Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. Dezember 2002
Aktenzeichen: 23 W (pat) 48/01

(BPatG: Beschluss v. 17.12.2002, Az.: 23 W (pat) 48/01)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G01D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juli 2001 aufgehoben.

Die Sache wird zur weiteren Prüfung auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen (Ansprüche 1 und 2 nach Hauptantrag und Ansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag) an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Anmelderin wird die Beschwerdegebühr zurückgezahlt.

Gründe

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse G01D des Deutschen Patent- und Markenamts hat die am 4. Dezember 1997 eingereichte Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Sensor" durch Beschluß vom 25. Juli 2001 zurückgewiesen.

Zur Begründung ist ausgeführt, daß der Gegenstand des damaligen, am 5. April 2000 eingegangenen Patentanspruchs 1 gegenüber dem Stand der Technik nach der - schweizerischen Patentschrift 611 038 (Druckschrift 3)

nicht neu sei.

Zum Stand der Technik sind im Prüfungsverfahren außerdem noch die Druckschriften - europäische Offenlegungsschrift 0 560 381 (Druckschrift 1) - US-Patentschrift 5 682 095 (Druckschrift 2) - europäische Offenlegungsschrift 0 723 136 (Druckschrift 4) - PCT-Offenlegungsschrift WO 94/05974 (Druckschrift 5) - deutsche Offenlegungsschrift 33 18 624 (Druckschrift 6) - europäische Offenlegungsschrift 0 671 605 (Druckschrift 7) - US-Patentschrift 5 289 122 (Druckschrift 8) - Components, Bd. 32 (1994), Heft 3, Seiten 72 bis 75 (Druckschrift 9)

in Betracht gezogen worden.

In den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ist zum Stand der Technik außerdem die - deutsche Offenlegungsschrift 196 34 281 (Druckschrift 10)

genannt worden, die einer gemäß § 3 Abs 2 Satz 1 Nr 1 iVm § 4 Satz 2 PatG nur bei der Neuheitsprüfung als Stand der Technik geltenden nachveröffentlichten deutschen Patentanmeldung mit älterem Zeitrang entspricht.

Gegen den vorgenannten Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie verfolgt ihr Schutzbegehren mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüchen 1 und 2 nach Haupt- bzw. Hilfsantrag weiter und vertritt die Auffassung, daß der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag, zumindest jedoch derjenige des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag, gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik, einschließlich der in der mündlichen Verhandlung vom Senat eingeführten - deutschen Offenlegungsschrift 38 13 691 (Druckschrift 11), patentfähig sei.

Die Anmelderin beantragt, unter Rückzahlung der Beschwerdegebühr den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G01D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juli 2001 aufzuheben und das Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen:

Ansprüche 1 und 2 gemäß Hauptantrag bzw. Ansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag, diese Unterlagen übereicht in der mündlichen Verhandlung vom 17. Dezember 2002, noch anzupassende Beschreibung, und ein Blatt offengelegte Zeichnung (Figuren 1a, 1b und 2).

Hilfsweise beantragt die Anmelderin, den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse G01D des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juli 2001 aufzuheben und die Sache auf der Grundlage der oben bezeichneten Unterlagen an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Sensor (10) zur redundanten Messung mit mindestens zwei Hallelementen (12, 13), die in einem einzigen Gehäuse (11) nahezu direkt nebeneinander derart angeordnet sind, daß die Flächen der magnetfeldempfindlichen Elemente nahezu das gleiche lokale Magnetfeld erfassen, wobei die Hallelemente (12, 13) jeweils eigene Anschlüsse (14) aufweisen und unabhängig voneinander arbeiten und wobei die Hallelemente (12, 13) eine lineare Abhängigkeit ihrer Ausgangssignale von der magnetischen Induktion B aufweisen."

