Landgericht Krefeld:
Urteil vom 24. November 2004
Aktenzeichen: 11 O 113/04

(LG Krefeld: Urteil v. 24.11.2004, Az.: 11 O 113/04)

Tenor

Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Krefeld vom 15.09.2004 wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, dass der Antragsgegnerin bis zum 09.09.2006 untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit der Ankündigung „Hiermit möchten wir Sie in Kenntnis setzen, dass wir uns von dem Handelshaus X GmbH getrennt haben. Um einen reibungslosen Ablauf in Ihrem Unternehmen zu gewährleisten, besteht für Sie die Möglichkeit, ab sofort die X-Produkte

aus dem Stammhaus in X zu beziehen„ für den Verkauf von Zerspa-nungswerkzeugen der Marke X zu werben.

Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Antragstellerin betreibt einen Handel mit Zerspanungswerkzeugen. In den Produktbereichen "Drehen", "Bohren" und "Fräsen" vertreibt sie überwiegend Produkte der Marke X. Mit diesen Produkten erwirtschaftet sie 75 % ihres Gesamtumsatzes. Die Antragsgegnerin vertreibt ebenfalls Zerspanungswerkzeuge der Marke X.

Seit 1977 ist die Antragstellerin Vertragshändlerin der Antragsgegnerin. Vertragliche Grundlage der Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien ist der Vertriebsvertrag vom 06./09.09.2002, der ursprünglich eine Laufzeit von 12 Kalendermonaten bei automatischer Verlängerung um jeweils 12 weitere Monate vorsah, wenn nicht eine Partei spätestens 12 Kalendermonate vor Ablauf der Vertragsfrist schriftlich kündigte.

Am 08.09.2004 ging bei der Antragstellerin per Fax eine fristlose, hilfsweise

fristgerechte Kündigung des Vertriebsvertrages durch die Antragsgegnerin ein.

Ihr wurde das Kündigungsschreiben am 13.09.2004 per Boten übergeben.

Dem Kündigungsschreiben vorausgegangen war eine Einladung des Geschäftsführers der Antragsgegnerin an den Geschäftsführer der Antragstellerin zu einem Gespräch. In der Folgezeit entspann sich eine Diskussion über die Teilnahme des Vertriebsleiters der Antragsgegnerin an diesem Gespräch. Der Geschäftsführer der Antragstellerin machte deutlich, dass er ein Gespräch einerseits auf Geschäftsführerebene und andererseits auf der Ebene der Verkaufsleiter befürworte, da er an einem Gespräch mit dem Verkaufsleiter der Antragsgegnerin nicht interessiert war. Der Geschäftsführer der Antragsgegnerin wünschte ein gemeinsames Gespräch aller Beteiligten. Da keine Einigung erzielt werden konnte, wurde das Gespräch abgesagt.

Mit Schreiben vom 09.09.2004 wandte sich die Antragsgegnerin an Kunden der Antragstellerin mit folgendem Schreiben:

"Hiermit möchten wir Sie in Kenntnis setzen, dass wir uns von dem Handelshaus X GmbH getrennt heben. Um

einen reibungslosen Ablauf in Ihrem Unternehmen zu gewährleisten,

besteht für Sie die Möglichkeit, ab sofort die X-Produkte aus

dem Stammhaus in X zu beziehen."

Unter dem 15.09.2004 erwirkte die Antragstellerin eine einstweilige Verfügung, mit der der Antragsgegnerin untersagt wurde, mit einem gleichlautenden Schreiben für den Verkauf von Zerspanungswerkzeugen der Marke X zu werben. Gegen diese einstweilige Verfügung legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein.

Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, die fristlose Kündigung sei unwirksam. Das Vertragsverhältnis sei auf Grund der fristgemäßen Kündigung zum 09.09.2006 beendet.

Sie beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Krefeld vom 15.09.2004 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Krefeld aufzuheben.

