Bundespatentgericht:
Beschluss vom 1. April 2008
Aktenzeichen: 27 W (pat) 2/08
(BPatG: Beschluss v. 01.04.2008, Az.: 27 W (pat) 2/08)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Widersprechende hat gegen die am 17. Februar 2000 veröffentlichte Eintragung der am 13. Juli 1999 angemeldeten, für Klasse 01: Kunstharze im Rohzustand, Kunststoffe im Rohzustand; chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke; Klebstoffe für gewerbliche Zwecke;
Klasse 40: Dienstleistung in Bezug auf die chemische Umwandlung von Abfallkunststoffen in neue Kunststoffegeschützten Marke Nr. 399 41 344 BERECOL unbeschränkt Widerspruch eingelegt aus ihrer am 10. Februar 1996 angemeldeten und seit 27. August 1996 für Klebstoffe für gewerbliche Zwecke; Tapetenkleister; Spachtelmasse; Düngemittel; Farben und Färbemittel; Grundierungen für Farben und Bautenschutzanstriche; Holzbeize; Klebstoffe für den Haushalt; Dichtungsmaterial; Fugenkitt; Isolierfarben; Baumaterial, nicht aus Metall; Fertigputz und Mörtel; Formstabile, für den Transport von Massengütern zweckmäßige Verpackungsbehälter aus nachwachsenden Rohstoffen wie Holz der natürlichen Fasern; für lebende Pflanzen geeignete Pflanzbehälter aus nachwachsenden Rohstoffen sowie Holz oder natürlichen Faserneingetragenen Marke Nr. 396 06 164 BRÜCOL.
Die Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 16. September 2004 den Widerspruch mangels hinreichender Markenähnlichkeit zurückgewiesen, weil die Klangbilder beider Zeichen deutlich differierten.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Ihrer Ansicht nach sind die gegenüberstehenden Marken schriftbildlich und klanglich insbesondere bei Berücksichtigung der möglichen anderen Schreibweise des Umlauts "Ü" in der Widerspruchsmarke als "UE" kollisionsbegründend ähnlich.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 16. September 2004 aufzuheben und die Marke Nr. 399 41 344 wegen des Widerspruchs aus der eingetragenen Marke Nr. 396 06 164 zu löschen.
Der Markeninhaber hat innerhalb der ihm gesetzten Äußerungsfrist zur Beschwerde keine Stellung genommen und auch keinen Antrag gestellt.
II. A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Die Markenstelle hat zu Recht und mit zutreffender Begründung, der sich der Senat anschließt, den Widerspruch wegen mangelnder Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen.
1. Die Eintragung einer Marke ist auf den Widerspruch aus einer prioritätsälteren Marke nach den vorgenannten Vorschriften zu löschen, wenn zwischen beiden Zeichen wegen Zeichenidentität oder -ähnlichkeit und Warenidentität oder -ähnlichkeit unter Berücksichtigung der Kennzeichnungskraft des älteren Zeichens die Gefahr von Verwechslungen einschließlich der Gefahr, dass die Marken miteinander gedanklich in Verbindung gebracht werden, besteht. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehen die vorgenannten Komponenten miteinander in einer Wechselbeziehung, wobei ein geringerer Grad einer Komponente durch den größeren Grad einer anderen Komponente ausgeglichen werden kann (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 [Rz. 16 f.] - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 [Rz. 19] - Lloyd/Loints; BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions). Der Schutz der älteren Marke ist dabei aber auf die Fälle zu beschränken, in denen die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens durch einen Dritten die Funktionen der älteren Marke, insbesondere ihre Hauptfunktion zur Gewährleistung der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen gegenüber den Verbrauchern, beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte (vgl. EuGH GRUR 2003, 55, 57 f. [Rz. 51] - Arsenal Football Club plc; GRUR 2005, 153, 155 [Rz. 59] - Anheuser-Busch/Budvar; GRUR 2007, 318, 319 [Rz. 21] - Adam Opel/Autec).
2. Nach diesen Grundsätzen ist der Grad der Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen in schriftbildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht erkennbar zu gering, um selbst bei unterstellter Waren- und Dienstleistungsidentität und durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke bedürfte es nach der oben genannten Wechselwirkungstheorie bei unterstellter Waren- und Dienstleistungsidentität eines nicht nur geringen Grades an Zeichenähnlichkeit, um eine Verwechslungsgefahr zu begründen. Einen solchen Grad erreicht die Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Zeichen jedoch weder in schriftbildlicher noch in klanglicher oder begrifflicher Hinsicht.
a) Marken sind als ähnlich anzusehen, wenn ihre Übereinstimmungen in der Erinnerung von nicht nur unmaßgeblichen Teilen der durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Abnehmer (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605 - Libertel; GRUR 2004, 943, 944 - SAT.2), an welche sich die jeweils beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten, die daneben vorhandenen Unterschiede nach dem Gewicht, das ihnen in der jeweiligen Marke zukommt, so stark überwiegen, dass die betreffenden Verkehrskreise die Zeichen nicht mehr hinreichend auseinander halten können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. 2006, § 9 Rn. 118 m. w. N. [Fn. 311]).
