Finanzgericht Münster:
Urteil vom 19. Januar 2012
Aktenzeichen: 5 K 105/07 E
(FG Münster: Urteil v. 19.01.2012, Az.: 5 K 105/07 E)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist noch nach mehreren Änderungen des Streitstoffes und mehreren Unterbrechungen wegen der Aussetzung bzw. des Ruhens des Verfahrens,
- ob im Streitjahr 1996 gezahlte Prämien zur Glattstellung eines Kaufoptionsgeschäftes als Werbungskosten (WK) abziehbar sind,
- ob für die Streitjahre 1996-2001 die Einkünfte aus Kapitalvermögen um auf ausländische Kapitalanlagen lastende Körperschaftsteuern (KSt) zu erhöhen sind mit dem Ziel, die ausländische KSt auf inländische Einkommensteuer (ESt) anzurechnen.
Die Kläger (Kl.) sind durch Erbfall Gesamtrechtsnachfolger der Eheleute H und G T (Erblasser) geworden. G T ist am 18.10.2008 und H T am 15.04.2009 verstorben. Das Erbe des N T steht unter Testamentsvollstreckung. Die Kl. haben das Verfahren aufgenommen. Die Erblasser erzielten in den Streitjahren Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung (VuV) und sonstige Einkünfte. Die sonstigen Einkünfte beinhalteten Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für 1996 und private Veräußerungsgeschäfte in allen Streitjahren. Das zu versteuernde Einkommen war in den Streitjahren jeweils positiv.
Glattstellungsgeschäft
Der Erblasser veräußerte in 1995 Kaufoptionen (Recht zum Erwerb eines Wertpapiers zu einem bestimmten Preis) für B AG Holding Namensaktien. Als Optionsprämie erzielte er 4.650 DM. Nach Abzug von Gebühren und Provisionen wurden ihm am 17.11.1995 4.310 DM gutgeschrieben. Im Streitjahr 1996 kaufte der Erblasser 20 Kaufoptionen für dieselbe Aktie zum Preis von 12.090 DM (sog. Closing).
Der Erblasser machte die Differenz zwischen der Verkaufsprämie und dem Glattstellungsgeschäft in Höhe von 7.780 DM zunächst als Spekulationsverlust für das Streitjahr 1996 geltend. Im Verlaufe des Klageverfahrens trug der Erblasser vor, Optionsgeschäfte fielen unter § 22 Nr. 3 EStG. Gleiches gelte für Glattstellungsgeschäfte. Das Begeben der Option und das nachfolgende Geschäft (Glattstellung) bildeten kein einheitliches Geschäft. Es sei das Zufluss-/Abflussprinzip anzuwenden mit der Folge, dass die Verkaufsprämie in das hier nicht streitbefangene Jahr 1995 falle und die Glattstellungsprämie in Höhe von 12.090 DM als WK im Streitjahr 1996 zu berücksichtigen sei. Ein Abweichen vom Abflussprinzip habe die Rechtsprechung nur bei einmaligen Leistungen angenommen, z. B. für die Vermittlung des Baus einer Tennishalle. Bei Optionsgeschäften lägen hingegen mehrere Geschäfte vor, nämlich das Grundgeschäft, das Basisgeschäft und das Glattstellungsgeschäft. Zudem stehe bei Abschluss des Grundgeschäfts (Begebung der Option) gar nicht fest, ob und welche weiteren Geschäfte abgeschlossen würden. Der spätere Aufwand aus Basis- oder Glattstellungsgeschäft stehe zwar im wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Grundgeschäft, sei jedoch zivilrechtlich und tatsächlich ein weiteres Geschäft. Damit liege kein einmaliges Geschäft vor. Aus den BFH-Entscheidungen in BStBl II 2004, 995 und 126 ergebe sich, dass das Optionsgeschäft zivilrechtlich in den Optionsvertrag und das später folgende Übertragungsgeschäft getrennt werden müsse. Im BFH-Urteil in BStBl II 2004, 995, das das Jahr 1994 betreffe, sei trotz des Umstands, dass dort auch 1995 Optionsgeschäfte ausgeführt worden sind, kein Hinweis enthalten, dass eine konkrete Zuordnung der auf die einzelnen Optionsgeschäfte entfallenden Einnahmen und Ausgaben hätte erfolgen müssen. Das Ursprungsgeschäft und das Glattstellungsgeschäft seien jeweils getrennt zu besteuern, so dass das Zu- und Abflussprinzip gelte.
Das Verfahren sei zum Ruhen zu bringen, weil das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 11.10.2010, 2 BvR 1710/10, Zweifel daran geäußert habe, ob die getrennte steuerliche Erfassung von Options- und Basisgeschäft mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sei. Das an den Bundesfinanzhof (BFH) zurückverwiesene Verfahren IX B 179/09 sei vorgreiflich.
Der Beklagte (Bekl.) meint, die Erfassung der Differenz zwischen der im Eröffnungsgeschäft erhaltenen und der im Gegengeschäft gezahlten Prämie habe im Jahr der Vereinnahmung der Optionsprämie, also im Jahr 1995, erfolgen müssen. Im Streitjahr 1996 sei ein Ausgleichsverbot gemäß § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG zu beachten. Das von den Kl. zitierte Verfahren IX B 179/09 sei nicht präjudiziell, dann es betreffe lediglich den vorläufigen Rechtsschutz und habe lediglich den Barausgleich und nicht die Glattstellung bei Optionsgeschäften zum Gegenstand. Im Übrigen verweist der Bekl. insbesondere auf die BFH-Entscheidungen vom 03.06.1992 X R 91/90, BStBl II 1992, 1017 und vom 25.02.2009 IX R 33/07, BFH/NV 2009, 1253.