Der Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut:

"Anordnung mit zwei Flußleitstücken (15) und einem in einem Spalt (16) zwischen den Flußleitstücken angeordneten Sensor (10) zur redundanten Messung mit mindestens zwei Hallelementen (12, 13), die in einem einzigen Gehäuse (11) nahezu direkt nebeneinander angeordnet sind, wobei die Hallelemente (12, 13) jeweils eigene Anschlüsse (14) aufweisen und unabhängig voneinander arbeiten, wobei die Hallelemente (12, 13) eine lineare Abhängigkeit ihrer Ausgangssignale von der magnetischen Induktion B aufweisen und wobei die Breite der Stirnflächen der Enden der beiden Flußleitstücke (15) in etwa jeweils der Gesmtbreite der beiden nebeneinander im Gehäuse (11) des Sensors (10) angeordneten Elemente (12, 13) entspricht, so daß die Flächen der Hallelemente (12, 13) nahezu das gleiche lokale Magnetfeld erfassen."

Wegen der Unteransprüche 2 nach Haupt- bzw. Hilfsantrag sowie der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet; sie hat insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluß aufzuheben ist, weil die im Zurückweisungsbeschluß genannten Gründe nicht zutreffen, und die Sache zur weiteren Prüfung auf der Grundlage der Ansprüche 1 und 2 nach Hauptantrag und der Ansprüche 1 und 2 nach Hilfsantrag an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückzuverweisen ist - wie von der Anmelderin hilfsweise beantragt -, da die Anmeldung nicht ausreichend geprüft ist. Die Beschwerdegebühr ist zurückzuzahlen, weil ein schwerwiegender Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vorliegt.

1. Die Patentansprüche 1 und 2 nach Haupt- und Hilfsantrag sind zulässig.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag findet inhaltlich eine ausreichende Stütze in den ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 4 iVm der ursprünglichen Beschreibung, Seite 1, Zeilen 19 bis 22 (hinsichtlich der Zweckangabe "zur redundanten Messung"), Seite 3, Zeilen 16 bis 23 (im Hinblick auf die Präzisierung, wonach die Hallelemente (12, 13) nahezu direkt nebeneinander angeordnet sind), Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, Zeile 4 (bezüglich der Wirkungsangabe, wonach die Flächen der magnetfeldempfindlichen Elemente nahezu das gleiche lokale Magnetfeld erfassen), Seite 3, Zeilen 8 bis 11 (hinsichtlich der Merkmale, wonach die magnetfeldempfindlichen Elemente (12, 13) jeweils eigene Anschlüsse (14) aufweisen und unabhängig voneinander arbeiten) und Seite 3, Zeilen 13 bis 20 (bezüglich des Merkmals, wonach die Hallelemente (12, 13) eine lineare Abhängigkeit ihrer Ausgangssignale von der magnetischen Induktion B aufweisen).

Das Merkmal des Unteranspruchs 2 nach Hauptantrag, wonach die Hallelemente (12, 13) gleich ausgebildet sind, ist in der ursprünglichen Beschreibung (Seite 3, Zeilen 8 bis 13) im Rahmen des Ausführungsbeispiels als zur Erfindung gehörend offenbart.

Die gegenüber dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag zusätzlichen Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag sind dem Ausführungsbeispiel nach Fig. 2 entnommen.

Der Patentanspruch 2 nach Hilfsantrag entspricht inhaltlich dem - wie dargelegt - zulässigen Patentanspruch 2 nach Hauptantrag.

2. Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag betrifft einen Sensor (10) zur redundanten Messung mit mindestens zwei Hallelementen (12, 13). Zu diesem Zweck weisen die Hallelemente (12, 13) jeweils eigene Anschlüsse (14) auf, d.h. arbeiten unabhängig voneinander. Die redundante Messung wird aus Sicherheitsgründen angewandt, damit bei Ausfall eines Bauelements dessen Funktion von einem redundanten - d.h. funktionsgleichen und völlig unabhängig davon arbeitenden - zweiten Bauelement wahrgenommen werden kann (vgl. hierzu auch die Beschwerdebegründung vom 27. Februar 2002, Seite 4, Absatz 2).

