Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 27. Oktober 1995
Aktenzeichen: 6 U 14/95
(OLG Köln: Urteil v. 27.10.1995, Az.: 6 U 14/95)
1. Ein Unternehmen, das nicht älter als ein Konkurrenzunternehmen ist, darf sich im geschäftlichen Verkehr nicht als ,das älteste" am Platze bezeichnen.
2. Für die Annahme der Fortführung eines Unternehmens i.S. einer wirtschaftlichen Kontinuität zwischen dem gegenwärtigen (übernommenen) und dem früheren Unternehmen kommt es allein darauf an, daß der Óbernehmer aus der maßgeblichen Sicht des Verkehrs keinen völlig neuen Betrieb eröffnet, sondern an den bisherigen Geschäftsbetrieb unter Nutzung der von diesem geschaffenen Verhältnisse in wirtschaftlicher Weise und organischer Weiterentwicklung anknüpft.
Tenor
1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 1.12.1994 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 81 O 14/94 - wird zurückgewiesen. 2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beklagten je zu 1/2 zu tragen.3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 10.000 DM festgesetzt.
Gründe
E n t s c h e i d u n g s g r ü n
d e
Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen
Erfolg.
Die beanstandete Werbeaussage ist irreführend und daher - wie
durch das Landgericht geschehen - in ihrer konkret verwendeten Form
gemäß § 3 UWG zu untersagen.
Die angegriffene Werbung bringt unmißverständlich zum Ausdruck,
daß das jetzt von den Beklagten geführte Bestattungsunternehmen das
älteste in K.-D. sei. Dies wird auch im Berufungsverfahren von den
Beklagten nicht mehr bestritten. Ihre Behauptung, die Werbeaussage
sei inhaltlich richtig und daher nicht irreführend, trifft indes
nicht zu.
Auch aus dem Vortrag der Beklagten ergibt sich, daß das
Unternehmen des Klägers, also die fragliche wirtschaftliche Einheit
als solche, bereits seit 1969 existiert. Die Werbeaussage der
Beklagten wäre daher nur dann nicht zu beanstanden, wenn das jetzt
von ihnen geführte Unternehmen noch früher gegründet worden wäre.
Das ist indes schon nach dem - überdies widersprüchlichen - Vortrag
der Beklagten nicht der Fall. Danach soll auch ihr Unternehmen auf
eine Betriebsgründung seitens des Vaters der Beklagten zu 1) im
Jahre 1969 zurückgehen. Es ist schon zweifelhaft, ob sich diese
Behauptung aus dem Vortrag der Beklagten mit der erforderlichen
Gewißheit ergibt. Das kann indes offenbleiben, weil das Unternehmen
dann allenfalls gleich alt wie dasjenige des Klägers und die
Herausstellung als "ältestes Bestattungsunternehmen in D."
auch in diesem Falle unrichtig und damit irreführend wäre. Ein
Unternehmen, das nicht älter ist als ein Konkurrenzunternehmen am
selben Ort, darf sich nämlich nicht - da unzutreffend - als das
älteste am Platze bezeichnen und solcherart eine ihm jedenfalls
alleine nicht zukommende Wertschätzung, die sich auf eine
langjährige Praxis und Erfahrung gründet und die für den Verkehr
von nicht unerheblicher Bedeutung ist, nicht für sich in Anspruch
nehmen.
Der Kläger führt zumindest einen bedeutenden Teil des Betriebes
fort, den der Vater der Beklagten zu 1), Herr P. B., im Jahre 1969
gegründet hat. Das bedarf nur hinsichtlich der Frage, ob dieser
Betrieb oder doch ein Teil dieses Betriebes von dem Rechtsvorgänger
des Klägers, Herrn L., im Jahre 1983 übernommen und fortgeführt
worden ist, näherer Begründung. Denn daß der Kläger später durch
den im Jahre 1987 mit diesem geschlossenen Vertrag den bis dahin
von Herrn L. in der A.strasse 27 geführten Betrieb übernommen hat,
ist zwischen den Parteien außer Streit.
