Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 14. Juli 2003
Aktenzeichen: 4 Ta 820/02
(LAG Hamm: Beschluss v. 14.07.2003, Az.: 4 Ta 820/02)
5 AZB 46/03 Rechtsbeschwerde aufgehoben 18.11.22003
1. Bei der Drei-Monats-Frist des § 124 Nr. 4 ZPO, die in den Fällen des § 124 Nr. 2 ZPO analog angewandt wird, handelt es sich nicht um eine vom Rechtspfleger erst zu setzende Frist, sondern um eine gesetzliche Frist, die mit dem (Verlangen des Gerichts) (§ 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO) beginnt. Mithin braucht das Aufforderungsschreiben im automationsgestützten Verfahren nicht unterzeichnet sein.
2. Die PKH-Partei hat nach Erhalt des Aufforderungsschreibens innerhalb der darin gesetzten Frist erneut eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck des § 117 Abs. 4 ZPO abzugeben, wenn dies - wie im automationsunterstützten Verfahren - so vom Arbeitsgericht gefordert wird.
3. Das PKH-Nachprüfungsverfahren ist - auch wenn es von den Arbeitsgerichten durchgeführt wird - kein gerichtliches Nachverfahren, sondern ein reines Verwaltungsverfahren, so daß das Arbeitsgericht nicht gehalten ist, die Anfrage nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO an den Prozeßbevollmächtigten zu richten
4. Eine gerichtliche Pflicht zur Einbindung des beigeordneten Rechtsanwalts ist selbst dann nicht anzunehmen, wenn dieser im streitigen Verfahren den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gestellt, also im PKH-Bewilligungsverfahren den Schriftverkehr mit dem Gericht geführt hat.
5. ,,Gericht'' im Sinne der Vorschrift des § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist nicht allein der Rechtspfleger, so daß auch ein/eine Regierungsangestellte(r) der Serviceeinheit jedenfalls dann, wenn ihm/ihr diese Aufgabe kraft Geschäftsverteilungsplan für den nichtrichterlichen Dienst übertragen ist, das bzw. die Mahnschreiben verfassen kann. Zum Nachweis muß die im PKH-Beiheft verbleibende Leseabschrift oder Verfügung von dem/der Verfasser/in des Mahnschreibens unterzeichnet sein, ein Namenskürzel reicht nicht aus.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den PKH-Aufhebungsbeschluß des Arbeitsgerichts Bocholt vom 30.10.2002 - 3 Ca 1599/01 - wird zurückgewiesen
Gründe
I. Das Arbeitsgericht Bocholt hat dem Kläger zur Durchführung einer Zahlungsklage wegen Restlohnes und Spesen mit Beschluß vom 04.09.2001 in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und ihm Rechtsanwalt Dr. K2xxxxxxx aus M1xxxxx beigeordnet.
Nach Verfahrensabschluß ist dem Kläger im automationsgestützten Verfahren mit Schreiben vom 09.07.2002 ein amtlicher Vordruck über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit der Bitte zugeleitet worden, diesen vollständig auszufüllen und bis zum 23.07.2002 an das Arbeitsgericht Bocholt zurückzusenden. Da der Kläger den amtlichen Vordruck nicht zurückgesandt hat, hat das Arbeitsgericht Bocholt ihm mit Schreiben vom 07.08.2002 "nochmals eine Frist zur Ausfüllung und Rücksendung bis zum 11.09.02 gewährt". Es heißt in dem von dem Reg.-Ang. P2xxxxxx mit "Auf Anordnung" unterzeichneten Schreiben weiter:
Sollte auch diese Frist ungenutzt verstreichen, so wird die Prozesskostenhilfe widerrufen und Beitreibung der aus der Landeskasse vorgelegten Gelder angeordnet Sie müssen damit rechnen, daß im Falle des Widerrufs der Prozesskostenhilfe Zwangsmaßnahmen (Gerichtsvollzieher) eingeleitet werden.
Es liegt daher in Ihrem Interesse, den Vordruck auszufüllen und zurückzusenden. Sie werden bereits jetzt aufgefordert, Ihre Angaben durch die Vortage von Belegen nachzuweisen (z. B. Kopie der letzten Lohnabrechnung, Bescheid des Arbeitsamtes über die Gewährung von Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfebescheid).
