Bundesgerichtshof:
Urteil vom 13. November 2013
Aktenzeichen: I ZR 77/12
(BGH: Urteil v. 13.11.2013, Az.: I ZR 77/12)
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts vom 21. März 2012 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt vom 21. Juli 2011 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittel.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der Kläger ist der Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V. Die Bezeichnung "Haus & Grund" ist Bestandteil seines Firmennamens. Die Beklagte betreibt ein Immobilienmaklerunternehmen in Thüringen. Sie firmierte ursprünglich unter der Bezeichnung "Eigentum Haus & Grund GmbH".
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 24. Februar 2006 wegen der Verwendung seines Firmenbestandteils "Haus & Grund" ab. Die Beklagte verpflichtete sich daraufhin gemäß der der Abmahnung beigefügten Unterlassungsverpflichtungserklärung, es im geschäftlichen Verkehr, namentlich mit Immobilien- und Hausverwaltungen, zu unterlassen, die Bezeichnung "Haus & Grund" im Firmennamen sowie das Wort-Bild-Markenzeichen von "Haus & Grund", Zentralverband der Deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer e.V., in irgendeiner Form zu verwenden oder sonst in Verkehr zu bringen.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung versprach die Beklagte die Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 €.
Der Kläger stellte nachfolgend fest, dass die Beklagte auch noch nach der Abgabe der Unterlassungsverpflichtungserklärung in Online-Fernsprech- und Branchenverzeichnissen wie "ortsverzeichnis.org", "stadtbranchenbuch.com", "11880.com", "gelbeseiten.de" sowie im Kartendienst "Google Maps" weiterhin mit der Firmenbezeichnung "Eigentum Haus & Grund GmbH" aufgeführt war. Er hat deshalb die Vertragsstrafe als verwirkt angesehen und die Beklagte mit der vorliegenden Klage auf Zahlung von 25.000 € in Anspruch genommen.
Die Beklagte hat demgegenüber geltend gemacht, die Klausel über die vereinbarte Vertragsstrafe sei nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, weil diese sie unangemessen benachteilige. Die Brancheneinträge habe sie im Übrigen nicht veranlasst, so dass die Vertragsstrafe auch nicht verwirkt sei.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Beklagten hat zur Abweisung der Klage geführt (OLG Jena, WRP 2012, 1012). Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, erstrebt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der Vertragsstrafe stehe dem Kläger nicht zu, weil die entsprechende Klausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sei. Die Unterlassungserklärung mit dem darin enthaltenen Vertragsstrafeversprechen sei eine allgemeine Geschäftsbedingung. Sie sei für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert und der Beklagten auch gestellt worden. Die Klausel benachteilige die Beklagte unangemessen, weil sie keinerlei Differenzierung nach Art, Umfang und Grad des Verschuldens sowie nach Art und Schwere der jeweiligen Verstöße vorsehe und die Vertragsstrafe zudem mit 25.000 € zu hoch bemessen sei. Die Beklagte betreibe ein kleines Immobilienbüro in Thüringen mit geringem Umsatz. Ein Schadenseintritt aufgrund einer Verwechslungsgefahr der kollidierenden Zeichen sei unwahrscheinlich. Jedenfalls rechtfertigten weder ein möglicher Verlust von Kunden noch ein etwaiger Marktverwirrungsschaden eine Vertragsstrafe in der vereinbarten Höhe. Eine differenzierende Regelung wäre dem Kläger durch die Verwendung eines Vertragsstrafeversprechens nach "neuem" Hamburger Brauch ohne weiteres möglich gewesen. Auch zur Abschreckung vor weiteren Verstößen sei die hohe Vertragsstrafe nicht erforderlich gewesen.
II. Die dagegen gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Wiederherstellung des Urteils erster Instanz. Die Klage ist begründet, weil das von der Beklagten abgegebene Vertragsstrafeversprechen nicht nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam ist (dazu unter II 1)
und die Beklagte die vom Kläger geforderte Vertragsstrafe auch verwirkt hat (dazu unter II 2).
1. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass die Vertragsstrafenvereinbarung die Beklagte im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB unangemessen benachteiligt.
a) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ansatz allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der in Rede stehenden Unterwerfungserklärung um eine allgemeine Geschäftsbedingung des Klägers handelt, die dieser der Beklagten gemäß § 305 Abs. 1 BGB gestellt hat. Soweit die Revision demgegenüber geltend macht, der Kläger sei bereit gewesen, auch eine von der Beklagten entworfene, anderslautende Unterwerfungserklärung zu akzeptieren, legt sie keine Rechtsfehler dar. Sie beschränkt sich dabei vielmehr darauf, die tatrichterliche Würdigung des Berufungsgerichts durch ihre eigene Würdigung zu ersetzen.
b) Das Berufungsgericht hat weiterhin angenommen, dass ein Vertragsstrafeversprechen bereits dann eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB darstellt, wenn die Klausel eine erhebliche und in dieser Höhe nicht übliche Vertragsstrafe vorsieht und nicht nach Art und Schwere des Verstoßes und des Verschuldens differenziert. Dem kann nicht zugestimmt werden.
aa) Gemäß § 310 Abs. 1 BGB unterfallen Vertragsstrafenvereinbarungen im kaufmännischen Verkehr zwar nicht dem § 309 Nr. 6 BGB, unterliegen aber der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB (vgl. nur BGH, Urteil vom 10. Dezember 1992 - I ZR 186/90, BGHZ 121, 15, 19 - Fortsetzungszusammenhang). Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne der zuletzt genannten Vorschrift kann sich dabei unter anderem aus der unangemessenen Höhe der Vertragsstrafe ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 7. Mai 1997 - VIII ZR 349/96, NJW 1997, 3233, 3234; MünchKomm.BGB/Wurmnest, 6. Aufl., § 309 Nr. 6 Rn. 20, jeweils mwN). Entgegen der Auffassung der Revision steht auch die Vorschrift des § 348 HGB, wonach eine im kaufmännischen Verkehr vereinbarte Vertragsstrafe nicht herabgesetzt werden kann, der Anwendung des § 307 BGB nicht entgegen (BGH, NJW 1997, 3233, 3234 mwN).
bb) Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Bestimmungen in allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung liegt dann vor, wenn der Verwender der Klausel missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne die des Vertragspartners von vornherein hinreichend zu berücksichtigen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 8. März 1984 - IX ZR 144/83, BGHZ 90, 280, 284; Urteil vom 10. Februar 1993 - XII ZR 74/91, NJW 1993, 1133, 1134; Urteil vom 4. Juli 1997 - V ZR 405/96, NJW 1997, 3022, 3023; Urteil vom 1. Februar 2005 - X ZR 10/04, NJW 2005, 1774, 1775; Urteil vom 17. September 2009 - III ZR 207/08, NJW 2010, 57 Rn. 18). Dabei ist ein generalisierender, überindividueller Prüfungsmaßstab und eine von den Besonderheiten des Einzelfalls losgelöste typisierende Betrachtungsweise zugrunde zu legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. April 2012 - X ZR 76/11, NJW 2012, 2107 Rn. 10; Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 73/10, BGHZ 193, 268 Rn. 19 - Honorarbedingungen freie Journalisten, jeweils mwN). Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2010 - XI ZR 200/09, NJW 2010, 2041 Rn. 30).
cc) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur formularvertraglichen Zulässigkeit von Vertragsstrafenvereinbarungen im Rahmen von Austauschverträgen ist die Höhe einer Vertragsstrafe insbesondere dann unangemessen, wenn die Sanktion außer Verhältnis zum Gewicht des Verstoßes und zu seinen Folgen für den Vertragspartner steht (vgl. BGH, NJW 1997, 3233, 3234). Dies soll immer dann der Fall sein, wenn der vereinbarte Betrag nicht auch angesichts des typischerweise geringsten Verstoßes noch angemessen ist (BGH, NJW 1997, 3233, 3235). Eine unangemessen hohe Vertragsstrafe führt danach zur Nichtigkeit der Vertragsklausel nach § 307 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil vom 23. Januar 2003 - VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 324; Urteil vom 6. Dezember 2012 - VII ZR 133/11, NJW 2013, 1362 Rn. 15 mwN).
dd) Diese im Zusammenhang mit Vertragsstrafen zur Sanktionierung von vertraglichen Verhaltenspflichten im Rahmen von Austauschverträgen entwickelten Grundsätze, von denen auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, können auf Unterwerfungserklärungen nicht ohne weiteres übertragen werden.
