Bundespatentgericht:
Urteil vom 27. November 2007
Aktenzeichen: 3 Ni 47/06
(BPatG: Urteil v. 27.11.2007, Az.: 3 Ni 47/06)
Tenor
Das deutsche Patent 39 26 658 wird für nichtig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 11. August 1989 angemeldeten und erteilten deutschen Patents 39 26 658, mit der Bezeichnung "Fettsäurezusammensetzung", für das die Priorität der britischen Patentanmeldung 19110/88 vom 11. August 1988 in Anspruch genommen wurde.
Die erteilte Fassung des Streitpatents (Streitpatentschrift DE 39 26 658 C2) umfasst die folgenden insgesamt 10 Patentansprüche:
1. Fettsäurezusammensetzung enthaltend omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren einschließlich (all-Z)-5, 8, 11, 14, 17 - Eigosapentaensäure (EPA) C 20:5, (all-Z)-4, 7, 10, 13, 16, 19-Docosabexaensäure (DHA) C 22:6 und anderer omega-3 C20, C21 und C22 Fettsäuren, wahlweise in Form von pharmazeutisch verträglichen Salzen oder Estern, dadurch gekennzeichnet, dass - die Fettsäurezusammensetzung mindestens 80 Gew.-% der omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren enthält,
- wobei (all-Z)-5, 8, 11, 14, 17-Eicosapentaensäure (EPA) C20:5 und (all-Z)-4, 7, 10, 13, 16, 19-Docosahexaensäure (DHA) C22:6 in relativen Mengen von größer 1:1 bis 2:1 vorliegen - und mindestens 75-Gew.-% des Gesamtsfettsäuregehalts ausmachen, und dass - die anderen omega-3 C20, C21 und C22 Säuren 3 bis 9,9 Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen.
2. Zusammensetzung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass - die Zusammensetzung außerdem (all-Z C21:5)-6, 9, 12, 15, 18 Heneicosapentaensäure und/oder (all-Z C22:5)-7, 10, 13, 16, 19 Docosapentaensäure und/oder all-Z 18:4)-6, 9, 12, 15 Octadecaletraensäure enthält.
3. Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass,
- die Gesamtkonzentration in omega-3-Fettsäuren mit einer Kettenlänge von mindestens C20 mindestens 90 Gew.-% beträgt,
- wobei EPA und DHA mindestens 85 Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen und - in relativen Mengen von EPA:DHA von 3:2 vorliegen und - andere omega-3 C20, C21 und C22 Säuren mindestens 4,5 Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen.
4. Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass - die Gesamtkonzentration von omega-3 Fettsäuren mit einer Kettenlänge von mindestens C20 mindestens 85 Gew.-% beträgt,
- wobei EPA und DHA mindestens 80 Gew.-% und - die anderen omega-3 C20, C21 und C22 Säuren mindestens 4,5 Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen.
5. Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass - die Konzentration von omega-3-Fettsäuren mit einer Kettenlänge von mindestens C20 mindestens 95 Gew.-% beträgt,
- wobei EPA und DHA mindestens 90 Gew.-% und - die anderen omega-3 C20, C21 und C22 Säuren mindestens 4,5 Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen.
6. Zusammensetzung nach mindestens einer der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass - die Fettsäure in Form von pharmazeutisch verträglichen Salzen oder Alkylestern vorliegen.
7. Zusammensetzung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass - die Fettsäuren als Ethylester, vorliegen.
8. Zusammensetzung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche zur Behandlung oder Prophylaxe von Mehrfachrisikofaktoren für kardiovaskulare Erkrankungen.
9. Verfahren zur Herstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung zur Behandlung von Prophylaxe von Mehrfachrisikofaktoren für kardiovaskulare Erkrankungen, wobei in einen pharmazeutisch verträglichen Träger oder ein Verdünnungs- oder Streckmittel eine Zusammensetzung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7 eingebracht wird.
10. Pharmazeutische Zusammensetzung enthaltend eine Fettsäurezusammensetzung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7 und einen pharmazeutisch verträglichen Träger oder ein Verdünnungs- oder Streckmittel.
Die Klägerinnen machen geltend, das Streitpatent sei nicht patentfähig, weil sein Gegenstand nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Sie beziehen sich zur Begründung u. a. auf folgende Druckschriften:
HE 4a EP 0 271 747 A2 HE 6 Dictionnaire Vidal¨ 1988 betreffend das Medikament Maxepa¨
HE 7 Rote Liste 1987 betreffend das Medikament Eicosapen¨
HE 8a WO 87/03899 A1 HE 8b EP 0 255 824 B1 HE 9 Farmatsiya 28 (1979) 18-21 HE 11 Atherosclerosis 54 (1985) 75-88, sowie auf einen Schriftsatz vom 4. November 1988 aus dem Prüfungsverfahren vor dem Europäischen Patentamt betreffend den europäischen Teil der HE 8a, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. November 2007 (Bl. 130 und 131 d. A.).