Nach den Angaben in der Beschreibung (Seite 1, Abschnitt "Stand der Technik") geht die Erfindung von einem Sensor zur redundanten Messung mit zwei magnetfeldempfindlichen Elementen aus, wie er in der - wie dargelegt - nur bei der Neuheitsprüfung zu berücksichtigenden, auf eine eigene Anmeldung der Anmelderin zurückgehende deutschen Offenlegungsschrift 196 34 281 offenbart ist (wobei der Begriff "redundant" bzw. Redundanz" in dieser Druckschrift allerdings nicht explizit vorkommt). Die magnetfeldempfindlichen Elemente (insbesondere Hallelemente 39, 40; 39a, 40a; 39c, 40c) sind dabei separat ausgebildet, d.h. nach den Angaben der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung in eigenen Gehäusen nebeneinander angeordnet (vgl. hierzu auch Ansprüche 1 und 7 iVm Spalte 2, Zeilen 57 bis 60 sowie den Figuren 7 bis 9b nebst der dazugehörigen Beschreibung in Spalte 5, Zeile 55 bis Spalte 6, Zeile 25).

Bei diesem Stand der Technik wird von der Anmelderin als nachteilig angesehen (ursprüngliche Beschreibung, Seite 1, Zeilen 19 bis 28), daß die magnetfeldempfindlichen Elemente wegen der Anordnung in separaten Gehäusen - d.h. des hierdurch bedingten Mindestabstandes - unterschiedliche Bereiche des Magnetfeldes erfassen und daher abweichende Meßergebnisse liefern, wobei sich dies trotz möglichst naher Anordnung der magnetfeldempfindlichen Elemente - aufgrund der Gehäusebreite - nicht vermeiden läßt.

Vor diesem Hintergrund liegt dem Anmeldungsgegenstand als technisches Problem ersichtlich die Aufgabe zugrunde, diesen Nachteil zu vermeiden (eine explizite Aufgabenstellung fehlt in den Anmeldungsunterlagen).

Gemäß dem - einteilig formulierten - Patentanspruch 1 nach Hauptantrag wird diese Aufgabe letztlich dadurch gelöst, daß als magnetfeldempfindliche Elemente zur redundanten Messung mindestens zwei Hallelemente (12, 13) vorgesehen sind, die in einem einzigen Gehäuse (11) nahezu direkt nebeneinander angeordnet sind (vgl. hierzu auch die Beschreibung, Seite 1, Zeile 32 bis Seite 2, Zeile 4).

Gemäß dem - ebenfalls einteiligen - Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag ist ein Sensor (10) mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag - insoweit entsprechend dem Ausführungsbeispiel nach Fig. 2 - in einem Spalt (16) zwischen zwei Flußleitstücken (15) angeordnet, die den magnetischen Fluß auf die beiden Hallelemente (12, 13) konzentrieren und dafür sorgen, daß die Flächen der Hallelemente (12, 13) nahezu das gleiche lokale Magnetfeld erfassen (Beschreibung, Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, Absatz 1 zur Fig. 2).

3. Der - zweifelsohne gewerblich anwendbare - Sensor gemäß dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag ist gegenüber dem nachgewiesenen Stand der Technik neu und beruht diesem gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Durchschnittsfachmanns, der hier als ein mit der Entwicklung und Fertigung von Sensoren mit magnetfeldempfindlichen Elementen befaßter berufserfahrener Physiker oder Elektroingenieur mit Hochschulausbildung zu definieren ist.

a) Neuheit Der im angefochtenen Beschluß (Seite 3, Abschnitt II.) vertretenen Auffassung, der beanspruchte Sensor nach dem damals geltenden Anspruch 1 sei gegenüber dem Stand der Technik nach der vorveröffentlichten schweizerischen Patentschrift 611 038 (Druckschrift 3) nicht neu, kann aus mehreren Gründen nicht beigetreten werden.