(1) Unterwerfungserklärungen, die nach Schutzrechtsverletzungen oder Wettbewerbsverstößen abgegeben werden, dienen zwar auch der Schadenspauschalierung in Bezug auf zukünftige Rechtsverletzungen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Mai 2008 - I ZR 88/06, GRUR 2008, 929 Rn. 9 = WRP 2008, 1225 - Vertragsstrafeneinforderung; Urteil vom 17. Juli 2008 - I ZR 168/05, GRUR 2009, 181 Rn. 42 = WRP 2009, 182 - Kinderwärmekissen). In erster Linie besteht ihre Funktion jedoch darin, den Unterlassungsschuldner dadurch zur Einhaltung der von ihm versprochenen Unterlassungspflicht zu bewegen, dass er aufgrund der versprochenen Strafe vor weiteren Verstößen zurückschreckt (Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12 Rn. 1.138; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 10. Aufl., Kap. 8 Rn. 21). Eine solche Unterwerfungserklärung hat zur Folge, dass die durch den in Rede stehenden Verstoß begründete Wiederholungsgefahr entfällt (vgl. BGH, Urteil vom 7. Oktober 1982 - I ZR 120/80, GRUR 1983, 127, 128 = WRP 1983, 91 - Vertragsstrafeversprechen; Urteil vom 30. September 1993 - I ZR 54/91, GRUR 1994, 146, 147 = WRP 1994, 37 - Vertragsstrafebemessung; BGH, GRUR 2009, 181 Rn. 42 - Kinderwärmekissen; vgl. auch Teplitzky aaO Kap. 20 Rn. 2) und den Parteien damit eine gerichtliche Klärung der Frage, ob ein Unterlassungsanspruch besteht, erspart wird.
Für diesen Zweck muss die Vertragsstrafe so hoch sein, dass sich ein Verstoß für den Verletzer voraussichtlich nicht mehr lohnt (OLG Hamm, WRP 1978, 395, 397; KG, WRP 1987, 322; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 12 Rn. 1.139). Die Frage, wie hoch eine Vertragsstrafe bemessen sein muss, um dieser Funktion gerecht zu werden, lässt sich nicht allgemein, sondern immer nur unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten (BGH, GRUR 1983, 127, 128 - Vertragsstrafeversprechen). Dabei ist auf die Schwere und das Ausmaß der begangenen Zuwiderhandlung, auf deren Gefährlichkeit für den Gläubiger, auf das Verschulden des Verletzers sowie auf Art und Größe des Unternehmens des Schuldners abzustellen (vgl. BGH, GRUR 1994, 146, 147 f. - Vertragsstrafebemessung; GRUR 2009, 181 Rn. 42 - Kinderwärmekissen). Bei der Vereinbarung einer absoluten Vertragsstrafe ist bereits bei Vertragsschluss auf Grundlage des Verhaltens des Schuldners, das Anlass für die Vereinbarung der Vertragsstrafe gegeben hat, und der konkreten Umstände des Einzelfalls eine entsprechende Prognose über die für die notwendige Abschreckungswirkung erforderliche Höhe der Vertragsstrafe vorzunehmen. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Unterlassungsschuldner - anders als bei Austauschverträgen - mangels synallagmatischer Pflichten kein originäres Eigeninteresse an der Einhaltung der von ihm versprochenen Unterlassungspflicht hat (vgl. OLG München, NJW-RR 1993, 1334). Darüber hinaus ist in Rechnung zu stellen, dass der Unterlassungsgläubiger weitere Schutzrechtsverstöße oftmals nur sehr schwer und mit erheblichem Aufwand aufzudecken vermag.