Mit weiterem Schreiben vom 12.09.2002, welches abermals von dem Reg.-Ang. P2xxxxxx mit "Auf Anordnung" unterzeichnet worden ist, ist der Kläger nochmals wie folgt an die Einreichung des amtlichen Vordrucks erinnert worden:
Sie sind der Aufforderung des Gerichts vom 09.07.02, eine Erklärung über Ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen, bisher trotz des gerichtlichen Erinnerungsschreibens vom 07.08.02 nicht nachgekommen, Ihnen wird daher eine letzte Frist zur Einreichung der Erklärung bis zum 23.10.2002 gewährt. Sollte die Erklärung auch dann noch nicht vorliegen, so wird die Ihnen bewilligte Prozesskostenhilfe ohne weitere Mahnung aufgehoben und Sie schulden der Landeskasse die bisher gestundeten Kosten in Höhe von 702,67 EUR in einer Summe (§ 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO, § 124 Nr. 2 ZPO).
Mit Beschluß vom 30.10.2002 -3 Ca 1599/01 - hat das Arbeitsgericht Bocholt die PKH-Bewilligung vom 04.09.2001 wegen unterlassener Mitwirkung bei der Aufklärung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im sog. PKH-Nachprüfungsverfahren aufgehoben.
Gegen diesen ihm am 31.10.2002 zugestellten Beschluß hat der Kläger am 29.11.2002 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Münster unter Vorlage einer Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 29.11.2002 und eines Sozialhilfebescheids der Stadt M1xxxxx vom 17.10.2002 sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hätten sich seit der PKH-Bewilligung nicht wesentlich verbessert, da er weiterhin Sozialhilfe beziehe. Desweiteren habe er Ende des Jahres 2001 bzw. Anfang des Jahres 2002 die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Er sei nicht in der Lage, Rückzahlungen auf die für ihn verauslagte PKH-Vergütung zu leisten. Auf die gerichtlichen Schreiben vom 07.08.2002 und 12.09.2002 habe er nicht geantwortet, da er nicht schreiben könne.
Die sofortige Beschwerde des Klägers ist noch am 29.11.2002 vom Amtsgericht Münster an das Arbeitsgericht Bocholt weitergeleitet worden, welcher der Rechtspfleger mit Beschluß vom 02.12.2002 mit folgender Begründung nicht abgeholfen hat:
Der Kläger kann angeblich nicht schreiben. Auffallend ist jedoch die Tatsache dass die erste PKH-Erklärung vom 17.08.01 vom Kläger selbst ausgefüllt wurde und zu den Akten gelangte. Außerdem hätte er auch nicht schreiben brauchen. Ein Anruf bei dem hiesigen Arbeitsgericht hätte ihm schon geholfen. Die Schreiben des Gerichts sind als behördliche Schreiben erkennbar Die Telefonnummer des Gerichts und die Durchwahlnummer des Sachbearbeiters sind im Kopf des Briefbogens deutlich vermerkt. Da der Kläger längere Zeit als Auslieferungsfahrer tätig war, muss er der deutschen Sprache ausreichend mächtig sein, um Schriftstücke zu verstehen. Sein Rechtsanwalt wohnt in M1xxxxx. Er hätte auch diesen aufsuchen und um Hilfe bitten können. Außerdem wird der Kläger sicherlich in M1xxxxx Bekannte haben, die der deutschen Sprache in Wort und Schrift mächtig sind. Merkwürdigerweise hat der Kläger nur den Aufhebungsbeschluss des Gerichts angegriffen, indem er sich an die Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts Münster mit der Bitte um Hilfe wandte. Er hätte auch im Vorfeld bei Eingang der gerichtlichen Schreiben vom 09.07.02, 07.08.02 und 12.09.02 diesen Weg nutzen können.