Anzurechnende Körperschaftsteuern
Die Erblasser erzielten in den Streitjahren u. a. Dividenden von verschiedenen Unternehmen aus folgenden Ländern in folgender Höhe:
Alle Beträge in DM
1996
1998
1999
2000
2001
Niederlande
106.247,18
81.059,57
70.131,11
115.733,37
137.162,86
Schweiz
66.151,99
65.638,06
88.447,73
71.310,92
50.209,00
Schweden
3.172,40
3.234,42
2.635,89
3.434,47
Frankreich
48.191,85
30.020,40
48.128,57
53.519,34
44.894,12
Italien
13.020,78
8.586,43
26.101,03
12.181,82
Norwegen
1.050,66
Finnland
2.034,15
10.923,09
7.541,67
14.709,39
USA
1.899,88
1.413,44
12.574,37
19.312,15
41.343,79
Japan
706,96
1.565,16
572,22
416,80
Russland
48,01
Spanien
727,45
Kanada
157,19
496,05
Großbritannien
9.985,06
Bermuda
67,00
Nettodividenden:
241.768,89
191.434,74
260.506,95
283.763,15
299.284,07
Bei einem Teil der Dividenden aus den Niederlanden und der Schweiz ist die dort einbehaltene Abzugssteuer (Quellensteuer) und bei Dividenden aus Frankreich teilweise auch die KSt (avoir fiscal) auf Antrag der Erblasser erstattet worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die in den Steuerakten befindlichen Abrechnungen Bezug genommen.
Mit der Klage begehren die Kl. die Erhöhung der Einkünfte aus Kapitalvermögen um die KSt, mit denen die Dividenden in den Ansässigkeitsstaaten der ausschüttenden Unternehmen belastet worden waren. Die Einkünfteerhöhung soll eine Anrechnung der ausländischen KSt auf die inländische ESt der Erblasser ermöglichen.
Die Kl. ermittelten die in den Ansässigkeitsstaaten in den Streitjahren geltenden KSt-Sätze und errechneten aus den erzielten Nettodividenden unter Zugrundelegung der abstrakten KSt-Sätze die Bruttodividenden und die KSt, die angerechnet werden soll. Für einen Teil der ausschüttenden Unternehmen (C N. V. - NL -, A S. A. - Frankr. - D - Gb -, E Co. - USA -, F N. V. - NL -, I - USA -, JS. A. - Schweiz -, K - Finnl. -, L AG - Schweiz -, M N. V. - NL -, O - Gb -) legten die Kl. Geschäftsberichte bzw. Jahresabschlüsse vor. Die Kl. werteten die vorliegenden Jahresabschlüsse aus und stellten die sich daraus rechnerisch ergebende KSt dem jeweiligen Ertragsteueraufwand gemäß Jahresabschluss gegenüber. Die nach den jeweiligen KSt-Gesetz (KStG) berechnete Steuer war jeweils niedriger als der Ertragsteueraufwand im Jahresabschluss. Für die L (CH) legten die Kl. eine Bescheinigung vor, mit der diese Gesellschaft für die Jahre 1996-2001 ihre absolute Steuerbelastung wie folgt mitteilte:
1996: 6,51 %
1997: 4,20 %
1998: 2,86 %
1999: 1,07 %
2000: 2,10 %
2001: 1,66 %.
Für die P (NL) legten die Kl. eine Bescheinigung vor, mit der das Unternehmen für 2001 eine 35 %ige niederländische KSt mitteilte (steuerpflichtiges Einkommen: 193.533.000 EUR, KSt: 67.735,416 EUR).
Wegen der Einzelheiten der von den Kl. vorgelegten Unterlagen wird auf die klägerischen Schriftsätze vom 17.08.2011, 23.09.2011 und 02.01.2012, jeweils mit Anlagen, Bezug genommen.
Die Kl. tragen vor, die fehlende Anrechnung der ausländischen KSt auf die deutsche ESt verstoße gegen die Kapitalverkehrsfreiheit. Dies habe der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit Urteil vom 06.03.2007, Rs. C-292/04 - Meilicke - entschieden. Im EuGH-Urteil vom 30.06.2011 Rs. C-262/09 - Meilicke II - habe der EuGH zwar entschieden, dass das nationale Recht grundsätzlich Nachweise über die auf den Dividenden lastenden KSt verlangen könne, diese jedoch nicht zu formalistisch sein dürften. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der EuGH zwar eine Schätzung des Steuersatzes und der Steuergutschrift abgelehnt habe, nicht jedoch eine Schätzung der tatsächlich gezahlten KSt. Mit den vorgelegten Unterlagen werde die Zahlung der KSt durch die ausschüttenden Gesellschaften dargelegt und nachgewiesen. Im Zusammenhang mit der Frage der vorzulegenden Unterlagen sei auch der Ablauf der Aufbewahrungsfristen bedeutsam. Im EuGH-Urteil vom 15.09.2011 Rs. C-310/09 - Accor - sei entschieden worden, dass die vorzulegenden Unterlagen keine besondere Form aufweisen müssten. Die Vorlage von Unterlagen könne nur verlangt werden, sofern es sich nicht als zu schwierig oder praktisch unmöglich erweise, die Nachweise zu erbringen. Daher seien die jeweils geltenden nationalen Aufbewahrungsfristen maßgeblich. Die im o. g. Urteilsfall klagende Accor SA sei eine beherrschende Muttergesellschaft gewesen. Im Streitfall handele es sich beim Erblasser aber um einen gewöhnlichen Aktionär, der keine Einflussmöglichkeit auf die ausschüttenden Gesellschaften und die Erlangung von Unterlagen habe. Daher sei fraglich, ob überhaupt Unterlagen verlangt werden dürften, die älter als zehn Jahre sind. Nachweise dürften daher nur für das Streitjahr 2001 verlangt werden. Nach dem EuGH-Urteil Rs. C-262/09 - Meilicke II - sei der anzurechnende Betrag aus der ausgeschütteten Dividende, dem KSt-Satz und der gezahlten KSt zu errechnen. Die dafür erforderlichen Berechnungsgrundlagen lägen vor. Für die Vorlagepflicht von weitergehenden Unterlagen der ausschüttenden Gesellschaften, wie sie der Bekl. fordere, nämlich Steuerbilanzen und Steuerbescheide, fehle die Rechtsgrundlage. Auch nach deutschem Recht sei die Anrechnung der KSt nicht von der Vorlage der vom Bekl. genannten Unterlagen abhängig. Die Aussage des EuGH, dass eine Anrechnung der KSt auf die tatsächlich von der Körperschaft gezahlte Steuer begrenzt sei, stehe der Anrechnung im Streitfall nicht entgegen. Die tatsächlichen Dividenden, die von den Erblassern bezogen worden seien, stünden fest, ebenfalls seien die maßgeblichen Steuersätze nachgewiesen. Zur Vorlagepflicht von Unterlagen sei nach dem vom EuGH aufgestellten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten, dass eine Unterlagenvorlage nur verlangt werden dürfe, sofern sich diese nicht als praktisch unmöglich oder schwierig erweise. Auch sei die Frage erheblich, inwieweit inländische Mitwirkungsregelungen nach den ausländischen Vorschriften überhaupt erfüllt werden könnten. So falle die Erteilung von Auskünften z. B. nach Art. 273 StGB-Schweiz unter die Strafbarkeit wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen. Auch gemäß § 131 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Aktiengesetz (AktG) könne im Inland von der Aktiengesellschaft die Auskunft über die Höhe einzelner Steuern verweigert werden.
