Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 5. Dezember 2011
Aktenzeichen: I-20 U 128/10

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 05.12.2011, Az.: I-20 U 128/10)

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 23. Juli 2010 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23. Juli 2010 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise dahingehend abgeändert, dass die Klage hinsichtlich der Verurteilungen in Ziffer 1.1. und 1.3. abgewiesen wird und sich die Verurteilung hinsichtlich des Freistellungsanspruchs in Ziffer 2. auf einen Betrag von 1.664,91 € beläuft.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4/10 und der Beklagte zu 6/10.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des aus dem Urteil beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils beizutreibenden Betrages leistet. Dem Beklagten wird nachgelassen, eine Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 40.000,00 € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A)

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Klägerin handelt in einem Onlineshop mit Kontaktlinsen und Zubehör sowie Brillen. Der Beklagte betreibt unter der Domain www.o...de ebenfalls Kontaktlinsen und Brillen an Endverbraucher.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage zum einen gegen die Gestaltung der Internetpräsenz des Beklagten, wobei sie fünf näher bezeichnete Werbeaussagen als irreführend beanstandet. Ferner macht sie geltend, der Beklagte habe sich unlauter verhalten, weil er nach einem Testkauf das in Ausübung des Widerrufsrechts unfrei zurückgesandte Paket nicht angenommen habe. Schließlich verlangt sie Freistellung von den Kosten der vorgerichtlichen Abmahnung und Ersatz der durch den Testkauf entstandenen Kosten.

Sie macht geltend, die Behauptung, der Beklagte habe 18.500 Artikel im ständigen Angebot, sei irreführend, weil die Zahl der angebotenen Artikel wesentlich geringer sei. Insoweit vertritt sie die Ansicht, der Verbraucher beziehe diese Angabe auf verschiedene Brillenmodelle. Ferner sei die Behauptung, der Beklagte gehöre zu den marktführenden Onlinehändlern u.a. für Kontaktlinsen, irreführend, weil es eine derartige Spitzengruppe nicht gebe und der Umsatz des Beklagten mit Kontaktlinsen, aber auch insgesamt deutlich hinter dem tatsächlichen Marktführer zurückbleibe. Die Angabe, der Beklagte vertreibe nur Originalware stelle zum einen die - jedenfalls in Bezug auf Kontaktlinsen unrichtige - Behauptung auf, es gebe auf dem Markt auch Plagiate. Zudem werde eine Selbstverständlichkeit als Besonderheit des Angebots herausgestellt. Der Beklagte verstoße auch gegen Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG, weil der Verbraucher einen Anspruch auf Belieferung mit Originalware habe. Die Bewerbung einer Dauertiefpreisgarantie und eines 10%igen Rabatts im Falle von Lieferverzögerungen beanstandet sie unter dem Gesichtspunkt, dass der Verbraucher annehme, diese gelte auch für Kontaktlinsen, was jedoch nicht der Fall sei. Schließlich behauptet sie, nach einem Testkauf habe sie die Ware unfrei an den Beklagten zurückgeschickt und dieser habe die Annahme verweigert.

Der Beklagte ist der Klage entgegen getreten. Er behauptet, die Zahl der angebotenen Artikel sei zutreffend gewesen. Die Aussage, zu den führenden Onlinehändlern zu gehören, sei deshalb zutreffend, weil zum einen der Verkehr dabei keine Spitzengruppe erwarte, die Behauptung sich auf Kontaktlinsen, Brillen und Sonnenbrillen beziehe, wobei der vermeintliche Marktführer nur mit Kontaktlinsen handele, und er von vielen Brillenherstellern als Top-Seller betrachtet werde. Die Werbung mit Originalware sei nicht irreführend, weil gerade im Internethandel mit Sonnenbrillen zahlreiche Plagiate angeboten würden. Hinsichtlich des Rabatts und der Dauertiefpreisgarantie meint er, diese Hinweise seien so ausgestaltet, dass der Verbraucher, der sich für diese Angebote interessiere, auf eine Verlinkung klicke und dann darüber informiert werde, dass die Angebote sich nicht auf Kontaktlinsen bezögen. Hinsichtlich der behaupteten Annahmeverweigerung behauptet er, dies sei aufgrund seiner vertraglichen Vereinbarungen mit dem Paketdienstleister ausgeschlossen.