Sie rügt die Unzuständigkeit der Kammer unter Berufung auf die in dem Vertriebsvertrag enthaltene Schiedsklausel und vertritt die Ansicht, die fristlose Kündigung sei wirksam, da das Vertrauensverhältnis auf Grund des Verhaltens des Geschäftsführers der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Gesprächseinladung zu einer Störung des Vertrauensverhältnisses zwischen den Parteien geführt habe. In diesem Verhalten sei ein Angriff gegen ihren Verkaufsleiter zu sehen, der einem Angriff auf sie selbst gleichzusetzen sei. Im übrigen sei ihr Schreiben wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Es fehle zudem an einer Wiederholungsgefahr.

Gründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer ist aufrecht zu erhalten, da auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein entsprechender Unterlassungsanspruch der Klägerin gemäß §§ 8, 3, 4 Nr. 10 UWG besteht.

Das Landgericht Krefeld ist zur Entscheidung des einstweiligen Verfügungsverfahrens zuständig. Dem steht nicht die vereinbarte Schiedsklausel entgegen, da den Parteien im einstweiligen Verfügungsverfahren das Wahlrecht zusteht, Rechtsschutz bei staatlichen Gerichten oder unmittelbar beim Schiedsgericht zu beantragen (§ 1033 BGB).

Das Schreiben der Antragstellerin ist in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht zu beanstanden, da die Geschäftsaussichten der Antragstellerin durch dieses Schreiben geschmälert werden und sie damit als Wettbewerberin gezielt behindert wird. Zum einen erweckt die Antragsgegnerin mit diesem Schreiben bei den Kunden der Antragstellerin den - wie noch auszuführen sein wird - unrichtigen Eindruck, dass das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien beendet sei. Zum anderen deutet der Wortlaut des Schreibens darauf hin, dass ein reibungsloser Bezug der XProdukte in Zukunft nur möglich ist, wenn diese direkt bei der Antragsgegnerin bezogen werden. Diese Behauptung ist jedoch unrichtig, da die Antragsgegnerin auf Grund des weiterhin bestehenden Vertriebsvertrages verpflichtet ist, die Antragstellerin mit den X-Produkten zu beliefern, so dass der Antragstellerin auch in Zukunft eine reibungslose Belieferung ihrer Kunden möglich ist.

Eine solche wettbewerbswidrige Äußerung ist der Antragsgegnerin vor allen Dingen im Hinblick auf den zwischen den Parteien bestehenden Vertriebsvertrag nicht gestattet. Mit diesem Vertrag hat die Antragstellerin eine Reihe von Pflichten übernommen. Sie darf die Vertragsprodukte lediglich von der Antragsgegnerin beziehen und hat bestimmte Mindestumsätze zu erreichen sowie ein Lager und einen Kundendienst zu unterhalten. Im Gegenzug hat die Antragsgegnerin die Verpflichtung übernommen, die Antragstellerin nach besten Kräften bei dem Vertrieb der Vertragsprodukte zu unterstützen. Vor allen Dingen gegen diese Unterstützungspflicht hat die Antragsgegnerin mit ihrem Schreiben an die Kunden der Antragstellerin verstoßen. Besonders im Hinblick auf die ihr mit dem Vertriebsvertrag auferlegten finanziellen Verpflichtungen durfte die Antragstellerin mit der bedingungslosen Unterstützung der Antragsgegnerin rechnen.

Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist der Vertrag nicht durch die fristlose Kündigung beendet worden, da ihr kein Grund zur fristlosen Kündigung zur Seite steht.

