Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Dezember 2004
Aktenzeichen: 28 W (pat) 99/03

(BPatG: Beschluss v. 08.12.2004, Az.: 28 W (pat) 99/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die IR-Marke 708 689 WINTERTRAUM sucht jetzt noch für die Waren der Klasse 29 Lait et produits laitiers, beurre, crème, fromage, yaourts, yaourts aux fruits; boissons non alcooliques à base de lait, boissons non alcooliques à base de yaourt, boissons non alcooliques à base de yaourt contenant des fruits, lait, produits laitiers ainsi que boissons non alcooliques à base de lait pauvres en calories, boissons non alcooliques mixtes ‡ base de lait, petitlait, aliments tout prêts ou smifinis à base de lait ou de produits laitiers; aliments faits avec des yaourts, notamment crèmes de yaourt ; crèmes de fromage blancum Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nach.

Hiergegen hat die Inhaberin der rangälteren Wortmarke 395 28 031 "Traum" Widerspruch erhoben. Diese Marke ist für eine Vielzahl von Waren der Klassen 29 und 30 eingetragen, nämlich Milch und Milchprodukte, nämlich Sauermilcherzeugnisse, Joghurterzeugnisse, Kefirerzeugnisse, Buttermilcherzeugnisse, Molkeerzeugnisse für Nahrungszwecke (ausgenommen Getränke), Quarkerzeugnisse, Milchhalbfetterzeugnisse, Butter, Käse, Desserts, im wesentlichen bestehend aus Milch und/oder Sahne, auch unter Verwendung von Bindemitteln auf Stärkebasis, vorstehende Waren auch unter Zusatz von Früchten, Kräutern, Gewürzen, Getreide, Säften bzw Extrakten aus den vorgenannten Zusätzen und Aromen, sämtliche vorgenannten Waren als frische oder haltbargemachte Fertigprodukte, Speisefette; Desserts, im wesentlichen bestehend aus Milch und/oder Sahne, auch unter Verwendung von Bindemitteln auf Stärkebasis, vorstehende Waren auch unter Zusatz von Früchten, Kräutern, Gewürzen, Getreide, Säften bzw Extrakten aus den vorgenannten Zusätzen und Aromen, sämtliche vorgenannten Waren als frische oder haltbargemachte Fertigprodukte.

Die Markenstelle hat eine Verwechslungsgefahr verneint, denn es handle sich bei der jüngeren Marke "WINTERTRAUM" um einen Gesamtbegriff mit einem von der älteren Marke "Traum" abweichenden Bedeutungsinhalt. Trotz zum Teil identischer oder sehr ähnlicher Vergleichswaren reiche der Markenabstand sowohl in unmittelbarer als auch in mittelbarer Hinsicht aus, da "TRAUM" in der angegriffenen Marke nicht selbständig kollisionsbegründend sei und sich angesichts vielfacher Verwendung in Drittmarken auch nicht als Stammbestandteil einer Zeichenserie eigne, zumal sich die angegriffene Marke von ihrer Zeichenbildung her nicht in die von der Widersprechenden geltend gemachten Zeichenserie einreihen lasse, die jeweils einen rein beschreibenden Begriff vorangestellt habe.

Die Widersprechende hat Beschwerde erhoben und insbesondere auf die Identität bzw. große Nähe der Waren hingewiesen, die einen erheblichen Markenabstand erfordere, der von der jüngeren Marke nicht eingehalten werde. Beide Marken seien von dem Bestandteil "TRAUM" geprägt, da der Zusatz "Winter" in der angegriffenen Marke als bloßer Hinweis auf saisonale Lebensmittel in seiner Kennzeichnungskraft zurücktrete. Jedenfalls bestehe eine assoziative Verwechslungsgefahr, da der Widerspruchsmarke, die auch Grundlage einer - z.T. verkehrsdurchgesetzten - Markenserie sei, Hinweischarakter zukomme. Die identische Übernahme in eine fremde Marke stelle eine Verbindung zur Widerspruchsmarke her, wobei die von der IR-Markeninhaberin genannten Drittzeichen nicht berücksichtigt werden dürften, da über ihre Benutzungslage und Marktstärke nichts bekannt sei.

Die Markeninhaberin verweist darauf, dass sich eine Aufspaltung der jüngeren Marke registerrechtlich verbiete und eine Markenserie der Widersprechenden mit einem hinweiskräftigen Stamm nicht hinreichend dargelegt sei. Die Ausführungen der Markenstelle seien deshalb zutreffend. Zudem hat sie mit Schriftsatz vom 30. November 2004 die Einrede der Nichtbenutzung erhoben, worauf die Widersprechende in der mündlichen Verhandlung eine eidesstattliche Versicherung und weitere Benutzungsunterlagen eingereicht hat.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Trotz erheblicher Warennähe bzw. Warenidentität hält die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand ein, um eine relevante Verwechslungsgefahr iSv. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG auszuschließen.

Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ab von der Identität oder Ähnlichkeit der Marken einerseits und andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der durch diese Marken erfassten Waren. Daneben sind alle Umstände zu berücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, vor allem die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke. Nach diesen Grundsätzen muss vorliegend eine Verwechslungsgefahr verneint werden.

Auf die erst kurz vor der mündlichen Verhandlung erhobene Benutzungseinrede der Markeninhaberin hat die Widersprechende nicht Verspätung gerügt, sondern Benutzungsunterlagen eingereicht, aufgrund deren der Senat keine Zweifel an einer wirtschaftlich ernsthaften Benutzung der Widerspruchsmarke für "Joghurt" und "Dessertspeisen" hat. In der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 27. Juli 2004 sind Stückzahlen der abgesetzten einschlägigen Waren verzeichnet, die weit über eine bloße Scheinbenutzung hinausreichen.

Zwischen den benutzten Widerspruchswaren und den Waren der angegriffenen Marke besteht damit zumindest eine mittlere bis enge Warenähnlichkeit bis hin zur Identität bei Joghurtprodukten. Was den Schutzumfang der Widerspruchsmarke betrifft, kann dieser nur als durchschnittlich angesehen werden, denn für die behauptete große Bekanntheit fehlt es an einem substantiierten Sachvortrag. Selbst die behauptete Zeichenserie mit dem Wortbestandteil "Früchte-Traum" ist nicht näher spezifiziert worden. Allein der Vortrag der Widersprechenden, diese Marke sei aufgrund von Verkehrsdurchsetzung eingetragen worden, rechtfertigt noch nicht die Schlussfolgerung einer erhöhten Kennzeichnungskraft (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. 2003, § 9 Rdn. 292 mwN.), schon gar nicht der hier vorliegenden Widerspruchsmarke. Deren Kennzeichnungskraft kann auch nicht aufgrund der eingereichten Benutzungsunterlagen als erhöht anerkannt werden, weil die Feststellung einer intensiven und länger anhaltenden Benutzung über die Anforderungen an eine Glaubhaftmachung gemäß §§ 26, 43 MarkenG hinausgeht (vgl. Ströbele/Hacker, aaO. Rdn. 294, 297 mwN) und insoweit kein substantiierter Sachvortrag geleistet wurde, zumal es sich um eine von Hause aus eher schwache Marke handelt, die in werbemäßiger Form eine Art Wertversprechen im Sinne von "traumhafter Geschmack" enthält.

Dennoch ist vor dem Hintergrund der sich gegenüberstehenden, teilweise identischen Waren zur Verneinung einer Verwechslungsgefahr ein deutlicher Markenabstand zu fordern, der vorliegend aber noch eingehalten wird.

Bei der Beurteilung der Markenähnlichkeit steht zwischen den Beteiligten im Grunde außer Streit, dass die Marken in ihrer Gesamtheit deutliche Unterschiede aufweisen, weil sie in ihrem Wortbestandteil unterschiedliche Länge, Buchstaben und Silbenzahl zeigen, was auch bei einem flüchtigen Verhalten des Verkehrs weder überhört noch übersehen werden kann. Eine die Verwechslungsgefahr begründende Markenähnlichkeit wäre allenfalls über die identische Buchstabenfolge "Traum" in Betracht zu ziehen, was sich in der Regel aber schon deshalb verbietet, weil der Verkehr Zeichen regelmäßig so auffasst, wie sie ihm entgegentreten, d.h. als einheitliches und eigenständiges Gebilde. Gleichermaßen wäre es rechtsfehlerhaft, ohne weiteres eine Zeichenkollision lediglich deshalb feststellen zu wollen, weil sich ein Teil des älteren Zeichens wie hier fast identisch in dem jüngeren Zeichen wiederfindet. Vielmehr gilt insoweit der Grundsatz, dass nur bei Kombinationsmarken, die getrennte Bestandteile aufweisen oder sich als mehrgliedrig darstellen, Einzelbestandteile gegenübergestellt werden können, was aber bei zusammengeschriebenen Wörtern in Normalschrift - wie hier - regelmäßig ausscheidet (vgl. Ströbele/Hacker, aaO 2003, § 9 Rdn. 339 m.w.N.).

