Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 19. Mai 1995
Aktenzeichen: 6 U 19/95

(OLG Köln: Urteil v. 19.05.1995, Az.: 6 U 19/95)

Tenor

Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 6. Dezember 1994 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Aachen - 41 0 185/94 - abgeändert. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt,es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 500.000,00 DM, ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von sechs Monaten zu unterlassen,im geschäftlichen Verkehr gegenüber Einzelhändlern für die Teilnahme an dem "TOP-CARD-System" wie nachstehend wiedergegeben zu werben, sofern der Verbraucher die TOP-CARD nur gegen Zahlung eines Mitgliedsbeitrags von monatlich 2,00 DM, jährlich 24,00 DM, erhalten kann: Die Kosten des Verfahrens beider Instanzen werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

E n t s c h e i d u n g s g r ü n

d e :

Die Berufung des Antragstellers ist

zulässig und begründet.

Der Antrag des Antragstellers auf Erlaß

einer einstweiligen Verfügung ist zulässig; insbesondere ist die

Prozeßführungsbefugnis des Antragstellers gemäß §§ 12 RabattG, 13

Abs. 2 Ziff. 2 UWG gegeben.

Daß der Antragsteller über eine

hinreichende Ausstattung i.S.d. § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG zur

tatsächlichen Wahrnehmung seiner satzungsgemäßen Aufgabe der

Verfolgung gewerblicher Interessen verfügt, ist unstreitig und

zudem dem Senat aus einer Vielzahl von Prozessen bekannt.

Dem Antragsteller gehört jedoch auch -

wie von § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG darüber hinaus gefordert - eine

erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden an, die Waren oder

gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben

Markt wie der Verletzer vertreiben. Nach dieser Voraussetzung muß

der Antragsteller auf demselben - vor allem auch auf demselben

örtlichen - Markt eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden als

Mitglieder aufweisen, die selbst nach § 13 Abs. 1 Ziff. 1 UWG

prozeßführungsbefugt wären, wobei es keine Rolle spielt, ob diese

Gewerbetreibenden unmittelbar dem Antragsteller angehören oder nur

mittelbar durch die Zugehörigkeit von Verbänden oder Vereinigungen

zu dem Antragsteller erfaßt werden (vgl. dazu amtliche Begründung

zu § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG n.F., abgedr.i. WRP 1994/369, 377, 378).

Gegenstand der Beanstandung des Antragstellers im Streitfall ist

ein Wettbewerbsverhalten der Antragsgegnerin, das zum einen dazu

dient, den eigenen Wettbewerb der Antragsgegnerin zu fördern, zum

anderen aber auch dazu dienen soll, den Wettbewerb der

Einzelhändler, die sich dem TOP-CARD-System anschließen und sodann

nach Ansicht des Antragstellers unzulässige Rabatte gewähren, zum

Nachteil der sich nicht an dem TOP-CARD-System beteiligenden

Einzelhändler zu beeinflussen. Da der Antragsteller glaubhaft

gemacht hat, daß die Antragsgegnerin das streitgegenständliche

Anschreiben auch an einen Einzelhändler im K.er Raum geschickt hat,

wären danach gemäß §§ 12 RabattG, 13 Abs. 2 Ziff. 1 UWG nicht nur

Betreiber vergleichbarer Karten-Systeme wie das TOP-CARD-System

prozeßführungsbefugt, sondern ebenfalls die Einzelhändler im

Kölner Raum. Prozeßführungsbefugt ist nämlich ein Wettbewerber auch

gegenüber einer Person, die zwar nicht Waren oder gewerbliche

Leistungen gleicher oder verwandter Art vertreibt, aber den

unlauteren Wettbewerb eines Dritten mit solchen Waren oder

Leistungen fördert (vgl. Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17.

Aufl., § 13 Rdnr. 15 m.w.N.). Die Neufassung des § 13 Abs. 2 Ziff.

1 UWG durch das UWG-Ànderungsgesetz vom 25. Juli 1994 hat hierzu

keine Ànderung gebracht (vgl. dazu die amtliche Begründung,

abgedr.i. WRP 1994/369, 377).

Mitglied des Antragstellers ist jedoch,

wie von diesem glaubhaft gemacht, u.a. der Einzelhandelsverband

Köln. Damit ist zugleich hinreichend glaubhaft gemacht, daß dem

Antragsteller - zumindest mittelbar - eine erhebliche Zahl von

Gewerbetreibenden, die selbst nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 UWG i.V.m. §

12 RabattG im Streitfall prozeßführungsbefugt wären. Die

Prozeßführungsbefugnis des Antragstellers ist danach gemäß §§ 12

RabattG, 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG zu bejahen, ohne daß es darauf

ankommt, ob auch Betreiber von Karten-Systemen, die mit dem

TOP-CARD-System der Antragsgegnerin vergleichbar sind, zu seinen

Mitgliedern gehören.

Der Antrag auf Erlaß einer

einstweiligen Verfügung ist jedoch auch begründet.