Selbst wenn man auf Seiten der Kl. eine Verletzung der Mitwirkungspflicht annähme, müssten die anzurechnenden Beträge geschätzt werden. Rechtsfolge der Verletzung der Mitwirkungspflicht sei nicht etwa eine Entscheidung nach den Grundsätzen der Feststellungslast, also eine Ablehnung der Anrechnung, sondern eine Schätzung der anzurechnenden Beträge. Die Vorlage von Unterlagen der ausländischen Gesellschaften könne auch deshalb nicht verlangt werden, weil dies gegen den Gleichheitssatz verstoßen würde. Im Rahmen des früheren Anrechnungsverfahrens gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. sei für die Anrechnung der Ausschüttungsbelastung keine der vom Bekl. angeforderten Unterlagen erforderlich. Hauptversammlungsbeschlüsse über Gewinnausschüttungen, Steuererklärungen, Gliederungsrechnungen usw. hätten für die Anrechnung von inländischer KSt keinerlei Bedeutung gehabt. Die ausschüttende Gesellschaft hätte lediglich gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 KStG a. F. den Ausschüttungsbetrag und den Betrag der anrechenbaren KSt zu bescheinigen gehabt.
Die Kl. tragen weiter vor, es sei bedauerlich, dass beim Erörterungstermin seitens des Bekl. keine entscheidungsbefugte Person teilgenommen habe. Es fehle nämlich bislang die Angabe durch die Finanzverwaltung, welche beschaffbaren Unterlagen von den Kl. vorgelegt werden müssten. EuGH und BMF gingen davon aus, dass Bilanzen oder Jahresabschlüsse ausreichende Nachweise für die auf die Dividenden lastende KSt seien. Die im Streitfall entscheidungserheblichen Fragen zur Art und zum Umfang der vorzulegenden Unterlagen, insbesondere bei besonderer Schwierigkeit oder Unmöglichkeit der Unterlagenbeschaffung seien dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Nach deutschem Recht seien die Aufbewahrungsfristen für die ausschüttenden Unternehmen bereits abgelaufen. In den Niederlanden gelte eine Aufbewahrungsfrist von 7 Jahren, in Frankreich und der Schweiz 10 Jahre und in den USA gäbe es keine Aufbewahrungsfrist. Im Fall Meilicke II spiele diese Frage keine Rolle. Der EuGH habe im Urteil vom 30.06.2011 Rs. C-262/09 -Meilicke II- ausgeführt, dass die Mitgliedstaaten bestimmten, welche Nachweise erforderlich seien. Es dürften dabei aber keine zu strengen Maßstäbe angesetzt werden. Maßgeblich sei das, was für inländische Ausschüttungen gelte. Die Bescheinigung gemäß § 44 KStG a. F. bewirke nach der BFH-Entscheidung in BStBl II 1994,191 lediglich den Nachweis, dass dem Anteilseigner mit KSt belasteter Gewinn zugeflossen sei. Die KSt-Anrechnung erfolge nach den o. g. Urteilsgründen unabhängig von der Frage, ob die KSt auch bezahlt worden sei. Es komme daher lediglich auf den Zufluss der Dividenden an. Dieser sei durch die Erträgnisaufstellungen der Kreditinstitute nachgewiesen. Dividenden aus ausländischen Quellen dürften nach der EuGH-Entscheidung vom 15.09.2011 -Accor- Rs. C-310/99 nicht ungünstiger behandelt werden als inländische Dividenden. Maßgeblich für die Prüfung sei der Zeitpunkt der Anforderung von Unterlagen durch das FA bzw. der Entscheidungszeitpunkt des Finanzgerichts. Der Bekl. habe erstmals mit Schriftsatz vom 07.09.2011 die Vorlage bestimmter Unterlagen verlangt. Das nationale Gericht müsse nach den Grundsätzen der EuGH-Sache Accor prüfen, ob die Vorlage von Unterlagen praktisch unmöglich oder zu schwierig sei. Dies sei jedenfalls gegeben, wenn es an der rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeit einer Herausgabe fehle. Der Gesetzgeber habe es unterlassen, entsprechende gesetzliche Regelungen zur Anrechnung ausländischer KSt zu erlassen. Dies dürfe dem Steuerpflichtigen nicht angelastet werden. Im Streitfall seien die Aufbewahrungsfristen für die Unterlagen abgelaufen und es fehle an der rechtlichen Durchsetzungsmöglichkeit der Unterlagenbeschaffung.
Bei einer Einkünfteerhöhung um die ausländische KSt sei die Anrechnung der ausländischen KSt auf die inländische ESt zwingend.
Die Kl. hätten mehrere depotführende Banken, den Vermögensverwalter der Erblasser und mehrere Aktiengesellschaften um die Vorlage von Unterlagen gebeten. Bis auf die vorgelegten Unterlagen sei dies erfolglos geblieben.
Die vom Bekl. aufgeworfenen Frage des Bezugsjahres für die Ausschüttungen sei sowohl für das inländische Recht als auch nach den vorgenannten EuGH-Sachen Manninen, Meilicke I, Haribo, Meilicke II, Accor unerheblich. Im Übrigen ergäben sich sich aus den vorgelegten Unterlagen auch jeweils die Vorjahreszahlen.
Die Kl. beantragen Beweis darüber zu erheben, ob es für die Kl. praktisch unmöglich oder zu schwierig ist, die vom Bekl. verlangten Unterlagen vorzulegen, durch Vernehmung des Geschäftsführers der Vermögensverwaltungsgesellschaft der Erblasser, X GmbH, Y. Sie beantragen außerdem Beweis darüber zu erheben, wie lang die Aufbewahrungsfristen für die vom Bekl. angeforderten Unterlagen in den Ländern Niederlande, Frankreich, Großbritannien, USA, Schweiz und Finnland sind und ob in den genannten Ländern ein Recht des Aktionärs auf Herausgabe der vom Bekl. angeforderten Unterlagen besteht und falls ja, auf welche Unterlagen sich dieses Recht bezieht, durch Vernehmung des zuständigen Sachbearbeiters für Recht und Steuern der für das betreffende Land zuständigen Industrie- und Handelskammer und der deutschen Außenhandelskammer.