Im Beschwerdeverfahren trägt der Prozeßbevollmächtigte Des Klägers mit Schriftsatz vom 15.01.2003, bei dem Landesarbeitsgericht Hamm am 17.01.2003 eingegangen, ergänzend vor, er habe als sein Prozeßbevollmächtigte den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gestellt und im PKH-Bewilligungsverfahren den Schriftverkehr mit dem Arbeitsgericht geführt. Im PKH-Nachprüfungsverfahren sei er jedoch nicht mehr beteiligt worden. Vor Aufhebung der PKH-Bewilligung sei sein Mandant mit Schreiben vom 07.08.2002 sowie vom 12.09.2002 durch das Arbeitsgericht Bocholt unter Setzung einer Nachfrist gemahnt worden, die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorzulegen. Dieser Aufforderung sei sein Mandant nicht nachgekommen, er habe jedoch darauf vertrauen können, daß auch sein Prozeßbevollmächtigter im Rahmen der erteilten und nachwirkenden Vollmacht vom Gericht eingeschaltet werde. Schon wegen fehlenden Beteiligung des Prozeßbevollmächtigten im PKH-Nachprüfungsverfahren sei der PKH-Aufhebungsbeschluß des Arbeitsgerichts Bocholt aufzuheben und der sofortigen Beschwerde stattzugeben.
Des weiteren sei die vor Aufhebung der PKH-Bewilligung erforderliche Mahnung mit Nachfristsetzung im PKH-Beiheft zu dokumentieren, den diese führe erst zum Rechtsverlust wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht nach § 124 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 120 Abs. 4 ZPO. Beide Mahnungen (vom 07.08.2002 und vom 12.09.2002) seien weder mit vollständiger Unterschrift noch vom zuständigen Rechtspfleger unterzeichnet worden. Im PKH-Bewilligungsverfahren setze eine Ablehnung der Prozeßkostenhilfe nach § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO wegen mangelnder Mitwirkung des Antragstellers bei der Ermittlung der Bewilligungsvoraussetzung eine wirksame Fristsetzung durch das Arbeitsgericht voraus. Daran fehle es. wenn die Auflage des Arbeitsgerichts nicht die Unterschrift des Richters oder Rechtspflegers, sondern nur dessen Paraphe enthalte. Daher sei es konsequent, im PKH-Nachprüfungsverfahren die gleichen Grundsätze anzuwenden und die Unterzeichnung von Aufforderungs- und/oder Anmahnungsschreiben mit einem Namenskürzel nicht genügen zu lassen. Setzt zum Beispiel ein Richter im Hauptverfahren Fristen, dann sei seine volle Unterschrift notwendig, eine Paraphe reiche nicht aus. Im PKH-Verfahren könne nichts anderes gelten. Aufgrund der Unterzeichnung mit der Paraphe sei die Fristsetzung vorliegend mithin unwirksam, der Beschluß des Arbeitsgerichts Bocholt daher nicht ordnungsgemäß gefaßt worden. Er sei daher auch aus diesem Grunde aufzuheben.
Weiterhin sei im Verfahren wegen Festsetzung der Vergütung bei Prozeßkostenhilfe anerkannt, daß ein Aufforderungsschreiben, das die Fristsetzung gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 BRAGO enthalte, die bezweckten Rechtswirkungen nicht entfalten könne, wenn die in der Gerichtsakte verbleibende Leseabschrift keine Unterschrift des funktional zuständigen Urkundsbeamten trage. Da das PKH-Nachprüfungsverfahren Teil des Rechtspflegergeschäfts gemäß § 20 Nr. 4 Buchst. c RPflG sei, könne die Fristsetzung nur wirksam vom Rechtspfleger vorgenommen werden. Dies sei nicht geschehen, so daß der Beschluß des Arbeitsgerichts Bocholt auch aus diesem Grund aufzuheben sei.