Mit dem streitgegenständlichen

Anschreiben fordert die Antragsgegnerin die angesprochenen

Einzelhändler auf, sich einem Karten-System anzuschließen, bei dem

den Karteninhabern vom Händler unzulässige Sonderpreise i.S.v. §§ 1

Abs. 2 2. Alt., 9 RabattG gewährt werden; die Antragsgegnerin ist

damit selbst als Störerin für diesen Rabattverstoß verantwortlich

und gemäß §§ 12, 1 Abs. 2 2. Alt., 9 RabattG zur Unterlassung

verpflichtet, wie im Tenor dieses Urteils beschrieben.

Das von der Antragsgegnerin beworbene

TOP-CARD-System verpflichtet den Händler, der an diesem System

teilnimmt, Endverbrauchern bei Vorlage der TOP-CARD einen

Barzahlungsrabatt von (mindestens) 3 % zu gewähren. Der

Endverbraucher wiederum erhält die TOP-CARD nur, wenn er eine

entsprechende Vereinbarung mit der Antragsgegnerin abschließt und

einen Mitgliedsbeitrag von monatlich 2,00 DM, jährlich 24,00 DM,

entrichtet. Bei dieser Ausgestaltung des TOP-CARD-Systems werden

den TOP-CARD-Inhabern Sonderpreise i.S.v. § 1 Abs. 2 2. Alt.

RabattG gewährt, denn die von diesen Kunden geforderten Preise

sind aufgrund der Verpflichtung des Händlers zur Gewährung des

Barzahlungsrabatts um (mindestens) 3 % niedriger als die Preise,

die der Händler für dieselben Waren und Leistungen von den

restlichen Kunden üblicherweise fordert. Daß es dem Händler, der

dem TOP-CARD-System angeschlossen ist, nicht untersagt sein soll,

auch Nichtkarten-Inhabern einen Rabatt zu geben, wie die

Antragsgegnerin - wenig überzeugend angesichts der Intension des

TOP-CARD-Systems und der Ziff. 11 der dem streitgegenständlichen

Anschreiben beigehefteten Teilnahmebedingungen - behauptet, führt

zu keiner anderen Beurteilung. Bei diesem Nachlaß handelt es sich

um den üblichen Rabatt auf den Normalpreis im Einzelfall, der im

Belieben des Händlers steht, während der Händler gegenüber den

Kunden, die die TOP-CARD vorlegen, zur Rabattgewährung in der nach

dem TOP-CARD-System festgelegten Höhe verpflichtet ist und die von

den Karten-Inhabern geforderten Preise somit stets - von vornherein

- um (mindestens) 3 % niedriger als die sonst üblichen Preise

sind.

Dieser Sonderpreis wird den

TOP-CARD-Inhabern i.S.v. § 1 Abs. 2 2. Alt. RabattG auch nur wegen

ihrer Zugehörigkeit zu einem "bestimmten Verbraucherkreis"

eingeräumt.

Anders als in dem vom Bundesgerichtshof

entschiedenen Fall "Rabattkarte" (GRUR 1987/185 f.) beruhen die

den TOP-CARD-Inhabern gewährten Vorteile nicht auf einer

Rabattkarte, die auch anderen Verbrauchergruppen in gleicher Weise

wie den Besitzern der Karte ohne weiteres zugänglich wäre. Die

Privilegierung der TOP-CARD-Inhaber ist vielmehr an den Abschluß

einer entsprechenden Vereinbarung mit der Antragsgegnerin und der

Entrichtung des bereits angeführten Entgelts als "Eintrittsgeld"

für die Zugehörigkeit zu dem Kreis der bevorzugten Kunden geknüpft,

somit von belastenden Bedingungen abhängig. Die Inhaber der

TOP-CARD werden auf diese Weise zu einer Gemeinschaft, der für die

Geltungsdauer der Vereinbarung mit der Antragsgegnerin

gleichartige Vorteile bei der Inanspruchnahme der Leistungen der

dem TOP-CARD-System angeschlossenen Händler gewährt wird, was

ausreicht, um den Tatbestand des § 1 Abs. 2 2. Alt. RabattG

auszufüllen (vgl. dazu BGH GRUR 1981/290, 291 f. "Goldene Karte

II"; BGH WRP 1995/104 f. "Laienwerbung für Augenoptiker";

Baumbach-Hefermehl, a.a.O. § 1 RabattG Rdnr. 24 m.w.N.).