Der statisch arbeitende magnetische Geberkopf (10) nach dieser Entgegenhaltung enthält zwar ebenfalls zwei Hallelemente (Hallgeneratoren 7) (Anspruch 1 iVm den Figuren 1 und 2 nebst der dazugehörigen Beschreibung auf Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 25 bis 60), jedoch dienen diese insofern nicht einer redundanten Messung im Sinne des Patentanspruchs 1, als deren Hallspannungen in Reihe geschaltet sind (Anspruch 3), d.h. überlagert gemeinsam in einer mit dem Geber verbundenen Schaltung ausgewertet werden (Seite 2, linke Spalte, Zeilen 37 bis 48 iVm rechte Spalte, letzter Absatz). Die zwei Hallelemente (7) arbeiten demnach nicht unabhängig voneinander und weisen daher auch keine eigenen Anschlüsse auf, vielmehr sind sie mit je einem Anschluß - wie dargelegt - in Reihe geschaltet und mit dem jeweils anderen Anschluß (Anschlußleitungen 9) über ein Anschlußkabel (18) mit der gemeinsamen Auswerteschaltung verbunden (Seite 2, rechte Spalte, letzte zwei Absätze zur Fig. 1). Außerdem sind die zwei Hallelemente (7) auf diametral gegenüberliegenden Seiten eines Permanentmagneten (5) (Anspruch 1 und 3 iVm Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 8 bis 12 und 46 bis 48 zu den Figuren 1 und 2), d.h. nicht nahezu direkt nebeneinander angeordnet. Zudem sind sie - insoweit entsprechend der nachveröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift 196 34 281 - ersichtlich in separaten Gehäusen angeordnet. Der magnetische Rückschlußtopf (3) hat - entgegen der im angefochtenen Beschluß vertretenen Auffassung - jedenfalls keinerlei Gehäusefunktion. Bei dem Rohrgehäuse (2) handelt es sich aber um das Gesamtgehäuse des magnetischen Geberkopfes (10), d.h. ebenfalls nicht ein einziges Gehäuse zweier unmittelbar nebeneinander angeordneter Hallelemente im Sinne des Patentanspruchs 1.

Die Neuheit des beanspruchten Sensors gegenüber dem im Prüfungsverfahren - wie dargelegt - noch in Betracht gezogenen Stand der Technik nach den vorveröffentlichten Druckschriften 1, 2 und 4 bis 9 folgt schon daraus, daß - wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit ergibt - keine dieser Druckschriften einen Sensor zur redundanten Messung offenbart.

Gegenüber dem - wie dargelegt - nur bei der Neuheitsprüfung als Stand der Technik geltenden Inhalt der nachveröffentlichten deutschen Offenlegungsschrift 196 34 281 (Druckschrift 10) ist der beanspruchte Sensor schon insofern neu, als bei ihm die mindestens zwei Hallelemente in einem einzigen Gehäuse nahezu direkt nebeneinander angeordnet sind, wogegen diese - wie oben dargelegt - bei dem eigenen Stand der Technik jeweils in eigenen Gehäusen untergebracht und damit beabstandet sind.

b) Die vorveröffentlichten Druckschriften 1 bis 9 können dem vorstehend definierten zuständigen Durchschnittsfachmann den Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag schon deshalb weder einzeln noch in einer Zusammenschau nahelegen, weil sich in keiner dieser Druckschriften ein Hinweis auf einen Sensor zur redundanten Messung mit mindestens zwei magnetfeldempfindlichen Elementen - insbesondere Hallelementen - findet.

Soweit gemäß der einen Sensor für bewegliche Objekte (moving object detecting apparatus) betreffenden europäischen Offenlegungsschrift 0 560 381 (Druckschrift 1) zwei Hallelemente (3a, 3b) in einem einzigen Gehäuse (detecting element 3) angeordnet sind, ist in demselben Gehäuse (3) zusätzlich eine Verarbeitungseinheit (process circuit 3c) vorgesehen, die die Ausgangssignale beider Hallelemente (3a, 3b) zu einem einzigen Sensorausgangssignal verarbeitet, wobei die Verarbeitungseinheit (3c) zwischen den Hallelementen (3a, 3b) angeordnet ist, so daß die Hallelemente (3a, 3b) einen entsprechenden Abstand (distance L) aufweisen (vgl. die Ansprüche 1, 6 und 7 iVm Fig. 1 nebst der dazugehörigen Beschreibung auf Seite 4, Zeilen 24 bis 32). Nach alledem kann der Fachmann durch diese Druckschrift schon keinerlei Hinweis auf eine redundante Meßweise, geschweige denn eine Anregung zu einem Sensor zur redundanten Messung mit mindestens zwei Hallelementen erhalten, der zudem die weiteren Merkmale des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag aufweist.

