Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 23. Juni 2006
Aktenzeichen: 6 U 205/05

(OLG Köln: Urteil v. 23.06.2006, Az.: 6 U 205/05)

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 06.10.2005 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 84 O 78/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

B e g r ü n d u n g

I.

Der Antragsteller - ein Verein, der sich satzungsgemäß der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs widmet - , nimmt die Antragsgegnerin, ein Unternehmen des Reifenhandels, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes auf Unterlassung der werblichen Ankündigung "Im Juli und August 2005 gewinnt jeder 20. Käufer ... Hin- und Rückflugtickets mit HLX" in Anspruch, nachdem die Antragsgegnerin in einer Zeitungsannonce wie nachstehend eingeblendet geworben hatte:

pp.

Das Landgericht ist der Auffassung des Antragstellers gefolgt, dass es sich hierbei um die Ankündigung der Veranstaltung eines Gewinnspiels i.S. des § 4 Nr. 6 UWG handele und hat die antragsgemäß am 27.07.2005 erlassene einstweilige Verfügung im Verfahren nach Widerspruch der Antragsgegnerin mit Urteil vom 06.10.2005 bestätigt. Hiergegen wendet die Antragsgegnerin sich mit der Berufung unter Aufrechterhaltung ihrer Rechtsauffassung, dass die werbliche Ankündigung kein Gewinnspiel im wettbewerbsrechtlich unlauteren Sinne zum Gegenstand habe.

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht festgestellt, dass die werbliche Ankündigung, innerhalb eines bestimmten Zeitraums gewinne "jeder 20. Käufer" Tickets für eine Flugreise, infolge der Verbindung des Erwerbs einer Ware aus dem Angebot der Antragsgegnerin mit der Teilnahme an diesem Gewinnspiel unlauter i.S. der §§ 3, 4 Nr. 6 UWG ist.

1.

Schon unter Geltung des § 1 UWG a.F. war anerkannt, dass Gewinnspiele, wenn sie auch stets die Spiellust des Kunden ausnutzen und deshalb in gewissem Umfang von der Prüfung des Waren- oder Dienstleistungsangebots nach Preiswürdigkeit und Güte ablenken, nicht grundsätzlich wettbewerbswidrig sind, sondern erst dann, wenn bestimmte Unlauterkeitsumstände hinzutreten, welche die Veranstaltung als wettbewerbsrechtlich anstößig erscheinen lassen (vgl. BGH GRUR 2002, 1003, 1004 - "Gewinnspiel im Radio"; GRUR 2000, 820, 821 - "Space Fidelity Peep-Show"; GRUR 1998, 735, 736 - "Rubbelaktion"; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. 2001, § 1 Rn. 147, 151 ff, 167; Köhler/Piper, UWG, 3. Aufl., § 1 Rn. 331). Derartige die Sittenwidrigkeit begründende Umstände sind unter anderem dann angenommen worden, wenn die Teilnahme an dem Gewinnspiel mit dem Warenabsatz gekoppelt war (BGH a.a.O. "Gewinnspiel im Radio"; Baumbach/Hefermehl a.a.O. Rn. 152 ff; Köhler/Piper a.a.O.).

An dieser Beurteilung hat sich durch die Neufassung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb nichts geändert. Vielmehr ist die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 1 UWG a.F. im Fall von Gewinnspielkopplungen nunmehr durch das Regelbeispiel des § 4 Nr. 6 UWG kodifiziert, ohne dass hiermit eine inhaltliche Veränderung verbunden wäre (BGH GRUR 2005, 599 - "Traumcabrio" unter Bezugnahme auf den Regierungsentwurf Bundestagsdrucksache 15/1487, S. 18; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 4 Rn. 6.1; Harte/Henning-Bruhn, UWG, § 4 Nr. 6 Rn. 5; Fezer-Hecker, UWG, § 4-6 Rn. 29).

Unlauter i.S. der §§ 3, 4 Nr. 6 UWG handelt mithin, wer die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, wenn das Preisausschreiben oder Gewinnspiel nicht seiner Natur nach mit der Ware oder Dienstleistung verknüpft ist. Eine unzulässige Kopplung liegt hierbei sowohl dann vor, wenn eine rechtliche Verknüpfung des Warenabsatzes mit der Teilnahme an dem Gewinnspiel erfolgt, als auch dann, wenn eine tatsächliche Abhängigkeit zwischen dem Warenabsatz und der Gewinnspielteilnahme oder den Gewinnchancen anzunehmen ist (BGH a.a.O. S. 600 - Traumcabrio).

2.

Die Voraussetzungen einer im genannten Sinne unzulässigen Kopplung des Warenabsatzes mit der Teilnahme an einem Gewinnspiel liegen im Streitfall vor. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Anwendungsbereich des § 4 Nr. 6 UWG nicht auf Fälle beschränkt, in denen das eigentliche Gewinnspiel dem Erwerbsvorgang nachgeschaltet ist, in denen also zwischen dem Kauf einerseits und der Teilnahme andererseits tatsächlich und zeitlich unterschieden werden kann. Tatbestandsmäßig ist vielmehr auch die Veranstaltung eines Gewinnspiels in Fällen wie dem vorliegenden, in denen durch den Warenerwerb automatisch die Teilnahme am Gewinnspiel bewirkt wird und mithin mit diesem in einem Akt zusammenfällt.