Insbesondere werde eine Fettsäurezusammensetzung gemäß Streitpatent nicht nur durch die Lehre der Druckschrift HE 4a neuheitsschädlich vorweggenommen, wobei die Klägerinnen inbesondere auf die Fettsäurezusammensetzung des Beispiels 8 der HE 4a verweisen, sondern auch durch die Lehre der HE 8. Unabhängig davon beruhe der Gegenstand des Streitpatents jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit, und zwar gegenüber bzw. ausgehend von den Lehren der Druckschriften HE 4a, HE 8 sowie HE 9.
Die Klägerinnen beantragendas deutsche Patent 39 26 658 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte verteidigt das Streitpatent gemäß Hauptantrag mit den erteilten Ansprüchen 1 bis 9 mit der Maßgabe, dass im Patentanspruch 9 die Wörter "oder ein Verdünnungs- oder Streckmittel" gestrichen werden, hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent gemäß dem Hilfsantrag, eingereicht mit Schriftsatz vom 12. November 2007, mit der Maßgabe, dass Patentanspruch 10 gestrichen wird und im Patentanspruch 9 die Wörter "oder ein Verdünnungs- oder Streckmittel" gestrichen werden und beantragt insoweit, die Klage abzuweisen.
Die Patentansprüche gemäß Hilfsantrag lauten demnach wie folgt:
"1. Fettsäurezusammensetzung, enthaltend omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren einschließlich (all-Z)-5, 8, 11, 14, 17-Eicosapentaensäure (EPA) C 20:5, (all-Z)-4,7,10,13,16,19-Docosahexaensäure (DHA) C 22:6 und anderer omega-3-C20-, C21- und C22-Fettsäuren, wahlweise in Form von pharmazeutisch verträglichen Salzen oder Estern, dadurch gekennzeichnet, dass - die Fettsäurezusammensetzung mindestens 85 Gew.% der omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren enthält,
- wobei (all-Z)-5, 8, 11, 14, 17-Eicosapentaensäure (EPA) C 20:5, (all-Z)-4, 7, 10, 13, 16, 19-Docosahexaensäure (DHA) C 22:6 in relativen Mengen von größer 1:1 bis 2:1 vorliegen, und - mindestens 80 Gew.% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen, und - die anderen omega-3-C20-, C21- und C22-Säuren mindestens 3 bis 9,9 Gew.% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen.
2. Zusammensetzung gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Zusammensetzung außerdem (all-Z C21:5)-6,9,12,15,18 Heneicosapentaensäure und/oder (all-Z C22:5)-7,10,13,16,19 Docosapentaensäure und/oder (all-Z C18:4)-6,9,12,15 Octadecatetraensäure enthält.
3. Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Gesamtkonzentration an omega-3-Fettsäuren mit einer Kettenlänge von mindestens C20 mindestens 90 Gew.% beträgt,
- wobei EPA und DHA mindestens 85 Gew.% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen und - in relativen Mengen von EPA:DHA von 3:2 vorliegen und - andere omega-3-C20-, C21- und C22-Säuren mindestens 4,5 Gew.% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen.
4. Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass - die Gesamtkonzentration von omega-3-Fettsäuren mit einer Kettenlänge von mindestens C20 mindestens 85 Gew.% beträgt,
- wobei EPA und DHA mindestens 80 Gew.% und - die anderen omega-3-C20-, C21- und C22-Säuren mindestens 4,5 Gew.% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen.
5. Zusammensetzung gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass - die Konzentration von omega-3-Fettsäuren mit einer Kettenlänge von mindestens C20 mindestens 95 Gew.% beträgt,
- wobei EPA und DHA mindestens 90 Gew.% und - die anderen omega-3-C20-, C21- und C22-Säuren mindestens 4,5 Gew.% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen.
6. Zusammensetzung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Fettsäuren in Form von pharmazeutisch verträglichen Salzen oder Alkylestern vorliegen.
7. Zusammensetzung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass die Fettsäuren als Ethylester vorliegen.
8. Zusammensetzung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprüche zur Behandlung oder Prophylaxe von Mehrfachrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen.
9. Verfahren zur Herstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung zur Behandlung oder Prophylaxe von Mehrfachrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen, wobei in einen pharmazeutisch verträglichen Träger eine Zusammensetzung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7 eingebracht wird.
Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen und hält das Streitpatent in dem verteidigten Umfang für patentfähig.
Sie bezieht sich zur Begründung auf folgende Druckschriften und Dokumente:
B1 Journal of AOAC International 75 (1992) 488-506 B2 Stellungnahme von Prof. Dr. Frank Gunstone B2 A Teilübersetzung der Stellungnahme B2 B3 Stellungnahme von Frau Jeanne D. Joseph im Prüfungsverfahren der parallelen amerikanischen Patentanmeldung vor dem USPTO vom 18. August 1994 B4 JAOCS 65 (1988) 136-138 B5 Stellungnahme von Prof. Dr. Frank Gunstone, datiert 7. September 2006, verfasst für ein in Italien anhängiges Patentverletzungsverfahren B5 A Teilübersetzung der Stellungnahme B5 B6 Prostaglandins, Leukotrienes and Essential Fatty Acids 75 (2006) 19-24 B7 Gutachten von Prof. Dr. Heinz Engelhardt, datiert 10. November 2006, aus dem parallelen italienischen Nichtigkeitsverfahrensowie auf ein in der mündlichen Verhandlung überreichtes Datenblatt Dünnschicht-Verdampferanlage DSL 5 (Bl. 132 d. A.).
