Amtsgericht Bonn:
Urteil vom 19. November 2013
Aktenzeichen: 82 OWi-400 Js 792/13-362/13
(AG Bonn: Urteil v. 19.11.2013, Az.: 82 OWi-400 Js 792/13-362/13)
Die Einwilligung in Werbeanrufe ist nur dann wirksam, wenn sie ausweislich der Einwilligungserklärung gegenüber dem eigentlichen Auftraggeber - der beworbenen Firma - erklärt wird.
Tenor
Die Betroffene wird wegen fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung im Zeitraum 23.02.2011 bis 29.02.2012 zu einer Geldbuße von 5.000,00 € verurteilt.
Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.
- §§ 30, 130 OWiG, § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG -
Gründe
I.
Die Nebenbetroffene ist eine kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Abs. 1 HGB mit 15 Mitarbeitern. Bei dem Unternehmen der Nebenbetroffenen handelt es sich um ein Telefonmarketingunternehmen. Im Jahre 2010 betrug die Bilanzsumme ausweislich des verlesenen Jahresabschlusses zum Geschäftsjahr 2010 183.749,10 € (Bl. 9 d.A.). Im Jahre 2011 wurde sie durch die X L GmbH & Co. KG, welche einen Buch- und Zeitschriftenverlag betreibt, als Kampagnenführer beauftragt, neue Kunden von Zeitschriften-Abonnements anzuwerben.
Die X L GmbH & Co. KG ist vertraglich verbunden u.a mit der G B1 T1 J GmbH (G.B1.T1.J.), deren Unternehmensgegenstand u.a. die Vermittlung der Rückholung von kranken und verletzten Personen per Fluggerät ist, und der Firma E W N und F GmbH (E.W.S.), deren Unternehmensgegenstand u.a. der An- und Verkauf von Videofilmen und artverwandten Produkten sowie die Werbung und Verwaltung von Mitgliedern des Videoclubs deutscher Videoring ist.
Im Rahmen der Beauftragung durch die X L GmbH & Co. KG übergab die Firma E.W.S. der Nebenbetroffenen Blanko-Gewinnspielkarten. Auf der Vorderseite der entsprechenden Karten heißt es: "Ich will dich! Jetzt mitmachen und einen Mini Cooper gewinnen!" Desweitern sind auf der Vorderseite das Logo der G.B1.T1.J. und das Logo der Zeitschrift Stern abgebildet. Auf der Rückseite der Karte heißt es vor dem Unterschriftenfeld zudem: "Ja, ich bin damit einverstanden, dass mit der E.W.S. Waren und Dienstleistungen telefonisch anbietet und zu diesem Zweck meine vorstehenden Daten genutzt und gespeichert werden dürfen. Der Widerruf ist jederzeit möglich." Eine diesbezügliche Auswahloption ist nicht vorhanden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Blanko-Gewinnspielkarte auf Bl. 73 und 73 R d.A. verwiesen. Diese Gewinnspielkarten wurden sodann von der Nebenbetroffenen selbständig potentiellen Kunden zur Unterschrift vorgelegt, d.h. die Kontaktdaten der später telefonisch kontaktierten Personen wurden durch die Nebenbetroffene selbst generiert.
Zwischen dem 23.02.2011 und 29.02.2012 kam es zu folgenden fünf Werbeanrufen, die die Nebenbetroffene im Auftrag der Firma X L GmbH & Co. KG durch ihre Mitarbeiter durchführte und wobei sie sich auf die Einwilligungserklärungen der angerufenen Verbraucher bezog, welche im Rahmen der Gewinnspielkarten generiert worden waren:
Lfd. Nr
Rufnummer des angerufenen Verbrauchers
Datum
Anzeigenerstatter
Produkt/Stichwort
1.
...#/...
23.02.2011
Frau
K I1
B-Straße
...# P
Zeitschriftenabo
2.
...#/...
21.04.2011
Herr
N1 G
F-Weg
...# O
Zeitschriftenabo
3.
...#/...
14.06.2011
Frau
B2 L
T-Straße
...# T2
Zeitschriftenabo
4.
...#/...
02.12.2011
Frau
J1 K1
C-Straße
...# D
Zeitschriftenabo
5.