Das Landgericht hat die Klage insoweit abgewiesen, als sie sich auch auf die Bewerbung der Tiefpreisgarantie und des Rabattes auf der Startseite bezog, sowie hinsichtlich eines Teils der Abmahnkosten. Im Übrigen hat es den Beklagten wie folgt verurteilt:

1. Beklagte wird verurteilt, unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft, oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, verurteilt, es zukünftig zu unterlassen,

1. zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, über 18.500 Artikel im ständigen Angebot zu haben, wenn dies wie folgt geschieht:

(1) „Mit über 18.500 Artikel im ständigen Angebot, geben wir Ihnen die Möglichkeit das Richtige speziell für Ihre Augen zu finden!“ und/oder

(2) „Unser Onlineshop umfasst ständig über 18.500 Artikel für jeden Geschmack (…)“

und/oder

2. zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, einer der marktführenden Online-Händler u.a. für Kontaktlinsen zu sein, insbesondere, wenn dies wie folgt geschieht: „O… ist (…) zugleich einer der marktführenden Online-Händler (…).“

und/oder

3. zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, nur Original-Ware zu verkaufen, wenn dies wie folgt geschieht „Wir verkaufen nur 100% Originalware direkt vom Hersteller (…)“

und/oder

4. eine Dauertiefpreisgarantie auszuloben, ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass diese Dauertiefpreisgarantie für Kontaktlinsen nicht angeboten wird, wenn dies wie folgt geschieht:

(1) Ausschnitt aus der Internetseite des Beklagten:

und/oder

(2) Ausschnitt aus der Internetseite des Beklagten:

und/oder

a. einen 10% Rabatt auszuloben, wenn die Lieferung länger dauert, ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass diese Liefergarantie für Kontaktlinsen nicht angeboten wird, wenn dies wie folgt geschieht:

(1) Ausschnitt aus der Internetseite des Beklagten:

f. gegenüber Verbrauchern die Ausübung des Widerrufsrechts durch

unfreie Rücksendung der Waren zu verweigern, indem unfrei

übermittelte Pakete, die von Verbrauchern zum Zwecke der Ausübung

des Widerrufsrechts an die Antragsgegnerin geschickt wurden,

postalisch nicht abgenommen werden, sofern nicht der Warenwert der

vorangegangen zugehörigen Bestellung lediglich bis zu 40,00 EUR

beträgt.

2. Der Beklagte wird verurteilt, die Kläger von außergerichtlichen Kosten der Rechtsanwälte C. & Partner, K. in Höhe von 2.280,70 Euro freizustellen.

3. Der Beklagte wird verurteilt, die Kosten für einen Testkauf nebst Rücksendung in Höhe von 66,80 Euro zu erstatten.

4. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, auf die klägerseits verauslagten Gerichtskosten Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vor dem Eingang der eingezahlten Gerichtskosten bis zum Eingang eines Kostenfestsetzungsantrages nach Maßgabe der auszuurteilenden Kostenquote zu zahlen.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der - hinsichtlich des Beklagten verlängerten - Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufungen.

Die Klägerin meint, die Bewerbung von Rabatt und Tiefpreisgarantie auf der Startseite sei ebenfalls irreführend, weil auf der Startseite ausdrücklich auch Kontaktlinsen beworben würden und daher der Verbraucher davon ausgehe, dass sich die Angebote auch auf diese bezögen. Im Übrigen verteidigt sie das Urteil unter Wiederhohlung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Sachvortrages.

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- EUR und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu verurteilen, es künftig zu unterlassen,

aa. eine Dauertiefpreisgarantie auszuloben, ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass diese Dauertiefpreisgarantie für Kontaktlinsen nicht angeboten wird, wenn dies wie folgt geschieht

(Ausschnitt aus der Internetseite des Beklagten):

wobei auf der gleichen Internetseite weiter unten die folgende Einblendung folgt:

Bild

und/oder

bb. einen 10% Rabatt auszuloben, wenn die Lieferung länger dauert, ohne zugleich darauf hinzuweisen, dass diese Liefergarantie für Kontaktlinsen nicht angeboten wird, wenn dies wie folgt geschieht (Ausschnitt aus der Internetseite des Beklagten):

Bild

wobei auf der gleichen Internetseite weiter unten die folgende Einblendung folgt:

Bild

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen und

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt weiter,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Der Beklagte wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Senat hat das streitgegenständliche Paket in Augenschein genommen und Beweis erhoben aufgrund des Beweisbeschlusses vom 5. April 2011 (Bl. 292 GA) durch Vernehmung von Zeugen. Hinsichtlich der Beweisthemen wird auf den genannten Beweisbeschluss und hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf das Sitzungsprotokoll vom 5. Juli 2011 (Bl. 304 ff. GA) Bezug genommen.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

B)

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg, die Berufung des Beklagten nur zu einem Teil.

