Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 15. Oktober 2003
Aktenzeichen: 23 U 3/97

(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 15.10.2003, Az.: 23 U 3/97)

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 23. Zivilkammerdes Landgerichts Frankfurt am Main vom 10.10.1996 wie folgtabgeändert:

Die Beklagten zu 3) und 6) werden verurteilt, an den Kläger10.000,00 € als Schmerzensgeld nebst Zinsen ab 31.01.1996 inHöhe von 2,5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der DeutschenBundesbank zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 3) und 6) alsGesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger Schmerzensgeld zuzahlen und Schadensersatz zu leisten auch für künftige odersonstige und weitere Schmerzen und Schäden wegen der kariösenZerstörung seines Milchzahngebisses.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Kostenregelung:

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können dieVollstreckung der Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 €abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor in dieser Höhe Sicherheitgeleistet hat.

Die Beschwer des Klägers beträgt 84.000,00 DM, die Beschwer derBeklagten zu 3) und 6) beträgt 30.000,00 DM.

Gründe

Beim Kläger, der am €.1982 geboren wurde, begannen die Milchzähne zwischen dem fünften und siebten Monat durchzubrechen. Bereits kurz vor seinem zweiten Geburtstag zeigten sich Schäden an den Frontzähnen im Oberkiefer, die durch Karies verursacht waren. Deshalb sah die Mutter des Klägers veranlasst, den Kinderarzt Dr. A um Rat zu fragen. Nachdem sich dieser die Zähne des Klägers angesehen hatte, wollte er lediglich wissen, ob dem Kläger Beruhigungstees zum Nuckeln verabreicht worden seien. Da die Mutter des Klägers dies bejaht hatte, empfahl ihr Dr. A, dem Kläger keine Tees mehr aus der Nuckelflasche zu geben. Diese Ratschlag befolgte die Mutter auch.

Am 06.08.1985, also etwa nach einem weiteren Jahr, begab sich die Mutter mit dem Kläger zu dem Zahnarzt B in O1. Dieser teilte der Mutter des Klägers mit, er habe den Verdacht, dass die Zahnschäden ihres Sohnes auf die Kindertees zurückzuführen sein könnten. Da die Schäden bereits soweit fortgeschritten waren, dass eine konservierende Behandlung nicht mehr in Frage kam, verwies er den Kläger an einen Arzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie.

Dr. C entfernte dann am 17.10.1985 operativ die Zähne 52, 51, 61, 62, 63, 64, 53 und 54. Außerdem wurde im Bereich des linken Oberkiefers eine Phlegmone geöffnet.

Im Herbst 1993 nahm die Mutter des Klägers an einer Veranstaltung der D-Krankenkasse O1 teil, zu der die Eltern, deren Kinder stark unter Karies leiden oder litten, eingeladen waren. Anlässlich dieser Veranstaltung erfuhr sie erstmals, dass man den Hersteller der Tees auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann. Daraufhin nahm sie rechtliche Beratung in Anspruch, die Ausgangspunkt für diesen Rechtsstreit war.

Die Beklagte zu 1) produzierte selbstlösliche Tees verschiedener Sorten und vertrieb neben den Tees, zu deren näheren Bezeichnung immer der Name F benutzt wurde, seit 1978 auch 120 ml fassende Plastikflaschen mit der Aufschrift F, die mit einem kieferorthopädisch geformten Sauger ausgestattet waren. In den Jahren 1982 bis 1984 waren diese Flaschen noch nicht mit dem Warnhinweis versehen, dass ein Dauernuckeln kohlenhydrathaltiger Tees zu Karies führen kann.

Der Beklagte zu 4) war von Juli 1979 bis Januar 1994 Gesamtprokurist und Leiter der Abteilung Werbung und Verkaufsförderung bei der Beklagten zu 1). Der Beklagte zu 6) war von 1976 bis 1989 Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1) und für Marketing im Vorstand zuständig.

Mit der Klage macht der Kläger Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000,00 DM sowie einen Anspruch auf Ersatz des Betreuungsaufwands seiner Mutter in Höhe von 54.000,00 DM geltend. Ferner verlangt er festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihm alle Folgeschäden zu ersetzen.

