Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Juli 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 269/99

(BPatG: Beschluss v. 31.07.2000, Az.: 30 W (pat) 269/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

In das Markenregister ist unter der Nr 395 46 541 eingetragen die Marke Steinexfür die Waren

"Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Arzneimittel zur Prophylaxe und Therapie von Steinerkrankungen wie Gallen- oder Nierensteine".

Die Bekanntmachung ist am 20. August 1996 erfolgt.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der rangälteren, seit 14. Juni 1994 für die Waren

"Pharmazeutische Erzeugnisse"

eingetragenen Marke 2 067 567 Steiner.

Die Markeninhaberin hat im patentamtlichen Verfahren die Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat zur Glaubhaftmachung der Benutzung Auszüge aus der "Roten Liste" vorgelegt.

Die Markenstelle hat mit näheren Ausführungen im Beschluß des Erstprüfers die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, im Erinnerungsverfahren eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr hingegen verneint und den Widerspruch zurückgewiesen.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Zur Glaubhaftmachung der Benutzung hat sie eine eidesstattliche Versicherung über die Jahresumsätze der mit "Steiner" gekennzeichneten pharmazeutischen Erzeugnisse, eine Präparateübersicht sowie Preislisten vorgelegt. In der mündlichen Verhandlung hat sie weiterhin ein Etikett eines Glases "Harntee-Steiner" sowie eine Einkaufstüte, die mit verschiedenen Präparatenamen der Widersprechenden versehen ist, übergeben. Weiter führt die Widersprechende zur Benutzung aus, aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Arzneimittel "Calcium Dago-Steiner", "Harntee-Steiner" und "Solidago Steiner". Ferner werde die Marke "Steiner", da es sich um das Firmenschlagwort der Widersprechenden handele, in Zusammenhang mit allen Präparaten als Zweitmarke benutzt. Dies ergebe sich aus der überreichten Präparateübersicht und den Preislisten, die die Marke "Steiner" am oberen rechten Rand führten. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Beschwerdebegründung vom 23. März 2000 Bezug genommen.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluß der Markenstelle aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zur Begründung ist ausgeführt, aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich nicht, in welcher Form die Widerspruchsmarke benutzt werde. Diese erscheine niemals in Alleinstellung, sondern in Zusammensetzung mit anderen Bezeichnungen, die den kennzeichnenden Charakter der Marke veränderten. In der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin ausgeführt, wegen der fehlenden Angabe von Einzelumsätzen fehle es an einer ausreichenden Glaubhaftmachung der Benutzung. Auch die Eintragung in der "Roten Liste" lasse keine Aussage über den Umfang der Benutzung zu. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Beschwerdeerwiderung vom 10. Juli 2000 verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist in der Sache ohne Erfolg.

Der Widerspruch ist bereits deshalb zurückzuweisen, da die Widersprechende auf die erhobene Nichtbenutzungseinrede (§ 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG) eine rechtserhaltende Benutzung nicht glaubhaft gemacht hat (§§ 43 Abs 1 Satz 3, 43 Abs 2 Satz 2, 152 MarkenG).

Die Nichtbenutzungseinrede ist im Hinblick auf die seit 1994 eingetragene Widerspruchsmarke zulässig. Sie wurde auch im Beschwerdeverfahren erneut erhoben, so daß die Frage, ob eine zunächst unzulässige Nichtbenutzungseinrede nach Ablauf der Benutzungsschonfrist ohne erneute Geltendmachung fortwirkt (so BPatG, Beschluß vom 13.01.2000, 25 W (pat) 69/99, Rhoda-Hexan/Sota-Hexal, PAVIS-Proma, Kliems), vorliegend keiner Entscheidung bedarf.

Die Ausgestaltung des Benutzungszwangs im registerrechtlichen Markenverfahren ist dem Beibringungs- oder Verhandlungsgrundsatz unterstellt. Der Widersprechenden obliegt es demgemäß, die bestrittene Tatsache rechtserhaltender Verwendungshandlungen durch eine nachvollziehbare Darstellung aller zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen tatsächlichen Umstände darzulegen. Glaubhaft zu machen ist die Verwendung der Marke nach Art, Zeit und Umfang. Aus den vorgelegten Unterlagen muß sich eindeutig ergeben, in welcher Form, in welchem Zeitraum und in welchem Umfang die Benutzung erfolgt ist (Althammer/Ströbele, MarkenG, 5. Aufl, § 43 Rdn 29).

