Bundespatentgericht:
Beschluss vom 14. Oktober 2004
Aktenzeichen: 23 W (pat) 317/02
(BPatG: Beschluss v. 14.10.2004, Az.: 23 W (pat) 317/02)
Tenor
Das Patent 101 01 281 wird widerrufen.
Gründe
I Die Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts hat auf die am 12. Januar 2001 eingegangene Patentanmeldung das am 6. Juni 2002 veröffentlichte Patent mit der Bezeichnung "Schutzschaltung gegen die Möglichkeit des Ausspionierens von Daten bzw Informationen" (Streitpatent) erteilt.
Die Einsprechende hat mit dem am 6. September 2002 beim Patentamt eingegangenen Telefax - dessen Bezugsdatum im Schriftsatz "26.04.2002" offensichtlich inkorrekt ist -Einspruch erhoben. Zur Begründung macht die Einsprechende geltend, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit und nennt zum Stand der Technik neben den im Prüfungsverfahren genannten Druckschriften D1 deutsche Patentschrift 196 39 033 D2 PCT-Offenlegungsschrift WO 00/11719 die weiteren Druckschriften D3 europäische Patentschrift 0 151 714 D4 Prospekt EFTPOS-Terminal, Giesecke & Devrient GmbH, 15 Seiten, Druckzeichen 11/88/500 D5 deutsche Offenlegungsschrift 199 47 574.
Nach Auffassung der Einsprechenden lassen auch die Merkmale der erteilten Unteransprüche 2 bis 6 nichts erkennen, was einen Gegenstand von erfinderischer Qualität liefern könnte. Darüber hinaus macht sie geltend, dass die dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe durch die Lehre des Anspruchs 1 nicht gelöst werde.
Die Einsprechende beantragt, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragt, das Patent mit dem in der mündlichen Verhandlung vom 14. Oktober 2004 überreichten Anspruch 1 und den erteilten Ansprüchen 2 bis 6 beschränkt aufrechtzuerhalten.
Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen wesentlichen Punkten entgegen und ist der Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 durch den nachgewiesenen Stand der Technik einschließlich der vom Senat in das Verfahren eingeführten US-Patentschriften 5 533 123 und 5 159 629 nicht patenthindernd getroffen sei.
Der verteidigte Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Schutzschaltung miteiner Fotodiode als Lichtsensor (1), einem Referenzstromgenerator (2) undeinem Stromvergleicher (3), die zusammen in einem Halbleiterchip integriert sind und dafür vorgesehen sind, dassbei Auftreten einer Fotostromstärke, die über der Referenzstromstärke liegt, an einem Ausgang der Schaltung ein Signal erzeugt wird, mit dem der Zustand einer zu schützenden Schaltung in einer vorgesehenen Weise verändert wird."
Hinsichtlich der geltenden - erteilten - Unteransprüche 2 bis 6 wird auf die Streitpatentschrift und hinsichtlich weiterer Einzelheiten auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Zuständigkeit des (technischen) Beschwerdesenats des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Einspruch ergibt sich aus § 147 Abs 3 Nr. 1 PatG. Danach ist nicht das Patentamt, sondern das Patentgericht zuständig, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Einspruchsfrist nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Januar 2005 eingelegt worden ist.
III Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Der Einspruch ist auch begründet, denn der Gegenstand des verteidigten Patentanspruchs 1 erweist sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung als nicht patentfähig.
1.) Gegen die Zulässigkeit des Einspruchs bestehen seitens des Senats keine Bedenken. Die Einsprechende hat den Widerrufsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht und diesen ausreichend substantiiert. So setzt sich der Einspruch im Rahmen der Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit mit allen wesentlichen Merkmalen des erteilten Patentanspruchs 1 im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß den Druckschriften D3, D4 und D5 im einzelnen auseinander, vgl den Abschnitt "III. Erfinderische Tätigkeit" auf den Seiten 3 bis 5 des Einspruchsschriftsatzes.
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist von der Patentinhaberin im übrigen auch nicht in Frage gestellt worden.