Ein Fortführen des Unternehmens setzt nach dem insoweit
maßgeblichen allgemeinen Sprachgebrauch und -Verständnis nicht eine
Óbernahme des Betriebes mit allen Aktiva und Passiva, also
insbesondere nicht die Óbernahme etwa bestehender Verbindlichkeiten
voraus, wie dies in anderem, etwa handelsrechtlichen Zusammenhang
von Bedeutung sein mag. Es genügt vielmehr, wenn der Óbernehmer
nicht einen völlig neuen Betrieb eröffnet, sondern an den
bisherigen Geschäftsbetrieb unter Ausnutzung der von diesem
geschaffenen Verhältnisse in wirtschaftlicher Weise ohne Bruch
anknüpft und in einer organischen Entwicklung seine geschäftliche
Beziehung unter Wahrung des wesentlichen Charakters des
Unternehmens aufnimmt und sie ggfls. ausbaut (vgl.
Baumbach/Hefermehl, UWG, 18. Aufl., § 3 Rdnr. 393 m.w.N.).
Diese Kriterien sind indes auch bei Zugrundelegung des
Sachvortrages der Beklagten einschließlich ihres teilweise neuen
Vorbringens in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 2.10.1995
erfüllt.
Schon die Tatsache, daß Herr L. den Betrieb in demselben Hause
geführt hat, in dem zuvor Herr B. als Bestattungsunternehmer tätig
gewesen war, spricht deutlich für die Fortführung des Unternehmens
im vorstehenden Sinne. Wegen der langjährigen Präsenz eines
Bestattungsunternehmens im Hause A.strasse 27 hatte dieses nämlich
einen gewissen Bekanntheitsgrad erreicht. Nicht wenige Kunden
werden daher das Unternehmen des Herrn L. im Hinblick auf diese
Bekanntheit und ohne Rücksicht auf den inzwischen eingetretenen, im
Einzelfall möglicherweise von ihnen gar nicht wahrgenommenen
Wechsel in Anspruch genommen haben. Schon dadurch unterscheidet
sich die Situation des von Herrn L. geführten Betriebes erheblich
von einem solchen, der völlig neu und insbesondere in einem Hause
eröffnet wird, in dem sich vorher kein Bestattungsunternehmen
befand.
Es ist überdies davon auszugehen, daß Herr L. jedenfalls anfangs
auch von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, die frühere Bezeichnung
"Bestattungshaus B." fortzuführen, weil die Beklagten hierzu in
erster Instanz vorgetragen haben, Herr L. habe "dann doch", mithin
erst später, auf die Weiterführung des Namens verzichtet.
Selbst wenn dies im übrigen nicht oder nur für einen kurzen
Zeitraum der Fall gewesen sein sollte, so zeigt doch die Tatsache,
daß Herrn L. vertraglich ausdrücklich das Recht eingeräumt worden
ist, die Bezeichnung "Bestattungshaus B." mit Nachfolgeklausel für
seinen Betrieb zu verwenden (§ 7), daß die damaligen
Vertragsparteien selbst nicht von der Gründung eines völlig neuen
Unternehmens ausgegangen sind. Denn ein von dem früheren
Unternehmen unabhängiges, sozusagen nur zufällig im selben Hause
ansässiges Unternehmen kann nicht das Recht haben, den Namen des
früher dort befindlichen Betriebes fortzuführen und sich so einen
eventuellen guten Ruf des bisherigen Unternehmens zunutze zu
machen.
Es kommt hinzu, daß Herr L. die Verpflichtung eingegangen ist,
bestimmte bereits von Herrn P. B. eingegangene
Beerdigungsverpflichtungen nach dem Ableben der betreffenden
Personen zu erfüllen (§ 6 a) und bestimmte Vereinbarungen, die Herr
B. über Werbemaßnahmen, Eintragungen im Telefonbuch und den Bezug
von Zeitungen für seinen Betrieb getroffen hatte, gegen sich gelten
zu lassen (§ 6 b). Auch diese Verpflichtungen und ihre
anschließende Erfüllung durch Herrn L., von der mangels
abweichendem Vortrag der Beklagten auszugehen ist, zeigt deutlich,
daß der Betrieb des Hern L. an denjenigen des Herrn B. anknüpfte
und auf diesen in einer Weise aufgebaut war, daß nach dem
maßgeblichen allgemeinen Sprachgebrauch und aus der Sicht des
Verkehrs von einer Fortführung, d.h. einem wirtschaftlichen
Fortleben des Unternehmens des Herrn B. in seinem Wesenskern,
auszugehen ist.