...#/...
29.02.2012
Frau
J2 N1
I-Straße
...# T4
Zeitschriftenabo
Bei allen fünf Anrufen meldete sich ein Anrufer der Nebenbetroffenen, der den angerufenen Verbrauchern den Abschluss eines Zeitschriftenabonnements anbot. In den Fällen der angerufenen J2 N1 und der angerufenen B2 L erhielten diese unter dem 06.03.2012 bzw. dem 28.06.2011 ein Schreiben der Nebenbetroffenen, mit welchem diese Frau N1 bzw. Frau L als neue Leserinnen der Zeitschrift Hörzu bzw. Merian begrüßen und einen Hotelgutschein als Dankeschön übersenden (Bl. 42 d.A. und Bl. 46 d.BA.).
Infolge der Anzeigen der betroffenen Verbraucher erließ die Bundesnetzagentur nach Anhörung der Nebenbetroffenen am 24.05.2013 einen Bußgeldbescheid und setzte eine Geldbuße von 5.000,00 € fest.
Hiergegen wendet sich die Nebenbetroffene mit Einspruch vom 05.06.2012 in zulässiger Weise.
II.
Die Feststellung beruhen auf den eigenen Angaben des Verteidigers der Nebenbetroffenen im Hauptverhandlungstermin, dem verlesenen Jahresabschlusses zum Geschäftsjahr 2010 (Bl. 9 d.A.) und der in Augenschein genommenen Blanko- Gewinnspielkarte (Bl. 73, 73 R d.A.), deren Aufdruck verlesen wurde.
III.
Die Nebenbetroffene hat gemäß § 30 Abs. 1 OWiG durch eine ihrer Leitungspersonen fahrlässig eine Aufsichtspflichtverletzung gemäß § 130 Abs. 1 OWiG begangen, da sie gegenüber Verbrauchern durch ihre Mitarbeiter ohne wirksame Einwilligung mit fünf Telefonanrufen Zeitschriftenabonnements bewerben ließ.
Die Nebenbetroffene hat sich dahingehend eingelassen, es liege eine wirksame vorherige Einwilligung in Form der ausgefüllten Gewinnspielkarten vor. Der E.W.S. gehöre zu der beworbenen Firma X L GmbH & Co. KG, so dass sich die Einwilligung auch auf Werbeanrufe zugunsten der X L GmbH & Co. KG erstrecke. Zudem fehle es am Vorsatz. Die Nebenbetroffene sei von der Wirksamkeit der selbst generierten Einwilligungserklärungen ausgegangen. Schließlich liege auch keine Aufsichtspflichtverletzung vor. Die Mitarbeiter der Nebenbetroffenen seien von dieser angewiesen worden, die Anrufe durchzuführen und hätten diese dann auch regelkonform durchgeführt.
Eine wirksame Einwilligung liegt den Anrufen nicht zugrunde. Eine ausdrückliche Einwilligung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 OWiG setzt u.a. voraus, dass der Adressat konkret um einen Anruf zum Zweck der Werbung gebeten hat und die Einwilligung für den konkreten Anruf erteilt wurde. Vorliegend bestehen bereits Bedenken an der Wirksamkeit der Einwilligung dahingehend, dass der Gewinnspielteilnehmer die Einwilligung nicht ausdrücklich erteilen musste, sondern sie automatisch im Rahmen der Mitteilung der persönlichen Daten im Rahmen der Gewinnspielteilnahme erfolgte. Jedenfalls steht der Wirksamkeit der Einwilligung jedoch entgegen, dass die Einwilligung gegenüber dem E.W.S. erfolgte und nicht gegenüber der X L GmbH & Co. KG, welche die tatsächliche Auftraggeberin der Werbeanrufe war. Zwar ist diese mit dem E.W.S. nach eigenen Angaben vertraglich verbunden. Dies war jedoch für den Verbraucher nicht erkennbar. Schließlich hat der Verbraucher auch lediglich in die Bewerbung von Waren und Dienstleistungen des E W eingewilligt. Hiervon kann allenfalls die Bewerbung von Waren im Rahmen des An- und Verkaufs von Videofilmen und artverwandten Produkten erfasst sein, nicht hingegen die Bewerbung von Zeitschriftenabonnements, denn hiermit musste der Verbraucher bei Unterschriftleistung keinesfalls rechnen. Dem steht auch nicht entgegen, dass auf der Vorderseite der Gewinnspielkarte das Logo der Zeitschrift Stern aufgedruckt ist. Dieses Logo steht in keinem erkennbaren Zusammenhang zu der abgegebenen Einwilligungserklärung und ist daher für die Frage der Wirksamkeit der abgegebenen Einwilligungserklärung nicht von Relevanz.