Der Bezirksrevisor trägt als Vertreter der Landeskasse des Landes Nordrhein-Westfalen vor, sowie in allen anderen Verfahren im Gerichtsbezirk des Landesarbeitsgerichts Hamm werde bei bewilligter Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsanordnung wegen § 120 Abs. 4 ZPO folgendes veranlaßt:
Die Anschrift des PKH-Empfängers werde zum automationsgestützten Verfahren POZ (Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung) mitgeteilt. Mit Hilfe dieses Verfahrens erfolge nach vorheriger Festlegung des Überprüfungsabstandes - in der Regel 1 Jahr - durch das GGRZ (Gemeinsames Gebietsrechenzentrum in Hagen) eine Aufforderung zur Abgabe einer erneuten Erklärung über die persönlichen wirtschaftlichen Verhältnisse. Dieser Aufforderung sei ein Erklärungsbogen beigefügt. Zeitgleich ergehe Nachricht zum Arbeitsgericht, welches die Einhaltung der Frist der Aufforderung überwache. Die PKH-Partei treffe diese Prozedur nicht unvorbereitet, denn sie werde nach Festsetzung der Anwaltsgebühren vorab auf PKH-Nachprüfungsverfahren hingewiesen. Nach Ablauf der durch das im automationsgestützten Verfahren versandte Aufforderungsschreiben gesetzten Frist erfolge eine Erinnerung durch das Arbeitsgericht. Nach ständiger Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Hamm hätte nach 3 Monaten (§ 124 ZPO entsprechend) die Prozeßkostenhilfe bereits aufgehoben werden können, gleichwohl sei vorliegend eine letzte Erinnerung erfolgt. Das Nichteinreichen der geforderten Erklärung habe konsequent die Aufhebung der bewilligten Prozeßkostenhilfe zur Folge.
Zweifellos bestehe nach dem Rechtspflegergesetz ein Rechtspflegervorbehalt für das PKH-Nachprüfungsverfahren. Dieser Vorbehalt werde durch die Übertragung von Einzeltätigkeiten auf andere Gerichtspersonen nicht unterhöhlt. Das Aufforderungsschreiben durch automationsgestützte Verfahren POZ trage nicht die Unterschrift des Rechtspflegers, gleichwohl sei es, da maschinell erstellt, ohne Unterschrift gültig. Es handele sich natürlich um ein vom obersten Dienstherrn genehmigtes Verfahren. In anderen Verwaltungszweigen ergingen selbst sofort vollstreckbare Bescheide wie z.B. Steuerbescheinigungen automationsgestützt ohne Unterschrift. Eine Übertragung von Einzeltätigkeiten - hier: Erinnerungen zur Abgabe der Einkommens- und Vermögenserklärung - sei seit Jahren gängige Praxis der Arbeitsgerichte. Diese Tätigkeit werde kraft Geschäftsverteilungsplan auf bestimmte Personen - vorliegend auf Reg.-Ang. P2xxxxxx - übertragen. Diese Personen würden insofern lediglich Mithilfe leisten, zumal evtl. folgende Aufhebungsbescheide natürlich von den Rechtspflegern gefertigt werden.
Wenn automationsgestützte Schreiben, die ebenfalls Fristsetzungen enthielten, kraft offizieller Genehmigung ohne Unterschrift gültig seien, frage sich, warum gerichtliche Schreiben gleichen Inhalts von dazu bestimmten Gerichtspersonen keine Wirkung entfalten sollten. Die diesbezügliche neue Rechtssprechung der angerufenen Beschwerdekammer erschwere den Gerichtsalltag und trage der Aufgabenbewertung der Geschäftsstellen nicht Rechnung. Das gesamte Zustellungsverfahren sei bspw. den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle übertragen. Diese prüften in eigener Verantwortung, ob der Lauf von Fristen durch wirksame Zustellung in Gang gesetzt worden sei. Deshalb frage sich, warum sie selbst eine angemessene Frist nicht setzen dürften. Im Interesse der Landeskasse und im Interesse eines funktionellen Arbeitsablaufes bei den beteiligten Arbeitsgerichten werde gebeten, die angefochtene Verfahrensweise für zulässig zu erklären und derartige Beschwerden zukünftig als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger läßt entgegnen, der Vergleich mit automationsgestützten Schreiben in anderen Verwaltungszweigen, z.B. in der Steuerverwaltung, gehe schon deshalb fehl, weil die im vorliegenden PKH-Nachprüfungsverfahren entscheidenden Aufforderungs- bzw. Anmahnungsschreiben keinen Hinweis darauf enthalten, daß sie in einem automationsgestützten Verfahren erstellt worden seien und daher ohne Unterschrift gültig sein sollen. Selbst die gerichtlichen Schreiben zur Übersendung der Korrespondenz zwischen den Parteien enthielten Unterschriften der entsprechenden Regierungsangestellten. Dies müsse erst recht für Aufforderungs- bzw. Anmahnungsschreiben gelten, die eine Fristsetzung enthielten. Kostenerwägungen und die Sicherstellung funktioneller Arbeitsabläufe könnten die rechtlichen Argumente gegen die Verfahrensweise nicht entkräften. Der beigefügte Geschäftsverteilungsplan möge zwar die gängige arbeitsgerichtliche Praxis widerspiegeln, gebe jedoch keinen Aufschluß über deren Rechtmäßigkeit.