Der Kläger hat behauptet, er habe als einzigen Tee den pulverförmigen F-Fencheltee, der in Glasdosen ohne hinreichende Warnhinweise vertrieben wurde, getrunken. Hierzu habe er ausschließlich die von der Beklagten zu 1) ebenfalls vertriebene 120 ml fassende Plastik-Saugflasche mit der Aufschrift F verwendet. Diese Flasche habe damals noch die Zusatzbezeichnung €Kleine Teeflasche€ getragen. An einem Tag habe er bis zu sechs dieser Flaschen getrunken. Hierbei habe er sich selbst bedient, und zwar nicht nur tagsüber; sondern auch beim Einschlafen und in nächtlichen Wachphasen, um wieder einschlafen zu können. Durch das Dauernuckeln dieses Tees seien die Gebißschäden entstanden. Seit dem Zahnwachstum seien seine Zähne regelmäßig geputzt worden, später sogar zweimal am Tag. Seine Ernährung sei im übrigen normal gewesen, auch habe er nur durchschnittliche Mengen Süßigkeiten erhalten. Infolge der Erkrankung habe er an erheblichen Schmerzen gelitten, insbesondere zwischen dem 2. Geburtstag und dem 30. Lebensmonat, die ihn tagsüber und nachts häufig zum Weinen gebracht hätten. Außerdem habe er sich aufgrund seines Aussehens bis zum Nachwachsen der bleibenden Zähne geschämt und sei gehänselt worden. Wegen seiner Schmerzen und den bestehenden Beschwerden beim Essen hätten seine Mutter, Großmutter und eine Tante einen Betreuungsmehraufwand von wenigstens 3.000 Stunden erbracht. Hierfür sei eine Entschädigung in Höhe von 18,00 DM netto pro Stunde üblich und angemessen. Nicht auszuschließen sei es, dass es in Zukunft zu kieferorthopädischen und psychischen Folgeschäden komme. Die geltend gemachten Verzugszinsen seien gerechtfertigt, da er die Schadenssumme mit einer Rendite von 2,5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank hätte anlegen können.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, dass die Mitarbeiter der Beklagten zu 1), die Beklagten zu 2) bis 6), nach den Grundsätzen der Mitarbeiter- und Managerprodukthaftung haften würden. Hierzu hat er behauptet, der Beklagte zu 3) sei seit Ende der siebziger Jahre im Vorstand der Beklagten zu 1) für die Forschung und Entwicklung sowie Klärung aller Produktrisiken zuständig gewesen. Der Beklagte zu 4) sei seit Ende der siebziger Jahre bis Juni 1994 Leiter der Hauptabteilung Marketing Babynahrung gewesen. Zur Aufgabe dieser Abteilung habe neben der Werbung auch die Gestaltung der Packungsbanderolen gehört. Der Beklagte zu 5) sei seit 1979 bis heute der verantwortliche Direktor für Forschung und Entwicklung. Zu seinen Aufgaben gehöre auch die Abklärung aller gesundheitlichen Produktrisiken. Der Beklagte zu 6) sei ab 1972 Gesamtprokurist und von 1976 bis einschließlich April 1989 im Vorstand für Marketing, wozu die Präsentation aller Produkte einschließlich der Banderolengestaltung verantwortlich gewesen. Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 02.01.1996 (Bl. 1 € 22 d. A.), 14.03.1996 (Bl. 126 € 139 d. A.) sowie vom 01.08.1996 (Bl. 156 € 159 d. A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn1.1. ein angemessenes, vom Gericht festzusetzendes Schmerzensgeld nebst Zinsen ab 31.01.1996 in Höhe von 2,5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, zumindest in Höhe von 4 %, zu zahlen für diejenigen Schmerzen und Leiden, welche er infolge der kariösen Zerstörung seines Milchzahngebisses erlitten hat;1.2. einen Betreuungsaufwands-Schadensersatz in Höhe von 54.000,00 DM nebst Zinsen ab 31.01.1996 in Höhe von 2,5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens aber in Höhe von 4 %, zu zahlen.2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm Schmerzensgeld zu zahlen und Schadensersatz zu leisten auch für künftige oder sonstige und weitere Schmerzen und Schäden aus dem in Ziff. 1 genannten Kariesbefall.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Einrede der Verjährung erhoben. Ihrer Ansicht nach begann der Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist zu laufen, als die Mutter des Klägers im Jahre 1984 von Kinderarzt Dr. A bzw. am 06.08.1985 von Zahnarzt B darauf aufmerksam gemacht worden sei, dass das behauptete Dauernuckeln Ursache für die Zahnerkrankung sei. Insbesondere sei die Verjährung auch gegenüber den Beklagten zu 2) bis 6) eingetreten. Es stelle eine rechtsmissbräuchliche Umgehung der im Deliktsrecht geltenden kurzen Verjährungsfristen dar, wenn der Geschädigte bei verjährtem Anspruch gegen den Hersteller über dem Umweg angeblicher Ansprüche gegen leitende Mitarbeiter letztendlich dennoch Ersatz seines Schadens erlangen könne. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus der Klageerwiderung vom 20.02.1996 (Bl. 39 € 116 d. A.), auf die verwiesen wird.

Mit Urteil vom 10.10.1996, das dem Kläger am 04.12.1996 zugestellt worden ist, hat das Landgericht die Klage abgewiesen, da die Ansprüche verjährt seien.

Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem schriftlich abgefassten Urteil (Bl. 164 € 179 d. A.).

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 06.01.1997, einem Montag, bei Gericht eingegangene und innerhalb der bis zum 06.03.1997 verlängerten Frist begründete Berufung des Klägers.

Mit ihr verfolgt der Kläger seine in erster Instanz geltend gemachten Ansprüche weiter und vertieft insbesondere seine tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen zur Frage des Eintritts der Verjährung.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn1.1. ein angemessenes, vom Gericht festzusetzendes Schmerzensgeld nebst Zinsen ab 31.01.1996 in Höhe von 2,5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, zumindest in Höhe von 4 %, zu zahlen für diejenigen Schmerzen und Leiden, welche er infolge der kariösen Zerstörung seines Milchzahngebisses erlitten hat;1.2. einen Betreuungsaufwands-Schadensersatz in Höhe von 54.000,00 DM nebst Zinsen ab 31.01.1996 in Höhe von 2,5 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens aber in Höhe von 4 %, zu zahlen.2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm Schmerzensgeld zu zahlen und Schadensersatz zu leisten auch für künftige oder sonstige und weitere Schmerzen und Schäden aus dem in Ziff. 1 genannten Kariesbefall.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 06.03.1997 (Bl. 193 € 207 d. A.), 31.03.1998 (Bl. 250/251 d. A.) und 26.10.1998 (Bl. 306 € 312 d. A.) sowie die Schriftsätze der Beklagten vom 25.09.1997 (Bl. 214 € 230 nebst Anlagenband) und vom 05.10.1998 (Bl. 292 € 303 d. A.) verwiesen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 04.03.1998 (Bl. 240 € 243 d. A.) Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften vom 18.05.1998 (Bl. 261 € 272 d. A.) und vom 14.09.1998 (Bl. 278 € 283 d. A.) Bezug genommen.

Die Akte 2-23 OH 23/95 Landgericht Frankfurt am Main war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Der Senat hat mit Urteil vom 29.09.1999 die Berufung zurückgewiesen. Er hat in Übereinstimmung mit dem Landgericht die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche für verjährt gehalten, weil die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 BGB spätestens am 01.01.1986 zu laufen begonnen habe, womit die Verjährung am 31.12.1988 eingetreten sei mangels rechtzeitiger Unterbrechung.

