem erhebt der Beklagte die Einrede der Verjährung und beruft sich auf den Grundsatz der Verwirkung. Die beanstandeten Angebote seien zum Teil seit Jahren € seit 2005 € auf ihrer Internetseite eingestellt. Außerdem habe sich der Präsident des Klägers im Jahre 2000 in die Datenbank des Beklagten eingetragen. Bei lebensnaher Betrachtung müsse davon ausgegangen werden, dass ihm das beanstandete Angebot bekannt gewesen sei.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass lediglich die Vermittlung eines Kontakts zu Rechtsanwälten angeboten werde. Die in den Angeboten gemäß der Anlagen K 5 und K 6 würden zudem unentgeltlich erbracht.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Sie beantragt,
das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 09.02.2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,
es bei Meidung von Ordnungsgeld bis EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an seinem jeweiligen Vorstand, für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu unterlassen,
außergerichtliche Rechtsdienstleistungen anzubieten und/oder zu erbringen und/oder für diese zu werben oder werben zu lassen, ohne dass eine Erlaubnis nach dem Gesetz über außergerichtliche Rechtsdienstleistungen oder aufgrund eines anderen Gesetzes besteht, wenn dies geschieht für
1. das Dienstleistungsangebot €Interessengemeinschaft/Sammelklagen€ wie wiedergegeben in Anlagenkonvolut K2;und/oder2. das Dienstleistungsangebot €Anwaltspfusch€ wie wiedergegeben in Anlage K 3;und/oder3. das Dienstleistungsangebot €Anti-Abmahn-Service€ wie wiedergegeben in Anlage K 4;und/oder4. das Dienstleistungsangebot €Anti-Knöllchen-Service€ wie wiedergegeben in Anlage K 5;und/oder5. das Dienstleistungsangebot €Schluss mit dem Faxterror€ wie wiedergegeben in Anlage K 6.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
In der Berufungsinstanz wiederholen und vertiefen die Parteien ihren erstinstanzlichen Vortrag. Auch die Angebote gemäß der Anlagen K 5 und K 6 (€Anti-Knöllchen-Service€ und €Schluss mit dem Faxterror€) würden nicht unentgeltlich angeboten. Denn in Anlage K 6 werde alternativ entweder eine einmalige Aufnahmegebühr in Höhe von 23,20 € oder eine Rechtsschutzversicherung verlangt. Auch bei dem €Anti-Knöllchen-Service€ sei eine Rechtsschutzversicherung Voraussetzung für die Aufnahme.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie ergänzend auf die Ausführungen unter II. Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.
Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin aus § 3 RDG in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG zu. Denn der Beklagte verfügt unstreitig nicht über eine Erlaubnis zur Erbringung (außergerichtlicher) Rechtsdienstleistungen.
Die Unterwerfungs- und Verpflichtungserklärung des Beklagten vom 12. Oktober 2009 lässt den Verfügungsgrund nicht entfallen. Den darin verpflichtet sich der Beklagte lediglich, es bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, die beanstandeten Angebote zu unterbreiten oder entsprechende Leistungen zu erbringen, ohne darauf hinzuweisen, dass die notwendigen rechtsberatenden Tätigkeiten nicht von ihm selbst, sondern von einem sogenannten Vertrauensanwalt erbracht werden. Der fehlende Hinweis auf die Tätigkeit der Vertrauensanwälte ist jedoch nicht Gegenstand des auf Unterlassung des auf Unterlassung des beanstanden Angebots selbst gerichteten Begehrens der Klägerin; die Erklärung vom 12. Oktober 2009 trifft damit den Kren des Unterlassungsanspruchs nicht.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts besteht auch ein Verfügungsanspruch. Die Angebote des Beklagten sind Rechtsdienstleistungen im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG, da sie als Tätigkeiten in konkreten fremden Angelegenheiten aufzufassen sind, bei denen eine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erforderlich ist. Denn versprochen wird,