II. Die nach § 11 RPflG i.V.m. §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet. Die Aufhebung der PKH-Bewilligung wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers ist nicht zu beanstanden (§ 124 Nr. 2 ZPO i.V.m. § 120 Abs. 4 ZPO).
1. Gemäß § 124 Nr. 2 ZPO kann die Aufhebung der Prozeßkostenhilfe erfolgen, wenn der PKH-Empfänger es an der nach § 120 Abs. 4 ZPO erforderlichen Mitwirkungspflicht fehlen läßt. Wenn der PKH-Empfänger auch auf eine Mahnung in angemessener Zeit nicht reagiert und die angeforderte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck nicht einreicht, ist eine Aufhebung der PKH-Bewilligung gerechtfertigt. Was als angemessener Zeitraum dabei anzusehen ist, ergibt sich aus § 124 Nr. 4 ZPO. Dort ist bestimmt, daß die Aufhebung der PKH-Bewilligung nach Ablauf von drei Monaten seit Fälligkeit einer Ratenzahlung angeordnet werden kann. Dieser Zeitraum gilt für eine Aufhebung der PKH-Bewilligung gemäß § 124 Nr. 2 ZPO entsprechend. Vorliegend hat der Kläger die Mitwirkungspflicht gröblich verletzt, denn er hat weder auf die Aufforderung vom 09.07.2002, bis zum 23.07.2002 die ihm übersandte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an das Arbeitsgericht Bocholt zurückzusenden, noch auf die Mahnschreiben vom 07.08.2002 und von 12.09.2002 reagiert. In den beiden Mahnschreiben ist dem Kläger die Aufhebung der PKH-Bewilligung unter Fristsetzung angedroht worden. Diese Mahnungen hat der Kläger nicht beachtet, so daß er seine Mitwirkungspflicht nachhaltig verletzt hat.
1.1. Das Aufforderungsschreiben vom 09.07.2002 ist im automationsgestützten Verfahren POZ (Prozeßkostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung) durch das GGRZ (Gemeinsames Gebietsrechenzentrum in Hagen) mit dem Briefkopf des Arbeitsgerichts Bocholt erstellt und unter Beifügung des amtlichen Vordrucks "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" an die zuvor mitgeteilte Anschrift des Klägers mit der Aufforderung gesandt worden, die erbetene Erklärung nebst Belegen bis zum 23.07.2002 an das Arbeitsgericht Bocholt zurückzusenden. Zur Erleichterung dieses Vorgangs enthält das Aufforderungsschreiben im unteren Drittel nach dem Hinweis: "Bitte hier abtrennen und für die Adressierung verwenden", einen Adreßbogen mit Absenderangabe der PKH-Partei und Aktenzeichen sowie Anschrift des Arbeitsgerichts, ohne weiteres in einen Rückbrief mit Fensterumschlag verwendet werden kann. Das Aufforderungsschreiben enthält den Hinweis, daß die PKH-Partei gemäß § 120 Abs. 4 ZPO zu erklären hat, ob sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse "seit der Bewilligung der Prozeßkostenhilfe bzw. seit der letzten Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen verbessert hat". Nach der Fristsetzung und der Belehrung, nach ergebnislosem Fristablauf könne "die Prozeßkostenhilfe ohne weitere Mahnung aufgehoben werden (§ 124 Ziff. 2 ZPO)", steht der Hinweis:
Dieses Schreiben ist mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt und ergeht daher ohne Unterschrift.