Die Ähnlichkeit von Marken ist grundsätzlich aufgrund ihres jeweiligen Gesamteindrucks unabhängig vom Prioritätsalter zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 1998, 397, 390 Tz. 23 - Sabèl/Puma; GRUR 2005, 1043, 1044 [Rz. 28 f.] - Thomson Life; GRUR 2006, 413, 414 [Rn. 19] - SIR/Zirh; BGH GRUR 2000, 233 f. - Rausch/Elfi Rauch); hierbei sind ihre Übereinstimmungen oder Abweichungen im Bild, im Klang und in der Bedeutung umfassend zu ermitteln, wobei berücksichtigt werden kann, welche Bedeutung diesen Aspekten beim Vertrieb der jeweiligen Waren oder Dienstleistungen zukommt (vgl. EuGH GRUR 2006, 413, 415 [Rn. 28] - SIR/Zirh). Eine Ähnlichkeit in nur einem dieser drei Aspekte begründet zwar nicht notwendig die Annahme einer Verwechslungsgefahr (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21 f.] - SIR/Zirh), kann aber im Einzelfall ausreichen (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 21] - SIR/Zirh; BGH GRUR 1959, 182, 185 - Quick; GRUR 1979, 853, 854 - LILA; GRUR 1990, 367, 368 - alpi/Alba Moda; GRUR 1992, 110, 112 - dipa/dib; GRUR 1992, 550, 551 - acpharma; GRUR 1999, 241, 243 - Lions), sofern nicht die Übereinstimmungen in einem Aspekt durch die bestehenden Unterschiede in den anderen neutralisiert werden (vgl. EuGH a. a. O. [Rn. 35]- SIR/Zirh).
b) Eine gewisse Übereinstimmung zwischen beiden Marken ist lediglich insoweit gegeben, als beide mit dem Buchstaben "B" beginnen, den Konsonanten "R" enthalten und dieselbe Endsilbe "COL" haben. Deutliche Unterschiede bestehen demgegenüber in den der Endsilbe "COL" vorangehenden Silben "BE-RE" in der angegriffenen Marke bzw. der (einzigen) Silbe "BRÜ" in der Widerspruchsmarke, was entgegen der Ansicht der Widersprechenden bei einer abweichenden Schreibweise des Umlauts "Ü" als "UE" erst recht gilt. Infolge dieser Unterschiede wirken beide Marken in ihrem für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr allein maßgeblichen Gesamteindruck nicht nur optisch völlig andersartig, sondern weisen ein voneinander abweichendes Klangbild auf, das selbst bei flüchtiger Wahrnehmung noch erkennbar bleibt.
In schriftbildlicher Hinsicht ergibt sich dies schon daraus, dass bei der angegriffenen Marke die Wiederholung des Vokals "E" vor und nach dem Konsonanten "R" heraussticht und dem Verkehr selbst bei ungenauer Erinnerung der Marke noch erinnerlich bleibt. Klanglich wiederum wirkt sich die abweichende Silbenzahl - die angegriffene Marke hat drei, die Widerspruchsmarke nur zwei Silben -, die deutlich auffallende abweichende Aussprache des Umlauts "Ü" in der Widerspruchsmarke gegenüber dem in der angegriffenen Marke zweifach wiedergegebenen Vokal "E" und deren das Klangbild der Konsonantenfolge "B-R" in beiden Marken stark verändernde Eigenschaft so deutlich aus, dass die angesprochenen Verkehrskreise selbst bei flüchtiger Wahrnehmung beider Zeichen keine Mühe haben, sie auseinander zu halten. Da die Zeichen begrifflich wiederum erkennbar keine Gemeinsamkeiten haben, liegt - wenn überhaupt - allenfalls ein am untersten Rand liegender Grad an Markenähnlichkeit vor, der nach den oben genannten Grundsätzen selbst bei Waren- und Dienstleistungsidentität und bei Annahme durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke eine Verwechslungsgefahr erkennbar nicht begründen kann.
3. Da die Markenstelle somit den Widerspruch zu Recht zurückgewiesen hat, war die Beschwerde zurückzuweisen.
B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
Dr. Albrecht Kruppa Schwarz Me
BPatG:
Beschluss v. 01.04.2008
Az: 27 W (pat) 2/08
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