Landgericht Münster:
Urteil vom 11. November 2004
Aktenzeichen: 24 O 163/04
(LG Münster: Urteil v. 11.11.2004, Az.: 24 O 163/04)
Tenor
Dem Antragsgegner wird es bei Meidung eines im Falle der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten untersagt, im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs ein Ballett, das nicht das Original Bolshai Ballett ist, mit ,Bolshoi Ballett Gala' zu bewerben oder bewerben zu lassen, insbesondere zu behaupten oder behaupten zu lassen, das ,große russische Festivalballett' präsentiere die ,Bolshoi Ballett Gala‘.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin unter dem Gesichtspunkt eines Wettbewerbsverstoßes auf Unterlassen in Anspruch.
Beide Parteien sind Veranstalter von Konzerten und Kulturaufführungen.
Die Antragstellerin veranstaltet u. a. eine Tournee des "Russischen Staatsballetts". Eine Aufführung ist in N. vorgesehen.
Der Antragsgegner führt eine Veranstaltungsreihe mit dem "Großen Russischen Festivalballett" durch. Auch insoweit ist eine Aufführung in N. vorgesehen.
Im Internet und auf Werbehandzetteln wirbt der Antragsgegner u. a. wie folgt:
Die Antragstellerin ist der Auffassung:
Diese Werbung sei irreführend und damit wettbewerbswidrig. Bei Interessenten werde nämlich der unzutreffende Eindruck erweckt, an der Ballettaufführung nähmen Tänzer des Original Bolshai-Balletts Moskau teil, obwohl tatsächlich nicht ein Tänzer des Bolshoi-Balletts beteiligt sei.
Die Antragstellerin behauptet, sie habe erstmals am 08.10.2004 von der Werbung des Antragsgegners Kenntnisse erhalten.
Mit ihrer am 28.10.2004 bei Gericht eingereichten Antragsschrift beantragt die Antragstellerin,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Verfügung es bei Meidung eines im Falle der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr zum Zwecke des Wettbewerbs ein Ballett, das nicht das original Bolshai Ballett ist, mit "Bolshoi Ballett Gala" zu bewerben oder bewerben zu lassen, insbesondere zu behaupten oder behaupten zu lassen, das "große russische Festivalballett" präsentiere die "Bolshoi Ballett Gala".
Der Antragsgegner beantragt,
diesen Verfügungsantrag zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, dem Verfügungsbegehren fehle es schon an der erforderlichen Dringlichkeit, da die Antragsgegnerin bereits seit längerer Zeit Kenntnis von der beanstandeten Werbung habe. Dazu behauptete der Antragsgegner, der Vorverkauf für die Veranstaltungen sei bereits im März 2004 eröffnet worden, die Werbung sei bereits vor Monaten in das Internet gestellt worden. Im übrigen habe der örtliche Veranstalter der Antragstellerin, der Zeuge A., sich schon Ende September 2004 bei dem Zeugen T., dem örtlichen Veranstalter des Antragsgegners in C., nach dem "Großen Russischen Festivalballett" erkundigt.
Der Antragsgegner meint des weiteren, der Antragstellerin fehle es an der Aktivlegitimation (Anspruchsberechtigung), zumal nicht dargetan sei, dass die Antragstellerin aktuell Aufführungen des Bolshoi-Balletts durchführe.
Er ist außerdem der Auffassung, seine Werbung könne nicht als irreführend angesehen werden, da hinreichend deutlich zwischen dem aufführenden Ballett, nämlich dem "Großen Russischen Festivalballett" einerseits und dem Veranstaltungsprogramm "Bolshoi Ballett Gala" differenziert werde.
Der Antragsgegner meint, der Begriff "Bolshoi Ballett" sei nicht schützenswert, da das Wort "Bolshoi" in der Übersetzung nichts anderes als ·"groß" oder "großartig" bedeute.
Er verweist darauf, im Bereich der ehemaligen Sowjetunion gebe es mehrere BolshoiBalletts, z. B. auch in N., außerdem gebe es den Bolshoi Moskau Zirkus, eine Rockband namens Bolshoi, Kinos und auch eine Sonnenbrille von Dior mit diesem Namen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteiverbringens wird auf .den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Die Antragstellerin hat sich zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens auf eine eidesstattliche Versicherung der Zeugin X bezogen. Der Antragsgegner hat eine eigene eidesstattliche Versicherung abgegeben und außerdem eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen T. vorgelegt.