Das PKH-Nachprüfungsverfahren ist -auch wenn es von den Arbeitsgerichten durchgeführt wird - kein gerichtliches Nachverfahren, sondern ein reines Verwaltungsverfahren, dessen Ausgestaltung vom Landesgesetz- bzw. -verordnungsgeber vorgenommen werden kann. Das Aufforderungsschreiben im automationsgestützten Verfahren setzt in entsprechender Anwendung von § 124 Nr. 4 ZPO eine Drei-Monats-Frist zur erneuten Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Gang. Hierbei handelt sich um eine gesetzliche Frist, die mit dem "Verlangen des Gerichts", also mit dem Zugang des Aufforderungsschreibens beginnt. Zwar ist im Verfahren wegen Festsetzung der PKH-Vergütung anerkannt, daß ein Aufforderungsschreiben, das die Fristsetzung gemäß § 128 Abs. 2 Satz 1 BRAGO enthält, die bezweckten Rechtswirkungen nicht entfalten kann, wenn die in der Gerichtsakte verbleibende Leseabschrift keine Unterschrift des funktional zuständigen Urkundsbeamten trägt (LAG Hamm, Bes. v. 13.03.2002 - 9 Ta 607/01, LAGReport 2003, 122, 123), jedoch ist diese Rechtsprechung nicht auf das PKH-Nachprüfungsverfahren übertragbar. Zwar ist die Entscheidung über die Änderung und/oder die Aufhebung der PKH-Bewilligung nach § 124 Nr. 2 ZPO Teil des Rechtspflegergeschäfts gemäß § 20 Nr. 4 Buchst. c RPflG, jedoch besagt das nicht, daß die Fristsetzung analog § 124 Nr. 4 ZPO nur wirksam vom Rechtspfleger vorgenommen werden könnte. Bei der Drei-Monats-Frist des § 124 Nr. 4 ZPO, die in den Fällen des § 124 Nr. 2 ZPO analog angewandt wird, handelt es sich nicht um eine vom Rechtspfleger erst zu setzende Frist, sondern um eine gesetzliche Frist, die mit dem "Verlangen des Gerichts" (§ 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO) beginnt. Mithin braucht das Aufforderungsschreiben im automationsgestützten Verfahren nicht unterzeichnet sein. Die PKH-Partei hat nach Erhalt des Aufforderungsschreibens innerhalb der darin gesetzten Frist erneut eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem amtlichen Vordruck im Sinne des § 117 Abs. 4 ZPO abzugeben, wenn dies -wie im automationsunterstützten Verfahren - so vom Arbeitsgericht gefordert wird (OLG Koblenz, Bes. v. 23.08.1996 - 15 WF 741/96, JurBüro 1997, 368; a.A. LAG Bremen, Bes. v. 12.06.1990 - 1 Ta 68/90, BB 1990, 2196; OLG Dresden, Bes. v. 30.06.1997 - 20 WF 165/97, FamRZ 1998, 250; LAG Rheinland-Pfalz, Bes. v. 23.01.1998 - 4 Ta 237/97, LAGE § 124 ZPO Nr.12 = BB 1998, 1539 = MDR 1998, 850 = NZA-RR 1998, 560; LAG Frankfurt/Main, Bes. v. 24.09.2002 - 16 Ta 443/02, n.v.). Dies ist nicht geschehen, der Kläger hat im erstinstanzlichen PKH-Nachprüfungsverfahren überhaupt keine Erklärung abgegeben.