Eine Leitungsperson der Nebenbetroffenen hat eine Aufsichtspflichtverletzung i.S.d. § 130 OWiG begangen, so dass es zu fünf unerlaubten Werbeanrufen gemäß § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG durch die von ihr angewiesenen Mitarbeiter der Nebenbetroffenen gekommen ist. Dadurch, dass eine Leitungsperson der Nebenbetroffenen mit der X L GmbH & Co. KG einen Vertrag zur Durchführung von Werbeanrufen abschloss und ihr Mitarbeiter anwies, die Teilnehmer des Gewinnspiels anzurufen und ihnen gegenüber im Auftrag der X L GmbH & Co. KG Zeitschriftenabonnements zu bewerben, ohne dass eine wirksame Einwilligung vorlag, hat die Leitungsperson der Nebenbetroffenen Aufsichtsmaßnahmen unterlassen, welche erforderlich gewesen wären, um in dem Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen § 7 UWG zu verhindern. Zu einer Verhinderung entsprechender Zuwiderhandlungen war die handelnde Leitungsperson jedoch als Verantwortliche verpflichtet.
Die Leitungsperson der Nebenbetroffenen handelte jedenfalls fahrlässig. Die Unwirksamkeit der generierten Einwilligungserklärungen und der damit einhergehende Verstoß gegen § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG war bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt leicht erkennbar und drängte sich geradezu auf, insbesondere weil es sich bei der beworbenen Firma X L GmbH & Co. KG nicht um die Firma E.W.S., gegenüber die Einwilligungen abgegeben wurden, handelte. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Nebenbetroffene dargelegt hat, die Firma X L GmbH & Co. KG sei vertraglich mit der E.W.S. verbunden. Denn dies war für den Gewinnspielteilnehmer offensichtlich nicht erkennbar, was sich auch der Leitungsperson der Nebenbetroffenen bei gewissenhafter Prüfung aufdrängen musste.
Die Nebenbetroffene sollte auch durch den Verstoß bereichert werden. Dem Werbeanruf ist eine Bereicherungsabsicht immanent, da dieser mit dem Ziel der Absatzförderung von Waren und Dienstleistungen getätigt wird.
Der Nebenbetroffenen ist die Aufsichtspflichtverletzung ihrer Leistungsperson nach § 30 Abs. 1 OWiG zuzurechnen. Allein eine Leistungsperson i.S.d. § 30 Abs. 1 OWiG konnte hier den Vertrag mit der X L GmbH & Co. KG abschließen und diesen Auftrag in das Unternehmen an die Mitarbeiter weitergeben.
III.
Die Nebenbetroffene ist mit einer Geldbuße zu belegen, die in der festgesetzten Höhe tat- und schuldangemessen ist. Die Zuwiderhandlungen können mit einer Geldbuße bis zu fünfzigtausend Euro bestraft werden (§ 20 Abs. 2 a.F. UWG i.V.m. § 130 Abs. 2 OWiG). Grundlage der Bemessung der Geldbuße sind die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und der Vorwurf, der den Täter trifft. Auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters kommen in Betracht (§ 17 Abs. 3 OWiG).
Zu Gunsten der Nebenbetroffenen war die geringen Anzahl der Werbeanrufe, die angespannten finanziellen Situation, die geringe Größe der Nebenbetroffenen und der seit den Anrufen bereits verstrichenen langen Zeitraums zu berücksichtigen.
Unter Berücksichtigung der oben genannten Umstände ist eine einheitliche Geldbuße in Höhe von 5.000,00 € verhängt worden.
V.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 OWiG, 465 StPO.
AG Bonn:
Urteil v. 19.11.2013
Az: 82 OWi-400 Js 792/13-362/13
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