Die Mutter des Klägers habe nach entsprechenden Hinweisen durch die behandelnden Zahnärzte B und Dr. C ebenfalls Ende 1985 die erforderliche Kenntnis davon gehabt, dass der Genuss des Kindertees und die Art seiner Verabreichung Ursache der Zahnschäden gewesen sei. Seit dieser Zeit hätte die Mutter des Klägers auch wissen können, dass die Beklagte zu 1) als Herstellerin der Tees und Vertreiberin der Nuckel- und Saugflaschen als Schädigerin in Betracht komme. Tatsächlich sei der Mutter aber überhaupt nicht bewusst gewesen, dass sich der Kläger als Geschädigter wegen Schadensersatzes an die Beklagten hätte wenden können, was jedoch den Lauf der Verjährungsfrist nicht hindere. Die Verjährungsfrist nach § 852 BGB beginne nämlich nur dann nicht zu laufen, wenn der Geschädigte bzw. sein gesetzlicher Vertreter die Rechtskenntnis habe, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zustehe. Habe er dagegen keinerlei Kenntnis von einem möglichen Schadensersatzanspruch und bilde diese Unkenntnis das Hindernis, von den Schädigern Kenntnis zu erlangen, so beginne der Lauf der Verjährungsfrist mit Kenntnis des Schadens. Die Mutter des Klägers habe erst 1993 anlässlich einer Veranstaltung der D-Krankenkasse davon erfahren, dass es Schadensersatzansprüche gegen den Hersteller solcher Tees geben könnte. Dass die zuvor bestehende Unkenntnis von möglichen Schadensersatzansprüchen tatsächlich der Hinderungsgrund gewesen sei, die Beklagten in Anspruch zu nehmen, werde durch die Tatsache verdeutlicht, dass der Mutter des Klägers der Genuss des von der Beklagten zu 1) hergestellten und vertriebenen Tees mit der Nuckelflasche als Ursache der Schäden bekannt gewesen sei, sie aber dennoch über acht Jahre hinweg keine Veranlassung gesehen habe, sich wegen Schadensersatzes an die Beklagte zu 1) zu wenden bzw. sich rechtlich beraten zu lassen.

Auf die Revision des Klägers hat der Bundesgerichtshof dieses Urteil im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klageabweisung gegenüber den Beklagten zu 2) bis 6) bestätigt worden ist. Er hat die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für den Lauf der Verjährungsfrist und den Verjährungseintritt für jeden Beklagten selbständig zu prüfen seien. Die Beurteilung des Berufungsgerichts (die nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist), mögliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte zu 1) als Herstellerin und Vertreiberin des Kindertees und der Saugflaschen seien verjährt, habe keine rechtlichen Auswirkungen auf die nunmehr noch im Raume stehenden Ansprüche gegen über den übrigen Beklagten. Der Beginn des Laufs der Verjährungsfrist nach § 852 Abs. 1 BGB setze die Kenntnis des Geschädigten nicht nur vom Schaden, sondern auch von der Person des Ersatzpflichtigen voraus. Wenn mehrere Personen als Schädiger in Betracht kommen, richte sich der Verjährungsbeginn gegen über jedem einzelnen dieser möglichen Schuldner danach, wann der Geschädigte von der Person des betreffenden Schädigers Kenntnis erlangt habe. Die Verjährungsfrist könne hinsichtlich mehrerer Schuldner, auch wenn sie aus dem selben Schadensereignis für den selben Schaden nebeneinander verantwortlich sind, zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen und ablaufen, was auch dann gelte, wenn es sich dabei um ein Unternehmen in Form einer juristischen Person sowie um Personen als dessen Organe oder leitende Mitarbeiter handele mit der Anstandspflicht des Unternehmens nach § 31 BGB oder § 831 BGB. Das Berufungsgericht habe keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ab wann die Mutter des Klägers über die Kenntnis der Namen, Anschrift und Aufgabenstellung bezüglich der Beklagten zu 2) bis 6) im Unternehmen verfügt habe. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass dies früher als drei Jahre vor Klageeinreichung der Fall gewesen sein könnte. Ferner seien den getroffenen Feststellungen keinerlei Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass die Mutter des Klägers Namen, Anschrift und Zuständigkeitsbereich der im vorliegenden Zusammenhang für eine Haftung in Frage kommenden Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 1) auf einer derart einfache und für jeden selbstverständliche Weise jederzeit hätte in Erfahrung bringen können, dass die Berufung auf die Nichtkenntnis als unzulässig erscheinen könnte. Dies gelte erst Recht hinsichtlich derjenigen Beklagten, die als Abteilungsleiter oder Prokuristen im Rahmen der Herstellung und des Vertriebs der Teeprodukte tätig gewesen seien. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Lauf der Verjährungsfrist beginne bereits mit Kenntnis des Schadens, wenn der Geschädigte keinerlei Kenntnis von einem möglichen Schadensersatzanspruch habe und diese Unkenntnis das Hindernis bilde, von den Schädigern Kenntnis zu erlangen, sei unzutreffend. Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wäre im Falle der Kenntnis der Mutter des Klägers von Namen und Anschrift der Beklagten zu 2) bis 6) und deren betrieblicher Stellung es für den Lauf der Verjährungsfrist nicht von Bedeutung gewesen, dass sie aus Mangel der Rechtskenntnis von der Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs abgesehen hätte. Mangels dieser Kenntnis bleibe es dabei, dass die Verjährungsfrist aufgrund der nichtgegebenen Kenntnis von der Person des Schädigers nicht zu laufen begonnen habe wobei es keine Rolle spiele, ob der Geschädigte die für die Verfolgung eventueller Ansprüche erforderliche Rechtskenntnis hatte oder nicht. § 852 Abs. 1 BGB mache den Verjährungsbeginn allein von der gebotenen Tatsachenkenntnis abhängig. Schließlich hat der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass das Berufungsurteil auch nicht aus anderen Gründen aufrecht erhalten werden könne, weil die Frage, ob eine deliktsrechtliche Handlung der Beklagten zu 2) bis 6) in Betracht komme, mangels entsprechender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht beurteilt werden könne.