Der Bekl. meint, eine Anrechnung der ausländischen KSt sei gemäß der EuGH-Entscheidung Rs. C-262/09 nicht pauschal, sondern nur in Höhe der tatsächlichen Steuerbelastung vorzunehmen. Der Bekl. sei zwar nicht berechtigt, eine Bescheinigung gemäß §§ 44 f. KStG a. F. zu verlangen, allerdings seien von den Kl. Belege vorzulegen, anhand derer eindeutig und genau überprüft werden könne, ob die in den deutschen Rechtsvorschriften vorgesehenen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Steuergutschrift vorlägen. Eine Schätzung der Höhe der Steuergutschrift sei ebenso wie die Schätzung der tatsächlich gezahlten KSt und die sie betreffende Bemessungsgrundlage untersagt. Die von den Kl. vorgelegten Unterlagen, die teilweise (im Hinblick auf A) sogar nur Konzernzahlen enthielten, seien nicht aussagekräftig. Bei den von den Kl. errechneten Zahlen seien auch die beantragten und gewährten KSt-Gutschriften des avoir fiscal (= Gutschrift der französischen KSt) unberücksichtigt geblieben. Zur Überprüfung, ob und in welchem Umfang die Inanspruchnahme einer Steuergutschrift nach dem in den deutschen Steuergesetzen vorgesehenen Voraussetzungen vorlägen, seien folgende Unterlagen unerlässlich: Ausschüttungsbeschlüsse bzw. Protokolle über die Hauptversammlungen, Steuerbilanzen und steuerliche Gewinnermittlungen, Steuerbescheide und - soweit sich das nicht aus den Bilanzen oder Bescheiden ergebe - die Höhe der Gesamtausschüttung. Die Ausschüttungsbeschlüsse seien erforderlich, um überhaupt festzustellen, welches Wirtschaftsjahr bzw. welcher Besteuerungszeitraum der Ermittlung des KSt-Satzes zugrunde zu legen sei. Die Steuerbilanzen, steuerlichen Gewinnermittlungen und Steuerbescheide dienten zur Feststellung des auf die Ausschüttung individuell angewandten KSt-Satzes. Die allgemein veröffentlichten Handelsbilanzwerte seien nicht aussagekräftig. Der Ausweis der Ertragsteuer lasse nicht erkennen, in welchem Umfang es sich hierbei um die die Dividenden belastende KSt handele und wie viel KSt in Prozent auf die Dividenden entfalle. Neben den Staaten mit dem klassischen Besteuerungssystem, d. h. ohne Entlastung der wirtschaftlichen Doppelbelastung der Körperschaft und des Anteilseigners, erfolge teilweise auch die Besteuerung mit einem gespaltenen KSt-Tarif oder einer Entlastung auf der Ebene der Gesellschafter, wie dies für die Streitjahre im Inland geregelt gewesen sei. Der Nachweis der steuerlichen Vorbelastung sei auch deshalb wichtig, weil die Ausschüttung z. B. auch aus nicht steuerlich vorbelastetem Eigenkapital erfolgen könne. Es müsse aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich sein, ob die ausschüttende Körperschaft steuerfreie Einkünfte (ggfls. Beteiligungseinkünfte) bezogen habe und ob und inwieweit diese Einkünfte in der Ausschüttung enthalten sei. Auch sei von Bedeutung, ob die ausgeschütteten Einkünfte z. B. einem ermäßigten Steuersatz unterworfen worden seien.
Der Bekl. trägt weiter vor, dass es sich bei den in Anlage 3 des klägerischen Schriftsatzes vom 17.08.2011 (GA Bl. 171, Leitzordner) nicht um die der Besteuerung zugrunde gelegten Werte, sondern um Handelsbilanzwerte handele, sei schon daran zu erkennen, dass in keinem Fall die ausgewiesene Ertragsteuer dem Ergebnis von KSt-Satz und Gewinn entspreche. Besonders deutlich sei dies bei dem Ansatz 1998 bei M. Bezogen auf den Jahresüberschuss ergebe sich eine Steuerlast von ca. 550 % und bezogen auf das Ergebnis vor Steuern eine solche von ca. 80 %. Beides entspreche nicht dem KSt-Satz von 35 %. Bei einer Ausschüttung des Gewinns des Vorjahres sei auch für die Ermittlung der KSt-Gutschrift die Steuerermittlung für das Vorjahr heranzuziehen. O weise für das Wirtschaftsjahr 2000/2001 einen Verlust aus. Zwar sei auch bei einer Verlustsituation eine KSt auf Ausschüttungen denkbar, aber ohne Nachweise nicht berücksichtigungsfähig.
Die von den Kl. vorgelegten Unterlagen seien auch dazu nicht aussagekräftig genug, denn es seien die tatsächlichen KSt-Vorbelastungen nicht erkennbar. Bei der Bescheinigung der P Bank sei lediglich die nominale KSt-Belastung ausgewiesen. Nicht erkennbar sei die effektive Steuerbelastung der ausgeschütteten Gewinne. Bei der Bescheinigung der L sei darauf hinzuweisen, dass es sich um eine Drittlandsdividende handele. Im Hinblick auf die "standstillclause" in Art. 64 Abs. 1 AEUV sei die Anrechnung der KSt abzulehnen.
