Landgericht Düsseldorf:
Beschluss vom 9. September 2005
Aktenzeichen: 40 0 295/03 AktE

(LG Düsseldorf: Beschluss v. 09.09.2005, Az.: 40 0 295/03 AktE)

Tenor

Die Anträge der Antragsteller/innen auf Erhöhung der Barabfindung anlässlich des am 18.03.03 auf der Hauptversammlung der A beschlossenen "Squeeze-out" werden zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller/innen und des gemeinsamen Vertreter.

Gründe

I. Die 1898 gegründete A, Krefeld, ist im Handelsregister des Amtsgerichts Krefeld, HRB 2303, eingetragen. Das Grundkapital der Gesellschaft beträgt 11.536.023,07 Euro und ist in 451.250 Stückaktien (Aktien ohne Nennbetrag) eingeteilt. Die Gesellschaft wird an der Börse in Düsseldorf im amtlichen Handel notiert und an der Börse in Frankfurt/Main im Freiverkehr gehandelt.

Geschäftszweck war bis zum Jahr 1999 die Herstellung und der Vertrieb von schienengebundenen Fahrzeugen und Maschinen und Teilen. Seit dem Jahr 1994 war die A über einen Beherrschungsund Ergebnisabführungsvertrag an die B, Erlangen, (nach deren Anwachsung: C, Berlin und München) gebunden. Dieser Beherrschungsvertrag endete zum Ablauf des 31. Mai 2000. Die Angemessenheit der Höhe der damals angebotenen Ausgleichszahlungen und Abfindungen wird in einem beim Landgericht Düsseldorf -31 090/95 -anhängigen SpruchsteIlenverfahren überprüft.

Die A verkaufte 1999 ihr gesamtes operatives Geschäft an die D, Krefeld, eine 100%-Tochter der C. Im April 1999 wurde deshalb der Gegenstand des Unternehmens geändert in: "Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung des eigenen Vermögens. Die Gesellschaft kann sich an gleichartigen oder ähnlichen Unternehmen beteiligen sowie den Betrieb von Unternehmungen, Handelsgeschäften und Anlagen, die mit diesem Bereich zusammenhängen, übernehmen. Die Gesellschaft ist auch berechtigt, alle Maßnahmen zu ergreifen und alle Geschäfte zu machen, die zur Erreichung oder Förderung der Zwecke der Gesellschaft nützlich und angemessen erscheinen."

Seit dem 01. Juni 2000 befindet sich die A gemäß Beschluss der Hauptversammlung vom 31. Januar 2000 in Abwicklung. Die Gesellschaft hat außer Finanzanlagen keine eigenen Vermögenswerte.

1989 wechselte die Mehrheitsbeteiligung von der E, Aachen, zur B, Erlangen, die mittlerweile auf die C, Berlin und München, angewachsen ist.

Die Antragsgegnerin, die C, Berlin und München, die als Hauptaktionärin derzeit 446.675 Stück Aktien und damit rund 99 % der Aktien der Gesellschaft hält, hat am 22. November 2002 gemäß § 327a AktG verlangt, dass die nächste Hauptversammlung der Gesellschaft die Übertragung der Aktien aller übrigen Aktionäre der Gesellschaft auf die C gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung beschließt (sogenannter "Squeeze-Out"). Aufsichtsrat und Abwickler wurden gebeten, den Übertragungsbeschluss auf die Tagesordnung der nächsten Hauptversammlung zu setzen.

Die verlangte Übertragung ist auf der Hauptversammlung der A i.A. am 18.03.2003 beschlossen worden. Die Abfindung wurde auf 101,-€ festgesetzt.

Hiergegen wenden sich die Antragsteller/innen und der Gemeinsame Verttreter der nicht am Verfahren beteiligten außen stehenden Aktionäre im vor­liegenden aktienrechtlichen Spruchverfahren mit dem Ziel, die Barabfindung angemessen heraufzusetzen.

Sie sind der Auffassung, entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27. April 1999 dürfe der Börsenkurs der Aktie zum Zeitpunkt der Unternehmensentscheidung nicht außer Betracht bleiben. Er stelle in der Regel die Untergrenze der Abfindung dar. Ausweislich des von der Antragsgegnerin erstellten Vertragsberichts habe der durchschnittliche Börsenkurs der letzten 3 Monate bis zum 28.01.2003 € 181,37 betragen. Außerdem sei der Abfindungsanspruch aus dem Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrag zu berücksichtigen.