Entsprechendes gilt auch für die einen ferromagnetischen Drehgeschwindigkeitssensor betreffende US-Patentschrift 5 682 095 (Druckschrift 2), gemäß der zwei Hallelemente (4, 5), deren Ausgangssignale voneinander subtrahiert werden, in einem einzigen Gehäuse (Hall IC 2), jedoch mit Abstand angeordnet sind (vgl. den Anspruch 1 iVm Spalte 1, Zeile 42 bis Spalte 2' Zeile 12 und den Figuren 1 bis 4 nebst der dazugehörigen Beschreibung in Spalte 3, Zeile 27 bis Spalte 4, Absatz 2).

Die europäische Offenlegungsschrift 0 723 136 (Druckschrift 4) betrifft ein Gerät zur Bestimmung eines drehwinkelabhängigen Meßwerts mit einem Lesekopf (22) mit mehreren magnetfeldempfindlichen Elementen (Magnetfeld-Sensoren 20) - ersichtlich in separaten Gehäusen -, die derart im Abstand voneinander angeordnet sind, daß sie jeweils eine andere Spur (18) mit magnetischen Winkelinformationen auf einem Rotor (12) abgreifen, wobei sie ausgangsseitig an eine gemeinsame elektronische Auswerte-Einheit (24) angeschlossen sind (vgl. die Ansprüche 1 und 3 iVm der einzigen Figur nebst der dazugehörigen Beschreibung in Spalte 2, letzter Absatz bis Spalte 3, Absatz 3). Demnach kann der Fachmann auch durch diese Entgegenhaltung keinerlei Hinweis in Richtung eines Sensors zur redundanten Messung mit mindestens zwei in einem einzigen Gehäuse nahezu direkt nebeneinander angeordneten und unabhängig voneinander arbeitenden Hallsensoren mit jeweils eigenen Anschlüssen im Sinne des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag erhalten.

Gemäß der einen Positions-Sensor mit Hallelementen betreffenden PCT-Offenlegungsschrift WO 94/05974 (Druckschrift 5) sind mehrere Hallelemente (H1 bis H6), die in einer Reihe (Linie G) in gleichmäßigem Abstand voneinander angeordnet sind, über eine Interpolationsschaltung (IPS) mit einer Auswerteschaltung (AS) verbunden, wobei die Hallelemente (H1 bis H6), die Interpolationsschaltung (IPS) und die Auswerteschaltung (AS) in einem einzigen Halbleiterkörper (HL) gemeinsam als integrierte Schaltung (IC) ausgebildet sind (vgl. die Ansprüche 1 bis 6 iVm Fig. 1 nebst der dazugehörigen Beschreibung auf Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, Absatz 1). Daher ist auch dieser Sensor weder für eine redundante Messung - mit unabhängig voneinander arbeitenden Hallelementen - ausgelegt, noch sind dessen Hallelemente in einem einzigen Gehäuse nahezu direkt nebeneinander anordnet und mit jeweils eigenen Anschlüssen versehen, wie dies der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag außerdem fordert.

Die deutsche Offenlegungsschrift 33 18 624 (Druckschrift 6) betrifft eine - insbesondere für Kraftfahrzeuge bestimmte - magnetisch codierte Warn- oder Schließanlage mit serieller Codeübertragung bestehend aus einem Schloß (3) mit mehreren um eine zentrale Einführöffnung (5) angeordneten Hallelementen (4; 8) als Leseelementen und einem in die Einführöffnung (5) einsteckbaren Schlüssel (1; 11), auf dessen Schaft magnetische Scheiben (Magnetpositionen 7; 12) nach Maßgabe eines Codes in axialer Staffelung (6) angeordnet sind, so daß beim Einführen des Schlüssels (1; 11) in das Schloß (3) die axial gestaffelten Magnetpositionen (7; 12) an den Leseelementen (4; 8) vorbeigeführt und die dem Code entsprechenden Informationen nacheinander - d.h. seriell - erfaßt werden (vgl. die Ansprüche 1, 8 und 9 iVm den Figuren 1 bis 5 mit zugehöriger Beschreibung). Auch hierbei handelt es sich weder um einen Sensor zur redundanten Messung - zumal jedes Hallelement (4; 8) jeweils andere Magnetpositionen (7; 12) erfaßt - noch um in einem einzigen Gehäuse nahezu direkt nebeneinander angeordnete Hallelemente mit eigenen Anschlüssen im Sinne des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag.