1.2. Ob im PKH-Nachprüfungsverfahren vor der Aufhebung der PKH-Bewilligung auch der beigeordneten Rechtsanwalt einzubinden ist, ist umstritten. Da der beigeordneten Rechtsanwalt in aller Regel im anschließenden Beschwerdeverfahren wieder tätig wird, erscheint es zwar sinnvoll, ihn bereits im Vorfeld mit einzubinden, damit die erwünschte Mitwirkung auch ordnungsgemäß erledigt wird (weitergehend LAG Düsseldorf, Bes. v. 29.11.1995 - 15 Ta 268/95, n.v.: "ist zu beteiligen"). Zu weitgehend erscheint es jedoch, eine gerichtliche Pflicht zur Einbindung des beigeordneten Rechtsanwalts dann anzunehmen, wenn dieser im streitigen Verfahren auch den Antrag auf Gewährung von Prozeßkostenhilfe gestellt, also im PKH-Bewilligungsverfahren den Schriftverkehr mit dem Gericht geführt hat (so aber LAG Niedersachsen, Bes. v. 22.03.1999 - 16 Ta 103/99, LAGE § 120 ZPO Nr. 34; a.A. LAG Düsseldorf, Bes. v. 11.11.2002 - 2 Ta 332/02, LAGReport 2003, 124, 125) oder gar anzunehmen, die Prozeßvollmacht wirke nach Abschluß des Erkenntnisverfahrens fort (LAG Baden-Württemberg, Bes. v. 02.07.2002 - 20 Ta 13/02, LAGReport 2003, 123; a.A. LAG Düsseldorf, Bes. v. 28.07.1988 - 14 Ta 202/88, LAGE § 120 ZPO Nr.4 = JurBüro 1988, 1717; OLG München, Bes. v. 18.08.1992 - 12 Wf 932/92, FamRZ 1993, 580). In einem solchen Fall kann die PKH-Partei, wenn sie der Aufforderung im automationsgestützten Verfahren nicht nachgekommen ist und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht vorgelegt hat, schon deshalb darauf vertrauen, daß auch ihr Prozeßbevollmächtigter im Rahmen der erteilten und nachwirkenden Vollmacht vom Gericht eingeschaltet werde, weil ansonsten -wie im vorausgegangenen PKH-Bewilligungsverfahren - der gerichtliche Schriftverkehr allein und ausschließlich mit dem Rechtsanwalt und nicht mit der Partei geführt würde. Das PKH-Nachprüfungsverfahren gemäß § 120 Abs. 4 ZPO gehört nicht mehr zum selben Verfahren im Sinne des § 172 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO n.F. (= §§ 176, 178 ZPO a.F.), denn die Abwicklung der Prozeßkostenhilfe ist nur noch reine Verwaltungssache, so daß das Arbeitsgericht nicht gehalten war, die Anfrage nach § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO an den Prozeßbevollmächtigten zu richten (LAG Düsseldorf, Bes. v. 11.11.2002 - 2 Ta 332/02, LAGReport 2003, 124, 125; a.A. LAG Baden-Württemberg, Bes. v. 02.07.2002 - 20 Ta 13/02, LAGReport 2003, 123, 124, unter Hinweis auf LAG Baden-Württemberg, Bes. v. 28.12.1993 - 6 Ta 49/93, n.v.; LAG Baden-Württemberg, Bes. v. 29.03.1999 - 20 Ta 33/98, n.v.; LAG Baden-Württemberg, Bes. v. 07.06.2002 - 20 Ta 8/02, n.v.; LAG Baden-Württemberg, Bes. v. 02.07.2002 - 20 Ta 13/02, n.v.). Die im automationsgestützten Verfahren unmittelbar an die PKH-Partei gerichtete Anfrage setzt die Drei-Monats-Frist analog § 124 Nr. 4 ZPO in Gang.