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Gründe
Die zulässige Klage erweist sich als begründet.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG).
I.
1. Das Streitpatent betrifft Fettsäurezusammensetzungen enthaltend omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren einschließlich (all-Z)-5, 8, 11, 14, 17-Eicosapentaensäure (EPA) C 20:5, (all-Z)-4, 7, 10, 13, 16, 19-Docosahexaensäure (DHA) C 22:6 und anderer omega-3 C 20, C 21 und C 22 Fettsäuren, wahlweise in Form von pharmazeutisch verträglichen Salzen oder Estern, als solche oder zur Behandlung oder Prophylaxe von Mehrfachrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen, pharmazeutische Zusammensetzungen enthaltend eine solche Fettsäurezusammensetzung, sowie Verfahren zur Herstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung zur Behandlung oder Prophylaxe von Mehrfachrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen unter Einbringung einer solchen Fettsäurezusammensetzung in einen pharmazeutisch verträglichen Träger oder in ein Verdünnungs- oder Streckmittel (vgl. Streitpatentschrift DE 39 26 658 C2 Anspr. 1 bis 10).
Zu der Streitpatentschrift wird ausgeführt, dass kardiovaskuläre Erkrankungen mit verschiedenen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Hypertriglyceridämie, Hypercholesterinämie, hohe Blutplättchenaggregation sowie nach neueren Erkenntnissen mit einer hohen Aktivität des Blutgerinnungsfaktor-VII-Phospholipid-Komplexes in Verbindung gebracht werden. Antihypertensive Medikamente haben zur Besserung kardiovaskulärer Erkrankungen beigetragen, wobei allerdings wegen der Nebenwirkungen solcher Medikamente Bedenken bestehen. Es gebe zunehmend Veröffentlichungen, in denen berichtet wird, dass verschiedene Fischölzubereitungen enthaltend omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren den Blutdruck senken und das Serumcholesterin sowie die Blutplättchenaggregation beeinflussen. Beispielsweise sei nach Einnahme von leichtkonzentrierten Fischölzubereitungen enthaltend üblicherweise 18 % EPA und 12 % DHA über eine Senkung des Blutdrucks berichtet worden. EPA werde darüber hinaus wegen ihrer deutlichen Antiaggregationswirkung als die wichtigste omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäure marinen Ursprungs betrachtet. Nach zahlreichen Berichten solle EPA allein keinen wesentlichen Einfluss auf den Bluthochdruck ausüben, und es gebe auch keine Hinweise darauf, dass DHA allein den Blutdruck beeinflussen könne (vgl. DE 39 26 658 C2 S. 2 Z. 10 bis 65).
Nach den Angaben in der Streitpatentschrift sind die Anteile von EPA und DHA im Fischöl abhängig von der Fischart. So enthalte Fischöl aus Menhaden 14 bis 19 % EPA und 5 bis 8 % DHA, Fischöl aus Capelin zwischen 8,6 bis 11,4 % EPA und 6,7 bis 11 % DHA, und Kabeljauleberöl beispielsweise 6,9 % EPA und 8,4 % DHA. Innerhalb der gleichen Spezies können außerdem deutliche saisonale Veränderungen auftreten (vgl. DE 39 26 658 C2 S. 3 Z 58 bis 65).
Als Ausgangspunkt der Erfindung schildert die Streitpatentschrift aufkonzentrierte Fettsäurezusammensetzungen aus Abfallprodukten der fischverarbeitenden Industrie gemäß WO 87/03899 A1 sowie gemäß EP 175 468 A2, die bereits hohe Konzentrationen an EPA und an DHA aufweisen und in denen nach den Ausführungen der Patentinhaberin das Verhältnis von EPA zu DHA zwischen 2:5 bis 1:1 oder zwischen 1:2 bis 1:3 betragen soll (vgl. DE 39 26 658 C2 S. 2 Z 6 bis 9).
2. Eine explizit formulierte Aufgabenstellung findet sich im Streitpatent nicht.
Vor dem vorstehend dargestellten Hintergrund ist die Aufgabe darin zu sehen, Fettsäurezusammensetzungen enthaltend omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren einschließlich (all-Z)-5, 8, 11, 14, 17-Eicosapentaensäure (EPA) C 20:5, (all-Z)-4, 7, 10, 13, 16, 19-Docosahexaensäure (DHA) C 22:6 bereitzustellen, die vorteilhafte Wirkungen auf die Risikofaktoren kardiovaskulärer Erkrankungen besitzen.
3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents durch 1) Fettsäurezusammensetzungen enthaltend omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren einschließlicha) (all-Z)-5, 8, 11, 14, 17-Eicosapentaensäure (EPA) C 20:5, b) (all-Z)-4, 7, 10, 13, 16, 19-Docosahexaensäure (DHA) C 22:6 undc) anderer omega-3 C 20, C 21 und C 22 Fettsäurend) wahlweise in Form von pharmazeutisch verträglichen Salzen oder Estern, wobei 2) die Fettsäurezusammensetzung mindestens 80 Gew.-% der omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren enthält, 3) EPA und DHA in relativen Mengen von größer als 1:1 bis 2:1 vorliegen, 4) und mindestens 75 Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen und dass 5) die anderen omega-3 C 20, C 21 und C 22 Säuren 3 bis 9,9 Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen (vgl Merkmalsanalyse aus dem Schrifts v. 19. Juni 2006, Anlage HE 3).