Zwar hat der Geschäftsführer der Antragstellerin auf die Gesprächseinladung vom 20.07.2004 unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass er an einem Gespräch mit dem Verkaufsleiter der Antragsgegnerin nicht teilnehmen wird. Allerdings hat er als Alternative ein Gespräch auf Geschäftsführerebene und ein Gespräch auf Verkaufsleiterebene vorgeschlagen. Auf diesen Vorschlag wiederum ist der Geschäftsführer der Antragsgegnerin nicht eingegangen, sondern hat lediglich mitgeteilt, der Verkaufsleiter der Antragsgegnerin werde an dem Gespräch teilnehmen, woraufhin der Geschäftsführer der Antragstellerin mitteilte, er werde seinen Verkaufsleiter zu diesem Gespräch entsenden. Da eine weitere Einigung nicht erzielt wurde, hat der Geschäftsführer der Antragsgegnerin diesen Termin abgesagt.

Dieses Verhalten ist nicht so schwerwiegend, als dass es einen wichtigen Grund zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung darstellen würde. Der Geschäftsführer der Antragstellerin hat nicht den täglichen Kontakt mit der Antragsgegnerin verweigert, sondern nur deutlich gemacht, dass er an einem Gespräch nicht teilnehmen werde, an dem der Verkaufsleiter der Antragsgegnerin teilnehme. Er hat ein Gespräch auf zwei Ebenen vorgeschlagen. Es ist weder ersichtlich noch von der Antragsgegnerin vorgetragen, dass ein solches Gespräch auf zwei Ebenen nicht möglich gewesen wäre, um ein Zusammentreffen des Verkaufsleiters der Antragsgegnerin mit dem Geschäftsführer der Antragstellerin zu vermeiden. Angesichts der Verbundenheit der Parteien über einen Zeitraum von nahezu 30 Jahren ist diesem Verhalten keine solche Relevanz beizumessen, die es rechtfertigen würde, ohne eine Abmahnung einen wichtigen Kündigungsgrund darzustellen.

Die Kündigung vom 08.09.2004 führt vielmehr zu einer Beendigung des Vertriebsvertrages zum 06.09.2006. Der Vertrag beinhaltet eine Kündigungsfrist von 12 Kalendermonaten, wobei als Wirksamkeitsdatum die rechtsgültige Unterschrift beider Parteien vorgesehen ist. Dies ist unstreitig auf den 09.09.2002 zu datieren. Ferner sieht der Vertrag in § 12 Ziffer 4 vor, dass jede Kündigung zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedarf. Diesem Schriftformerfordernis genügt nicht die vor dem 09.09.2004 eingegangene Kündigung per Telefax. Eine empfangsbedürftige, dem Schriftformerfordernis unterliegende Willenserklärung wird nur wirksam, wenn die formgerecht errichtete Erklärung dem Erklärungsempfänger zugeht. Die Übermittlung per Telefax reicht - auch zur Fristwahrung - nicht aus (vergl. Heinrichs in Palandt, BGB, 62. Aufl., § 126, RdNr. 11 m.w.N.). Mithin kommt eine Beendigung des Vertriebsvertrages durch die Kündigung der Antragsgegnerin, die der Antragstellerin am 13.09.2004 zugegangen ist, erst zum 09.09.2006 in Betracht. Insoweit war eine Klarstellung des Tenors der einstweiligen Verfügung vorzunehmen. Eine inhaltliche Änderung ist damit jedoch nicht verbunden, da das Begehren der Antragstellerin ohnehin nur darauf gerichtet war, der Antragsgegnerin während des laufenden Vertriebsvertrages die entsprechende Werbung zu untersagen.

Auf Grund des durch die Antragsgegnerin begangenen Wettbewerbverstoßes wird das Vorliegen einer Wiederholungsgefahr vermutet. Diese Vermutung hat die Antragsgegnerin nicht widerlegt. Vielmehr beharrt sie auf ihrer Auffassung, sie sei zu entsprechenden Äußerungen berechtigt, da zum einen der Vertriebsvertrag beendet und die Äußerungen zum anderen keine wettbewerbsrechtliche Relevanz hätten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus § 708 ZPO.






LG Krefeld:
Urteil v. 24.11.2004
Az: 11 O 113/04


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