In der neueren Rechtsprechung ist, soweit ersichtlich, bislang keine Klärung dieser Frage erfolgt. Die von der Antragsgegnerin in Bezug genommene Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vom 24.02.2005 - 2-3 O 229/03 - (= WRP 2005, 635) unterscheidet sich im entscheidenden Punkt von der vorliegenden Konstellation insoweit, als dort die Teilnahme an der Verlosung nicht unmittelbar von einem Erwerbsvorgang abhängig gemacht worden war. Vielmehr konnte zunächst jeder Käufer an der Verlosung teilnehmen; erst der Gewinn war solcherart einzulösen, dass eine bestimmte Ware zu einem besonders niedrigen Preis erworben werden konnte, weshalb das OLG Frankfurt a.M. eine Anwendung des § 4 Nr. 6 UWG letztlich verneint hat.

In der Literatur wird sowohl von Köhler (in Hefermehl a.a.O. § 4 Rn. 6.6) als auch von Hecker (in Fezer a.a.O. § 4-6 Rn. 65) die Tatbestandsmäßigkeit i.S. des § 4 Nr. 6 UWG bei einer durch den Erwerbsvorgang selbst automatisch bewirkten Gewinnspielteilnahme ausdrücklich bejaht, und zwar nach Auffassung des Senats zu Recht. Der Antragsgegnerin mag noch darin zu folgen sein, dass der Wortlaut des § 4 Nr. 6 UWG eine Differenzierung nach zwei gesonderten Handlungselementen, nämlich "dem Erwerb einer Ware" (bzw. "der Inanspruchnahme einer Dienstleistung") einerseits und dem nachfolgenden Gewinnspiel andererseits, nicht grundsätzlich ausschließt. Indes ist eine restriktive Interpretation in diesem Sinne keineswegs zwingend, der Wortlaut vielmehr auch in dem Sinne auslegungsfähig, dass Erwerbsvorgang und Teilnahme in einem Akt zusammenfallen können.

Nur eine Interpretation im letztgenannten Sinne findet allerdings eine Bestätigung sowohl in der die Entstehungsgeschichte als auch in Sinn und Zweck der Vorschrift. Ausweislich der amtlichen Begründung (Bundestagsdrucksache 15/1487, Seite 18) ist es wettbewerbswidrig i.S. des § 4 Nr. 6 UWG, wenn die Teilnahme an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel "in irgendeiner Form" mit dem Warenabsatz oder der Dienstleistungsinanspruchnahme gekoppelt wird. Diese Formulierung lässt nur die Deutung zu, dass jedwede Verbindung erfasst werden soll, mithin auch eine solche in der ausgeprägtesten Form eines tatsächlichen und rechtlichen Kaufzwangs, in welcher nämlich Erwerbsvorgang und Teilnahmeakt unmittelbar zusammenfallen.

Eine Unterscheidung in dem von der Antragsgegnerin bemühten Sinne liefe überdies der Intention der Vorschrift, den Verbraucher vor den besonderen Gefahren zu schützen, welche von an einen Warenerwerb gekoppelten Gewinnspielen ausgehen, unmittelbar zuwider. Aus Sicht des Verbrauchers besteht nämlich kein Unterschied zwischen einem Gewinnspiel, bei welchem die durch ein beliebiges Zufallselement erfolgende Bestimmung des Gewinners dem - notwendigen - Warenerwerb erst nachfolgt und einem solchen, bei dem Kauf und Teilnahme-/Auslosung in einem Akt zusammenfallen. Die Anlockwirkung besteht unabhängig davon, ob "jeder 20. Käufer" - automatisch - gewinnt oder ob z.B. zunächst alle Einkaufsbons in einer Lostrommel gesammelt und der Gewinner sodann mit einer Gewinnchance von 1:20 gesondert durch eine Ziehung ermittelt wird. Letztere Gestaltung, welche dem von dem Oberlandesgericht Hamburg mit Urteil vom 21.10.2004 - 5 U 51/04 (MD 2005 - "Glücksbon Tage"), 24) entschiedenen Fall einer Gewinn-Ausspielung entspricht, würde auch nach Auffassung der Antragsgegnerin zwanglos eine unmittelbare Anwendung der Vorschrift erlauben. Da die Abweichung zum Streitfall indes aus Sicht des Verbrauchers unerheblich und die spezifische Gefahr der Kopplung von Absatzgeschäften mit aleatorischen Anreizen identisch ist, ist eine Gleichbehandlung beider Gewinnspielvarianten geboten.

Gestützt wird diese Auffassung von der Kontrollüberlegung der "Entkopplung". Gewinnspiele sind dann (oder werden wieder) wettbewerbsrechtlich unbedenklich, wenn alternativ eine gleichwertige Möglichkeit der Teilnahme am Gewinnspiel eingeräumt wird, ohne dass eine Ware des Veranstalters gekauft werden muss (vgl. Harte/Henning-Bruhns a.a.O. Rn. 17; so auch die amtliche Begründung zu § 4 Nr. 6 UWG a.a.O. Seite 18). An derartigen Alternativen fehlt es im Streitfall. Teilnahmeberechtigt ist nämlich ausschließlich derjenige Verbraucher, der die von der Antragsgegnerin offerierten Reifen erwirbt.

Die Wesentlichkeitsschwelle des § 3 UWG ist im Hinblick auf die mit einer Gewinnspielwerbung der vorliegenden Art verbundene hohe Nachahmungsgefahr unproblematisch zu bejahen.

3.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 542 Abs. 2 ZPO mit seiner Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 23.06.2006
Az: 6 U 205/05


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