Demgegenüber ist der im kaufmännischen Verkehr handelnde Unterlassungsschuldner in Fallgestaltungen der vorliegenden Art typischerweise nicht in besonderem Maße schutzwürdig. Abgesehen davon, dass es ihm grundsätzlich freisteht, den gesetzlichen Ausschluss einer nachträglichen Herabsetzung der Vertragsstrafe gemäß § 348 HGB abzubedingen, stellt sich für ihn regelmäßig schon keine besondere Zwangslage, die ihn dazu nötigte, die vom Unterlassungsgläubiger gewünschte Vertragsstrafenvereinbarung abzuschließen. Der Unterlassungsschuldner hat regelmäßig allein das Interesse, die Wiederholungsgefahr im Hinblick auf den aufgrund der bereits begangenen Schutzrechtsverletzung begründeten Unterlassungsanspruch auszuräumen und damit einer gerichtlichen Inanspruchnahme durch den Unterlassungsgläubiger zu entgehen. Diesem Interesse kann er jedoch auch anders als durch Abschluss der angebotenen und aus seiner Sicht unangemessenen Vertragsstrafenvereinbarung Rechnung tragen. Zum einen kann er statt des geforderten Vertragsstrafeversprechens eine Unterwerfungserklärung mit einer geringeren, aber noch angemessenen Vertragsstrafe abgeben. Für die Ausräumung der Wiederholungsgefahr genügt bereits die Abgabe der Unterwerfungserklärung; deren Annahme ist nicht erforderlich (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 17. September 2009 - I ZR 217/07, GRUR 2010, 355 Rn. 21 = WRP 2010, 649 - Testfundstelle, mwN). Um der dann noch bestehenden Gefahr zu entgehen, dass die von ihm als angemessen angesehene Vertragsstrafe zu niedrig bemessen ist und die Wiederholungsgefahr nicht ausräumt, kann er jederzeit eine Unterwerfungserklärung nach "neuem Hamburger Brauch" abgeben. Danach wird vereinbart, dass die Vertragsstrafe durch den Gläubiger oder einen Dritten nach billigem Ermessen gemäß § 315 Abs. 1 BGB der Höhe nach bestimmt wird und diese Bestimmung im Einzelfall nach § 315 Abs. 3 BGB durch ein Gericht überprüft werden kann (vgl. Teplitzky aaO Kap. 8 Rn. 22 bis 22b).
(2) Diese Interessenlage erfordert es, im Hinblick auf wettbewerbs- oder schutzrechtlich veranlasste Vertragsstrafenvereinbarungen den Vertragsparteien einen großzügigen Beurteilungsspielraum einzuräumen und die Rechtsfolge der Unwirksamkeit nach § 307 Abs. 1 BGB auf Fälle zu beschränken, in denen eine Vertragsstrafe vereinbart wurde, die bereits auf den ersten Blick außer Verhältnis zu dem mit der Vertragsstrafe sanktionierten Verstoß und den Gefahren steht, die mit möglichen zukünftigen Verstößen für den Unterlassungsgläubiger verbunden sind. Insoweit ist jedoch ein strengerer Maßstab anzulegen als bei der Herabsetzung individualvertraglich ausgehandelter Vertragsstrafeversprechen, die ungeachtet der Vorschrift des § 348 HGB auch im kaufmännischen Verkehr nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) möglich ist (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, GRUR 2009, 181 Rn. 41 - Kinderwärmekissen, mwN).
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung kann angesichts der Hauptfunktion des Vertragsstrafeversprechens, den Schuldner von weiteren Verstößen abzuhalten, eine unangemessene Benachteiligung jedenfalls nicht bereits dann angenommen werden, wenn die vereinbarte Höhe der Vertragsstrafe oberhalb des typischerweise zu erwartenden Schadens liegt. Der Schadensersatzfunktion der Vertragsstrafe kann darüber hinaus bei der auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Inhaltskontrolle angesichts des kaum oder nur schwer prognostizierbaren Schadensverlaufs im Hinblick auf zukünftige Schutzrechtsverletzungen kein entscheidendes Gewicht zu kommen. Ein typischer Schaden existiert ebensowenig wie ein typischer Betrag, der geeignet wäre, die Abschreckungsfunktion der Vertragsstrafe zu garantieren (vgl. zu letzterem Teplitzky aaO Kap. 8 Rn. 18 bei und in Fn. 139). Eine an den Umständen des Einzelfalls orientierte Prognose ist mit der im Rahmen der AGB-
Kontrolle gebotenen, von den Umständen des konkreten Einzelfalls absehenden abstraktgenerellen und typisierenden Betrachtung nicht zu vereinbaren.