Die Vertragsparteien haben im übrigen die vorstehend
aufgeführten Vereinbarungen auch unter Berücksichtigung des
Vorbringens der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 2.10.1995 nicht
nur in den schriftlichen Vertragstext aufgenommen, sondern auch
tatsächlich so gewollt. Die Beklagten behaupten nämlich nicht etwa,
daß die Vertragsparteien die schriftlich niedergelegten
Vereinbarungen entgegen dem Wortlaut des Vertrages tatsächlich
nicht gewollt hätten. Ihre Behauptung, Herr L. habe durch den
Vertrag nicht das gesamte Unternehmen des Herrn B. übernehmen
wollen, besagt nicht, daß die Vereinbarungen über die
Namensfortführung, die bereits eingegangenen
Beerdigungsverpflichtungen und die im § 6 b) des Vertrages
enthaltenen Regelungen tatsächlich nicht dem übereinstimmenden
Willen der damaligen Vertragsparteien entsprochen hätten.
Gegen die Annahme einer Fortführung des Betriebes des Herrn B.
i.S. einer Kontinuität zwischen dem gegenwärtigen (übernommenen)
und dem früheren Unternehmen spricht auch weder, daß die
Vertragsparteien ihre Vereinbarungen als "Kaufvertrag" bezeichnet
haben, noch die von Herrn B. im § 2 des Vertrages übernommene - und
später erfüllte - Verpflichtung, sein Unternehmen "aufzulösen,
abzuwickeln und abzumelden".
Die Bezeichnung des Vertrages als "Kaufvertrag" vermag an der
Tatsache nichts zu ändern, daß die vertraglichen Vereinbarungen
zumindest durch die vorstehend aufgeführten Regelungen weit über
einen Kaufvertrag hinausgehen. Die Bezeichnung des Vertrages als
"Kaufvertrag" mag ein Anzeichen dafür sein, daß die
Vertragsparteien in der Óbernahme des Inventars den Schwerpunkt der
Vereinbarungen gesehen haben, und könnte im übrigen auch in der von
den Beklagten selbst eingeräumten Tatsache begründet sein, daß der
Text von einem Nichtjuristen aufgesetzt worden ist. Sie ändert
indes nichts daran, daß die Vereinbarung auch die angesprochenen
weiteren Elemente enthält, die zumindest im Zusammenhang mit der
Ausübung des Betriebes im selben Hause die Annahme einer
Betriebsfortführung, d.h. einer wirtschaftlichen Fortdauer des
bestehenden Unternehmens rechtfertigen.
Das gilt auch für die Verpflichtung des Herrn B., seinen Betrieb
aufzulösen, abzuwickeln und abzumelden, die im übrigen ersichtlich
dem Zweck diente, eine Konkurrenz durch Herrn B. zu verhindern.
Auch nach der förmlichen Auflösung, Abwicklung und Abmeldung des
Betriebes konnte Herr L. in wirtschaftlicher Hinsicht und für die
angesprochenen Verkehrskreise eben diesen Betrieb ohne weiteres
fortführen, was aus den vorstehenden Gründen auch geschehen
ist.
Nach alledem besteht der heute von dem Kläger geführte Betrieb
in der A.strasse 27 in K.-D. in nicht unterbrochener Kontinuität
seit dem Jahre 1969 dergestalt, daß er aus der maßgeblichen Sicht
des Verkehrs als wesensgleich mit dem ursprünglichen angesehen wird
(vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, 18. Aufl., § 3 Rdnr. 393).