Daraufhin wurde der Prozess fortgesetzt. Der Senat hat gemäß Beschluss vom 21.11.2001 (Bl. 150 € 152 d. A. Band IV) Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. med. dent. SV1; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 24.02.2003 (Bl. 164 € 179 d. A. Band IV) verwiesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie wurde fristgerecht eingelegt und begründet. In der Sache selbst hat sie nur teilweise Erfolg und zwar hinsichtlich der Haftung der Beklagten zu 3) und 6), die jedoch nicht zur Zahlung des geltend gemachten Betreuungsaufwands in Höhe von 54.000,00 DM verpflichtet sind.

Als Anspruchsgrundlage für eine Verpflichtung der Beklagten zum Ausgleich des dem Kläger wegen des Kariesbefalls des Milchzahngebisses entstandenen materiellen und immateriellen Schadens kommen die §§ 823 Abs. 1, 847 BGB in Betracht.

Eine solche Haftung der Beklagten zu 2), 4) und 5) ist jedoch im Ergebnis aus Rechtsgründen nicht zu bejahen.

Die Haftung könnte sich auch hinsichtlich der Beklagten zu 2), 4) und 5) nicht schon aus einer vermeintlichen Konstruktionsfehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen F-Fenchel-Tees ergeben (ebenso OLG Ffm, Urteil vom 19.06.1996, Aktenzeichen 19 U 91/95, Seite 11), sondern vielmehr lediglich aus einer etwaigen Instruktionsfehlerhaftigkeit dieses Tees durch Unterlassen von Warnhinweisen im streitgegenständlichen Verabreichungszeitraum.

Die Herstellerin bzw. Vertreiberin des Kindertees, also die Beklagte zu 1), hätte nämlich grundsätzlich auf die mit dem €Dauernuckeln€ ihres Tees verbundene erhebliche Kariesgefahr (sogenanntes Baby-Bottle-Syndrom) hinweisen müssen (BGHZ 116, 60 (68); NJW 1994, 932). Der Senat hat hierzu in einem Parallelverfahren in seinem rechtskräftigen Urteil vom 13.12.1995 Aktenzeichen 23 U 221/93, Seite 12 f., gegenüber der hiesigen Beklagten zu 1) bereits folgendes festgestellt:

€Bei beiden Teesorten €F-Kräutertee€ und F-Fencheltee€ handelt es sich um Produkte, die € wie die Beweisaufnahme ergeben hat € geeignet sind, das sogenannte nursing-bottle-Syndrom zu verursachen, sofern sie mit dem speziellen, dem Kiefer besonders angepassten und von der Beklagten vertriebenen Sauger verabreicht werden und ein sogenanntes €Dauernuckeln€ hinzukommt. Zwar enthalten beide Teesorten keine Saccharose (Haushaltszucker), sondern sind auf Maltodextrin-Basis hergestellt. Da aber auch die so hergestellten Tees einen, wenn auch sehr geringen, Kohlenhydratanteil aufweisen, sind auch diese kariogen, sofern sie in der beschriebenen Weise aufgenommen werden. Denn auch die in geringen Mengen vorhandenen Kohlehydratanteile wandeln sich in der Mundhöhle in Säuren um, die bei einem €Dauernuckeln€ die Zähne besonders nachhaltig angreifen können, da dieses zur Folge hat, dass wegen des ständigen Umspülens der Zähne mit dem Tee die neutralisierende und reinigende Wirkung des Speichels entfällt.

Da der Beklagten [hiesige Beklagte zu 1)] spätestens seit den Jahren 1980/1981 die zahnmedizinischen Risiken des €Dauernuckelns€ ihrer Teeprodukte bekannt waren, hätte sie die Pflicht gehabt, hiervor zu warnen, was jedoch nicht geschehen ist. Sie musste auch damit rechnen, dass alle von ihr in den Verkehr gebrachten Teeprodukte in dieser Weise getrunken werden, da sich die von ihr ebenfalls vertriebene Flasche sowie der speziell geformte Sauger hierfür geradezu anboten. Die Beklagte kann sich keineswegs damit entlasten, dass der dauernde, im Einzelfall sogar übermäßige Genuss beider Teesorten nicht zu erwarten gewesen sei, da es sich hierbei um Arzneimittel handele. Denn sie hat in ihrer Gebrauchsanweisung nicht auf eine dosierte und auf das Vorliegen bestimmter akuter Beschwerden beschränkte Verwendung hingewiesen. Im Gegenteil, durch das Hervorheben der durststillenden Wirkung musste bei dem Verbraucher der Eindruck entstehen, dass es sich hierbei gerade um keine Arzneimittel, sondern um ein zum Dauergebrauch geeignetes Getränk handelte, das zusätzlich übliche Schwierigkeiten der Verdauung positiv beeinflussen konnte. Mit der bloßen Verhaltensmaßregel €lassen sie Ihr Kind seinen Durst immer zügig löschen und halten sie das Fläschchen selbst€ hat die Beklagte ihre Warnpflicht nicht erfüllt. Sie stellt nämlich weder klar, warum der Tee bei anderen Formen der Aufnahme hätte gefährlich werden können, noch lässt sie erkennen, welche Gefahren bei einem Verstoß gegen diese Anweisungen drohen. Dass sich die Beklagte auf der möglichen schädigenden Wirkung ihrer Produkte €F-Kräutertee€ und €F-Fencheltee€ bewusst war, zeigt gerade die Tatsache, dass sie wenigstens die erwähnten Verhaltensmaßregel in die Information auf der Verpackung aufgenommen hatte. Außerdem waren ihr die Untersuchungen in der Wissenschaft über das €nursing-bottle-Syndrom€ und damit das Zusammenwirken des Kohlenhydratabbaus und dem €Dauernuckeln€ bekannt. Die Beklagte konnte es auch nicht entlasten, dass ihre Teeprodukte von dem damaligen Bundesgesundheitsamt zugelassen worden waren. Denn die Tees waren nur im Zusammenhang mit dem € Dauernuckeln€ schädlich, nicht jedoch in ihrer Zusammensetzung.€

