Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. März 2003
Aktenzeichen: 14 W (pat) 32/02

(BPatG: Beschluss v. 11.03.2003, Az.: 14 W (pat) 32/02)

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Das Patent 197 06 008 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 6, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2003 2 Seiten Beschreibung Spalten 1 bis 4, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 11. März 2003 3 Seiten Zeichnungen Figuren 1 bis 3, gemäß Patentschrift.

Gründe

I Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19. Dezember 2001 hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent 197 06 008 mit der Bezeichnung

"Verfahren zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von variablen grafischen Elementen in Wert- und Sicherheitsdokumenten"

widerrufen.

Dem Beschluss liegen die Patentansprüche 1 bis 4 vom 4. Juli 2000 zugrunde, von denen der Anspruch 1 wie folgt lautet:

Verfahren zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von variablen grafischen Elementen, insbesondere alphanumerische Zeichen, Bilder, Barcodes in Wert- und Sicherheitsdokumenten, wobei mindestens die Flächen der variablen grafischen Elemente mit mikroskopisch feinen Strukturen versehen werden und zwischen den spektralen und/oder geometrischen Eigenschaften der Strukturen (Farbe/Muster) und den zu schützenden variablen grafischen Elementen ein definierter Zusammenhang in Form eines Codes hergestellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die strukturierten variablen grafischen Elemente in eine lichtempfindliche Schicht belichtet werden.

Der Widerruf ist im wesentlichen dadurch begründet, das Verfahren zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von variablen grafischen Elementen nach Patentanspruch 1 gemäß Antrag vom 4. Juli 2000 beruhe gegenüber dem durch

(1) die seit mindestens 1993 im Umlauf befindlichen Banknoten mit dem Wert 10 DM oder 20 DM und

(2) DE 29 07 809 B2 belegten Stand der Technik nicht auf erfinderischer Tätigkeit. Da über den Bestand des Patents nur insgesamt entschieden werden könne, hätten auch die Patentansprüche 2 bis 4 keinen Bestand.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin, mit der sie die beschränkte Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 bis 6 mit folgendem Wortlaut verfolgt:

1. Verfahren zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von variablen grafischen Elementen, nämlich alphanumerischen Zeichen bei der Personalisierung in Wert- und Sicherheitsdokumenten, wobei mindestens die Flächen der alphanumerischen Zeichen mit mikroskopisch feinen Strukturen versehen werden und zwischen den spektralen und geometrischen Eigenschaften der Strukturen (Farbe/Muster) und den alphanumerischen Zeichen ein definierter Zusammenhang in Form eines Codes hergestellt wird, wobei jedem alphanumerischen Zeichen eine Farbe zugeordnet ist, die als Farbcode in den Strukturen der einzelnen alphanumerischen Zeichen wiederkehrt.

2. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die strukturierten alphanumerischen Zeichen in eine lichtempfindliche Schicht belichtet werden.

3. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die strukturierten alphanumerischen Zeichen gedruckt werden.

4. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die strukturierten alphanumerischen Zeichen durch Änderung der Absorptions-, Reflektions-, oder Transmissionseigenschaften einer Materialschicht unter der Einwirkung elektromagnetischer Strahlung erzeugt werden.

5. Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Strukturen der alphanumerischen Zeichen in einem von der Reproduktion des zu schützenden alphanumerischen Zeichens separaten Arbeitsgang reproduziert werden.

6. Verfahren nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Strukturen der alphanumerischen Zeichen durch Fraktallinien und/oder Fraktalflächen gebildet werden.

Die Patentinhaberin trägt im wesentlichen vor, dass keine der bisher bekannt gewordenen Entgegenhaltungen das nunmehr beanspruchte Verfahren vorwegnehme. Das Verfahren zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von alphanumerischen Zeichen bei der Personalisierung in Wert- und Sicherheitsdokumenten gemäß den Patentansprüchen 1 bis 6 werde vom bisher ermittelten Stand der Technik auch nicht nahegelegt. Von den in Betracht gezogenen Entgegenhaltungen betreffe lediglich

(3) DE 28 36 529 C2 die Farbcodierung von zur Individualisierung bzw Personalisierung eines Dokuments aufgedruckten alphanumerischen Zeichen. Diese erfolge aber nicht in der einfachen Weise der Zuordnung jeweils einer Farbe zu einem alphanumerischen Zeichen einer Seriennummer, sondern durch zweifachen Aufdruck der Seriennummer in der Weise, dass die Farbgebung der ersten Seriennummer und die hiervon unterschiedliche Farbgebung ihres Untergrundes beim Aufdruck der zweiten Seriennummer und deren Untergrundes komplementär ausgewählt sein müssten.