Gründe
Das Begehren der Klägerin ist zulässig und begründet. Die beantragte einstweilige Verfügung ist zu erlassen. Es fehlt nicht an der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderlichen Dringlichkeit.
ln Wettbewerbssachen wird gem. § 25 UWG die Dringlichkeit vermutet. Der Antragsgegner hat diese Vermutung nicht entkräften können. Nach ständiger Rechtsprechung des Wettbewerbssenats des Oberlandesgerichts Hamm und der Kammern für Handelssachen des Landgerichts Münster ist die Dringlichkeitsvermutung als widerlegt anzusehen, wenn der Antragsteller zwischen Kenntniserlangung von einem wettbewerbswidrigen Verhalten und Anrufung des Gerichts mehr als einen Monat hat verstreichen lassen. Im vorliegenden Fall kann jedoch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die Feststellung getroffen werden, dass die Antragstellerin mehr als einen Monat vor Einreichen des Verfügungsantrages bei Gericht am 28.10.2004 Kenntnis von der beanstandeten Werbung hatte. Die Zeugin X hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer bekräftigt, der Antragstellerin sei die Werbung des Antragsgegners erst im Oktober 2004 aufgefallen. Dieses kann ihr nicht anhand von Tatsachen widerlegt werden.
Auch aufgrund der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen T. vom 09.11.2004 kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ein gegenteiliger Schluss gezogen werden. Der Zeuge T. hat an Eides statt versichert, anlässtich einer Veranstaltung am 30.09.2004 habe er den Zeugen A. getroffen, dieser habe sich nach den Verkaufszahlen des "Großen Russischen Festivalballetts" erkundigt, nach seinem, des Zeugen T., Eindruck sei der Zeuge A. über die gleichzeitig laufenden Ballett-Veranstaltungen seit längerem informiert gewesen. Damit hat der Zeuge A. über ein Gespräch berichtet, welches am 30.09.2004, also noch innerhalb der Monatsfrist, stattgefunden hat. Hinsichtlich einer Vorkenntnis des Zeugen A. hat er lediglich eine Vermutung äußern können, die nicht durch nachprüfbare Tatsachen gestützt ist. Des weiteren ist offen geblieben, inwieweit sich aus einer Vorkenntnis des Zeugen A. Rückschlüsse auf eine Kenntnis auch der Antragstellerin ziehen lassen könnten. Die insoweit insgesamt verbleibenden Unklarheiten wirken sich im Ergebn_is zum Nachteil des Antragsgegners aus, da es diesem obliegt, die Vermutung der Dringlichkeit zu widerlegen.
Der Unterlassungsanspruch zugunsten der Antragstellerin folgt aus §§ 8, 5, 3 UWG. Nach diesen Vorschriften kann derjenige auf Unterlassen in Anspruch genommen werden, der eine irreführende Werbungsmaßnahme durchführt, die geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber nicht unerheblich zu beeinträchtigen.
Die Parteien sind Mitbewerber im Sinne von § 2 Abs. 1 NR. 3 UWG, da sie als Anbieter in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Dieses gilt unabhängig davon, ob die Antragstellerin aktuell Aufführungen des Bolshai-Balletts Moskau organisiert. Entscheidend für das vorliegende Verfahren ist auch nicht, ob der Antragsgegner möglicherweis schützenswerte Rechte des Bolshai-Balletts Moskau verletzt. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist vielmehr von entscheidender Bedeutung, ob der Antragsgegner sich durch seine Werbung einen Wettbewerbsvorsprung verschafft, der sich als Wettbewerbsnachteil der Antragstellerin auswirken kann. Diese Frage ist zu bejahen. Da beide Parteien in einem zumindest teilweise deckungsgleichen Zeitrahmen russisches Ballett aufführen, besteht die naheliegende Gefahr, dass Interessenten aufgrund der Werbung des Antragsgegners dessen Ballettaufführung statt einer Veranstaltung der Antragstellerin besuchen.
Die Werbung ist auch irreführend im Sinne von § 5 UWG.
ln dieser Werbung ist neben der Vorstellung des Festivalballetts der Hinweis auf die "Bolshoi Ballett Gala" optisch hervorgehoben. Dadurch besteht die Gefahr, dass für einen nicht unerheblichen Anteil von Interessenten der- unzutreffende - Eindruck entsteht, es handele sich um eine Vorführung des Bolshoi-Balletts, zumindest seien Tänzer des Moskauer Bolshai-Balletts an der Aufführung beteiligt. Bei der Gestaltung der konkreten Werbemaßnahme wird nach Auffassung der Kammer nicht- wie der Antragsgegner meint - hinreichend zwischen dem Ballett und dessen Programm differenziert. Die Formulierung "Bolshoi Ballett" vor dem Wort "Gala" erweckt vielmehr die Assoziation zu dem auch in der Bundesrepublik Deutschland bekannten Ballett aus Moskau. Nach Einschätzung der Kammer differenziert dabei auch der aufmerksame Verbraucher nicht dahingehend, dass der Begriff "Bolshoi" lediglich mit "großartig" zu übersetzen und deshalb ein Bezug zu dem Ballett aus Moskau nicht herzustellen sei. Anders als etwa bei Veranstaltungen einer Rockband, bei Zirkusveranstaltungen oder dem Vertrieb von Waren legt hier das angebotene Produkt, nämlich die Ballettvorführung, es nahe, unmittelbar eine Verbindung zu dem Original Bolshai Ballett herzusteIIen.
Die Kostenentscheidung folgt aus §.91 ZPO.
Als Eilentscheidung ist dieses Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
LG Münster:
Urteil v. 11.11.2004
Az: 24 O 163/04
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