Aus § 307 Abs. 1 BGB ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch nicht die Pflicht, im kaufmännischen Verkehr Vertragsstrafenvereinbarungen ausschließlich nach "neuem Hamburger Brauch" abzuschließen. Angesichts des Beurteilungsspielraums, der dem Unterlassungsgläubiger im Rahmen der Prüfung des § 307 Abs. 1 BGB zu gewähren ist, steht es diesem frei, eine eindeutige und daher mit besonderer Abschreckungswirkung verbundene Vertragsgestaltung zu wählen, die darüber hinaus den Vorteil hat, dass im Falle einer Verwirkung der Vertragsstrafe das Risiko einer gerichtlichen Auseinandersetzung über deren Höhe begrenzt ist.
ee) Diesen Grundsätzen trägt das angegriffene Urteil nicht hinreichend Rechnung. Soweit das Berufungsgericht angenommen hat, die vereinbarte Vertragsstrafe stehe außer Verhältnis zu möglichen Schäden, insbesondere im Hinblick auf die mit der Klage geltend gemachten leicht fahrlässigen Verstöße, hat es bei seiner auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Beurteilung der Pauschalierungsfunktion der Vertragsstrafe ein zu großes Gewicht beigemessen und den Beurteilungsspielraum der Vertragsparteien zu eng bemessen. Bei Abschluss des Vertragsstrafeversprechens war nicht vorherzusehen, dass die Vertragsstrafe aufgrund von vermeintlich geringfügigen Verstößen verwirkt würde. Dass im Hinblick auf die Abschreckungsfunktion auch eine niedrigere Vertragsstrafe ausgereicht hätte, ist nach den vorstehenden Ausführungen aus Rechtsgründen unerheblich, solange die Vertragsstrafe nicht bereits auf den ersten Blick außer Verhältnis zu der Rechtsverletzung steht, die der Anlass für das Vertragsstrafeversprechen war. Davon kann im Streitfall aber nicht ausgegangen werden. Die zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 € erscheint zwar angesichts der Größe des Unternehmens der Beklagten und ihres regional beschränkten Tätigkeitskreises vergleichsweise hoch. Dass sie im Hinblick auf die Schwere der Schutzrechtsverletzung evident übersetzt war, lässt sich den getroffenen Feststellungen nicht entnehmen. Immerhin hat die in unmittelbarer Branchennähe tätige Beklagte das Firmenschlagwort des Klägers als Bestandteil ihrer Firma im geschäftlichen Verkehr benutzt.
2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 25.000 € zu, weil die Beklagte die Vertragsstrafe verwirkt hat. Der Senat kann insoweit in der Sache selbst entscheiden, weil sie zur Entscheidung reif ist und keine weiteren Feststellungen zu erwarten sind (§ 563 Abs. 3 ZPO).
a) Das Berufungsgericht hat Zweifel daran geäußert, ob die Beklagte die Vertragsstrafe verwirkt hat. Es hat gemeint, eine schuldhafte Verletzung könne allenfalls dann vorliegen, wenn die Beklagte sich in den in Rede stehenden Branchen- und Telefonverzeichnissen selbst zuvor angemeldet hätte. Nur in diesem Fall wäre sie auch gehalten gewesen, einen Eintrag zu entfernen oder für dessen Entfernung Sorge zu tragen. Soweit die Beklagte sich in den Verzeichnissen und Diensten nicht selbst angemeldet hätte, bedürfe es für eine Handlungspflicht der Beklagten als Vertragsstrafenschuldnerin eines Hinweises des Vertragsstrafengläubigers. Unabhängig davon sei auch zweifelhaft, ob der Wortlaut der Unterwerfungserklärung die Beklagte überhaupt zur Beseitigung bestehender Einträge in Branchenverzeichnisse verpflichte. Die Formulierung sei insoweit zu wenig bestimmt.
b) Dieser Sichtweise kann nicht zugestimmt werden.
aa) Der Schuldner eines Unterlassungsanspruchs muss nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen (vgl. OLG Frankfurt, WRP 2009, 78; OLG Karlsruhe, WRP 2012, 1295, 1296; Bornkamm in Köhler/Bornkamm aaO § 12 Rn. 6.7; Fezer/Büscher, UWG, 2. Aufl., § 12 Rn. 378, jeweils zu § 890 ZPO und mwN; ähnlich Teplitzky aaO Kap. 20 Rn. 15). Zwar hat er für das selbständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Insoweit kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt ist. Außerdem wird, wenn eine Zuwiderhandlung vorliegt, das Verschulden des Schuldners vermutet (vgl. BGH, GRUR 2009, 181 Rn. 35 - Kinderwärmekissen).
bb) Nach diesen Grundsätzen hat die Beklagte die Vertragsstrafe verwirkt.