Das von den Beklagten geführte Unternehmen ist somit jedenfalls
nicht älter als dasjenige des Klägers.
Im Hinblick auf ihren wechselnden Vortrag ist schon zweifelhaft,
ob überhaupt von der Richtigkeit der im Berufungsverfahren neu
aufgestellten Behauptung der Beklagten ausgegangen werden kann,
wonach es sich bei ihrem Unternehmen um den Teil des 1969 von Hern
P. B. gegründeten Betriebes handeln soll, der im Jahre 1972 von
diesem auf Frau Ursula B. übergegangen ist. Zweifel sind hieran
insbesondere deswegen angebracht, weil über diesen Betrieb, der
bemerkenswerterweise in der Klageerwiderung noch überhaupt nicht
erwähnt worden war, in erster Instanz vorgetragen worden ist, er
sei vom Jahre 1973 an bis Mitte 1983 von Frau K. J. geführt worden,
während es in der Berufungserwiderung heißt, Frau U. B. habe den
Betrieb (durchgängig) selbst geführt und Frau J. habe zwischen 1973
und 1983 einen (dritten) selbständigen Betrieb in der A.strasse
gehabt.
Diesen Zweifeln braucht indes nicht näher nachgegangen zu
werden. Selbst wenn es sich bei dem Betrieb der Beklagten nämlich
tatsächlich um denjenigen handeln sollte, den im Jahre 1972 die
Mutter der Beklagten zu 1) übernommen hatte, und wenn man zu
Gunsten der Beklagten überdies annehmen wollte, Herr P. B. habe
schon von Anfang an, also seit der Betriebsgründung im Jahre 1969,
nicht nur in der H.strasse, sondern auch in der A.strasse seinen
Betrieb geführt, ist der Betrieb der Beklagten jedenfalls nicht
älter als derjenige des Klägers, sondern nur gleich alt.
Auch unter diesen Umständen ist indes die Bezeichnung "ältestes
Bestattungsunternehmen in D." nicht zutreffend und damit
irreführend. Zumindest ein nicht unerheblicher Teil der
angesprochenen Verkehrskreise versteht die Aussage nämlich - was
der Senat selbst feststellen kann, weil seine Mitglieder zu den
angesprochenen Verkehrskreisen zählen - als Alleinstellungswerbung
in dem Sinne, daß es nicht nur keine älteren, sondern auch keine
gleich alten Bestattungsunternehmen in K.-D. gibt. Dies trifft
indes auch nach dem Vortrag der Beklagten selbst nicht zu, sodaß
die Werbeaussage auch unter Berücksichtigung ihres
Berufungsvorbringens als Irreführung gemäß § 3 UWG zu untersagen
ist. Erfahrungsgemäß rechnet das Publikum bei einem alten
("eingesessenen") Unternehmen mit Vorzügen, die ein jüngeres
Unternehmen nicht aufzuweisen hat, woraus - unabhängig von der
Rechtsform und möglicher Rechtsnachfolge - zwanglos die
wettbewerbliche Relevanz einer solchen unzutreffenden Alterswerbung
herzuleiten ist.
Schließlich kann dahinstehen, ob der Kläger, wie die Beklagten
in ihrem nachgelassenen Schriftsatz erstmals behaupten, selbst mit
einer unrichtigen Altersangabe wirbt. Auch wenn dies so sein
sollte, stünde der sog. Einwand der "unclean hands" mit Rücksicht
auf die durch den verletzten § 3 UWG geschützten
Allgemeininteressen dem Klageanspruch und seiner Geltendmachung
nicht entgegen (vgl. nur Baumbach/Hefermehl, § 3 UWG RZ 442
m.w.N.).
Der nach Ablauf der Schriftsatzfrist eingegangene weitere
Schriftsatz der Beklagten vom 17.10.1995 gibt weder für eine
Ergänzung der vorstehenden Urteilsgründe noch für die beantragte
Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung Anlaß.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs.1, 100 Abs.1
ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§
708 Nr.10, 713 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten
entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 10.000 DM
OLG Köln:
Urteil v. 27.10.1995
Az: 6 U 14/95
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