Oberlandesgericht Celle:
Urteil vom 19. Januar 2006
Aktenzeichen: 13 U 191/05
(OLG Celle: Urteil v. 19.01.2006, Az.: 13 U 191/05)
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LandgerichtsHildesheim vom 27. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf dieVollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht dieBeklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zuvollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert und Beschwer des Klägers: 30.000 EUR.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört. Die Beklagte betreibt Internetseiten unter der Domain €www....€. Um Zugang zu den Seiten pornografischen Inhalts zu erhalten, musste der Nutzer Anfang des Jahres 2005 das Altersverifikationssystem €...€ Version 2, nach Behauptung der Klägerin alternativ Version 1, passieren. Dabei waren eine Personalausweis- oder Reisepassnummer mit der Postleitzahl des Ausstellungsorts sowie eine E-Mail-Adresse anzugeben, in der Version 2 außerdem Name, Adresse und Kreditkartennummer oder Bankverbindung.
Der Kläger hat geltend gemacht, dass die Beklagte gegen § 184 Abs. 1 Nr. 1 StGB a. F., § 4 Abs. 1, 2 Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) verstoße. Ihr Verhalten stelle zugleich einen Verstoß gegen das Verbot des unlauteren Wettbewerbs dar (§§ 3, 4 Nr. 11 UWG). Das System €...€ verhindere nicht den Zugriff von Jugendlichen 18 Jahren auf die pornografischen Seiten.
Der Kläger hat beantragt,
der Beklagten bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu untersagen,
im geschäftlichen Verkehr den Abruf pornografischer Darstellungen unter Nutzung des Altersverifikationssystems €...€ anzubieten/oder zuzulassen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, dass das Altersverifikationssystem €...€ in der Version 2 ausreichenden Schutz biete. Außerdem existierten im Internet etwa 260 Millionen pornografische Webseiten, meist völlig ohne Jugendschutz, die von Deutschland aus abrufbar seien.
Das Landgericht hat die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Es fehle jedenfalls an der Erheblichkeit des geltend gemachten Wettbewerbsverstoßes. Angesichts der millionenfachen Möglichkeit, im Internet mit einfachen Suchmethoden unkontrolliert auf Angebote mit pornografischem Inhalt zurückzugreifen, lasse sich eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht feststellen. Mit dem benutzten Altersverifikationssystem, auch wenn es einem €f.-t.-f.-Schutzsystem€ nicht
gleichkomme, unterscheide sich die Beklagte von den Marktteilnehmern, bei denen völlig unkontrollierter Zugang möglich sei.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen erstinstanzlichen Antrag weiter.
II. Die Berufung ist unbegründet.
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis mit Recht abgewiesen. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass ihm eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, und dass die geltend gemachte Zuwiderhandlung die Interessen dieser Mitglieder berührt (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG).
1. Der Kläger macht ohne Erfolg gelten, seine Klagebefugnis ergebe sich bereits daraus, dass er einer der Verbände sei, die in der zu § 13 Abs. 5 Satz 2 UWG erlassenen Unterlassungsklagenverordnung vom 3. Juli 2002 genannt seien. Die Nennung in der Verordnung begründet nur Auskunftsansprüche gegenüber bestimmten Leistungserbringern (BGH, Urteil vom 16. Januar 2003 - I ZR 51/02 - Sammelmitgliedschaft).
2. Bei der Frage, ob dem Kläger eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, sind diejenigen Mitglieder des Klägers zu berücksichtigen, die sich auf demselben räumlichen und sachlichen Markt mit der Beklagten als Wettbewerber begegnen, also um Kunden konkurrieren können. Der maßgebliche Markt wird im Wesentlichen durch die Geschäftstätigkeit des werbenden Unternehmens bestimmt (BGH, Urteil vom 25. April 1996 - I ZR 82/94 - Großimporteur). Diese erstreckt sich bei dem über das Internet bereitgestellte Angebot der Beklagten auf das gesamte Bundesgebiet. Die den sachlichen Markt betreffende Voraussetzung, dass Waren oder Dienstleistungen €gleicher oder verwandter Art€ vertrieben werden müssen, ist weit auszulegen. Die beiderseitigen Waren- oder Dienstleistungen müssen sich ihrer Art nach so gleichen oder nahestehen, dass der Absatz der Waren (Dienstleistungen) des einen Mitbewerbers durch (irgendein) wettbewerbswidriges Handeln des anderen beeinträchtigt werden kann (BGH a. a. O.; BGH, Urteil vom 5. Oktober 2000 - I ZR 237/98 - Vielfachabmahner). Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG müssen die Interessen der auf demselben sachlich und räumlich relevanten Markt tätigen Mitglieder durch die konkrete Zuwiderhandlung berührt werden. Im Hinblick darauf, welche Zahl von Unternehmen erheblich i. S. des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG ist, kommt es nicht auf die Mitgliedschaft einer bestimmten Mindestzahl oder der Mehrheit der Mitbewerber an. Erforderlich und ausreichend ist vielmehr, dass Gewerbetreibende aus der einschlägigen Branche im Verband nach Anzahl und/oder Größe, Marktbedeutung oder wirtschaftlichem Gewicht repräsentativ vertreten sind, sodass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes ausgeschlossen werden kann (BGH, Urteil vom 5. Juni 1997 - I ZR 69/95 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III, Urteil vom 13. November 2003 - I ZR 141/02 - Hamburger Auktionatoren).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Es ist fraglich, ob überhaupt ein Mitgliedsunternehmen des Klägers mit der Beklagten, die im Internet pornografische Inhalte anbietet, im Wettbewerb steht. Zwar umfasst der sachliche Markt auch durch andere Medien als das Internet - insbesondere durch Zeitschriften, Tonträger oder Fernsehen - verbreitete Pornografie. Selbst auf diesem weiteren Markt gehören dem Kläger aber keine Unternehmen an, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art wie die Beklagte vertreiben und deren Interessen durch die geltend gemachte Zuwiderhandlung berührt werden.