Die Antragsgegnerin meint, der Börsenkurs sei nicht als Untergrenze für die Abfindung maßgebend, weil die Ausnahmetatbestände vorliegen, nach denen auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts der Börsenkurs nicht heranzuziehen sei. Das Abfindungsangebot aus dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag von 1994 sei schon deshalb ohne Belang, weil der Vertrag im Jahre 2000 beendet worden sei.

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11.

Die Anträge der Antragsteller/innen haben keinen Erfolg, denn die von der

Hauptaktionärin, der Antragsgegnerin, festgesetzte Abfindung ist nicht zu

beanstanden.

Der Unternehmenswert der A. zum Stichtag, dem Tag der Hauptversammlung, ist zu Recht nicht nach der Ertragswertmethode berechnet worden, sondern ist im Liquidationswert der Gesellschaft verkörpert. Das ergibt sich schon daraus, dass die A kein operatives Geschäft mehr betreibt und sie sich bereits seit dem 31.05.1999 in Abwicklung befindet. Sie verfügt folglich nur über Barvermögen, stille Reserven sind nicht vorhanden. Der Unternehmenswert entspricht also dem Netto-Vermögenswert, der zugleich den höchsten erzielbaren Liquidationswert darstellt. Er wird zudem weder von den Antragsteller/innen noch vom Gemeinsamen Vertreter beanstandet.

Aus dem Unternehmenswert zum Stichtag in Höhe von 45.218.000,-€ ergibt sich bei Division durch die vorhandenen 451.250 Stückaktien ein Unternehmenswert pro Aktie von 100,21 €. Die Hauptaktionärin hat die Barabfindung auf 101,-€ festgesetzt.

Die weiteren Einwendungen der Antragsteller/innen und des Gemeinsamen Vertreters sind nicht begründet.

1. Börsenkurs als Untergrenze der Barabfindung:

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahre 1999 (Bundesverfassungsgericht AG 1999, 566) Fragen der Entschädigung der Minderheitsaktionäre einer börsennotierten AG im Fall der Abfindung oder des Ausgleichs aufgrund eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nach den §§ 304, 305 AktG bzw. der Abfindung im Falle der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss nach § 320 AktG unter dem Blickwinkel der Eigentumsgarantie des Art 14 GG behandelt. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht dem nach der bis damals ganz herrschenden Meinung unbeachtlichen Börsenkurs der Aktie eine maßgebliche Bedeutung eingeräumt. Zentrale Aussage des Bun­

desverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 27.04.1999 ist, dass Voraussetzung für die Zulässigkeit von Beherrschungsund Gewinnabführungsverträgen, sowie der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss ein Anspruch der außenstehenden Aktionäre auf "volle" Abfindung besteht. Der ausscheidende Aktionär muss erhalten, was seine gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist. Die nach Art. 14 GG geforderte "volle Entschädigung" darf nicht unter dem Verkehrswert liegen, der bei Börsen notierten Unternehmen nicht ohne Rücksicht auf den Börsenkurs festgesetzt werden kann. Die Verkehrsfähigkeit als Eigenschaft des Aktieneigentums darf bei der Wertbestimmung des Eigentumsobjekts nicht außer Betracht bleiben. Der Ausgleich für außenstehende Aktionäre muss vielmehr so bemessen sein, dass sie auch künftig solche Renditen erhalten, die sie erhalten hätten, wenn der Unternehmensvertrag nicht geschlossen worden wäre; die Abfindung muss so bemessen sein, dass die Minderheitsaktionäre den Gegenwert ihrer Gesellschaftsbeteiligung erhalten. Weiter wird davon ausgegangen, dass nur dann der Ausgleich als "volle" Entschädigung bezeichnet werden kann, wenn sie den Wert der Unternehmensbeteiligung an dem arbeitenden Unternehmen unter Einschluss der stillen Reserven und des inneren Geschäftswertes wiederspiegelt. Darüber hinaus muss die Abfindung so bemessen sein, dass die Minderheitsaktionäre jedenfalls nicht weniger erhalten, als sie bei einer freien Deinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrages oder der Eingliederung erhalten hätte. Es ist mit Art. 14 GG unvereinbar, wenn bei der Feststellung des Unternehmenswertes der Kurswert der Aktie bei börsennotierten Unternehmen außer Betracht bleibt. Auch steht mit Art. 14 GG nicht in Einklang, im aktienrechtlichen SpruchsteIlenverfahren eine Barabfindung festzusetzen, die niedriger ist als der Börsenkurs.