1.3. Die Drei-Monats-Frist des § 124 Nr. 4 ZPO, die in den Fällen des § 124 Nr. 2 ZPO analog angewandt wird, beginnt mit dem "Verlangen des Gerichts" (§ 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO). Verletzt die PKH-Partei diese Mitwirkungspflicht, dann kann die Aufhebung der Prozeßkostenhilfe gemäß § 124 Nr. 2 ZPO erfolgen. Die Feststellung eines solchen Fehlverhaltens setzt regelmäßig voraus, daß der ergebnislosen Aufforderung zur Vorlage einer aktuellen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse noch eine Mahnung folgt, die im PKH-Beiheft zu dokumentieren ist (LAG Hamm, Bes. v. 02.01.2002 - 14 Ta 710/01, n.v.). Da "Gericht" im Sinne der Vorschrift des § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO nicht allein der Rechtspfleger ist, kann auch der Regierungsangestellte der Serviceeinheit jedenfalls dann, wenn ihm -wie bei Arbeitsgericht Bocholt - diese Aufgabe kraft Geschäftsverteilungsplan für den nichtrichterlichen Dienst übertragen ist, das bzw. die Mahnschreiben verfassen. Hier bleibt die Kammer bei ihrer Auffassung, daß für ein wirksames Mahnschreiben ein Namenskürzel nicht ausreicht (LAG Hamm, Bes. v. 29.01.2002 - 4 Ta 639/01, n.v.; LAG Hamm, Bes. v. 29.01.2002 - 4 Ta 640/01, n.v.), da ansonsten nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann, daß die PKH-Partei die gerichtliche Mahnung unbeachtet gelassen und damit ihre Mitwirkungspflicht verletzt hat. Da sich das Original des Mahnschreibens ohnehin nicht in den Akten befindet, muß die sog. Leseabschrift eine Unterschrift tragen. Vorliegend sind die Leseabschriften der beiden Mahnschreiben vom 07.08.2002 und vom 12.09.2002 nicht unterzeichnet. Es genügt aber auch, daß die Leseabschriften in die Form einer Verfügung gekleidet und daß diese unterzeichnet ist. Dies ist vorliegend der Fall, denn der Reg.-Ang. P2xxxxxx hat in beiden Mahnschreiben oberhalb des gerichtlichen Briefkopfes links handschriftlich die Worte vorangestellt:
Vfg.
1. Schr. an:
und im Schreiben vom 07.08.2002 rechts unterhalb des Textes handschriftlich gesetzt:
2. WV 12.09.02
B., 07. AUG. 2002
bzw. im Schreiben vom 11.09.2002 rechts unterhalb des Textes handschriftlich gesetzt:
2. WV 24.10.02
B., 12. SEP. 2002
Der Wiedervorlagevermerk steht jeweils vor seiner vollen Unterschrift. Dies genügt den gesetzlichen Anforderungen. Erst darunter steht dann der Fertigungs- und der Ab-Vermerk mit Namenskürzel.
2. Nach Ablauf der gesetzten Frist könnte eine Berücksichtigung der im Beschwerdeverfahren nachgereichten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nur in Betracht kommen, wenn die Säumigkeit entschuldigt werden könnte. Hierzu trägt der Kläger lediglich vor, auf die gerichtlichen Schreiben vom 07.08.2002 und 12.09.2002 habe er nicht geantwortet, da er nicht schreiben könne. Diese Einlassung ist unbeachtlich, denn die Drei-Monats-Frist des § 124 Nr. 4 ZPO wird gerade deshalb auf die Fälle des § 124 Nr. 2 ZPO analog angewandt, damit vor allem eine sprach- und/oder rechtsunkundige Partei sich entsprechend beraten und bei der Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten helfen lassen kann. Sie kann jedenfalls gerichtliche oder behördliche Schreiben nicht einfach ignorieren. Dies gilt im PKH-Nachprüfungsverfahren insbesondere deshalb, weil das im automationsgestützten Verfahren übersandte Schreiben den Hinweis enthält, daß die PKH-Partei wegen der -Abgabe der Erklärung "auch während der Sprechzeiten telefonisch oder mündlich (montags - freitags von 08.30 - 12.00 Uhr) die Hilfe der Geschäftsstelle des Arbeitsgerichts in Anspruch nehmen" kann. Der Kläger hat sich erstmals nach Erhalt des PKH-Aufhebungsbeschlusses gemeldet, indem er sich an die Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts Münster mit der Bitte um Hilfe wandte. Er hätte diesen Weg -worauf bereits der Rechtspfleger beim Arbeitsgericht Bocholt im Nichtabhilfebeschluß vom 02.12.2002 hingewiesen hat- auch im Vorfeld bei Eingang der gerichtlichen Schreiben vom 09.07.02, 07.08.02 und 12.09.02 nutzen können. Die sofortige Beschwerde hat daher ohne Erfolg bleiben müssen. Die Rechtsbeschwerde war nach § 78 Satz 2 ArbGG n.F. i.V.m. § 72 Abs. 2 ArbGG zuzulassen.
gez. Berscheid
LAG Hamm:
Beschluss v. 14.07.2003
Az: 4 Ta 820/02
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