Entsprechendes gilt auch für die europäische Offenlegungsschrift 0 671 605 (Druckschrift 7), die sich mit einem Winkelsensor mit mindestens zwei Sensoreinheiten (1 bis 4 bzw. 5 bis 8) befaßt, die jeweils aus mehreren miteinander verbundenen - auf einem Chip gegeneinander winkelversetzt angeordneten - berührungslos messenden Elementen (Brückenelemente 1 bis 8) bestehen und ausgangsseitig an Begrenzer-Schaltungen (15) mit nachgeordneter Summierschaltung (16) angeschlossen sind (vgl. die Ansprüche 1 und 7 iVm den Figuren 1, 5a und 6 nebst der dazugehörigen Beschreibung).

Gemäß der einen Sensor für grobe und feine magnetische Muster betreffenden US-Patentschrift 5 289 122 (Druckschrift 8) sind die magnetfeldempfindlichen Elemente (sensing parts 12) des Sensors ebenfalls ohne gemeinsames Gehäuse und in Abstand zueinander auf einem Magneten (14) angeordnet, wobei deren Anschlüsse zudem miteinander verbunden sind (vgl. den Anspruch 1 iVm den Figuren 1 bis 4 mit zugehöriger Beschreibung in Spalte 4, Absatz 2 bis Spalte 5, Absatz 3).

Das von der Prüfungsstelle in Betracht gezogene Bild 6 der Literaturstelle "Components", Bd. 32 (1994), Heft 3, Seiten 72 bis 75 (Druckschrift 9) zeigt filmmontierte Feldplatten FP 420 (kleiner Chip) bzw. FP 425 (großer Chip), deren magnetfeldempfindliche Elemente ausweislich des dortigen Bildes 11 gleichfalls ohne gemeinsames Gehäuse und in Abstand voneinander auf einem Magneten angeordnet sowie miteinander verschaltet sind (zum Begriff Feldplatte vgl. Seite 73, mittlere Spalte, letzter Absatz bis rechte Spalte, Absatz 1, Zeile 5).

Als einzige der Entgegenhaltungen offenbart die erstmals vom Senat eingeführte deutsche Offenlegungsschrift 38 13 691 (Druckschrift 11) einen Sensor zur redundanten Messung, wobei dieser Sensor auch schon zwei unabhängig voneinander arbeitende magnetfeldempfindliche Elemente (Meßspulen 51 und 52) mit eigenen Anschlüssen und linearen Kennlinien (Figuren 7 bis 9) aufweist, die in einem gemeinsamen Gehäuse derart ineinander gewickelt sind, daß sie das gleiche lokale Magnetfeld erfassen (vgl. die Ansprüche 1 bis 5 iVm Spalte 1, Zeilen 41 bis 53, Spalte 1, letzter Absatz bis Spalte 2, Absatz 1 und Spalte 4, Zeilen 13 bis 49 zur Fig. 2).

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag unterscheidet sich jedoch hiervon im wesentlichen noch dadurch, daß bei ihm als magnetfeldempfindliche Elemente speziell Hallelemente mit linearer Kennlinie - nach den Angaben der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung wegen der feineren lokalen Auflösung des Magnetfeldes - vorgesehen sind.

Diese spezielle redundante Ausbildung der magnetfeldempfindlichen Elemente erscheint dem Senat indessen auch bei Einbeziehung der Druckschriften 1 bis 9 nicht ohne weiteres nahegelegt.