Von den Mitgliedern des Klägers kommt allenfalls die B. U. GmbH in Betracht, bezüglich welcher der Kläger allerdings selbst vorträgt, dass sie nur ab 16 Jahren freigegebene Artikel vertreibe, nicht jedoch pornografische Inhalte. Es kann offen bleiben, ob unter diesen Umständen von einem Wettbewerbsverhältnis zwischen der B. U. GmbH und der Beklagten ausgegangen werden kann (vgl. Mitteilung der B. U. GmbH vom 12. Dezember 2005, dass nach ihrer Auffassung kein Wettbewerbsverhältnis bestehe, Bl. 337 d. A.). Jedenfalls lässt sich nicht feststellen, dass die B. U. GmbH alle Gewerbetreibenden auf dem sachlich relevanten Markt, der hauptsächlich durch den Vertrieb pornografischer Medien gekennzeichnet ist, repräsentativ vertritt.
19Soweit mehrere Verlage und Versandhandelsunternehmen zu den Mitgliedern des Klägers zählen, ist nicht ersichtlich, dass eine nicht ganz unbedeutende Beeinträchtigung dieser Unternehmen auch nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit in Betracht gezogen werden kann. Der Kläger hat trotz Auflage nichts Konkretes dafür vorgetragen, dass von diesen Mitgliedsunternehmen Medien mit pornografischen oder erotischen Inhalten angeboten werden. Die vom Mitglied des Klägers G. und J. AG verlegte Zeitschrift €S.€ enthält keine pornografischen Inhalte. Der Verkauf dieser Zeitschrift wird nicht durch die beanstandete Wettbewerbshandlung beeinträchtigt. Den weiteren Vortrag, dass die H. B. Verlag KG eine Vielzahl von Erotika €bis hin zu reinen Sexheften€ im Angebot habe, hat der Kläger nicht weiter substantiiert. Er hat vielmehr vorgetragen, bei den Unternehmen, die mit der Beklagten konkurrierten, handele es sich um Tochtergesellschaften seiner Mitglieder B. Verlag KG und B. AG. Die P.-M. KG, Tochtergesellschaft der B. Verlag KG, sei Deutschlands größte Verlegerin von Sexzeitschriften. Die Senderkette R., Tochtergesellschaft des Mitglieds B. AG, biete u. a. Sexfilme an. Auch damit lässt sich die Klagebefugnis nicht begründen: Nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG muss der Unternehmer, der Mitglied des Verbands ist, selbst Waren- oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben. Die Beteiligung des Mitgliedsunternehmens an einem anderen Unternehmen, das diese Voraussetzungen erfüllt, reicht nicht aus. Dies folgt aus der Definition des § 2 Abs. 2 UWG i. V. m. § 14 BGB, nach der Unternehmer im Sinn des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft ist, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Das ist bei Personen- oder Kapitalgesellschaften die Gesellschaft, nicht deren Inhaber (Ahrens/Jestaedt, 5. Aufl., Kap. 18 Rdnr. 13; Teplitzky, 8. Aufl., Kap. 13 Rdnr. 8). Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung greift die Rechtsprechung, nach der auch eine über einen anderen Verband vermittelte Mitgliedschaft ausreichen kann, nicht ein. Denn in den Fällen, in denen sich ein Verband auf die mittelbare Mitgliedschaft von Mitbewerbern des in Anspruch genommenen Unternehmens stützt, muss feststehen, dass die Mitbewerber das die Mitgliedschaft vermittelnde Mitglied des klagenden Verbandes mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraut haben (BGH, Urteil vom 11. November 2004 - I ZR 75/02 - Sammelmitgliedschaft II). Auch wenn eine solche Ermächtigung nicht ausdrücklich erklärt zu sein braucht (BGH a. a. O.; BGH Urteil vom 16. Januar 2003 - I ZR 51/02 - Sammelmitgliedschaft), kann sie hier nicht festgestellt werden. Der Vortrag des Klägers, dass es sich bei den Mitbewerben des Beklagten um Tochtergesellschaften zweier seiner Mitglieder handele, reicht nicht aus. Abgesehen davon, dass der Kläger zum Umfang der Beteiligungen nichts ausgeführt hat, besteht keine Vermutung dafür, dass Tochtergesellschaften ihre wettbewerblichen Interessen durch die Muttergesellschaften wahrnehmen lassen. Es liegt wenigstens ebenso nahe, dass die Tochtergesellschaften über die Verfolgung etwaiger sie betreffende Wettbewerbsverstöße allein entscheiden möchten und dass die Muttergesellschaften ihnen diese Möglichkeit auch lassen.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
OLG Celle:
Urteil v. 19.01.2006
Az: 13 U 191/05
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