(1) Die Bejahung eines Verstoßes gegen die Unterlassungspflicht widerspricht entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht dem Wortlaut des Vertragsstrafeversprechens. Die Auslegung eines Unterlassungsvertrages richtet sich nach den allgemeinen, für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen. Maßgeblich ist somit in erster Linie der gewählte Wortlaut und der diesem zu entnehmende objektive Parteiwille (vgl. BGH, Urteil vom 13. Februar 2003 - I ZR 281/01, GRUR 2003, 545, 546 = WRP 2003, 756 - Hotelfoto, mwN). Zwar ist umso eher eine eng am Wortlaut ausgerichtete Auslegung des Unterlassungsvertrags geboten, je höher eine vereinbarte Vertragsstrafe im Verhältnis zur Bedeutung des gesicherten Unterlassungsanspruchs ist (BGH, GRUR 2003, 545, 546 - Hotelfoto). Die Verwendung des alten, im Widerspruch zum Unterlassungsvertrag stehenden Firmennamens der Beklagten in einem Branchenverzeichnis stellt jedoch auch nach diesem Maßstab eine Verwendung im Firmennamen dar. Dass nach dem Sinn und Zweck des Unterlassungsvertrags auch Handlungspflichten zur Beseitigung der Verstöße geschuldet sind, liegt auf der Hand. Insofern bestehen entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung auch keine Zweifel bei der Auslegung der Klausel, die zu Lasten des Klägers gingen.
(2) Die Beklagte hat auch nicht den ihr obliegenden Entlastungsbeweis geführt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann sie sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Einträge in den Branchenverzeichnissen nicht veranlasst zu haben. Zwar sind die Herausgeber der in Rede stehenden Branchenverzeichnisse keine Erfüllungsgehilfen der Beklagten (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 2011 - I ZR 204/10, juris Rn. 14). Im Streitfall ergibt sich die Haftung der Beklagten jedoch aus deren eigenem schuldhaften Verhalten. Die vom Kläger beanstandeten Eintragungen beruhten auf der rechtsverletzenden Firmierung der Beklagten. Diese musste damit rechnen, dass Branchendienste ihr Unternehmen unter dieser Firma in im Internet verfügbare Verzeichnisse aufnahmen (vgl. OLG Karlsruhe, WRP 2012, 1295, 1296; Allmendinger, GRUR 2000, 966, 967 ff.). Dementsprechend war sie aufgrund der von ihr übernommenen Unterlassungsverpflichtung gehalten, unverzüglich eigene Recherchen über die weitere Verwendung der ihr untersagten Firmierung durchzuführen und jedenfalls die Betreiber der gängigsten Dienste wie gelbeseiten.de, Google Maps und 11880.com zu veranlassen, diese Firmierung aus ihren Verzeichnissen zu entfernen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es daher zur Begründung dieser Handlungspflicht keines Hinweises durch den Kläger.
c) Eine Herabsetzung der Vertragsstrafe nach § 343 BGB kommt nicht in Betracht. Die Anwendung dieser Vorschrift ist im kaufmännischen Verkehr durch die Geltung des § 348 HGB ausgeschlossen, den die Parteien vorliegend nicht abbedungen haben. Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. November 1982 (VII ZR 305/81, BGHZ 85, 305) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Soweit dort ausgeführt war, die Vorschrift des § 348 HGB betreffe nur individuell ausgehandelte Strafversprechen, war damit ersichtlich nicht gemeint, dass § 348 HGB auf zwischen Kaufleuten formularvertraglich vereinbarte Strafversprechen nicht anzuwenden ist. Die dortigen Ausführungen beziehen sich allein auf die Frage, ob die Bestimmung des § 348 HGB der Anwendung des AGB-Rechts auf Vertragsstrafeversprechen unter Kaufleuten entgegensteht (siehe dazu oben Rn. 12).
III. Nach allem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben und das der Klage stattgebende Urteil erster Instanz wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Bornkamm Büscher Schaffert Koch Löffler Vorinstanzen:
LG Erfurt, Entscheidung vom 21.07.2011 - 3 O 1738/10 -
OLG Jena, Entscheidung vom 21.03.2012 - 2 U 602/11 -
BGH:
Urteil v. 13.11.2013
Az: I ZR 77/12
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