4. Als Fachmann ist ein erfahrener Chemiker, Biochemiker, Lebensmittelchemiker oder Pharmazeut anzusehen, der mit der Aufarbeitung, Analytik und Wirkung natürlich vorkommender Fettsäuren befasst und vertraut ist.
Strukturelle Zusammenhänge natürlich vorkommender Fettsäuren sind dem Fachmann bereits aufgrund seines organischchemischen Grundwissens geläufig. Omega-3-ungesättigte Fettsäuren weisen eine Doppelbindung zwischen dem dritten und dem vierten Kohlenstoffatom, gezählt ausgehend von der endständigen Methylgruppe, im Falle der mehrfach ungesättigten omega-3 Fettsäuren zusätzlich zu dieser Doppelbindung in omega-3-Stellung noch weitere Doppelbindungen auf, wie nachfolgend anhand der Strukturformeln von Linolensäure (allcis-Octadeca-9, 12, 15-triensäure), (all-Z)-5, 8, 11, 14, 17-Eicosapentaensäure (EPA) und (all-Z)-4, 7, 10, 13, 16, 19-Docosahexaensäure (DHA) exemplarisch dargestellt:
Fettsäuren liegen im tierischen und pflanzlichen Gewebe in Form von Fetten und Ölen gespeichert vor, im Wesentlichen in Form von Estern mit Glycerin und damit als Mono-, Di- und Triglyceride, beispielsweise in tierischen Fetten häufig als Triglycerid aus Palmitin-, Stearin- und Ölsäure.
Die Aufarbeitung und Isolierung von Fettsäuren aus natürlichen Quellen, insbesondere nach Umesterung mit Methanol oder Ethanol vor allem durch Harnstofffraktionierung und Mikrodestillation, zählen ebenso zum Wissen und Können eines Fachmanns wie spezielle Kenntnisse über Methoden zur quantitativen Bestimmung dieser Fettsäuren.
II.
Der Gegenstand des Streitpatents, sowohl in der Fassung gemäß Hauptantrag als auch in der Fassung gemäß Hilfsantrag, erweist sich als nicht patentfähig, da er gegenüber der vorveröffentlichten Druckschrift WO 87/03899 A1 (HE 8a) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (§ 4 PatG).
1. Die Klägerin hat die Neuheit des Streitgegenstandes sowohl gegenüber der Lehre der EP 0 271 747 A2 (HE 4a), insbesondere gegenüber der Fettsäurezusammensetzung gemäß Beispiel 8, als auch gegenüber der Lehre der WO 87/03899 A1 (HE 8a) in Abrede gestellt.
Es mag Anhaltspunkte dafür geben, dass eine Fettsäurezusammensetzung gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents in ihren in Gewichtsprozent angegebenen Fettsäureanteilen nicht gegenüber der Fettsäurezusammensetzung gemäß Beispiel 8 der HE 4a abgegrenzt ist.
Festzustellen ist nämlich, dass der Gehalt von EPA und DHA gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents zusammengenommen mindestens das Produkt aus den 80 % und den 75 %, damit mindestens 60 % des Gesamtfettsäuregehalts ausmacht, sodass jedenfalls der Gesamtanteil von EPA und DHA des Beispiels 8 der HE 4a mit 77,7 % und das Verhältnis von EPA und DHA mit etwa 1,1 so deutlich in die betreffenden Zahlenbereiche des Patentanspruchs 1 des Streitpatents fallen, dass die seitens der Beklagten geltend gemachten quantitativen Unterschiede zwischen Gehaltsangaben in Flächenprozent und in Gewichtsprozent nicht mehr erheblich sind.
Unabhängig davon kann den Ausführungen der Beklagten, wonach es sich bei den Gehaltsangaben des Beispiels 8 der HE 4a um Flächenprozente handle, die keinen direkten Vergleich mit den Angaben in Gewichtsprozent gemäß Streitpatent erlaubten, schon insofern nicht beigetreten werden, als aus der Beschreibung von HE 4a hervorgeht, dass die Gehaltsangaben der in den Beispielen isolierten und konzentrierten Fettsäurezusammensetzungen, sofern nicht anders angegeben, auf Gewichtsprozent bezogen sind (vgl. HE 4a S. 4 Z. 5 bis 6).
Tatsächlich fallen bei der Fettsäurezusammensetzung gemäß Beispiel 8 der HE 4a aufgrund des dort eingesetzten Aufarbeitungsverfahrens unter die Angabe "Composition des acides gras (%)" in der Spalte "autres" der "Fraction enrichie" auch weitere, dem Fachmann neben EPA und DHA bereits aus Fisch-Rohöl bekannte omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren, darunter jene gemäß Merkmal 5. Im Hinblick darauf, dass gleiche bzw. vergleichbare Arbeitsweisen regelmäßig zu gleichen oder vergleichbaren Ergebnissen führen, befinden sich unter diesen weiteren Fettsäuren zwangsläufig gerade diejenigen weiteren omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die im rohen Fischöl per se vorhanden sind und zusammen mit EPA sowie DHA, in Relation zu ihrem jeweiligen Ausgangsgehalt, angereichert werden, und damit auch die omega-3 C20, C21 und C22 Säuren gemäß Merkmal 5, wenngleich deren Anteil am Gesamtfettsäuregehalt bzw. an der Fraktion "autres" aus der HE 8a nicht hervorgeht und deshalb ein exakter Vergleich mit den Mengenangaben des Anspruchs 1 gemäß Streitpatent nicht zu führen ist.