Auch vorliegend waren die von der Beklagten zu 1) vertriebenen Saugflaschen in den maßgeblichen Jahren 1982 bis 1984 nicht mit dem Warnhinweis versehen, dass ein Dauernuckeln kohlenhydrathaltiger Tees zu Karies führen kann.

Da vorliegend auch die weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen wie im vom Senat bereits entschiedenen Fall gegeben sind, kann auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen auch im Streitfall vom Vorliegen eines Instruktionsfehlers ausgegangen werden, der zudem kausal war für die vom Kläger erlittenen Schäden. Der Mutter des Klägers waren die vorstehend beschriebenen Eigenschaften des Tees und seiner Verabreichung nicht bekannt, wie sowohl ihre Vernehmung als auch die der Großmutter des Klägers ergeben hat. Auf einen entsprechenden Rat des Kinderarztes Dr. A gab die Mutter des Klägers diesem dann schließlich keinen Tee mehr aus der Nuckelflasche. Die Beklagten konnten die Vermutung nicht entkräften, dass die Mutter des Klägers einen entsprechenden Hinweis auf der Verpackung ernstgenommen und sich entsprechend verhalten hätte.

Es bestehen also dem Grunde nach an der Ersatzpflicht des Herstellers, der das fehlerhafte Produkt in den Verkauf gebracht hat, d. h. der Haftung der Beklagten zu 1), keine Zweifel, wobei dieser Haftung jedoch nach Rücknahme der Revision rechtskräftig die Einrede der Verjährung entgegensteht.

Für die Beklagten zu 2) bis 6) als Mitarbeiter der Beklagten zu 1) gilt der Grundsatz, dass jeder an der Herstellung oder dem Vertrieb Beteiligte nur im Rahmen seiner individuellen Verhaltenspflicht und seines Verschuldens in Anspruch genommen werden kann (Palandt-Thomas, BGB, 60. Aufl., § 823 Rdnr. 216 m. w. N.). Das führt dazu, dass eine Haftung der Beklagten zu 2), 4) und 5) schon jedenfalls daran scheitert, dass sie im Hinblick auf die Produktsicherheit und die mit ihr verbundene Instruktionspflicht des streitgegenständlichen Kindertees im Unternehmen der Beklagten zu 1) keine herausgehobene, verantwortliche Stellung hatten. Nach der Rechtsprechung ist aber eine solche herausgehobene verantwortliche Stellung notwendige Voraussetzung für eine persönliche deliktische Haftung von Mitarbeitern neben dem Warenhersteller selbst (BGH NJW 1975, 1827; 1992, 562; OLG Ffm, Urteil vom 19.06.1996, Aktenzeichen 19 U 91/95, Seite 12). Die Beklagten zu 2), 4) und 5) hatten eine solche für die Produktsicherung und die aus ihr resultierende Instruktionspflicht verantwortliche Position im streitgegenständlichen Verabreichungszeitraum 1982 bis 1984 nicht inne (ebenso OLG Ffm a.a.O. im Parallelverfahren gegen die hiesigen Beklagten zu 2), 4) und 5)).

Im Hinblick auf den Beklagten zu 4) folgt dies bereits aus dem eigenen Vorbringen des Klägers, demzufolge jener zwar als Abteilungsleiter zuständig war für die Gestaltung von Warnhinweisen, aber über den Beklagten zu 2) als Vorgesetzten an den Vorstand berichtet hat, bei dem sodann ausschließlich die Entscheidungsbefugnis lag. Der Senat hat denn auch konsequenterweise davon abgesehen, den Beklagten zu 4) überhaupt als Partei zu vernehmen.

Die Parteivernehmung des Beklagten zu 2) hat ergeben (Bl. 263 ff. d. A.), dass er ab Juni 1979 Direktor der Vertriebsabteilung und vom €1982 bis Juni 1989 Direktor der Abteilung Marketing war, zu dessen Aufgaben die Planung neuer Produkte, von Verkaufsstrategien und Kostenkontrolle gehörte. Ab 1982 hat die Werbung für einen bestimmten Zeitraum zur Abteilung Marketing gehört, für die Banderolengestaltung ist nach seinen Angaben diese Abteilung jedoch nur mittelbar verantwortlich gewesen. Es hat nicht zu seiner Entscheidungskompetenz gehört, wie die Banderole letztlich ausgesehen hat, und er war auch nicht dafür verantwortlich gewesen, ob ein Warnhinweis enthalten gewesen sei oder nicht. Er hat dem zuständigen Vorstandsmitglied für Marketing und Vertrieb berichtet, und der Vorstand hat endgültig über das Aussehen der Banderole entschieden. Aufgrund dieser glaubhaften Bekundung kann für den Beklagten zu 2) mangels eigener Entscheidungskompetenz keine für eine deliktische Haftung erforderliche herausgehobene verantwortliche Stellung angenommen werden.