2.) Der verteidigte Patentanspruch 1 ist zulässig. Denn er findet inhaltlich eine ausreichende Stütze im erteilten Anspruch 1 in Verbindung mit dem Ausführungsbeispiel nach Fig. 1 (hinsichtlich der Ausbildung des Vergleichers als Stromvergleicher 3). Hinsichtlich der ursprünglichen Offenbarung der Merkmale des verteidigten Anspruchs 1 bestehen ebenfalls keine Bedenken.
Die Zulässigkeit des verteidigten Patentanspruchs 1 ist im übrigen auch von der Einsprechenden nicht bestritten worden.
3.a) Nach den Angaben in der Streitpatentschrift (Sp 1 Z 3 bis 19) betrifft das Streitpatent eine Schutzschaltung, die dafür vorgesehen ist, eine elektronische Schaltung gegen Angriffe durch Einstrahlen von Licht zu schützen und die zB bei Banken eingesetzt wird, um die Information der vorhandenen elektronischen Schaltung gegen Ausspionieren zu sichern und einen missbräuchlichen Einsatz der Schaltung zu verhindern. Zu diesem Zweck werden nach den weiteren Angaben in der Beschreibungseinleitung (Sp 1 Z 19 bis 22) Lichtsensoren, die im wesentlichen aus Fotodioden oder Fototransistoren bestehen, in einer diskret aufgebauten Schaltung verwendet.
Ausgehend von einem diesbezüglichen Stand der Technik soll mit den Merkmalen des Anspruchs 1 die Aufgabe gelöst werden, eine Schutzschaltung gegen Lichtangriffe anzugeben, die in möglichst einfacher Weise in einem Halbleiterchip integriert werden kann (Abschnitt [0005] ).
b) Soweit die Einsprechende in diesem Zusammenhang geltend macht, dass diese Aufgabe durch die Merkmale des Anspruchs 1 nicht gelöst werde (Schriftsatz vom 28. April 2003 S 2 und 3), so ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die im Streitpatent formulierte "Aufgabe" bereits das Lösungsprinzip ("in einem Halbleiterchip integriert...") enthält und das der Erfindung zugrundeliegende, objektiv gelöste technische Problem (die Aufgabe) nach ständiger Rechtsprechung von allen Elementen der Lösung, wie Lösungsansätzen, Lösungsprinzipien oder Lösungsgedanken freizuhalten ist (vgl hierzu BGH GRUR 1991, 811, 814 liSp - "Falzmaschine" mwNachw; Busse, PatG, 6. Aufl., § 1 Rdn 91,92 mwNachw). Die insoweit von allen Lösungselementen befreite Aufgabe, nämlich eine Schutzschaltung gegen Lichtangriff anzugeben, die in möglichst einfacher Weise integriert werden kann, wird aber durch den im geltenden Anspruch 1 angegebenen Merkmalskomplex gelöst, nämlich die Fotodiode als Lichtsensor, den Referenzstromgenerator und den Stromvergleicher zusammen in einem Halbleiterchip zu integrieren, wobei der letzte Merkmalskomplex im Anspruch 1 - wie die Einsprechende zutreffend dargelegt hat (Schriftsatz vom 28. April 2003 S 3 Abs 3) - lediglich die Funktion der Schutzschaltung beschreibt. Dagegen müssen die Angaben, die der Fachmann zur Ausführung der geschützten Erfindung benötigt, nicht im Patentanspruch 1 enthalten sein; es genügt, wenn sie sich - wie hier - aus dem Inhalt der Patentschrift insgesamt ergeben (BGH Mitt 2003, 114 Ls - "Kupplungsvorrichtung II").
4.) Die Schutzschaltung gemäß geltendem Patentanspruch 1 ist zwar - wie sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt - gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik neu. Dessen Lehre beruht jedoch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Denn sie ergibt sich für den zuständigen Durchschnittsfachmann, einen mit dem Aufbau und der Herstellung von elektronischen Schutzschaltungen vertrauten, berufserfahrenen Diplom-Physiker oder Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik/Halbleitertechnik mit Universitätsabschluss, auf der Grundlage seines allgemeinen Fachwissens und seines Könnens in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik nach der US-Patentschrift 5 533 123.