Der EuGH habe im Fall Rs. C-262/09 - Meilicke II - am 30.06.2011 entschieden, dass die Finanzbehörden den beantragten Steuervorteil verweigern könnten, wenn der Anteilseigner die erforderlichen Unterlagen nicht beibringe. Der EuGH-Fall habe die Jahre 1995-1997 und ebenfalls Streubesitz betroffen. Nationale Aufbewahrungsfristen seien nach der EuGH-Entscheidung unbeachtlich. Der KSt-Satz, der zur Ermittlung des Anrechnungsbetrages diene, sei so genau wie möglich zu bestimmen und könne nicht geschätzt werden. Bei abgelaufenen Aufbewahrungsfristen könne allenfalls das Beweismaß verringert werden, dabei sei die Beweisvorsorgepflicht bei Auslandssachverhalten zu berücksichtigen. Grund für die individuelle Beweisführung sei, dass sie an die Stelle der nach deutschem Recht erforderlichen Belegvorlage trete. Die Berechtigung zur Anforderung bestimmter Unterlagen ergäbe sich aus dem EuGH-Urteil Rs. C 262/09 - Meilicke II -. Die Steuergutschrift sei nach dem KSt-Satz zu berechnen, der nach dem Recht des Sitzmitgliedstaats der ausschüttenden Gesellschaft auf die ausgeschüttete Dividende des Jahres, für das die Ausschüttung erfolge, angewandt werde. Der Steuersatz des Jahres der Ausschüttung komme somit nur bei Vorabausschüttungen in Betracht. Eine Berechnung der KSt-Gutschrift nach dem pauschal in dem Sitzmitgliedstaat geltenden Satz komme auch deshalb nicht in Betracht, weil das deutsche KSt-Recht gegenüber der ausschüttenden KSt durch Minderung oder Erhöhung der KSt im Falle der Ausschüttung die Ausschüttungsbelastung hergestellt habe. Dieses System sei den ausländischen KSt-Gesetzes fremd, daher sei jeweils die tatsächliche auf der Ausschüttung ruhende Belastung zu ermitteln.
Die Klägerseite trage die Beweislast für die Höhe der tatsächlich entrichteten ausländischen KSt. Könnten die erforderlichen Nachweise egal aus welchem Grund nicht beigebracht werden, sei die Steueranrechnung entsprechend § 36 EStG a. F. zu versagen. Der Fall Accor habe einen anderen Sachverhalt betroffen, denn dort seien Unterschiede bei in Frankreich ansässigen und dort nicht ansässigen Tochtergesellschaften gemacht worden. Das Erfordernis der Vorlage von Nachweisen in Deutschland gelte hingegen für inländische und ausländische Gesellschaften gleichermaßen.
Über die Anrechnung der KSt auf die ESt könne in diesem Verfahren nicht entschieden werden, dies sei im Abrechnungsverfahren zu prüfen.
Die Kl. beantragen,
1. das Verfahren gem. Art. 267 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) auszusetzen und dem EuGH die Frage vorzulegen, ob die Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV, der Effektivitätsgrundsatz und das Prinzip des Effet utile so zu verstehen sind, dass zum Nachweis der von einer ausländischen ausschüttenden Körperschaft tatsächlich gezahlten KSt, deren Anrechnung im Inland begehrt wird,
a) der Steuerpflichtige steuerliche Unterlagen der ausschüttenden Körperschaft wie Steuererklärungen, Steuerbilanzen, Steuerbescheide etc. nicht vorlegen muss,
b) solche in Buchst. a) genannten Unterlagen auch deshalb nicht vorgelegt werden müssen, weil nach dem nationalen Recht des Staates des Steuerpflichtigen derartige Unterlagen für die Anrechnung von KSt inländischer Körperschaften nicht vorgelegt werden müssen,
c) das Finanzamt Unterlagen der ausländischen Körperschaft für Zeiträume nicht verlangen kann, für die nach dem Recht des Staates der ausschüttenden Körperschaft die gesetzliche Aufbewahrungsfrist bereits abgelaufen ist,
d) der Steuerpflichtige Unterlagen nicht vorzulegen hat, auf deren Herausgabe er nach dem Recht des Staates der ausschüttenden Körperschaft keinen rechtlichen Anspruch hat,
e) der Betrag der von der ausschüttenden Körperschaft tatsächlich gezahlten KSt geschätzt werden darf, wenn es praktisch unmöglich oder zu schwierig ist, Unterlagen über die tatsächlich gezahlte KSt zu beschaffen und vorzulegen,
2. die ESt-Festsetzung für 1996 dergestalt zu ändern, dass bei den Einkünften gemäß § 22 Nr. 3 EStG a. F. weitere WK in Höhe von 12.090 DM berücksichtigt werden,
3. die ESt-Festsetzungen für die Streitjahre dergestalt zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen um die auf die ESt anzurechnenden ausländischen KSt wie folgt erhöht werden:
1996 um 32.022,53 DM,
1998 um 64.151,08 DM,
1999 um 75.662,14 DM,
2000 um 107.071,94 DM,
2001 um 128.176,70 DM,
4. die unter 3. genannten Beträge auf die ESt der betreffenden Jahre anzurechnen,
5. hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision zuzulassen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen, hilfsweise für den Unterliegensfall, die Revision
zuzulassen.
Die Sache wurde am 08.12.2011 vor dem Berichterstatter erörtert und am 19.01.2012 vor dem Senat mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsprotokolle wird Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen. Es wurden die Gerichtsakten 5 K 106/07 E, 5 K 107/07 E, 5 K 108/07 E und 5 K 109/07 E beigezogen.
Gründe
I. Ein weiteres Ruhen gemäß § 155 Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 251 Zivilprozessordnung (ZPO) bzw. eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO kommt nicht in Betracht.
Ein Ruhen des Verfahrens scheidet aus, weil der Bekl. nicht zugestimmt hat. Die mit Schriftsatz des Bekl. vom 17.01.2011 erfolgte Ruhenszustimmung bezog sich erkennbar nur auf den Streitpunkt "Kapitaleinkünfteerhöhung" und auf das zu diesem Zeitpunkt noch offene EuGH-Verfahren Rs. C-262/09. Der EuGH hat dieses Verfahren am 30.06.2011 entschieden, so dass insoweit kein Ruhensgrund mehr besteht.
Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO scheidet ebenfalls aus, weil kein vorgreifliches Rechtsverhältnis vorliegt. Das Verfahren beim Finanzgericht (FG) Köln 2 K 2241/02 ist nicht vorgreiflich. Es handelt sich dabei um ein Parallelverfahren eines anderen, gleichgeordneten Gerichts. Die beim BFH anhängigen Verfahren VIII R 1/11 und IX B 179/09 sind ebenfalls nicht vorgreiflich, denn die dort zu treffenden Entscheidungen führen nicht zu einer rechtlichen Beeinflussung des vorliegenden Verfahrens. Es handelt sich insoweit um sog. Musterverfahren, die jedoch - anders als BVerfG-Entscheidungen - keine allgemeine Bindungswirkung haben (s. dazu z. B. BFH-Beschluss vom 31.08.1999 V B 20/98, BFH/NV 2000, 245 m. w. N.).