4. Die Sache wird - wie von der Anmelderin hilfsweise beantragt - zur weiteren Prüfung im Rahmen der in der mündlichen Verhandlung überreichten Patentansprüche 1 und 2 nach Haupt- und Hilfsantrag an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen (PatG § 73 Abs 3 Satz 1 Nr 1 und 3), weil nicht ausgeschlossen erscheint, daß ein weiterer, einer Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender diesbezüglicher Stand der Technik existiert, da die von der Prüfungsstelle zum Stand der Technik in Betracht gezogenen Druckschriften 1 bis 9 - wie dargelegt - nicht den geringsten Hinweis auf redundante Meßmethoden enthalten, die einen Sensor zur redundanten Messung betreffende Druckschrift 11 jedoch vom Senat in einer Computer-Blitzrecherche in der IPC-Klasse G01D der vorliegenden Anmeldung ermittelt worden ist, d.h. seitens der Prüfungsstelle zu dem Merkmal "redundante Messung" bzw. "Redundanz" ersichtlich noch nicht recherchiert worden ist, was nunmehr nachzuholen sein wird.

5. Es entspricht vorliegend der Billigkeit, die Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs 3 PatG zurückzuzahlen. Die Rückzahlung hat zu erfolgen, wenn es aufgrund besonderer Umstände unbillig wäre, die Gebühr einzubehalten. Als Gründe für eine Rückzahlung kommen insbesondere fehlerhafte Sachbehandlung oder Verfahrensfehler seitens des Patentamts in Betracht (vgl. hierzu Schulte, PatG, 6. Aufl., § 80 Rdn 66, 67 und § 73 Rdn 142 ff).

Ein in diesem Sinne relevanter Fehler ist im vorliegenden Fall gegeben, da die Anmelderin im Verfahren vor dem Patentamt in ihrem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und in ihrem Anspruch auf ein faires Prüfungsverfahren verletzt worden ist. Sie ist durch den angefochtenen Beschluß nämlich insofern überrascht worden, als sie sich zu der für die Zurückweisung maßgeblichen schweizerischen Patentschrift 611 038 (Druckschrift 3) vor der Entscheidung nicht stichhaltig äußern konnte. Vor der Entscheidung war der Anmelderin die die Entscheidung des Patentamts tragende Auffassung nicht mitgeteilt worden, daß nämlich diese Druckschrift dem Gegenstand des ursprünglichen Patentanspruchs 1 neuheitsschädlich entgegenstehe. Zwar ist dem Ausfertigungsexemplar des Beanstandungsbescheids vom 4. Juni 1998 aufgrund einer handschriftlichen Korrektur diese Beurteilung zu entnehmen (Bl 16 der Patentamtsakten), jedoch fehlt eine entsprechende Korrektur in dem der Anmelderin zugestellten Exemplar des Bescheids ebenso wie in der Urschrift des Bescheids (siehe Rückseite von Bl 14 der Patentamtsakten). Dort sind lediglich die Druckschriften 1 und 2 (E1 bzw. E2) als neuheitsschädlich bezeichnet, wohingegen die Druckschrift 3 nur pauschal in der Liste der entgegengehaltenen Druckschriften aufgeführt ist. Die Druckschrift 3 findet auch keine Erwähnung in dem weiteren Prüfungsbescheid vom 18. Januar 2000, mit dem ein anderer vermeintlich neuheitsschädlicher Stand der Technik (Druckschriften 6, 8 und 9) dem inzwischen geänderten - in dieser Fassung auch dem angefochtenen Beschluß zugrundeliegenden - Patentanspruch 1 entgegengehalten worden ist, in den erstmals das Merkmal der Redundanz aus der Beschreibung aufgenommen worden ist.

6. Im übrigen bestehen auch ganz erhebliche Bedenken, ob der angefochtene Beschluß unterschrieben und damit überhaupt über das Entwurfsstadium hinausgegangen und wirksam geworden ist. Die Beschlüsse der Prüfungsstelle nach § 47 PatG sind zu unterschreiben, um rechtswirksam zu werden. Dies wird als Selbstverständlichkeit vorausgesetzt, um Beschlüsse von bloßen Beschlußentwürfen abzugrenzen (vgl. dazu Benkard, PatG, 9. Aufl., § 47 Rdn 5; Schulte, PatG, 6. Aufl., § 47 Rdn 9, 10; Busse, PatG, 5. Aufl., § 47 Rdn 33, jeweils mit weitergehenden Rechtsprechungsnachweisen, vgl. zum Unterschriftserfordernis bei Beschlüssen der Markenstellen und den Folgen einer fehlenden Unterschrift auch die instruktive Entscheidung des 33. Senats vom 8. Januar 1999 = BPatGE 41, 44 f).