- im Falle der €Interessengemeinschaften/Sammelklagen€ ausweislich des Internetauftritts gemäß Anlagenkonvolut K2€eine anwaltliche Prüfung zu den Erfolgsaussichten sowie weitere Informationen zum Verfahrensstand in der betreffenden Sache€beziehungsweise€eine Erstberatung, deren Kosten der X e.V.€, wobei€die Anwälte prüfen, ob die Ihre Ansprüche durchsetzbar sind.€;
- im Falle des Angebots €Anwalts-Pfusch€ gemäß Anlagenkonvolut K 3, dass der€der X e.V. geeignete Vertragsanwälte damit beauftragt, festzustellen, ob gegen Ihren Rechtsanwalt ein Regressanspruch besteht.€;
- im Falle des Angebots €Anti-Abmahn-Service€ gemäß Anlage K 4, dass diese€die Möglichkeit bietet, von X-Anwälten die Rechtslage fachkundig prüfen zu lassen.€;
- im Falle des €Anti-Knöllchen-Service€ gemäß Anlage K 5€eine Sachverständigenprüfung mit anschließender juristischer Überprüfung der Erfolgsaussichten, ob gegen ein entsprechendes Beweismittel Widerspruch eingelegt werden kann.€und
- im Falle des Angebots €Schluss mit dem Faxterror€ gemäß der Anlage K 6, dass der Y€den Störer zur Unterlassung€auffordert.
Diese Leistungen werden von dem Beklagten auch nicht unentgeltlich angeboten, so dass die Ausnahmevorschrift des § 6 Abs. 1 RDG nicht eingreift. Denn die Angebote sind jeweils so zu verstehen, dass der zu zahlende €Mitgliedsbeitrag€ als Gegenleistung für die angebotenen Rechtsdienstleistungen zu sehen ist. Ein solcher Zusammenhang wird durch Formulierungen wie€Für die Einmalige Beitrittsgebühr in Höhe von 75,- € zu einer X-Interessengemeinschaft gibt es folgende Leistungen: Eine anwaltliche Information, die aufzeigt[€]€deutlich. Dies gilt auch für die Rechtsdienstleistungen €Anti-Knöllchen-Service€ und €Schluss mit dem Faxterror€. Diese Leistungen können zwar auch durch eine beitragsfreie Mitgliedschaft in Anspruch genommen werden. Jedoch gilt dies in beiden Fällen nur, wenn das Mitglied eine Rechtsschutzversicherung besitzt. Das ist dahin zu verstehen, dass die Kosten für die Rechtsdienstleistungen zwar nicht von dem Mitglied des Beklagten selbst, wohl aber von einer (ihrerseits nicht kontenlosen) Rechtsschutzversicherung zu tragen sind.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht der Annahme einer Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 Abs. 1 RDG auch nicht entgegen, dass der Beklagte die angebotenen rechtlichen Prüfungen nicht selbst, das heißt durch eigene Mitarbeiter durchführt, sondern dazu auf mit ihr vertraglich verbundene Rechtsanwälte zurück greift. Denn eine ohne entsprechende Erlaubnis vorgenommene Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Rechtsberatungsgesetzes nicht dadurch gerechtfertigt, dass der Handelnde sich dabei der Hilfe eines Rechtsberaters bedient ( BGH, Urt. v. 24.06.1987 € I ZR 74/85, GRUR 1987, 714, 715 - Schuldenregulierung). Dieser unter der Geltung des Rechtsberatungsgesetzes aufgestellte Grundsatz gilt auch für das Rechtsdienstleistungsgesetz. Einem Vorschlag, dem Dienstleistenden zu gestatten, die Rechtsdienstleistung als Teil seines eigenen Leistungsangebots zu erbringen, solange er insofern einen Anwalt hinzuzieht, der die Rechtsdienstleistung eigenverantwortlich erbringt, ist der Gesetzgeber bewusst nicht gefolgt (BGH, Urt. v. 29.07.2009 € I ZR 166/06 € GRUR 2009, 1077, Tz 24 € Finanz-Sanierung). Maßgeblich ist deshalb nach wie vor, ob derjenige gegenüber dem sich der Beratene verpflichtet, über die erforderliche Erlaubnis verfügt (BGH, a.a.O. Tz 23). Dies ist im vorliegenden Fall der Beklagte. Denn der Anspruch auf die angebotenen Rechtsdienstleistungen wird allein durch die Mitgliedschaft bei ihm begründet, während die die Rechtsdienstleistung letztlich erbringenden Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte vertraglich mit dem Beklagten verbunden sind und von diesem auch ausgewählt werden.