Der Senat sieht es auch im Rahmen seiner prozessualen Fürsorgepflicht gegenüber den Beteiligten und nach Maßgabe der Geschäftslage im Senat als sachgerecht an, dass das Verfahren einer Entscheidung zugeführt wird. Die Streitpunkte haben sich mehrfach verändert. Die Streitjahre liegen lange zurück. Das Verfahren gehört zu den ältesten im Senat. Es ist nicht damit zu rechnen, dass durch ein weiteres Zuwarten eine einvernehmliche Lösung des Falles herbeigeführt werden könnte.
II. Die Aufnahme des Klageverfahrens durch die Kl. ist trotz Vorhandenseins der Testamentsvollstreckung über das Erbe des G T zulässig. Im Streitfall handelt es sich um einen Passivprozess, d. h. einen Prozess, in dem die Kl. sich gegen Steueransprüche des Fiskus wehren. Der Umstand, dass die Kl. sich formal in der Klägerrolle befinden, ist für die Einordnung als Passivprozess unerheblich. Zur weiteren Begründung wird auf die gerichtliche Verfügung vom 30.07.2010 (GA Bl. 101 f.) Bezug genommen.
III. Der Senat sieht keine Notwendigkeit der Aussetzung des Verfahrens zur Vorlage der Sache an den EuGH. Die Grundsätze der Anrechnung von ausländischen KSt sind vom EuGH geklärt. Ob und welche Unterlagen im Einzelnen vorgelegt werden müssen, ist von den nationalen Gerichten zu entscheiden.
IV. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Kl. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
1. Der Streitpunkt "Erstattungszinsen gemäß § 233a Abgabenordnung (AO)" hat sich durch die Zusage des Bekl., die angefochtenen Bescheide für die insoweit betroffenen Streitjahre 2000 und 2001 unter Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO zu stellen, erledigt. Am 16.12.2011 sind insoweit geänderte Bescheide für 2000 und 2001 ergangen.
2. Die im Streitjahr 1996 gezahlte Glattstellungsprämie in Höhe von 12.090 DM ist nicht in diesem Jahr als WK abzugsfähig.
Erträge aus einem Optionsverkauf sind als Einkünfte im Sinne von § 22 Nr. 3 EStG zu erfassen (BFH-Urteil vom 24.06.2003 IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl. II 2003, 752). Zu den "Leistungen" gemäß § 22 Nr. 3 EStG gehört auch die Bindung und das Risiko, die der Stillhalter durch die Eingehung des Optionsgeschäfts eingeht. Das dafür vereinnahmte Entgelt ist steuerbar. Die Zahlungen für die Glattstellung der eingeräumten Option, die der Steuerpflichtige aufwendet, um seine Inanspruchnahme zu vermeiden, sind grundsätzlich als WK bei den Einkünften aus § 22 Nr. 3 EStG abziehbar, auch wenn der Aufwand höher als die vereinnahmte Prämie ist. Diese Rechtsfrage ist dem Grunde nach zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Die in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG geregelte Abzugsbeschränkung ist gemäß Beschluss des BVerfG vom 30.09.1998 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 nichtig. Diese Nichtigkeit bezieht sich nicht nur auf die Einkünfte aus der Vermietung beweglicher Gegenstände. Die vom BVerfG entwickelten Grundsätze gelten auch für Optionsgeschäfte, die unter § 22 Nr. 3 EStG fallen und für noch offene Altfälle vor 1999 (BFH-Urteil vom 17.04.2007 IX R 23/06, BFHE 217, 562, BStBl. II 207, 606; Anm. Jachmann, juris PR-SteuerR 34/2007, Anm. 3; Heinicke in Schmidt 18. Aufl., § 22 EStG, RdNr. 146).
Die vom Erblasser gezahlte Glattstellungsprämie ist jedoch nicht im Streitjahr 1996 berücksichtigungsfähig, sondern im Jahr des Zuflusses der Optionsprämie, hier also 1995. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung, der der Senat folgt, sind bei einmaligen sonstigen Leistungen WK unabhängig von § 11 Abs. 2 EStG in dem Kalenderjahr zu berücksichtigen, in dem der Veräußerungserlös zufließt (BFH-Urteil vom 03.06.1992 X R 91/90, BFHE 168, 272, BStBl. II 1992, 1017 für das Streitjahr 1985; BFH-Urteil vom 25.02.2009 IX R 33/07, BFH/NV 2009, 1253 für das Streitjahr 1998). Bei späterem Entstehen der WK ist die Veranlagung des Zuflussjahres gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern (BFH-Urteil vom 03.06.1992 X R 91/90, BFHE 168, 272, BStBl. II 1992, 1017). Das streitbefangene Optionsgeschäft war ein einmaliger Vorgang für den Kl. Dieser hat nur einmalig mit der Option für die B AG Holding Namensaktien gehandelt und diese glattgestellt.
Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerseite, Basis- und Glattstellungsgeschäft seien unterschiedliche steuerliche Vorgänge i. S. v. § 22 Nr. 3 EStG, so dass im Ergebnis bereits bei einem einmaligen Optionsgeschäft steuerlich 2 getrennte Vorgänge vorlägen. Ein Abzug der Glattstellungsprämie als Werbungskosten bei den Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG setzt nämlich gerade einen Veranlassungszusammenhang zwischen dem Basis- und dem Glattstellungsgeschäft voraus (so auch BFH-Urteil vom 17.04.2007 IX R 23/06, BFHE 217, 562, BStBl. II 2007, 606).
3. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen der Erblasser sind nicht um die auf ausländische Dividenden lastende KSt zu erhöhen. Für das Erhöhungsbegehren ist zwar ein Rechtsschutzinteresse gemäß § 40 Abs. 2 FGO vorhanden, das Begehren ist aber unbegründet.
a) Ein ESt-Bescheid kann auch mit dem Ziel angefochten werden, die ESt höher festzusetzen, wenn anderenfalls die Anrechnung einer höheren KSt nicht möglich wäre (BFH-Urteile vom 19.07.1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317, BStBl. II 1995, 362; vom 19.08.2003 VIII R 44/01, BFH/NV 2004, 925). Eine Anrechnung der (ausländischen) KSt setzt gemäß § 36 Abs. 3 Satz 4 Buchst. f KStG a. F. voraus, dass die KSt als Einnahme bei der Veranlagung erfasst wird.
b) Im Streitfall scheitert die Erhöhung der Kapitaleinkünfte um die ausländische KSt gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. mit dem Ziel der Anrechnung der ausländischen KSt am fehlenden Nachweis der Höhe der auf den Dividenden lastenden ausländischen KSt.