Zwar trägt die erste Seite des Beschlusses (Formblatt P 2704.0, Blatt 29 der Patentamtsakten) die Unterschrift des Prüfers, wobei in dem Vordruck vor der Unterschriftsleiste die Tenorierung und eine Bezugnahme auf die auf den Folgeseiten abgehandelten Gründe enthalten ist. Am Ende der Gründe enthält der Beschluß dann allerdings keine Unterschrift mehr. Diese Art der Unterschriftsleistung stellt keine Unterzeichnung dar.

Die Unterschrift hat nämlich unter anderem auch die Funktion, einen Text räumlich abzuschließen (vgl. BGHZ 113, 48 ff, insbesondere 51 unter bb). Diesem Erfordernis wird die Unterschrift auf dem angefochtenen Beschluß nicht gerecht. Die vor der Unterschriftsleiste befindliche Verweisung auf den nachfolgenden Text kann diesen erforderlichen räumlichen Abschluß der Unterschrift unter den Gesamttext nicht gewährleisten. Hier ist nämlich der Begründungstext selbst, der essentieller Bestandteil der Entscheidung ist, räumlich nicht durch die Unterschrift begrenzt. Spätere Ergänzungen des Textes wären ohne weiteres möglich, ohne daß die Unterschrift hierfür eine entsprechende räumliche Schranke bilden könnte.

Die Forderung nach einer Unterschrift am Ende der Gründe stellt nicht nur ein formaljuristisches Erfordernis dar. Denn nur diese Art der Unterzeichnung stellt wirklich sicher, daß der Unterzeichnende die Verantwortung für den Gesamttext übernehmen möchte und der Beschluß über das bloße Entwurfsstadium hinausgegangen ist. Aus anderen Verfahren ist dem Senat bekannt, daß die Unterschrift auf dem Formblatt P 2704.0 teilweise vor dem endgültigen Absetzen der Gründe geleistet wird. Es kann bei einer solchen Vorgehensweise nicht ausgeschlossen werden, daß der Prüfer beim Absetzen der Gründe nach der Unterschriftsleistung letztlich doch noch zu einem von der Tenorierung auf dem unterzeichneten Formblatt abweichenden Ergebnis in der Sache kommt. Sofern auf das Erfordernis der Unterschriftsleistung am Ende der Gründe verzichtet wird, besteht also eine gewisse Gefahr, daß eine letztlich nicht gewollte Entscheidung bzw. ein bloßer Entwurf in den Geschäftsgang kommt und an eine Beteiligte zugestellt wird. Dieser Gefahr kann eine Unterschrift am Ende der Gründe angemessen entgegenwirken. Durch eine solche Unterschrift übernimmt der Prüfer erkennbar die Verantwortung für seine Entscheidung einschließlich der notwendigen Begründung, wobei ihm dies bei einer den Text räumlich begrenzende Unterzeichnung zusätzlich bewußt gemacht wird (Warnfunktion). Damit ist das Risiko entsprechender Fehler wesentlich geringer, als dies bei der von manchen Prüfern praktizierten Art und Weise der Unterschriftsleistung nur auf dem Formblatt P 2704.0 der Fall ist.

Die Gestaltung des beim Patentamt verwendeten Formblattes P 2704.0 begünstigt leider die fehlerhafte Praxis mancher Prüfer bei der Unterschriftsleistung. Entsprechendes gilt im übrigen für das bei der Unterschriftsleistung der Patentabteilung im Einspruchsverfahren verwendete Formblatt P 2880.

Dr. Beyer Dr. Meinel Dr. Gottschalk Knoll






BPatG:
Beschluss v. 17.12.2002
Az: 23 W (pat) 48/01


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