Die Patentinhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent beschränkt aufrechtzuerhalten auf der Grundlage der Patentansprüche 1 bis 6 und Beschreibung Spalten 1 bis 4, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung sowie 3 Seiten Zeichnungen, Figuren 1 bis 3 gemäß Patentschrift.

Die Einsprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Einsprechende ist der Auffassung, dass bereits die seit mindestens 1993 im Umlauf befindlichen Banknoten mit dem Wert 10 DM oder 20 DM das beanspruchte Verfahren neuheitsschädlich vorwegnehmen würden. Jedenfalls würde das Verfahren zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von alphanumerischen Zeichen bei der Personalisierung in Wert- und Sicherheitsdokumenten im Hinblick auf die bekannten Banknoten nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.

Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (§ 73 PatG); sie führt zu dem im Tenor angegebenen Ergebnis.

1. Die geltenden Patentansprüche 1 bis 6 sind zulässig.

Der gültige Patentanspruch 1 leitet sich aus dem erteilten Anspruch 1 iVm Patentschrift Spalte 3, Zeilen 24 bis 29 und Zeile 63 bis Spalte 4, Zeile 4 bzw aus den ursprünglichen Patentansprüchen 1 und 8 in Verbindung mit Seite 4, Zeilen 4 bis 6 von unten, Seite 7, Zeilen 9 bis 15 und Seite 8; Zeile 4 von unten bis Seite 9, Zeile 6 ab. Die Gegenstände der Patentansprüche 2 bis 6 sind den erteilten Patentansprüchen 2 bis 6 bzw den ursprünglichen Patentansprüchen 2 bis 6 zu entnehmen. Anstatt des Ausdrucks "variable graphische Elemente" wurde in den Ansprüchen "alphanumerische Zeichen" verwendet, da Patentanspruch 1 auf diese Zeichen eingeschränkt wurde.

2. Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von alphanumerischen Zeichen bei der Personalisierung in Wert- und Sicherheitsdokumenten zu entwickeln, mit dem die Nachteile des Standes der Technik, insbesondere bezüglich der Notwendigkeit der Verwendung von komplexen Herstellungstechnologien, teuren Beschriftungstechniken, doppeltem Datenbestand auf dem Dokument, überwunden werden, sowie Sicherheitslücken und die komplizierte Verifikation der Echtheit vermieden werden und in einfacher Art und Weise Sicherheitsmerkmale eingebracht und die Unversehrtheit und Echtheit des Dokuments überprüft werden können (neue Unterlagen Sp 2, Z 17 bis 28).

Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt durch ein Verfahren zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von variablen grafischen Elementen in Wert- und Sicherheitsdokumenten mit folgenden Merkmalen 1. die variablen graphischen Elemente sind alphanumerische Zeichen 1.1 die alphanumerischen Zeichen dienen der Personalisierung (des Dokuments)

1.2 mindestens die Flächen der alphanumerischen Zeichen werden mit mikroskopisch feinen Strukturen versehen und 1.3 zwischen den spektralen und geometrischen Eigenschaften der Strukturen (Farbe/Muster) und den alphanumerischen Zeichen wird ein definierter Zusammenhang in Form eines Codes hergestellt, wobei 1.4 jedem alphanumerischen Zeichen eine Farbe zugeordnet ist, die als Farbcode in den Strukturen der einzelnen alphanumerischen Zeichen wiederkehrt.

Der für die Lösung dieser Aufgabe zuständige Fachmann ist ein Diplomingenieur, der mit der Produktion von fälschungssicheren Wert- und Sicherheitsdokumenten vertraut ist.