Auch der Beklagte zu 5) hat glaubhaft bekundet (Bl. 261 f. d. A.), dass er erst seit dem 01.01.1988 Direktor der Abteilung für Forschung und Entwicklung war, zuvor war er Hauptabteilungsleiter dieser Abteilung gewesen, für die zur damaligen Zeit der Beklagte zu 3) als Vorstandsmitglied mitverantwortlich gewesen war. Zu seiner Abteilung hat nicht die medizinische Abteilung gehört; seine Abteilung war lediglich für die technische Entwicklung eines Produktes zuständig gewesen. Eine verantwortliche Zuständigkeit für die Gestaltung der Banderolen und damit die Produktsicherheit kann für den Beklagten zu 5) hier ebenfalls nicht erkannt werden.

Demzufolge kommt mangels verantwortlicher Entscheidungsbefugnis eine persönliche Haftung der Beklagten zu 2), 4) und 5) neben der Herstellerin des Tees nicht in Betracht (ebenso OLG Ffm a.a.O.).

Anders stellt sich jedoch die Rechtslage in Bezug auf die Beklagten zu 3) und 6) dar, die als Vorstandsmitglieder der Beklagten zu 1) sich in einer entsprechend herausgehobenen verantwortlichen Stellung befunden haben, wie auch deren Parteivernehmung bestätigt hat.

Der Beklagte zu 3) hat glaubhaft bekundet (Bl. 262 f. d. A.), dass er von 1970 bis 1992 Vorstandsmitglied der Beklagten zu 1) war und zu seinem Aufgabenbereich die Abteilung Forschung und Entwicklung gehörte; ferner war er verantwortlich für die Produktion, die Lagerhaltung, die Qualitätssicherung, den Einkauf sowie für den gesamten technischen Bereich. Die gesamte Angelegenheit Zucker und Karies war nach seinem Bekunden eine solche des gesamten Vorstandes (Bl. 263 d. A.).

Der Beklagte zu 6) hat im Rahmen der Parteivernehmung erklärt (Bl. 266 ff. d. A.), dass er von 1979 bis 1989 Mitglied des Vorstandes der Beklagten zu 1) war und zu seinem Aufgabengebiet Marketing und Vertrieb gehörte, so dass er dafür verantwortlich war, die Produkte des Unternehmens in den Handel zu geben. Der Gesamtvorstand traf die letzte Entscheidung über die Gestaltung der Banderolen. Die Frage, ob ein Tee kariogen war oder nicht, gehörte in den Aufgabenbereich des Gesamtvorstandes. Der Gesamtvorstand entschied über die Banderolen auf der Grundlage des Vorschlages einer Expertenkommission.

Soweit die Beklagten zu 3) und 6) in der Parteivernehmung ausgeführt haben, die Entscheidung über die Gestaltung der Banderolen und damit die Wahrnehmung der Instruktionspflicht fiel in die Zuständigkeit des Gesamtvorstands, vermag sie dies jedoch nicht zu entlasten, denn solche €ressortüberschreitenden€ Fragen der Produktsicherheit bzw. der Gestaltung von Warnhinweisen betreffen per se die Gesellschaft als Ganze und fallen demgemäß auch in die Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder (ebenso OLG Ffm, Urteil vom 19.06.1996, Aktenzeichen 19 U 91/95, Seite 15). Gemäß § 76 Abs. 1 AktG hat der Vorstand unter eigener Verantwortung die Gesellschaft zu leiten, und es gilt nach § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG bei einem Vorstand aus mehreren Personen der Grundsatz der gemeinschaftlichen Geschäftsführung; die Beklagten haben insoweit nichts abweichendes vorgetragen. Die Gesamtverantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder begründet auch ihre grundsätzliche persönliche Haftung, denn es kann kein Zweifel daran bestehen, dass sie eine herausgehobene verantwortliche Stellung einnehmen. Im Übrigen haften gesamtverantwortliche Vorstandsmitglieder auch für das Unterlassen einer Mitwirkung beim Herbeiführen einer geeigneten Entscheidung des Gesamtvorstandes (OLG Ffm a.a.O.).

Sind danach keine Bedenken gegen die herausgehobene verantwortliche Stellung der Beklagten zu 3) und 6) ersichtlich, so gilt entsprechendes auch für die sonstigen Voraussetzungen ihrer Mitarbeiterhaftung.

Im Gegensatz zur Rechtsmeinung der Beklagten, die aufgrund des vorgelegten Gutachtens von K die Haftung neben der Beklagten zu 1) mangels Verletzung einer eigenen Verkehrspflicht verneinen, ist vorliegend die Verletzung einer vom Unternehmen abgeleiteten Verkehrspflicht (hierzu Sandmann, JZ 2001, 712 (713) - Anm. zum hiesigen Revisionsurteil-) haftungsbegründend gegeben. Offenkundig geht auch der BGH im Revisionsurteil in diesem Sinne davon aus, dass die Haftung der Beklagten zu 3) und 6) nicht bereits aus dem von der Berufung genannten Rechtsgrund ausscheidet, da er ansonsten selbst hätte entscheiden und die Klage aus diesem Grunde abweisen können; eine weitere Sachaufklärung war zur Frage der Verkehrspflicht ja nicht erforderlich. Diese Einschätzung wird bestätigt von Brüggemeier, der in einer Anmerkung zum Revisionsurteil festgestellt hat, dass der BGH im vorliegenden Urteil die selbständige deliktische €Produzenten€-Haftung von Unternehmens-€Mitarbeitern€ als selbstverständlich voraussetzt, und zwar sogar ohne Angabe eines einzigen Präzedenzurteils (ZIP 2001, 381(382); im Ergebnis ebenso Sandmann a.a.O.). Laut Brüggemeier sind mittelbare Organwalter- und Arbeitnehmerdelikte nach § 823 Abs. 1 BGB nunmehr richterrechtlich anerkannt, woran spätestens seit der hiesigen Entscheidung des BGH kein Weg mehr vorbei führe. Diese Auffassung erscheint als zutreffend.