Diesen Anforderungen genügt die Glaubhaftmachung der Widersprechenden nicht.

Die von ihr vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 1. März 2000 erstreckt sich nach ihrem Wortlaut pauschal auf die Jahresumsätze der mit "Steiner" gekennzeichneten phamazeutischen Erzeugnisse. Diese Formulierung läßt bereits im Unklaren, ob sich die angeführten Umsätze auf sämtliche in der gleichzeitig übermittelten Präparateübersicht aufgeführten ... Produkte bezieht oder nur auf diejenigen Erzeugnisse, bei denen das Widerspruchszeichen Bestandteil der Erstmarke ist. Für die erstere Annahme spricht, daß der Schriftsatz der Widersprechenden vom 22. März 2000 sowohl auf die pharmazeutischen Erzeugnisse, bei denen "Steiner" Bestandteil des Präparatenamens ist, als auch auf diejenigen Produkte Bezug nimmt, die das Widerspruchszeichen angeblich als Zweitmarke führen. In gleicher Weise bezieht sich die vorgelegte eidesstattliche Versicherung auf die mit "Steiner" gekennzeichneten Erzeugnisse und mithin auf die gesamte Produktpalette.

Abgesehen davon, daß ein jährlicher Gesamtumsatz von zuletzt ungefähr ... DM nicht geeignet ist, die Benutzung aller oder auch nur einzelner Produkte aus der Präparateliste glaubhaft zu machen, ist es dem Senat mangels Vorlage entsprechender Präparatemuster nicht möglich, zu überprüfen, ob insoweit auch eine ausreichende markenmäßige Benutzung vorliegt. Zum einen läßt sich ohne Vorlage derartiger Muster nicht feststellen, ob die Marke lediglich firmenmäßig verwendet wird und keinen Bezug zu einer bestimmten Ware aufweist, was zur Folge hätte, daß eine markenmäßige Verwendung in diesen Fällen ausscheidet (Althammer/Ströbele aaO § 26 Rdn 9, 46). Weiterhin kann ohne entsprechende Muster auch bei einer - unterstellten - Kennzeichnung in Gestalt einer Zweitmarke nicht festgestellt werden, ob diese Kennzeichnung von der Art ihrer Anbringung oder den Größenverhältnissen gegenüber der Erstmarke völlig zurücktritt und demgemäß ebenfalls nicht relevant ist (Althammer/Ströbele aaO Rdn 46).

Jedoch auch wenn man entsprechend der vom Vertreter der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung geäußerten Annahme davon ausgeht, daß sich die in der einstweiligen Verfügung genannten Umsätze nur auf die Produkte "Calcium Dago-Steiner", "Harntee-Steiner" und "Solidago Steiner" beziehen, liegt eine ausreichende Glaubhaftmachung nicht vor.

Zwar ist es nach § 26 Absatz 3 Satz 2 MarkenG ohne Belang, ob die Marke in der konkreten Benutzungsform ebenfalls eingetragen ist (vgl BGH, Beschluß vom 15.12.1999, I ZB 29/97 - FRENORM/FRENON; veröffentlicht in juris).

Für eine markenmäßige Benutzung des Widerspruchszeichens kommen indes die Produkte "Calcium Dago-Steiner" und "Solidago Steiner" nicht in Betracht, da die dortigen Zeichenbestandteile "Dago" und "Solidago" nicht erkennbar beschreibend sind, diese Zusätze - auch bei einem unterstellten normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke - eine relevante Veränderung des kennzeichnenden Charakters bewirken und insbesondere nicht hinter dem Bestandteil "Steiner" zurücktreten. Wegen der bereits dargelegten Unklarheiten im Bereich der angeblichen Zweitkennzeichnung kann auch diese nicht herangezogen werden.