(1) Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Unterlassung der Behauptung, er habe mehr als 18.500 Artikel im ständigen Angebot, denn diese Behauptung ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zutreffend und nicht irreführend.

Die Aussage, der Beklagte habe ständig mehr als 18.500 Artikel im Angebot wird von den angesprochenen Verkehrskreisen, zu denen auch die Mitglieder des Senats gehören, dahingehend verstanden, dass der Beklagte mehr als 18.500 verschiedene Artikel zum Kauf anbietet. Dazu ist es ersichtlich nicht erforderlich, diese Artikel vorrätig zu halten, denn der Beklagte behauptet nicht, über einen entsprechenden Warenvorrat zu verfügen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht aber zur Überzeugung des Senats fest, dass der Beklagte zum streitgegenständlichen Zeitpunkt der Werbung tatsächlich mehr als 18.500 Artikel zum Kauf anbot. Der Zeuge S. hat bekundet, er selber habe auf Veranlassung des Beklagten anhand der in der Datenbank des Beklagten vorhandenen Datensätze die Zahl der dort vorhandenen verschiedenen Artikel ermittelt. Dabei seien mehr als 18.500 Artikel vorhanden gewesen, wobei in die Betrachtung Kontaktlinsen nicht einbezogen seien. Er hat weiter bekundet, die Frage der Verschiedenheit der Artikel danach beantwortet zu haben, dass diese eine unterschiedliche EAN-Nummer aufwiesen. Danach wären beispielsweise Brillengestelle verschiedener Größen oder Farben unterschiedliche Artikel. Zum Zeitpunkt seiner Vernehmung seien 27.112 Artikel ausgenommen Kontaktlinsen im Angebot gewesen.

Diese Aussagen waren glaubhaft. Der Zeuge hat angegeben, sich wegen der geplanten Werbung mit dem Umfang des Angebots seinerzeit beschäftigt zu haben. Zur Vorbereitung des Termins habe er feststellen können, dass von den seinerzeit vorhandenen Datensätzen noch 16.000 vorhanden gewesen seien und dies nachvollziehbar damit erklärt, dass Artikel, die nicht mehr im Angebot seien, gelöscht würden. Das Kriterium, die Artikel anhand der EAN-Kennung zu unterscheiden, ist auch sachgerecht, denn es ist gerade Sinn der EAN-Kennung, ein bestimmtes Produkt, d.h. einen bestimmten Artikel, zu identifizieren.

(2) Die Klägerin hat hingegen gegen den Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung der Werbeaussage, er sei einer der marktführenden Online-Händler u.a. für Kontaktlinsen aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Die Werbeaussage lautet zunächst vollständig, der Beklagte sei „zugleich einer der marktführenden Online-Händler mit der europaweit größten Auswahl an Sonnenbrillen, Brillen und Kontaktlinsen.“ Hinsichtlich der Behauptung, über die europaweit größte Auswahl zu verfügen, hat sich der Beklagte bereits vorgerichtlich unterworfen. Zwar wird der Verbraucher diese Behauptung nicht dahin verstehen, dass es sich um einen der marktführenden Online-Händler überhaupt handelt, also losgelöst von den angebotenen Produktgruppen, denn der Zusammenhang zu den angebotenen Produkten wird in der Aussage bereits hergestellt. Allerdings wird der Verkehr annehmen, dass sich die Angabe auf alle der angesprochenen Produktgruppen bezieht. Die Behauptung ist also dahingehend zu verstehen, dass das Unternehmen im Bereich Brillen, Sonnenbrillen und Kontaktlinsen zu den marktführenden gehöre. Dabei ist es aber für eine derartige Spitzenstellungsbehauptung nicht ausreichend, dass der Beklagte zu den größten, zum Beispiel umsatzstärksten, Unternehmen gehört. Es kommt darauf an, dass man überhaupt einer geschlossenen Spitzengruppe angehört, die gegenüber dem übrigen Feld der Mitbewerber den nötigen Abstand gewonnen hat (BGH GRUR 1969, 415, 416 - Kaffeerösterei). Das ist hier allerdings schon deshalb nicht der Fall, weil es unstreitig einen Online-Händler gibt, der mit seinen Umsätzen ein Vielfaches vor dem nächsten Mitbewerber liegt. In einer solchen Situation gibt es dementsprechend keine Spitzengruppe, sondern einen Marktführer und dem folgend ein eher breites Mittelfeld. Die mit der Werbung verbundene Irreführung ist auch wettbewerblich relevant, denn die Eigenschaft einer der Marktführer zu sein, ist für die Marktentscheidung des Verbrauchers wesentlich. Einem Marktführer wird er in der Regel mehr Vertrauen entgegen bringen als einem Unternehmen, welches nicht zur Spitzengruppe zählt.