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Zunächst ist festzustellen, dass die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts sich einen Fall der Eingliederung beziehen. Über die Frage der Berücksichtigung des Börsenkurses im Falle des "Squeeze-Out" verhält sich die Entscheidung naturgemäß nicht, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts das Squeeze-Out Verfahren noch nicht gesetz­lich normiert war.

Aber auch wenn man in zulässiger Weise Parallelen zwischen dem Eingliederungsverfahren und dem Squeeze-Out Verfahren sehen kann, ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegend nicht einschlägig, weil sie sich auf Unternehmen im operativen Geschäft und nicht - wie hier - um ein Unternehmen in der Abwicklung bezieht. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, weshalb bei der Bemessung der Abfindung zwischen "arbeitenden" und zur Liquidation bestimmten Unternehmen kein Unterschied zu machen wäre. Der Wert eines Unternehmens, welches nur noch sein eigenes Vermögen verwaltet, ist der Wert seines Netto-Vermögens, also die Summe seiner Barmittel. Bei der Bewertung eines solchen Unternehmens gibt es ­ anders als bei der Ertragswertbestimmung - keine Spielräume, vielmehr handelt es sich allein um die rechnerische Addition der einzelnen Barwerte.

Der Börsenwert der A kann aber auch aus einem anderen Grund nicht als Untergrenze der Barabfindung im vorliegenden aktienrechtlichen Spruchverfahren herangezogen werden: Die Bewertung der Aktien am Markt ist ersichtlich durch die noch ausstehende Entscheidung der 1. Kammer für Handelssachen im aktienrechtlichen Spruch­verfahren aus Anlass des Abschlusses des Beherrschungs-Gewinnabführungsvertrages aus dem Jahre 1994 bestimmt. Im Streit steht dort die angebotene Abfindung von 195,06 €. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, dass der durchschnittliche Börsenkurs für die letzten drei Monate bis zum 28.01.2003 mit 181,37 €, also einem Wert unter der damals angebotenen Abfindung, aber über der im vorliegenden Squeeze-Out Verfahren angebotenen Abfindung bemessen wird. Unabhängig von der Frage, ob der Durchschnittskurs auf einem zutreffenden Referenzzeitpunkt basiert ergibt sich aus der konkreten Fallkonstellation, dass er keine Aussage über den wahren Wert der Aktie zum Stichtag enthält.

Auf die auch vom Bundesverfassungsgericht erwähnten Tatbestände der ausnahmsweisen Nichtsberücksichtigung der Börsenkurses als Untergrenze für die Abfindung brauchte folglich die Kammer nicht mehr einzugehen, weil schon die tragenden Entscheidungsgrundlagen des Bundesverfassungsgerichts auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar sind.

2. Berücksichtigung des Abfindungsanspruches aus dem Beherrschungs­ und Gewinnabführungsvertrag von 1994:

Zu Unrecht meinen die Antragsteller/innen, die Abfindung im vorliegenden Squeeze-Out Verfahren dürfe die im aktienrechtlichen Spruchverfahren auf Grund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages angebotene Abfindung nicht unterschreiten, müsse vielmehr mindestens der Höhe nach so zu bemessen sein, wie die 1. Kammer für Handelssachen die Angemes­senheit der dortigen Barabfindung festsetze.

Im vorliegenden Squeeze-Out Verfahren bestimmt sich die Abfindung nach dem Wert des Unternehmens zum Stichtag 18.03.2003. Dass sich der Unternehmenswert der A i.A. seit dem anders darstellt als zum Zeitpunkt des Unternehmensvertrages in Jahre 1994 liegt auf der Hand. Beispielhaft - aber mit aller Deutlichkeit - wird der veränderte Unternehmenswert dadurch bestimmt, dass zwischenzeitlich das operative Geschäft der A i.A. veräußert und der Erlös in einer Sonderausschüttung den Aktionären zugeteilt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 306 Abs. 7 Satz 7 AktG, 13 a Abs. 1 FGG. Das Verfahren hat keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, dass die Kosten aus Billigkeitsgründen nicht der Antragsgegnerin aufzuerlegen wären.

Naumann Ziemann Luberichs






LG Düsseldorf:
Beschluss v. 09.09.2005
Az: 40 0 295/03 AktE


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