Es bleibt also dabei, dass die Haftung der Beklagten zu 3) und 6) für die aufgrund der Verletzung der Instruktionspflicht beim Kläger eingetretenen Schäden dem Grunde nach gegeben ist.

Soweit Brüggemeier ausführt, unabhängig von der vorliegend verjährten originären Produzentenhaftung der Beklagten zu 1) nach § 823 Abs. 1 BGB werde mit der deliktischen Außenhaftung des Vorstandsmitglieds der AG ein neuer (sekundärer) Haftungstatbestand der Kapitalgesellschaft nach § 31 BGB begründet und der Geschädigte erhalte eine zweite Zugriffsmöglichkeit auf das Herstellerunternehmen, kann das angesichts der rechtskräftigen Klageabweisung gegenüber der Beklagten zu 1) jedenfalls in diesem Prozess dem Kläger nicht mehr zum Obsiegen über das beklagte Herstellerunternehmen verhelfen. Die von Brüggemeier nicht zuletzt wegen des Insolvenzrisikos wohl zu Recht geforderte Subsidiarität der Mitarbeiterhaftung ist in diesem Verfahren daher nicht zu realisieren; sie hat im übrigen den Nachteil für den Geschädigten, dass dieser ggf. zwei Haftpflichtprozesse zu führen hätte (a.a.O.).

Aufgrund der Erfahrungen in gleichgelagerten Fällen ist zur Feststellung des Haftungsumfangs zu klären, ob es neben dem Teegenuss noch weitere Ursachen für das beim Kläger eingetretene Schadensbild gab und wie sich dies auf den Haftungsumfang der Beklagten auswirkt. Anhaltspunkte sind hier die Angaben der Mutter des Klägers, wonach sie zwar zunächst die Zähne mit der Zahnbürste putzte, dies aber wegen des Widerstands des Klägers nicht mehr möglich war, als die Zähne schlechter wurden. Außerdem hat der Kläger nach Angaben seiner Mutter auch in gewissem Umfang Süßigkeiten gegessen. Zur Aufklärung der Verursachungsanteile auch im Hinblick auf eine unter Umständen frühzeitiger möglicher Behandlung des Klägers erscheint es als erforderlich, die vom Senat im Auflagen- und Beweisbeschluss vom 04.03.1998 aufgeführten Ziffern 9 (bei einer frühzeitigen Behandlung des Klägers wären die jetzt geltend gemachten Schäden wesentlich geringer gewesen, möglicherweise hätten sie sogar vollständig behoben werden können) und 10 (die durch die Schmerzen bedingte Aufnahme kauinaktiver Nahrung sei die Ursache für die Beschleunigung des Verfalls der Milchzähne gewesen) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens abzuarbeiten.

Ein relevantes Mitverschulden nach § 254 BGB liegt hinsichtlich der beiden vorgenannten Gesichtspunkte des eingeschränkten Zähneputzens sowie des Konsums von Süßigkeiten nicht vor. Dass der Verzehr von Süßigkeiten ein solches Ausmaß angenommen hat, dass er neben dem kausal schadensursächlichen Teegenuss noch in erheblicher Weise ins Gewicht fiel, kann mangels hinreichend konkreter Anhaltspunkte hierfür nicht angenommen werden. Aufgrund dessen kann auch die schmerzensbedingte Einschränkung des Zähneputzens im Rahmen des Mitverschuldens nicht in beachtlicher Weise ins Gewicht fallen, da aufgrund der vorgenannten Umstände davon auszugehen ist, dass die Schmerzsymptomatik aufgrund der kariösen Zähne in erster Linie durch den zuckerhaltigen Tee verursacht worden ist. Soweit die Beklagten zur Problematik des Mitverschuldens vorgebracht haben, dass bei einer frühzeitigen Behandlung des Klägers die jetzt geltend gemachten Schäden wesentlich geringer gewesen wären, möglicherweise sogar vollständig hätte behoben werden können, und dass die durch die Schmerzen bedingte Aufnahme kauinaktiver Nahrung die Ursache für die Beschleunigung des Verfalls der Milchzähne gewesen sei, ist dem auf der Grundlage des überzeugenden, in sich widerspruchsfreien Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. SV1 nicht zu folgen. Der Sachverständige ist in nachvollziehbarer Weise zu dem zusammenfassenden Ergebnis gelangt, dass der erste Einwand eher theoretischer Natur ist und aufgrund der gebotenen praktisch-realistischen Einschätzung davon ausgegangen werden muss, dass der Kläger aufgrund seines damaligen, Alters entsprechenden psycho-mentalen Entwicklungsstandes noch nicht in der Lage war, sich kooperativ dem erforderlichen Extremtherapieaufwand zu stellen. Der Sachverständige hat dies auch auf die ausgeprägte Behandlungsabwehr noch im Alter von fünfunddreißig Monaten gestützt, die zur Konsequenz einer umfassenden chirurgischen Sanierung mit Extraktion von acht Milchzähnen unter Vollnarkose geführt hat. Angesichts dessen kann es auch dahin gestellt bleiben, ob die Mutter des Klägers möglicherweise zu einem früheren Zeitpunkt aufgrund einer Verfärbung der Zähne beim Zahnarzt hätte vorstellig werden können. Zu dem zweiten Gesichtspunkt der Aufnahme kauinaktiver Nahrung als Ursache für die Beschleunigung des Verfalls der Milchzähne hat der Sachverständige zunächst überzeugend darauf hingewiesen, dass der Teegenuss mit dem damit verbundenen nursing-bottle-Syndrom schon zu extremen Kariesschäden ab dem Alter von zwei Jahren geführt hatte. Hieraus hat der Sachverständige den Schluss gezogen, dass schon zu diesem Zeitpunkt ein fortgeschrittener Verfall der Milchzähne vorgelegen haben muss, wenn bereits Schmerzen bei der Zufuhr kauaktiver Nahrungsmittel aufgetreten sind. Zutreffend hat der Sachverständige ferner darauf hingewiesen, dass es Hinweise dafür nicht gibt, dass unabhängig von den einsetzenden Schmerzbefunden schon vor der kariösen bzw. irrosiven Zahnschädigung die Zufuhr kauinaktiver Nahrungsmittel favorisiert worden wäre. Im übrigen hatte die Mutter des Klägers bekundet, dass erst die aufgetretenen Schmerzen zur Aufnahme kauinaktiver Speisen geführt haben, weshalb auch dieser Gesichtspunkt nicht zu einem relevanten Mitverschulden des Klägers führen kann. Schließlich ist anzumerken, dass sich der Sachverständige in seinem Ergänzungsgutachten vom 03.07.2003 (Bl. 200 d. A. Band IV) im einzelnen in überzeugender Weise mit den Einwenden der Beklagten gegen sein Gutachten auseinander gesetzt hat.