Da unstreitig der Ausnahmetatbestand

des § 9 RabattG vorliegend nicht eingreift, fordert die

Antragsgegnerin mit dem beanstandeten Schreiben somit die von ihr

umworbenen Unternehmen auf, sich einem Karten-System anzuschließen,

bei dem von den Unternehmen den Karten-Inhabern gemäß § 1 Abs. 2

2. Alt. RabattG unzulässige Sonderpreise gewährt werden.

Unerheblich ist dabei, ob die dem TOP-CARD-System angeschlossenen

Händler den Karten-Inhabern nur einen Barzahlungsrabatt in Höhe des

in § 2 RabattG vorgesehenen Nachlasses gewähren oder einen

weiteren Nachlaß, wie der Antragsteller im Hinblick auf Ziff. 3

der dem beanstandeten Anschreiben beigefügten Teilnahmebedingungen

des TOP-CARD-Systems meint, in der von einem Rabatt von "mindestens

3 %" die Rede ist. Sonderpreise i.S.v. § 1 Abs. 2 2. Alt. RabattG

sind auch dann verboten, wenn sich der Nachlaß im Rahmen des

zulässigen Barzahlungsrabatts hält (Allg. Meinung, vgl.

Baumbach-Hefermehl, a.a.O., § 1 RabattG Rdnr. 25 m.w.N.).

Die Antragsgegnerin ist danach gemäß §§

12, 1 Abs. 2 2. Alt. (9) RabattG zur Unterlassung der beanstandeten

Werbung verpflichtet. Der Antragsteller wiederum ist zur

Geltendmachung dieses Unterlassungsanspruchs gemäß §§ 12 Satz 2,

13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG aktivlegitimiert, denn die beanstandete

Werbemaßnahme der Antragsgegnerin ist geeignet, den Wettbewerb auf

dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Es handelt

sich dabei nicht nur um einen sogenannten Bagatellverstoß, wie er

nach dem Zweck des § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG n.F. nicht mehr von

Wettbewerbsvereinen verfolgt werden kann, sondern um einen Verstoß,

dessen "Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen so erheblich

sind, daß die Interessen der Allgemeinheit ernsthaft betroffen

werden" (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs zu § 13 Abs. 2 Nr. 2

UWG n.F., abgedr.i. WRP 1994/369, 377). Abzustellen ist dabei auf

Grad und Schwere des konkreten Verstoßes, wobei sämtliche Umstände

des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (vgl. BGH WRP 1995/104, 106

"Laienwerbung für Augenoptiker"). Im Streitfall läßt bereits die

beachtliche Anreizwirkung, die von dem beworbenen TOP-CARD-System

für Einzelhändler und Verbraucher ausgeht, die beanstandete

Wettbewerbshandlung nicht als bloßen Bagatellverstoß erscheinen.

Die Beteiligung an dem TOP-CARD-System mit der aufgezeigten

Verpflichtung, unzulässige Sonderpreise i.S.v. § 1 Abs. 2 2. Alt.

RabattG zu gewähren, verspricht dem Händler eine stärkere Bindung

zu dem Kunden, dem es daran gelegen sein muß, nur bei solchen

Händlern zu kaufen, die dem TOP-CARD-System angeschlossen sind und

den Rabatt bei Vorlage der TOP-CARD gewähren. Dabei sind die

Verbraucher gehalten, den Weg der Barzahlung oder der Zahlung per

Scheck zu wählen anstelle der Bezahlung mit Kreditkarte, die für

den Händler regelmäßig mit höheren Kosten als den hier in Rede

stehenden Rabatten verbunden ist. Der Anreiz für den Verbraucher,

Mitglied des TOP-CARD-Systems zu werden, liegt wiederum darin, daß

er (mindestens) 3 % Rabatt bei Vorlage der Karte erhält, ohne erst

danach den Händler fragen zu müssen, was für viele Verbraucher

immer noch unangenehm ist. Daß die Bedingungen des TOP-CARD-Systems

für ihn mit einer Reihe von Nachteilen verbunden ist, wird er wegen

des scheinbar niedrigen Mitgliedsbeitrags nicht bedenken, also

nicht berücksichtigen, daß er pro Monat mindestens für 67,00 DM

einkaufen muß, damit sich dieser Mitgliedsbeitrag "rentiert", bei

diesen Einkäufen auf die dem TOP-CARD-System angeschlossenen

Unternehmen beschränkt ist, dabei bar oder mit Scheck zahlen muß

und zudem keinen Rabatt auf Sonderangebote erhält (vgl. Ziff. 3 der

dem beanstandeten Anschreiben der Antragsgegnerin beigefügten

Teilnahmebedingungen, wonach die TOP-CARD nicht für "Sonderangebote

und Finanzierungen" akzeptiert wird).

Daß die Antragsgegnerin das

beanstandete Anschreiben nur an wenige Unternehmen versandt hat,

als sie von dem Antragsteller abgemahnt und im Wege der

einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen

worden ist, ist entgegen der Ansicht des Landgerichts ohne

Bedeutung. Gemäß § 13 Abs. 2 Ziff. 2 UWG ist auf die Eignung der

Werbemaßnahme zu wesentlichen Wettbewerbsbeeinträchtigungen

abzustellen; diese Eignung ist aber aus den dargelegten Gründen

beträchtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91

ZPO.

Das Urteil ist gemäß § 545 Abs. 2 ZPO

mit der Verkündung rechtskräftig.






OLG Köln:
Urteil v. 19.05.1995
Az: 6 U 19/95


Link zum Urteil:
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