Auch unter dem Gesichtspunkt der sog. "Abspaltung" von Zeichenteilen ergibt sich im vorliegenden Fall nichts anderes. Eine derartige Verkürzung der angegriffenen Marke wäre allenfalls denkbar, wenn es sich bei "Winter" im betroffenen Warensektor um ein geläufiges beschreibendes Wort (für saisonale Lebensmittel) handeln würde, wie man es auf dem Arzneimittelsektor mit Wörtern wie "soft, forte, plus" usw. häufig antrifft. Für eine solche Annahme fehlt es hier jedoch an tatsächlichen Feststellungen bzw. entsprechendem Vortrag der Widersprechenden. Selbst wenn für den Fachverkehr der beschreibende Gehalt nicht fern läge, hat der Senat Zweifel, hieraus bereits eine unmittelbare klangliche wie schriftbildliche Verwechslungsgefahr herzuleiten, da es sich zumindest nicht um eine typische Beschreibung für Lebensmittel, insbesondere für die benutzten Joghurtwaren handelt. Dem steht nicht entgegen, dass der Senat vereinzelt Beispiele gefunden hat, in denen auch im Kontext mit Milchprodukten das Wort "Winter" - allerdings zumeist markenmäßig herausgestellt - Verwendung gefunden hat (z.B. "Winter-Joghurt" der Fa. Zott, Onken Winter-Joghurt). Von einer üblichen Praxis oder gar einer gattungsmäßigen Bezeichnung kann indes aufgrund dieser Einzelfälle bzw. des Erkenntnisstandes des Senats keine Rede sein. In einem vergleichbaren Fall hat der 26. Senat (Az.: 26 W (pat) 115/00 vom 10. Oktober 2001) die Marke "Winterphantasie" als Gesamtbegriff für "Getränke" trotz möglichen jahreszeitlichen Hinweises (z.B. "Wintertee, Winterpunsch") nicht mit der Widerspruchsmarke "Phantasie" verwechselt, weil die Jahreszeit in der Gesamtbezeichnung aufgegangen sei, so dass der Gedanke an eine jahreszeitliche Bestimmungsangabe für den Verkehr nicht mehr nahegelegt sei. Das gleiche muss erst recht für den vorliegenden Fall gelten, wo auf den Winter bezogene Milchprodukte dem Verkehr eher unbekannt sind.

Eine mittelbare Verwechslungsgefahr muss ebenfalls verneint werden. Abgesehen davon, dass ein solcher Sonderfall nur ausnahmsweise zum Zuge kommen kann, scheitert seine Anwendung im vorliegenden Fall auch deshalb, weil keine hinreichend gesicherten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Verkehr den gemeinsamen Wortbestandteil "Traum" als Stamm einer Serie von Marken verstehen wird, der auf die Widersprechende weist. Diese hat zwar eine solche Serie geltend gemacht, ohne sie jedoch im einzelnen zu spezifizieren, insbesondere ob insoweit genannte Marken für den vorliegenden Warenbereich überhaupt benutzt werden. Zwar ist es richtig, dass eine Verwässerung einer Serie durch Drittmarken so lange nicht angenommen werden kann, wie etwas über deren Benutzungslage bekannt ist. Ebensowenig reicht aber auch der pauschale Hinweis auf eigene Serienmarken aus, ohne zu diesen nähere Angaben zu machen, wie dies im Erinnerungsbeschluss bereits moniert wurde. Vielmehr ist insoweit der Vortrag der Widersprechenden lückenhaft und unsubstantiiert.

Auch ist "Traum" nicht solchermaßen als Firmenname bekannt, dass aus diesem Grund für den Verkehr nahe liegen könnte, die angegriffenen Marke als Serienmarke der Widersprechenden aufzufassen und ihr zuzuordnen. Hierfür wären weitergehende Überlegungen erforderlich, etwa dass es sich um ein "Traum"-Serienprodukt der Widersprechenden handelt, was insbesondere deshalb zweifelhaft ist, weil der Stammbestandteil begrifflich beschreibenden Anklang im Sinne eines besonders schmackhaften Erzeugnisses hat und die angegriffene IR-Marke sich als Gesamtbegriff präsentiert, der kein eindeutig zusammengehöriges Begriffspaar zu der Widerspruchsmarke bildet. In einer solchen Situation wäre es Aufgabe der Widersprechenden gewesen, ihre originär schwache Marke mit entsprechenden Unterlagen aufzuwerten, was hier jedoch unterblieben ist. Unter diesen Umständen ist es gerechtfertigt, den Abstand der Vergleichsmarken auch unter dem Blickwinkel einer mittelbaren Verwechslungsgefahr für ausreichend zu erachten.

Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.

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BPatG:
Beschluss v. 08.12.2004
Az: 28 W (pat) 99/03


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