Der deutsche Fiskus ist nach der jüngeren EuGH-Rechtsprechung (EuGH vom 07.09.2004 Rs.C-319/02 -Manninen-, Slg 2004, I-7477-7515; EuGH vom 06.03.2007 Rs. C.-292/04 -Meilicke I-, Slg 2007, I-1835-1890), der der Senat folgt, grundsätzlich verpflichtet, inländischen Anteilseignern die ausländische KSt zu erstatten, die auf einer Gewinnausschüttung von einer im EU-Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft ruht. Diese Anrechnung kann jedoch nicht entsprechend der deutschen Regelung in § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. pauschal mit 3/7 der Einnahmen erfolgen, sondern die ausländische KSt ist so genau wie möglich zu bestimmen. Die Berechnung der im Ausland auf die Dividenden angefallene KSt muss nach der selben Methode erfolgen, die der Ansässigkeitsstaat des Anlegers für einen vergleichbaren inländischen Sachverhalt vorsieht. Für den belegmäßigen Nachweis der auf die ausländischen Dividenden lastenden KSt ist zwar keine Bescheinigung erforderlich, die alle Angaben gemäß §§ 44 ff. KStG a. F. enthält. Gleichwohl sind die Steuerbehörden des Staates, der die ausländische KSt auf die inländische ESt anrechnen soll, befugt, vom Dividendenempfänger die Vorlage solcher Belege zu verlangen, anhand derer sie eindeutig und genau überprüfen können, ob die Voraussetzungen für die KSt-Anrechnung vorliegen (EuGH-Urteil vom 30.06.2011 Rs.C-262/09, -Meilicke II-, ABl EU 2011 Nr. C, 252, 3; Intemann, NWB 39/2011 S. 3268). Es müssen somit Unterlagen vorgelegt werden, aus denen sich die tatsächlich auf die ausgeschütteten Dividenden lastende KSt ergibt (EuGH-Urteil Rs.C-262/09,-Meilicke II-, ABl EU 2011, Nr. C, 252,3, RdNr. 45 ff.; EuGH-Urteil vom 10.02.2011 Rs.C-436/08 u. a., -Haribo-, ABl EU 2011, Nr. C 103, 2-3, Tz 95 und 97).
Im Streitfall haben die Kl. die in den Ansässigkeitsstaaten der ausländischen Gesellschaften geltenden KSt-Sätze ermittelt und ausgehend von den von den Erblassern bezogenen Dividenden mit den ermittelten KSt-Sätzen auf die Bruttodividenden hochgerechnet. Der Bekl. zweifelt zu Recht an, dass die ausgeschütteten Dividenden in allen Fällen mit den nominellen KSt-Sätzen belastet sind. Maßgeblich ist nach der o. g. EuGH-Rechtsprechung die tatsächliche KSt-Belastung der Dividenden. Diese Belastung muss durch geeignete Unterlagen nachgewiesen werden, die im Regelfall von den ausschüttenden Gesellschaften erstellt werden, denn nur diese kennen die auf die ausgeschütteten Dividenden lastende KSt. Aus den vorgelegten Geschäftsberichten ist die tatsächliche auf den Dividenden lastende KSt nicht erkennbar. Auch für die Anrechnung von KSt, die auf inländischen Dividenden lastete, war gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG a. F. eine Bescheinigung der ausschüttenden Körperschaft erforderlich. Nach den vorgenannten EuGH-Urteilen dürfen EU-ausländische Dividenden im Hinblick auf die Anrechenbarkeit nicht schlechter behandelt werden als inländische Dividenden. Eine bessere Behandlung der EU-ausländischen Dividenden ist aber ebenso ausgeschlossen (EuGH-Urteil vom 15.09.2011 Rs.C-310/09, -Accor-, ABl EU 2011, Nr. C 319, 2-3). Die fehlende Vorlage geeigneter Unterlagen führt zu einer Ablehnung der Anrechnung (EuGH-Urteil vom 30.06.2011 Rs.C-262/09, -Meilicke II-, ABL EU 2011, Nr. C 252, 3).
Im Streitfall haben die Kl. zwar Unternehmensbescheinigungen der L. (Schweiz) und der P. AMRO vorgelegt. Die von der L vorgelegte Bescheinigung weist für die Streitjahre Steuerbelastungen aus, die nicht mit dem nominellen KSt-Satz (8,5 %) übereinstimmt. Angegeben sind offenbar Durchschnittssatzbelastungen oder die Werte der Handelsbilanzen. Zur Belastung der ausgeschütteten Dividenden gibt es keine Angaben. Es ist auch nicht erkennbar, für welches Jahr überhaupt Dividenden ausgeschüttet wurden. Diese Bescheinigung ist daher nicht zum Nachweis der tatsächlichen Steuerbelastung auf Dividendenzahlungen geeignet. Die Bescheinigung der P enthält für 2001 den steuerpflichtigen Gewinn und die darauf lastende KSt von 35 %. Auch aus dieser Bescheinigung ist nicht erkennbar, welche tatsächliche Belastung auf Dividendenausschüttungen lag. Die Erblasser haben von der P in 2001 Dividenden bezogen. Unklar und aus der vorgelegten Bescheinigung nicht ersichtlich ist, für welche Wirtschaftsjahre die von den Erblassern bezogenen Dividenden ausgezahlt wurden und welche Steuerbelastung darauf lag.
Die von den Kl. vorgetragenen Probleme bei der Beschaffung der Unterlagen zur auf den Dividenden lastenden KSt sind unerheblich. Die erforderlichen Angaben sind den ausschüttenden Gesellschaften bekannt. Schwierigkeiten bei der Beschaffung der notwendigen Angaben sind im Verhältnis der Gesellschaft zu ihren Anteilseignern begründet. Der fehlende Informationsfluss ist kein Problem, das der Mitgliedstaat, in dem eine Anrechnung erfolgen soll, auffangen müsste (EuGH-Urteil vom 10.02.2011, Rs.C-436/08,-Haribo-, ABl EU 2011, Nr. C 103, 2 - 3, RdNr. 98; EuGH-Urteil vom 30.06.2011, Rs.-C.262/09,-Meilicke II-, ABl EU Nr. C 252, 3, RdNr. 48).