Die Neuheit des Streitgegenstandes gegenüber der HE 4a sowie gegenüber der HE 8 kann jedoch dahinstehen, da es für den Fachmann jedenfalls keines erfinderischen Zutuns bedurfte, um ausgehend von der Lehre der HE 8 zu einer Fettsäurezusammensetzung mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 zu gelangen.
2. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der im Streitpatent zwar nicht expressis verbis angegeben, jedoch objektiv darin zu sehenden Fettsäurezusammensetzungen enthaltend omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren einschließlich (all-Z)-5, 8, 11, 14, 17-Eicosapentaensäure (EPA) C 20:5, (all-Z)-4, 7, 10, 13, 16,19-Docosahexaensäure (DHA) C 22:6 bereitzustellen, die vorteilhafte Wirkungen auf die Risikofaktoren kardiovaskulärer Erkrankungen besitzen.
a) Die Lösung dieser Aufgabe durch eine Fettsäurezusammensetzung gemäß Patentanspruch 1 mit den Merkmalen 1 bis 5 gemäß vorstehender Merkmalsanalyse war indessen für den Fachmann ausgehend von der Lehre der vorveröffentlichten Druckschrift HE 8a naheliegend.
Unter dem Gesichtspunkt der Aufgabenstellung ist die Druckschrift HE 8a, die gereinigte Fischölkonzentrate nebst Herstellungsprozess betrifft, schon deshalb als nächstkommender Stand der Technik und damit als Ausgangspunkt des Streitgegenstands zu erachten, weil deren Lehre ausschließlich darauf abzielt, Verfahren zur Konzentrierung von omega-3 Fettsäuren und von Cholesterin zu optimieren, wobei das Hauptaugenmerk des Lesers auf solche Konzentrate von omega-3 Fettsäuren gelenkt wird, welche die für medizinische Zwecke als besonders geeignet herausgestellten EPA und DHA in hoher Konzentration enthalten (vgl. HE 8a S. 4 Abs. 3 i. V. m. S. 1 le. Abs. bis S. 3 Abs. 1, insbes. S. 2 le. Abs. bis S. 3 Abs. 1, sowie S. 12 Abs. 3).
Ausgangsmaterial des in HE 8a beschriebenen Verfahrens sind Fischöl-Produkte aus der fischverarbeitenden Industrie, die einen hohen Gehalt an gesättigten sowie einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren der Kettenlängen C18 bis C22 nebst einem bestimmten Anteil an Cholesterin, Vitaminen und anderen fettlöslichen Stoffen, beispielsweise auch kürzerkettige Fettsäuren, aufweisen (vgl. HE 8a S. 6 Abs. 2 bis 3).
Derartiges Ausgangsmaterial wird in einem ausführlich beschriebenen Verfahren zunächst bevorzugt mit Methanol oder Ethanol umgeestert bzw. verestert, das erhaltene Produkt einer Fraktionierung mit Harnstoff unterworfen und anschließend eine Flüssig-Flüssig-Gegenstrom-Extraktion mittels Hexan durchgeführt (vgl HE 8a S. 6 le. Abs. bis S. 7 le. Abs.). Der Hexan-Extrakt, der nach weiteren Aufarbeitungsschritten als wichtigste Bestandteile die Fettsäureester der C18:4, C20:5 und C22:6 omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren und damit EPA und DHA sowie auch Cholesterin enthält, wird dann auf etwa minus 25 ¡C und noch weiter abgekühlt, um das unerwünschte Cholesterin und andere Verunreinigungen durch Kristallisation abzutrennen. Ein auf diese Weise hergestelltes omega-3-Konzentrat enthält etwa 20-35 Gew.-% EPA, 35-50 Gew.-% DHA und 15-25 Gew.-% andere mehrfach ungesättigte omega-3 Fettsäuren, jeweils in Form ihrer Methyl- oder Ethylester (vgl. HE 8a S. 8 Abs. 1 bis le. Abs).
In dem einzigen Ausführungsbeispiel (S. 10 bis 11) wird ausgehend von Fischöl-Rohprodukt aus den Innereien von Kabeljau eines Gehalts an 8 Gew.-% EPA, 11 Gew.-% DHA und 2,3 Gew.-% Cholesterin ein Konzentrat hergestellt, das 25 Gew.-% EPA-Methylester und 43 Gew.-% DHA-Methylester, bezogen auf die Masse der Gesamtfettsäuren, enthält. Eine weitergehende Aufkonzentrierung der beiden wesentlichen omega-3 Fettsäuren EPA und DHA wird in dem Ausführungsbeispiel nicht vorgenommen.