Demgegenüber kommt der Präparatenamen "Harntee-Steiner" für eine markenmäßige Benutzung des Widerspruchszeichens vom Grundsatz her in Betracht, da der Bestandteil "Harntee" rein beschreibend ist und die Hinzufügung dieser Sachangabe den kennzeichnenden Charakter unberührt läßt. Da aber auch insoweit Angaben zu den Einzelumsätzen fehlen, ist auch dieses Präparat keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer ernstlichen und wirtschaftlich sinnvollen Benutzung. Insoweit genügt auch die Eintragung in die "Rote Liste" nicht, da eine Aufnahme in dieses Verzeichnis allein auf die Initiative des Herstellers zurückgeht und nicht einen entsprechenden Warenumsatz widerspiegeln muß (vgl auch BPatG, Beschluß vom 13.01.2000, 25 W (pat) 8/99 - Neuro-Fibraflex/Neuro-Vibolex, PAVIS Proma, Kliems).

Gerichtliche Aufklärungshinweise nach § 82 Absatz 1 Satz 1 Markengesetz in Verbindung mit §§ 139 Absatz 1, Absatz 2, 278 Absatz 3 ZPO waren nicht veranlaßt. Insbesondere war der Senat nicht gehalten, die Widersprechende auf die erforderliche Konkretisierung ihres Vortrags und die Vorlage weiterer Mittel zur Glaubhaftmachung der bestrittenen Benutzung hinzuweisen. Die richterliche Aufklärungspflicht findet dort ihre Grenzen, wo Hinweise die Stärkung der prozessualen Position einer Partei und damit gleichzeitig eine entsprechende Schwächung der Stellung der anderen Partei nach sich ziehen. Insoweit ist streng auf das Gebot der Unparteilichkeit zu achten (Althammer/Ströbele aaO § 43 Rdn 25; Thomas/Putzo-Reichhold, ZPO, 22. Aufl, § 139 Rdn 1).

Es bestand vorliegend auch keine unklare Rechtslage, die es hätte rechtfertigen können, daß sich die Widersprechende auf einen ergänzenden Hinweis durch das Gericht verläßt. Die hier angesprochenen Grundanforderungen an die Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung sind vielmehr in ständiger Rechtsprechung geklärt (Althammer/Ströbele aaO Rdn 25 aE).

Hinzu kommt, daß die Widersprechende bereits im Rahmen des patentamtlichen Verfahrens auf die geltenden Anforderungen zur Glaubhaftmachung einer Benutzung hingewiesen worden ist. Auf die damals - allerdings noch unzulässig erhobene - Nichtbenutzungseinrede hat die Widersprechende Kopien aus der "Roten Liste" vorgelegt. In dem angefochtenen Beschluß des Erinnerungsprüfers ist ausgeführt, daß ein derartiges Vorbringen den Anforderungen an eine Glaubhaftmachung nicht genügt. Im Beschwerdeverfahren hat die Markeninhaberin nach Vorlage weiterer Unterlagen zur Glaubhaftmachung die hier maßgeblichen Rechtsfragen angesprochen. Sie hat insbesondere ausgeführt, daß sich aus den vorgelegten Unterlagen nicht ergebe, in welcher Form die Widerspruchsmarke benutzt werde, und weiterhin auf die Veränderung des kennzeichnenden Charakters bei den zusammengesetzten Präparatenamen hingewiesen. Aus diesen Rechtsausführungen ist ersichtlich, daß es für die Frage der Benutzung maßgeblich auf die Einzelumsätze der in ihrem kennzeichnenden Charakter am wenigsten veränderten Präparatebezeichnung "Harntee-Steiner" ankommen wird.

Angesichts dieser Sachlage ist ein Aufgreifen der gegnerischen Rechtsausführungen durch das Gericht und ggf eine Präzisierung in Gestalt eines richterlichen Hinweises nicht geboten. Die Neutralitätspflicht des Gerichts hätte insbesondere ein weiteres Zuwarten mit einer Entscheidung bis zu dem Zeitpunkt, in dem sich die Widersprechende ggf zu einer Präzisierung ihrer Glaubhaftmachung bereit und in der Lage sieht, verboten.

Auf die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke war deshalb bereits aufgrund der begründeten Nichtbenutzungseinrede die Beschwerde zurückzuweisen, so daß es weiterer Ausführungen zur Verwechslungsgefahr nicht bedurfte.

Eine Kostenauferlegung (§ 71 Abs 1 MarkenG) ist nicht veranlaßt.

Dr. Buchetmann Sommer Schrammbr/Hu






BPatG:
Beschluss v. 31.07.2000
Az: 30 W (pat) 269/99


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/30a3ad178ad7/BPatG_Beschluss_vom_31-Juli-2000_Az_30-W-pat-269-99




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share