Auch der Umstand, dass eine Unterlagenbeschaffung wegen des möglicherweise teilweise eingetretenen Ablaufs der Aufbewahrungsfristen heute nicht mehr möglich ist, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen. Zwar steht die Obliegenheit zur Vorlage bestimmter Nachweise unter der Einschränkung, dass die Unterlagenvorlage auch unter Berücksichtigung der Aufbewahrung von Verwaltungsunterlagen nicht praktisch unmöglich oder sich als zu schwierig erweist (EuGH-Urteil vom 15.09.2011, Rs.C-310/09 -Accor-, Abl EU 2011, Nr. C 319, 2 - 3, RdNr. 100 f.). Die Prüfung des Vorliegens dieser Voraussetzungen ist Sache des nationalen Gerichts. Der Senat hält bei zeitnaher Anforderung der Belege durch die Erblasser und der gebotenen Mitwirkung der ausschüttenden Unternehmen einen belegmäßigen Nachweis der auf den Dividenden lastenden KSt für möglich und zumutbar. Diese Frage kann im Streitfall aber dahinstehen.
Das Nichtvorliegen von Bescheinigungen über die Höhe der auf den Dividenden lastenden KSt führt nach Auffassung des Senats nämlich auch dann zur Versagung der Anrechnung, wenn eine Beschaffung solcher Bescheinigungen tatsächlich praktisch unmöglich oder zu schwierig gewesen wäre. In der vom EuGH mit Urteil vom 15.09.2011, Rs.C-310/09 -Accor-, ABl EU Nr. C 319, 2 - 3 entschiedenen Sache, die die Verhältnisse in Frankreich betraf, wurden bei den Dividenden, die von den in Frankreich niedergelassenen Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft ausgeschüttet wurden, keine Nachweise verlangt, während der Nachweis der Steuerbelastung auf Dividenden für solche Tochtergesellschaften, die nicht in Frankreich ansässig waren, als notwendig erachtet wurde. Beim deutschen früheren Anrechnungsverfahren gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG a. F. war die Anrechnung von KSt demgegenüber auch nach deutschem Recht von einer Vorlage von Bescheinigungen von deutschen Gesellschaften gemäß §§ 44 ff. KStG a. F. abhängig. Diese Bescheinigung war materiellrechtliche Grundlage der Anrechnung (Heinicke in Schmidt, 19. Auflage 2000, § 36 EStG RdNr. 46 m. w. N.). Nach früherem deutschen Recht führte die Nichtvorlage von Unternehmensbescheinigungen gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 3 Satz 4 Buchst. b EStG a. F. zur Versagung der Anrechnung. Auf Verschuldensgesichtspunkte kam es nicht an und ebenso nicht, ob es im konkreten Einzelfall praktisch unmöglich oder zu schwierig war, diese Bescheinigung zu erhalten (z. B. Insolvenz der ausschüttenden Gesellschaft oder fehlende Mitwirkungsbereitschaft). Nach dem im EuGH-Urteil vom 15.09.2011 Rs.C-310/09 -Accor-, ABl EU Nr. C 319 2 - 3, Tz 87 postulierten Grundsatz, dass inländische und ausländische Dividenden grundsätzlich gleich behandelt werden müssen, kann es daher bei Dividenden von ausländischen Gesellschaften nicht auf eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Unterlagenbeschaffung ankommen, während eine solche bei inländischen Dividenden nicht vorzunehmen gewesen war. Maßgeblich ist daher - unabhängig davon, ob es sich um inländische oder ausländische Dividenden handelt - das Vorhandensein von Unternehmensbescheinigungen über die auf den Dividenden lastenden KSt, wobei diese Bescheinigungen über ausländische Dividenden nicht in der Form des §§ 44 ff. KStG a. F. ausgestellt sein müssen.
Eine Prüfung der tatsächlichen KSt-Belastung der ausschüttenden Dividenden ist auch deshalb unabdingbar, weil die Anrechnung auf die Höhe des inländischen KSt-Satzes beschränkt ist. Werden die Dividenden im Staat der ausschüttenden Gesellschaft höher besteuert als im Inland, so muss der deutsche Fiskus eine Anrechnung nur bis zur Höhe des hier geltenden KSt-Satzes vornehmen (EuGH-Urteil vom 10.02.2011 Rs.C-436/08 -Haribo-, Abl EU Nr. C 103, 2 - 3, RdNr. 86 ff.; EuGH-Urteil vom 15.09.2011 Rs.C-310/09 -Accor-, Abl EU Nr. C 319, 2 - 3, RdNr. 88). Im Streitjahr 2001 betrug der deutsche KSt-Satz nur noch 25 % (§ 23 KStG in der für 2001 geltenden Fassung). Auch zur Prüfung des Umfangs der Anrechenbarkeit sind daher aussagekräftige Belege über die Höhe der auf den Dividenden lastenden KSt-Belastung notwendig.
4. Die von den Kl. begehrte Anrechnung der ausländischen KSt auf die inländische ESt kann nicht erfolgen, denn die Kapitaleinkünfte sind nach den vorgenannten Ausführungen nicht um die ausländische KSt zu erhöhen. Im Übrigen ist die Anrechnung der KSt auf die ESt nicht im Festsetzungs- sondern im Abrechnungsverfahren zu klären (BFH-Urteil vom 06.10.1993 I R 101/92, BFHE 172, 370, BStBl II 1994, 191).
IV. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 135 Abs. 1, 136 Abs. 1 Satz 3 FGO. Zwar hat der Bekl. für 1996 mit Änderungsbescheid vom 14.03.2007 einen Spekulationsverlust i. H. v. 8.977,14 DM anerkannt und der Klage insoweit teilweise abgeholfen. Die steuerliche Auswirkung des Unterliegens des Bekl. liegt jedoch deutlich unter 5 %, so dass es der Senat als sachgerecht ansieht, den Kl. die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen. Im Hinblick auf die Erstattungszinsen gemäß § 233a AO für die Jahre 2000 und 2001 ist der Bekl. nicht unterlegen. Diese Rechtsfrage ist durch die Ergänzung der ESt-Festsetzungen um den Vorläufigkeitsvermerk gemäß § 165 AO lediglich offengehalten worden.
Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts.
FG Münster:
Urteil v. 19.01.2012
Az: 5 K 105/07 E
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