Auch die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 1 RDG, die Rechtsdienstleistungen durch berufliche oder andere zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen und deren Zusammenschlüsse zulässt, greift zugunsten des Beklagten nicht ein. Denn auch insoweit gilt, dass eine Rechtsdienstleistung nur zulässig ist, wenn ihre Erfüllung gegenüber den übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung ist. Letzteres ist im Falle der Beklagten allerdings anzunehmen. Seine als Anlage K 3 vorgelegte Satzung nennt in § 1 Abs. 1 als Vereinszweck zwar auch Forschung, Bildung und Förderung des sozialen und zivilen Rechtsbewusstseins der Bevölkerung, wobei dieser Zweck außer durch wirtschaftliche und rechtliche Beratung auch durch Öffentlichkeitsarbeit, die Vorbereitung aufklärender Schriften und Zeitungen sowie beispielsweise die Vergabe von Forschungs- und Entwicklungsaufträgen erreicht werden soll (§ 1 Abs. 2 der Satzung). Unklar bleibt allerdings, in welchem Umfang und mit welchen diese überhaupt entfaltet werden. Darauf kommt es letztlich jedoch nicht an. Denn in den beanstandeten Internetauftritten werden die angebotenen Rechtsdienstleistungen ausdrücklich als Gegenleistung für die zu zahlenden Mitgliedsbeiträge oder den Nachweis einer Rechtsschutzversicherung angeboten.
Die Förderung der Einzelinteressen seiner Mitglieder steht damit deutlich im Fordergrund, so dass eine Berufung auf § 7 Abs. 1 RDG ausscheidet (vgl.: Krenzler, RDG, § 7 Rd. 27; Grunewald/Römermann, RDG, § 7 Rd. 10).
Die Bestimmung des § 3 RDG zählt schließlich auch zu den Vorschriften, die dazu bestimmt sind, im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher, das Marktverhalten zu regeln. Diese stellt klar, dass Rechtsdienstleistungen angesichts des fortbestehenden Verbotscharakters des Gesetzes, das gemäß seinem § 1 Abs. 1 Satz 2 dazu dient, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen, nur aufgrund gesetzlicher Erlaubnis erbracht werden dürfen und im Übrigen verboten sind (vgl. BGH, Urt. v. 29.07.2009 € I ZR 166/06 € GRUR 2009, 1077 € Finanz-Sanierung, m.w.Nachw.). Der Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz begründet deshalb auch einen Wettbewerbsverstoß im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG.
Ohne Erfolg macht der Beklagte die Verjährung oder Verwirkung des Unterlassungsanspruchs geltend. Der Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass die Klägerin vor dem 15. Mai 2009, dass heißt dem Tag, an welchem die Klägerin nach ihrer Darstellung von den Angeboten des Beklagten Kenntnis erlangt haben will, erfahren hat. Der Vortrag der Beklagten über die Registrierung der Kanzlei des derzeitigen Präsidenten der Klägerin in ihrer Internet-Datendank im Jahre 2000 belegt eine solche Kenntnis schon deshalb nicht, weil daraus nicht ohne weiteres zu schließen ist, dass der Präsident der Klägerin den Inhalt des gesamten Internetauftritts im Jahr 2005 oder später zur Kenntnis genommen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit weder grundsätzliche Bedeutung hat noch eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Wahrung der Fortbildung oder Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung erforderlich ist (§ 543 Abs. 2 ZPO).
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 21.09.2010
Az: 6 U 74/10
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