Damit endet die durch die Druckschrift HE 8a vermittelte Lehre jedoch nicht. Vielmehr bekommt der fachkundige Leser die weitergehende Anregung und Anleitung dahin, die Konzentration der beiden ihm als medizinisch relevant bekannten Hauptkomponenten EPA und DHA des zuvor erhaltenen Konzentrats noch weiter zu erhöhen, wobei er auf die Methode der Extraktion mittels überkritischer Flüssigkeiten sowie der präparativen Flüssigkeitschromatographie hingewiesen wird (vgl. HE 8a S. 9 Abs. 1 bis 3). Die hierzu erforderlichen Arbeitsweisen einschließlich der begleitenden Analytik gehören zu seinem Fachwissen und Können, sodass sich deren Nennung sowie diesbezügliche weitere Erläuterung ohnehin erübrigen.
Ausgehend von dieser Lehre der HE 8a und der damit verbundenen Anregung, omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäureesterkonzentrate herzustellen, in denen die essentiellen antithrombotischen und deshalb unter medizinischen Gesichtspunkten besonders wertvollen Komponenten EPA und DHA in sehr hoher Konzentration enthalten sind (vgl. insbes. HE 8a S. 12 Abs. 3), wird der Fachmann nicht umhin können, nach dem dort beschriebenen Verfahren beliebige als Ausgangsmaterial ohne weiteres zur Verfügung stehende Fischöl-Rohprodukte zielgerichtet auf die pharmazeutisch interessanten Komponenten EPA und DHA hin aufzuarbeiten und hoch zu konzentrieren.
Bei Menhaden-Rohöl handelt es sich um solch ein übliches und ohne weiteres verfügbares Ausgangsmaterial, das nach den zutreffenden Angaben in der Streitpatentschrift 14 bis 19 Gew.-% EPA und 5 bis 8 Gew.-% DHA (vgl. DE 39 26 658 C2 S. 3 Z. 60 bis 61 sowie die vorveröffentlichte B4 S. 137 Table 2) und damit bereits herkunftsbedingt einen deutlichen Überschuss an EPA gegenüber DHA aufweist.
Aber auch die vor dem Prioritätstag des Streitpatents im Handel befindlichen Präparate Maxepa¨ (vgl. HE 6 unter "Proprietes" Abs. 1) und Eicosapen¨ (vgl. HE 7 unter "Zus.") mit einem Gehalt von jeweils etwa 18 Gew.-% EPA und 12 Gew.-% DHA liegen als Ausgangsprodukt für eine solche weitere Aufkonzentrierung im Blickfeld des Fachmanns. Mangels anderweitiger Angaben in der HE 8a bestand für den Fachmann auch keinerlei Anlass dahin, das in der HE 8a allgemein für Fisch-Rohöle beschriebene Aufarbeitungsverfahren nicht auch auf Rohöl aus Menhaden oder auf die im Handel befindlichen Fischöle Maxepa¨ oder Eicosapen¨ anzuwenden.
Diese Ausgangsmaterialien enthalten somit bereits herkunftsbedingt EPA, DHA sowie andere omega-3 C 20, C 21 und C 22 Fettsäuren und erfüllen damit die Merkmale 1 a bis 1 d, letzteres jedenfalls nach der gemäß HE 8a bevorzugten vorherigen Umesterung mit Methanol und Ethanol. Ebenso führt die weitere Aufkonzentrierung gemäß der Lehre der HE 8a zwangsläufig zu einer Fettsäurezusammensetzung mit mindestens 80 Gew.-% der omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wobei EPA und DHA mindestens 75 Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts ausmachen, sodass auch die Merkmale 2 und 4 erfüllt sind.
Ein Fettsäurekonzentrat mit dem Merkmal 3 ergibt sich ausgehend von Menhaden-Rohöl oder den Handelsprodukten Maxepa¨ oder Eicosapen¨. Denn die Fettsäurezusammensetzungen dieser Ausgangsprodukte weisen, wie bereits zuvor ausgeführt und anders als das Fisch-Rohöl aus Kabeljau mit einem Überschuss an DHA gegenüber EPA und demnach einem Verhältnis von EPA zu DHA kleiner Eins (vgl. DE 39 26 658 C2 S. 3 Z 61), jeweils ein Verhältnis von EPA zu DHA von etwa 1,5 auf, das im Zuge der Aufarbeitung mittels Harnstofffraktionierung sowie weiterer Konzentrationsschritte gemäß der Lehre der HE 8a im Wesentlichen unverändert bleibt (vgl. hierzu auch die vorveröffentlichte B4 S. 137 li. Sp. Abs. 2).