(3) Der Klägerin steht kein Anspruch auf Unterlassung der Aussage „Wir verkaufen nur 100% Originalware direkt vom Hersteller ...“ zu, denn diese Behauptung unterfällt weder dem Verbot des § 3 Abs. 3 UWG i.V.m. Nr. 10 des Anhangs, noch stellt er sich als irreführende Hervorhebung von Selbstverständlichkeiten dar.

Nach Nr. 10 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG ist es unlauter, den Eindruck zu erwecken, gesetzlich bestehende Rechte stellten eine Besonderheit des Angebots dar. Dabei ist bereits fraglich, ob es sich bei dem vertraglich begründeten Anspruch, nur Originalware zu erhalten, um ein gesetzlich bestehendes Recht im Sinne dieser Bestimmung handelt. Insoweit dürften hierzu eher das Bestehen gesetzlicher Gewährleistungsrechte oder des Widerrufsrechts zählen. Dies kann jedoch dahin stehen, denn jedenfalls wird die Angabe hier nicht als Besonderheit des Angebots des Beklagten herausgestellt. Das Landgericht hat insoweit angenommen, bei seriösen Online-Händlern erhalte der Kunde keine gefälschten Artikel. Dies mag zutreffen, steht der Annahme jedoch nicht entgegen, dass hier nicht eine Besonderheit herausgestellt wird. Der Verbraucher, der das Unternehmen des Beklagten regelmäßig nicht kennt, kann nämlich ohne weiteres nicht beurteilen, ob es sich bei dem Beklagten um einen seriösen Online-Händler handelt. Angesichts der ständig dem Verbraucher begegnenden Warnungen vor Piraterieware insbesondere im Online-Handel wird der Verbraucher die Angabe daher nicht dahin verstehen, dass andere seriöse Online-Händler Piraterieware vertreiben, sondern dahingehend, dass der Beklagte zu eben jenen seriösen Online-Händlern gehört, die mit Originalware handeln. Das ergibt sich hier aus dem Zusammenhang, in dem die Äußerung auftaucht (vgl. Anlagen K2 und K3). Die Behauptung wird nicht besonders herausgehoben. Auf der Startseite (Anlage K2) wird vielmehr im Fließtext das Unternehmen des Beklagten beschrieben. In den „Informationen über O.“ (Anlage K3) findet sich die Angabe als Vergleich zum Preis unter der Überschrift „So günstig, kann das Original-Ware sein€“, der eine Erläuterung folgt, dass sich die streitgegenständliche Aussage trotz des - nach Ansicht des Beklagten - niedrigen Preises dadurch erklären lässt, dass der Beklagte größere Mengen abnimmt und diese zudem direkt vom Hersteller bezieht. In diesem Zusammenhang stellt sich die Aussage letztlich als Hinweis darauf dar, dass es sich bei dem Beklagten um einen seriösen Händler handelt. Dies stellt nicht in Frage, dass es bei seriösen Händlern eine Selbstverständlichkeit ist, nur Originalware zu erhalten. Es wird also nicht eine Selbstverständlichkeit als Besonderheit beworben, sondern eine Seriösität behauptet.

Aus diesem Grund kann die Werbung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UWG als unlauter angesehen werden. Eine Irreführung ist nämlich auch in diesem Zusammenhang nur dann anzunehmen, wenn der Eindruck erweckt wird, die angesprochene Selbstverständlichkeit stelle einen besonderen Vorzug dar (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 5 Rn. 1.115). Dieser Eindruck entsteht aber im konkreten Fall nicht, denn es handelt sich lediglich um den zutreffenden Hinweis darauf, dass der Beklagte zu den seriösen Online-Händlern gehört. Sie dient also nicht dazu, einen Vorzug gegenüber Mitbewerbern zu behaupten, sondern dem Eindruck entgegen zu wirken, der Beklagte erbringe diese Leistung möglicherweise nicht.

(4) Die Berufungen beider Parteien bleiben ohne Erfolg, soweit sie sich gegen die landgerichtliche Bewertung der Werbung mit einer Dauertiefpreisgarantie wenden. Insoweit macht sich der Senat zunächst die Ausführungen des Landgerichts zu eigen und nimmt darauf Bezug.