3. Das beanspruchte Verfahren zur Erhöhung der Fälschungssicherheit von variablen grafischen Elementen nach Patentanspruch 1 ist neu, da die nunmehr beanspruchte Abfolge der Verfahrensschritte in keiner der dem Senat vorliegenden Druckschriften in allen Einzelheiten beschrieben wird.

Die Banknoten (1) erfüllen einerseits die in der Merkmalsanalyse mit 1., 1.2 und 1.3 bezeichneten Merkmale: die jeweils aufgedruckte Wertzahl (10 oder 20) trägt eine mit der Lupe lesbare Codierung, die mit ihren spektralen und geometrischen Eigenschaften (Farbe/Muster) in definiertem Zusammenhang mit der Wertzahl steht. Die Merkmale 1.1 und 1.4 sind aber bei den Wertzahlen nicht verwirklicht, denn die Wertzahlen dienen nicht der Personalisierung der Banknote im Sinne einer individuellen Zuordnung und den unterschiedlichen Ziffern einer Wertzahl sind keine unterschiedlichen Farben zugeordnet. Andererseits weisen die die "Personalisierung" der Banknoten ermöglichenden Seriennummern die Merkmale 1. und 1.1 auf, aber keines der weiteren Merkmale 1.2 bis 1.4. Die seit mindestens 1993 im Umlauf befindlichen Banknoten mit dem Wert 10 DM oder 20 DM können somit die Neuheit des nunmehr beanspruchten Verfahrens nicht in Frage stellen.

In der Patentschrift (3) wird die Herstellung eines Dokuments mit lesbaren Kodierungen zur Unterscheidung des Dokuments von anderen ähnlichen Dokumenten offenbart, wobei die Kodierung in Form von farbigen alphanumerischen Zeichen auf einen andersfarbigen Unterdruck aufgebracht wird. Der Aufdruck, mit dem das Dokument personalisiert wird, wiederholt sich an einer weiteren Stelle des Dokuments, wobei der zweite Aufdruck in den jeweiligen Farben des Untergrunds der entsprechenden Zeichen des ersten Aufdrucks auf einem Untergrund, der dem Aufdruck der ersten Zeichen entspricht, ausgeführt wird (vgl Ansprüche 1 und 2). Somit ist in (3) ein Verfahren mit den Merkmalen 1., 1.1 und 1.3 beschrieben (vgl insbesondere auch Fig 1 mit zugehöriger Beschreibung), bei dem aber die Merkmale 1.2 und 1.4 nicht verwirklicht sind.

Die weiteren im Verfahren befindlichen, jedoch in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen Druckschriften, nämlich (2),

(4) DE 39 41 326 A1,

(5) DE 30 48 736 C2,

(6) DE 44 46 368 A1,

(7) US 4 511 616,

(8) DE 14 46 951 A und

(9) EP 0 659 587 A1 liegen ferner und können deshalb das beanspruchte Verfahren nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen.

So beziehen sich (2) und (4) bis (7) zwar ua auf die Herstellung von Dokumenten zur Personalisierung unter Verwendung alphanumerischer Zeichen (vgl (2) Sp 5 Z 14 bis 20 iVm Fig 3 u 4; (4) Anspruch 7 iVm Sp 4 Z 7 bis Sp 5 Z 15 u Fig 1 u 2; (5) Anspruch 1 iVm Sp 4 Z 52 bis 59 u Fig 1; (6) Fig 1 iVm Sp 3 Z 51 bis Sp 4 Z 1; (7) Fig 6 iVm Sp 4 Z 25 bis 59), beinhalten also Angaben zu den Merkmalen 1. und 1.1. Hiervon enthalten die Dokumente (4), (5) und (7) keine Hinweise auf mikroskopisch feine Strukturen gemäß Merkmal 1.2 und für die den Entgegenhaltungen (2) und (6) hierzu zu entnehmenden Ausführungen (vgl (2) Sp 2 Z 9 bis 17; (6) Sp 7 Z 28 bis 57) ist kein Bezug zu den zur Personalisierung heranzuziehenden alphanumerischen Zeichen ersichtlich. Aus (2), (4) und (5) sind keine Angaben zu einer Farbcodierung und damit zu den Merkmalen 1.3 und 1.4 der Merkmalsanalyse abzuleiten. In (6), Spalte 7, Zeilen 28 bis 55 und (7) Fig 6 iVm Sp 4 Z 25 bis 59 ist eine farbige Ausgestaltung von Strukturen angesprochen, die Darlegungen in (6) stehen aber hierbei nicht in Zusammenhang mit zur Personalisierung heranzuziehenden alphanumerischen Zeichen. Die jeweilige Zuordnung einer Farbe zu einem alphanumerischen Zeichen nach Maßgabe des Merkmals 1.4 ist in keiner der Entgegenhaltungen (2) und (4) bis (7) offenbart.