Für den Senat bestehen auch keinerlei Zweifel daran, dass sich die Zahlenwerte der Merkmale 2 bis 5 gemäß Patentanspruch 1 des Streitpatents bei Anwendung der Lehre der HE 8a auf Rohprodukte aus Menhaden sowie die Fischöle Maxepa¨ oder Eicosapen¨ von selbst einstellen. Denn wie in der Beschreibung des Streitpatents selbst explizit ausgeführt ist, kann nach dem Verfahren der Druckschrift HE 8b, bei der es sich um die aus der vorveröffentlichten Patentanmeldung HE 8a hervorgegangene Patentschrift handelt, und damit nach der Lehre der HE 8a gearbeitet werden, um zu den beanspruchten Fettsäurezusammensetzungen zu gelangen (vgl. DE 39 26 658 C2 S. 3 Z 11 bis 14). Da aber gleiche oder vergleichbare Verfahren regelmäßig zu gleichen oder vergleichbaren Produkten führen, muss dies auch für die anderen im Ausgangs-Rohöl vorhandenen omega-3 C 20, C 21 und C 22 Fettsäuren in einem Anteil von 3 bis 9,9 Gew.-% des Gesamtfettsäuregehalts und damit für das Merkmal 5 gelten.
Fettsäurezusammensetzungen mit den Merkmalen gemäß Patentanspruch 1 nach Hauptantrag waren deshalb bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents ausgehend von der Lehre der HE 8a ohne erfinderisches Zutun zugänglich, sodass dieser Patentanspruch mangels erfinderischer Tätigkeit keinen Bestand hat.
Gleiches gilt für Zusammensetzungen gemäß den Patentansprüchen 2 bis 5 nach Hauptantrag, die für einen Fachmann ausgehend von der Lehre der HE 8a mittels der dort angeregten weiteren Aufkonzentrierung ohne erfinderisches Zutun zu erhalten waren, ebenso wie für das Vorliegen der Fettsäuren in der beanspruchten Fettsäurezusammensetzung als Alkylester, speziell als Ethylester, gemäß den Patentansprüchen 6 und 7 nach Hauptantrag (vgl. HE 8a S. 13 Anspr. 1 u. 2 i. V. m. S. 6 le. Abs Z. 4).
Was die in Patentanspruch 2 expressis verbis benannten weiteren omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren (all-Z C21:5)-6, 9, 12, 15, 18 Heneicosapentaensäure, (all-Z C22:5)-7, 10, 13, 16, 19 Docosapentaensäure und (all-Z C18:4)-6, 9, 12, 15 Octadecatetraensäure anbelangt, so liegen diese als Nebenkomponenten von Natur aus bereits in dem betreffenden Fisch-Rohöl vor und werden im Zuge der in HE 8a vorbeschriebenen Aufarbeitungsverfahren, welche auch gemäß Streitpatent zum Einsatz gelangen sollen, zusammen mit den beiden Hauptkomponenten EPA und DHA in etwa entsprechend ihres natürlichen Verhältnisses aufkonzentriert (vgl. z. B. die vorveröffentlichte B4 Tables 1 and 2 i. V. m. S. 137 li. Sp. Abs. 2).
Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, inwiefern diesen nur in geringen Anteilen vorliegenden omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren ein die Patentfähigkeit begründender Beitrag zukommen könnte, zumal ein damit gegebenenfalls verbundener Effekt weder vorgetragen noch geltend gemacht worden ist.
b) Was eine Zusammensetzung zur Behandlung oder Prophylaxe von Mehrfachrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen, ein Verfahren zur Herstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung zur Behandlung oder Prophylaxe von Mehrfachrisikofaktoren für kardiovaskuläre Erkrankungen sowie eine pharmazeutische Zusammensetzung enthaltend eine Fettsäurezusammensetzung gemäß einem der Ansprüche 1 bis 7 nebst einem pharmazeutisch verträglichen Träger oder einem Verdünnungs- oder Streckmittel und damit die Gegenstände der Patentansprüche 8 bis 10 nach Hauptantrag anbelangt, so war diese Anwendung konzentrierter Fettsäurezusammensetzungen enthaltend omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren bzw. die betreffende medizinische Indikation für den Fachmann aufgrund des Standes der Technik nahegelegt. Denn wie bereits aus der Beschreibungseinleitung der HE 8a hervorgeht, zeigen gerade EPA und DHA einen therapeutischen Effekt in der Prävention und bei der Behandlung von Thrombosen und ischämischer Herzerkrankungen, senken zudem den Cholesterinspiegel und sind deshalb für medizinische Zwecke besonders geeignet (vgl. HE 8a S. 1 vorle. Abs bis le. Abs.), sodass sich die in den Ansprüchen 8 und 9 angegebene medizinische Anwendung für gemäß der Lehre der HE 8a aufkonzentrierte Fettsäurezusammensetzungen enthaltend EPA, DHA und andere omega-3 mehrfach ungesättigte Fettsäuren und damit auch eine entsprechende pharmazeutische Zusammensetzung dem Fachmann ohne erfinderisches Zutun erschließt.
Ohne Einfluss auf dieses Ergebnis bleibt auch die vorgenommene Änderung durch Streichung des Passus "oder ein Verdünnungs- oder Streckmittel" in Patentanspruch 9, die ebenso wie die ersatzlose Streichung des Patentanspruchs 10 zustande gekommen war, nachdem der Berichterstatter die Patentinhaberin und Beklagte darauf hingewiesen hatte, dass unter Patentansprüche 9 und 10 in der erteilten Fassung auch solche pharmazeutischen Zusammensetzungen fallen, die einen weitaus geringeren Gesamtanteil an EPA und DHA, beispielsweise entsprechend jenem der Handelsprodukte Maxepa¨ oder Eicosapen¨, enthalten.