Soweit die Garantie auf Produktseiten für Kontaktlinsen beworben wird, ist dies irreführend, denn der Verbraucher hat bei der konkreten Ausgestaltung keine Veranlassung, sich näher mit den Bedingungen zu befassen. Er wird vielmehr angesichts der hervorgehobenen Werbung annehmen, dass sich die Garantie selbstverständlich auf das angebotene Produkt bezieht.

Auch hinsichtlich der Erwähnung der allgemeinen Vorteile wird er davon ausgehen, dass die Garantie für alle angebotenen Artikel gilt, denn der Verbraucher hat keine Veranlassung angesichts der einschränkungslosen Werbung damit zu rechnen, dass ein nicht unerheblicher Teil des Warenangebots von der Garantie ausgenommen ist.

Der Bewerbung auf der Startseite wird der Verbraucher hingegen lediglich entnehmen, dass es überhaupt eine solche Tiefpreisgarantie gibt, ohne dies auf konkrete Produkte zu beziehen. Das bedeutet, dass er letztlich gezwungen ist, den dort sichtbaren Link „mehr“ anzuklicken, um zum Beispiel zu erfahren, für welche Angebote die Garantie gilt.

(5) Das Vorgesagte gilt ebenso für die insoweit identisch gestaltete Bewerbung des 10%igen Rabatts bei Lieferverzögerungen.

(6) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Landgericht der Klägerin auch einen Unterlassungsanspruch bezüglich der Vereitelung des Widerrufsrechts durch Nichtannahme einer Sendung zuerkannt. Auch hier nimmt der Senat zur Begründung auf die angefochtene Entscheidung Bezug.

Das im Termin in Augenschein genommene Paket belegt zunächst, dass dieses infolge einer Annahmeverweigerung in den Postrücklauf gelangt ist. Dieser Grund für die Rücksendung ist eindeutig auf dem entsprechenden Aufkleber durch den Zusteller vermerkt.

Zweifel hieran vermochte der Beklagte nicht zu begründen. Soweit er behauptet hat, eine Annahmeverweigerung sei aufgrund seiner vertraglichen Vereinbarungen mit der Firma D. ausgeschlossen, hat er auf die Vernehmung der hierzu benannten Zeugen insoweit verzichtet. Damit verbleibt es bei der Feststellung, dass das unfrei versandte Paket nicht angenommen wurde.

(7) Der Klägerin steht auch ein Anspruch auf Ersatz der Kosten für die Abmahnung zu, soweit diese berechtigt war. Da sie diese noch nicht gezahlt hat, kann sie verlangen, von dieser Forderung freigestellt zu werden. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass die insgesamt unter Berücksichtigung eines Streitwertes von 185.000,00 € erfolgte Abmahnung hinsichtlich eines Teiles, der sich nach den eigenen Angaben der Klägerin auf einen Wert von 50.000,00 € beläuft (15.000,00 € Artikelanzahl, 25.000,00 € Originalware und je 5.000,00 € bezüglich der Startseitenbewerbung von Garantie und Verzögerungsrabatt) unbegründet war. Richtet sich die Höhe der Abmahnkosten nach dem Gegenstandswert und erweist sich die Abmahnung als nur zum Teil berechtigt, ist die Höhe des Ersatzanspruchs nach dem Verhältnis des Gegenstandwerts zu bestimmen (BGH GRUR 2010, 744, Tz. 52 - Sondernewsletter). Daraus ergibt sich der im Tenor genannte Erstattungsanspruch.

Aus den Gründen des landgerichtlichen Urteils schuldet der Beklagte ferner Ersatz der Kosten des Testkaufs und die Verzinsung der verauslagten Gerichtskosten.

(8) Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Es besteht kein begründeter Anlass, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Bei der von der Klägerin für erheblich gehaltenen Frage der Werbung mit dem Angebot von Originalware beruht die Entscheidung auf einer Würdigung der besonderen Umstände des Einzelfalles, namentlich der textlichen Einbindung und des sonstigen Zusammenhangs. Der Senat weicht daher nicht in rechtlicher Hinsicht von der Beurteilung des Oberlandesgerichts Koblenz ab, sondern hat einen Einzelfall auf tatsächlicher Grundlage mit anderem Ergebnis entschieden.

Streitwert: 125.000,00 € (entsprechend der von den Parteien in der Berufungsinstanz nicht angegriffenen erstinstanzlichen Festsetzung, die den Wertangaben der Klägerin folgt. Der Wert für die Berufung der Klägerin wird auf 10.000,00 € festgesetzt.)






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 05.12.2011
Az: I-20 U 128/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2f7a2258dfbc/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_5-Dezember-2011_Az_I-20-U-128-10




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