Den Druckschriften (8) und (9) können Angaben zu alphanumerischen Zeichen, mikroskopisch feinen Strukturen und farblichen Gestaltungen entnommen werden (vgl (8) Ansprüche 12 und 17 iVm S 3 Abs 2; (9) Sp 6 Z 5 bis 21, Sp 7 Z 1 bis 14 u Sp 8 Z 41 bis 43). Es ist aber weder ein Zusammenhang mit der Personalisierung von Dokumenten aufgezeigt noch ein Anhaltspunkt für die Zuordnung einer Farbe zu einem alphanumerischen Zeichen ersichtlich, so dass sich das Verfahren nach dem geltenden Anspruch 1 schon durch die Merkmale 1.1 und 1.4 von den Lehren jeder dieser beiden Entgegenhaltungen unterscheidet.

4. Der Gegenstand des gültigen Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Da - wie bei der Beurteilung der Neuheit im einzelnen erörtert - keine der in Betracht gezogenen Druckschriften die spezifische Zuordnung einer Farbe zu einem alphanumerischen Zeichen beschreibt, was auch für den Fall nicht zur Personalisierung heranzuziehender Zeichen gilt, kann keine der dem Senat vorliegenden Druckschriften zur Ausgestaltung eines Verfahrens mit dem Merkmal 1.4 hinführen.

Das Merkmal 1.4 ist aber auch dann nicht nahegelegt, wenn Geldscheine im Wert von 10 DM und 20 DM als Individualisierungen ein und desselben Dokuments "Geldschein" bzw "deutsche Banknote" angesehen werden. Dann wären zwar den alphanumerischen Zeichen 1 und 2 bzw deren mikroskopisch feinen Strukturen die unterschiedlichen Farbcodes bläulichviolett und bläulichgrün zugeordnet. Diese Farbcodes wären aber nicht spezifisch für 1 und 2, weil sie beim jeweiligen Geldschein in den Strukturen des alphanumerischen Zeichens 0 wiederkehren. Dem Zeichen 0 ist dagegen nicht ein (einziger) Farbcode zugeordnet, sondern die beiden erwähnten Farbcodes. Eine solche Betrachtungsweise kann somit nicht zur Ausbildung des Merkmals 1.4 anregen (- was bei einer Einbeziehung der Werte 100 DM, 200 DM und 1000 DM noch deutlicher würde, weil dann dem Zeichen 1 drei, dem Zeichen 2 zwei und dem Zeichen 0 fünf Farbcodes zuzuordnen wären und kein Farbcode für ein bestimmtes Zeichen charakteristisch wäre).

Nach alledem kann mit dem vorliegenden Material nicht festgestellt werden, dass es für den Durchschnittsfachmann ohne erfinderische Tätigkeit möglich gewesen wäre, nach dem geltenden Anspruch 1 zu verfahren.

5. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist somit nicht nur neu und unbestritten gewerblich anwendbar, sondern beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Patentanspruch 1 ist daher rechtsbeständig. Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 betreffen besondere Ausführungsformen und haben daher ebenfalls Bestand.

Bei dieser Sachlage war der angefochtene Beschluss, dessen Gründe gegenüber dem neu formulierten eingeschränkten Patentbegehren nicht mehr zum Tragen kommen, aufzuheben und das Patent antragsgemäß beschränkt aufrechtzuerhalten.

Wagner Harrer Feuerlein Gerster Pü






BPatG:
Beschluss v. 11.03.2003
Az: 14 W (pat) 32/02


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