So ist aus der US-Patentschrift 5 533 123 ein Sicherheitschip (single chip SPU (=Secured Processing Unit)) zur Verarbeitung sensibler Informationen und zum Speichern der Informationen gegen potentielle Angriffe bekannt, bei dem ua ein Lichtsensor (photo detector 16) als Schutzsensor sowie der nachgeschaltete Signal-Speicher (status register 11) in dem Halbleiterchip zusammen mit der zu schützenden Schaltung integriert sind, wobei mit dieser Schutzschaltung im Falle eines potentiellen Angriffs zB bei Entfernung der Chipabdeckung (deencapsulation of the chip) an einem Ausgang der Schaltung ein Signal erzeugt wird, mit dem der Zustand der zu schützenden Schaltung in einer vorgesehenen Weise verändert wird, vgl insbesondere Fig. 1 iVm Sp 5 vorle Abs, Sp 7 Abs 1, Sp 15 Z 41 bis 63 Abschnitt "b. Implementation of the Detectors; i. Photo Detector", Sp 23 Z 45 bis 56 sowie Tabelle II in Sp 25/26 letzte beide Zeilen, Sp 29 Z 41 bis 47 sowie Anspruch 2. Da in der US-Patentschrift 5 533 123 weiterhin dargelegt ist, dass der Lichtsensor als leicht dotiertes N-Typ Material im Rahmen von Standard-CMOS-Prozessen ohne extra Masken oder Verfahrensschritte implementiert werden kann (Sp 15 Z 53 bis 57), ist für den Fachmann offensichtlich, dass der so im Halbleiterchip implementierte Lichtsensor - entsprechend dem erteilten Anspruch 4 des Streitpatents - ein PN-Bauelement und damit eine Fotodiode ist.
Zwar ist in dieser Druckschrift nicht explizit angegeben, dass die bekannte Schutzschaltung mit Lichtsensor einen "Referenzstromgenerator" und einen "Vergleicher" aufweist. Nach der Überzeugung des Senats handelt es sich dabei jedoch um fachnotorisch bekannte, notwendige Schaltungskomponenten einer Lichtsensor-Schaltung zur Einstellung des Ansprech("Trigger")-Schwellenwertes, um so (erst) bei Auftreten einer Fotostromstärke, die über der Referenzstromstärke liegt, das den Zustand der zu schützenden Schaltung verändernde Ausgangssignal zu erzeugen (vgl hierzu den dortigen Hinweis ...the Photo Detector 16 may be triggered by....the actual deencapsulation of the chip - Sp 23 Z 50 - 53). Dabei liegt es im Rahmen fachmännischen Könnens, den Vergleicher zur Signalverarbeitung des Foto- bzw Referenzstroms als "Stromvergleicher" auszubilden, zumal die Patentinhaberin in der Streitpatentschrift (Sp 2 Z 19 bis 21) selbst ausführt, dass der angeschlossene Stromvergleicher bei der Schutzschaltung mit elektronischen Bauelementen einer an sich bekannten Schaltung bestückt ist.
Da bei der bekannten Schutzschaltung bereits der Lichtsensor (die Fotodiode) und der nachgeschaltete Signal-Speicher - wie dargelegt - im Halbleiterchip der zu schützenden Schaltung integriert sind ("singlechip SPU"), liegt es für den Fachmann auf der Hand, auch die zur Lichtsensor-Schaltung gehörigen (weiteren) Komponenten "Referenzstromgenerator" und "Stromvergleicher" im Rahmen der angegebenen Standard-CMOS-Prozesse ebenfalls im Halbleiterchip zu integrieren.
Somit gelangt der Fachmann ausgehend von der US-Patentschrift 5 533 123 ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1.
Die Schutzschaltung nach Anspruch 1 beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5.) Mit dem Patentanspruch 1 fallen - aufgrund der Antragsbindung (BGH GRUR 1997, 120 Ls, 122 - "Elektrisches Speicherheizgerät" mwNachw) - notwendigerweise auch die auf ihn rückbezogenen erteilten Unteransprüche 2 bis 6. Dass die Unteransprüche etwas selbständig Erfinderisches enthalten, hat die Patentinhaberin im übrigen auch nicht geltend gemacht.
Dr. Tauchert Dr. Meinel Knoll Dr. Häußler Pr
BPatG:
Beschluss v. 14.10.2004
Az: 23 W (pat) 317/02
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