Angesichts der aufgrund des Teegenusses erforderlich gewordenen kieferchirurgischen Behandlung mit der Extraktion von acht Milchzähnen und den bereits zuvor über einen längeren Zeitraum erlittenen Zahnschmerzen hält der Senat ein Schmerzensgeld in Höhe von 10.000,00 € für angemessen. Es handelt sich dabei vorliegend um einen schwereren Fall als den vom OLG Frankfurt mit Urteil vom 29.04.1998 (Az.: 7 U 97/94) entschiedenen Sachverhalt, mit dem ein Schmerzensgeld von 7.500,00 DM ausgeurteilt worden war.

Da gegenwärtig noch nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden kann, dass dem Kläger aufgrund des teebedingten Kariesbefalls künftige oder weitere Schmerzen und Schäden entstehen können, war dem hierauf gerichteten Feststellungsantrag zu entsprechen.

Hingegen besteht kein Anspruch des Klägers gegen die Beklagten zu 3) und 6) auf Ersatz eines Betreuungsaufwands in Höhe von 54.000,00 DM, da insoweit ein ersatzfähiger Schaden nicht gegeben ist. Der Senat folgt insoweit den vom Oberlandesgericht Frankfurt am Main in mehreren Parallelverfahren entwickelten Grundsatz, dass der Betreuungsaufwand kein kommerzialisierbarer Schaden ist, der in Geld bemessen werden kann (ebenso OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.03.2000, Az.: 19 U 68/99, VersR 2001, 1572, rechtskräftig durch Nichtannahmebeschluss des BGH vom 20.03.2001). Der erkennende Senat hat dies auch bereits in seinem Urteil vom 11.03.1998 (Az.: 23 U 55/97, NJW-RR 1999, 27 (30)) ausgesprochen und sieht auch nach erneuter Prüfung keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen. Es ist nach wie vor davon auszugehen, dass es sich bei der erforderlichen Betreuung um eine spezifisch elterliche Tätigkeit handelt, die vom fremden Pflegepersonal sowohl aus organisatorischen als auch aus emotionalen Gründen nicht durchgeführt werden kann und sich somit einer Marktbewertung entzieht. Ebenso ist elterliche Zuwendung als solche nicht ersatzfähig, eine Kommerzialisierung ist nicht möglich (OLG Frankfurt am Main, a.a.O. sowie die dortigen Nachweise). Es bestehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen diese Rechtsauffassung, die auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht. Dieser hat in seinem Urteil vom 08.06.1999 (NJW 1999, 2819) festgestellt, dass von Eltern in ihrer Freizeit für ihr in seiner Gesundheit geschädigtes Kind erbrachte Betreuungsleistungen nur dann als vermehrte Bedürfnisse des Verletzten gemäß § 843 Abs. 1 BGB ersatzpflichtig sind, wenn sie sich soweit aus dem selbstverständlichen, originären Aufgabengebiet der Eltern herausheben, dass der entgeltliche Einsatz einer fremden Pflegekraft nicht nur theoretisch, sondern bei vernünftiger Betrachtung als praktische Alternative ernsthaft in Frage gekommen wäre. Hierbei hat der Bundesgerichtshof den Gesichtspunkt unterstrichen, dass sich der vorliegend für die Betreuung durch Mutter, Großmutter und Tante des Klägers geltend gemachte Aufwand in der Vermögenssphäre als Geldwert der Verlustposten konkret niedergeschlagen hat, was bei einem Verdienstausfall der unentgeltlich einspringenden Angehörigen gegeben sein kann, bzw. bei möglicher Übernahme der Betreuung durch eine fremde Hilfskraft. Im Gegensatz dazu sind Aufwendungen an Zeit, die sich nicht in diesem Sinne konkret in der Vermögenssphäre niederschlagen, im Rahmen deliktischer Haftungsbeziehungen grundsätzlich nicht ersatzfähig (BGH a.a.O. unter Bezugnahme auf BGHZ 106, 28 (31) m. w. N.). Die vorgenannten Voraussetzungen für die praktische Alternative eines vergleichbaren Einsatzes fremder Hilfskräfte sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Vermehrte elterlich Zuwendung mangels einer die Vermögenssphäre betreffenden Leistung und entsprechenden Vermögenseinbuße ist als materieller Schadensersatz nicht ersetzbar (BGH a.a.O.).

Der Zinsanspruch ist wegen Verzugs nach §§ 284, 286 BGB a. F. in der zuerkannten Höhe begründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO a. F.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Wert der Beschwer der Parteien war nach § 546 Abs. 2 ZPO a. F. festzusetzen.






OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 15.10.2003
Az: 23 U 3/97


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2ef17161c0e9/OLG-Frankfurt-am-Main_Urteil_vom_15-Oktober-2003_Az_23-U-3-97




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