Dahinstehen kann deshalb auch der Einwand der Klägerinnen, dass die nachträgliche, im Hinblick auf das einzige Ausführungsbeispiel einer pharmazeutischen Zusammensetzung des Streitpatents (vgl. DE 39 26 658 C2 S. 11 oben) vorgenommene selektive Streichung des Passus "oder ein Verdünnungs- oder Streckmittel" gegenüber der Beibehaltung des Passus "und einen pharmazeutisch verträglichen Träger" eine unzulässige Änderung darstelle und der seitens des Berichterstatters aufgezeigte Mangel diesbezüglich weiterhin bestehen bleibe.
c) Sofern die Beklagte auf einen erst bei Fettsäurezusammensetzungen mit einem Anteil von mindestens 80 Gew.-% einer Gesamtkonzentration von EPA und DHA zahlenmäßig besonders ausgeprägt auftretenden Triglycerid senkenden Effekt verweist, wobei sie auf die nachveröffentlichte Druckschrift B6 Bezug nimmt (vgl. B6, insbes. S. 22 Fig. 2), vermag dieser Effekt die Patentfähigkeit im beanspruchten Umfang nicht zu begründen.
Denn die Summe der Konzentrationen an EPA und DHA in der beanspruchten Fettsäurezusammensetzung liegt, wie sich aus der Multiplikation des Wertes für die Gesamtkonzentration an omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren mit den Gew.-% von EPA und DHA des Gesamtfettsäuregehalts ergibt, erst mit den Maßgaben des Patentanspruchs 5 gemäß Streitpatent bei 80 Gew.-% oder darüber, sodass der geltend gemachte Effekt nicht die Patentfähigkeit im Umfang der Patentansprüche 1 bis 4 sondern allenfalls im Umfang des Patentanspruchs 5 stützen könnte.
Darüber hinaus war eine Triglycerid-Senkung durch EPA und DHA, wie aus der HE 11 sowie aus der seitens der Beklagten zum Beleg des geltend gemachten Effekts der Triglycerid-Senkung angezogenen B6 hervorgeht, bereits vor dem Prioritätstag des Streitpatents in der Fachliteratur belegt (vgl. HE 11 Summary; B6 S. 20 li. Sp. Abs. 2 lit.cit.[12]). Von der Richtigkeit der Darstellung des Standes der Technik in der B6 hat sich der Senat anhand der darin zitierten Originalliteratur (vgl. Biochim.Biophys. Acta 922 (1987) 239-243 S. 239 li. Sp. bis re. Sp. Z. 5) überzeugt.
Schließlich stellt sich der als unerwartet und überraschend herausgestellte Effekt bei der Aufarbeitung und Aufkonzentrierung von Fisch-Rohöl aus Menhaden gemäß der Lehre der HE 8a sowie der darin auch beschriebenen Anwendung im Zuge der üblichen Messung der Blutfettwerte von selbst ein und vermag den Mangel an erfinderischer Tätigkeit deshalb nicht zu kompensieren.
Der Senat verweist diesbezüglich auf die Entscheidung "Kosmetisches Sonnenschutzmittel" (vgl. BGH GRUR 2003, 317-321), wonach ein zusätzlicher, wenngleich unerwarteter und überraschender Effekt einer Stoffkombination die erfinderische Leistung allein nicht zu begründen vermag, wenn diese Stoffkombination durch den Stand der Technik nahegelegt war. Dies ist auch hier der Fall.
3. Was den Hilfsantrag anbelangt, so ist der angegriffene Patentgegenstand auch in dieser geänderten Fassung der Patentansprüche 1 bis 9 nicht gewährbar.
Im Hinblick darauf, dass sich die darin vorgenommenen Bereichseinschränkungen weiterhin im Rahmen der Patentansprüche des Hauptantrags bewegen, gelten für den Hilfsantrag die Nichtigkeitsgründe des Hauptantrags, auf die vollumfänglich verwiesen wird.
III.
Bei dieser Sachlage brauchte auf die übrigen von den Klägerinnen eingeführten Druckschriften ebenso wenig eingegangen werden wie auf die weiteren von der Beklagten eingereichten Druckschriften und Erklärungen, aus denen sich keine Anhaltspunkte ergeben, die den Senat hätten zu einem anderen Ergebnis gelangen lassen können.
Ausschlaggebend ist nach Ansicht des Senats vielmehr, dass der Kenntnisstand zur Aufarbeitung und sowie zur Analytik von omega-3 mehrfach ungesättigten Fettsäuren am Prioritätstag des Streitpatents bereits so weit entwickelt war, dass es einem Fachmann ausgehend von der HE 8a unter Zuhilfenahme seines Fachwissens ohne weiteres möglich war, zum Gegenstand des Streitpatents zu gelangen. Selbst wenn sich dabei ein zusätzlicher, wenngleich unerwarteter und überraschender Effekt ergeben sollte, vermag dies die Patentfähigkeit nicht zu begründen - vgl. BGH GRUR 2003, 317-321 "Kosmetisches Sonnenschutzmittel".
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Dr. Schermer Engels Dr. Proksch-Ledig Dr. Egerer Zettler Pr
BPatG:
Urteil v. 27.11.2007
Az: 3 Ni 47/06
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